Titel des Monats April 2014:
»Die schwarze Nonne« von Virginia Doyle

Auf Verbrecherjagd mit Meisterkoch und Amateurdetektiv Jacques Pistoux
Was Virginia Doyles charmanter Held Jacques Pistoux auf seinen Reisen durch Europa Ende des 19. Jahrhunderts erlebt, passt auf keine kriminalistische Speisekarte. Ob auf einem englischen Landsitz, einem Mittelmeerkreuzschiff, in Sizilien, Wien, dem Elsass, Nürnberg oder Hamburg – er gerät überall in abenteuerliche Kriminalfälle – und in die jeweilige Küche des Landes. Autorin Virginia Doyle im Interview über die Vorzüge ihres Helden, das Reisen und natürlich die Liebe zum Kochen.

Autorin Virginia Doyle im Interview
Im Mittelpunkt Ihrer sieben historischen Krimis steht der Meisterkoch und Amateurdetektiv Jacques Pistoux, die Bände drehen sich neben Mord und Todschlag um vorzügliches Essen und sind mit zahlreichen Rezepten versehen – sie müssen also selbst leidenschaftliche Köchin sein, oder?
Geboren im Schatten der Kathedrale von Canterbury wuchs ich als Tochter englischer Schauspieler und Musiker auf, die in den 1970er Jahren ständig unterwegs waren. Mal im Van, mal im großen Bus mit vielen Anderen gondelten wir durch Italien, Südfrankreich und Spanien. Irgendwann blieben wir in einem Künstlerdorf auf Mallorca hängen. Meine Eltern versuchten Tomaten zu züchten, dann Orangen, dann Süßholz. Na ja. Irgendwann erbten sie etwas Geld und setzten sich zur Ruhe. Ich bummelte die Côte d'Azur entlang bekam einen Job als Kellnerin in einem Hotel und landete schließlich in der Küche, fing mit Zwiebelschälen an und endete beim Zerteilen blutiger Filets. Über die Gardemange kam ich nie hinaus, aber der Chef bot mir eines Tages überraschend den Posten der Sommelière an. Da ich keine Ahnung von Wein hatte, folgte ein Crashkurs im gut sortierten Weinkeller. Danach waren wir verlobt. Als im Keller (im übertragenen Sinne) eine Leiche auftauchte, ging ich wieder auf Wanderschaft. Nach einer Zeit im verregneten England landete ich im verregneten Wien, im verregneten Elsass und schließlich im verregneten Hamburg. Corgis habe ich übrigens nie gezüchtet, das war ein PR-Gag meines ersten Verlags. Ich mag Katzen.
Pistouxs Abenteuer führen ihn quer durchs Europa des 19. Jahrhunderts – von England über das Meer nach Sizilien, Österreich, das Elsass und Nürnberg bis nach Hamburg. Und überall taucht er voller Neugier und Begeisterung in die landesübliche Küche ein. Welche liegt Ihnen persönlich denn am meisten?
Nun ja, in Hamburg kocht man ähnlich wie in England, das passt zum Wetter und kann mitunter lebensbedrohlich werden. Ich mag eher die mediterrane Küche, wobei die Sizilianer und die Spanier meine Lieblinge sind ... Leidenschaft und ein gewisses Feuer am Gaumen mögen da eine Rolle spielen. Die Österreicher reden sehr viel von ihren reizvollen rustikalen Spezialitäten und kochen sie dann so, als hätten sie vergessen, was sie gerade gesagt haben. Ein richtig gutes Wiener Schnitzel bekommt man eher in Hamburg. Elsass? Im Elsass habe ich Deutsch gelernt und erfahren, dass es sogar gute Würste geben kann. In Nürnberg war ich nur kurz. Sie haben leckere Lebkuchen und auch gute Bratwürste, könnten aber von den Elsässern einige Feinheiten lernen (die die Elsässer aber gerade im Begriff sind zu verlernen ... aber wir wollen jetzt nicht das melancholische Lied von der Globalisierung des Geschmacks und der Industrialisierung der Esskultur singen ...)

Die "Soupe au pistou" natürlich. Feines junges Gemüse mit weißen Bohnen, einfach in Wasser gegart und dazu ein selbst gemachtes Pesto (eben das Pistou), das erst bei Tisch eingerührt wird. Ansonsten liebe ich Fisch, möglichst schlicht zubereitet, und probiere immer was Neues aus. Meine besondere Leidenschaft gilt den Sardinen – gebraten, gebacken, sauer eingelegt, in Öl oder einfach nur roh mit etwas Meersalz. Mit meiner Bourride sêtoise habe ich mal als Amateurin in einer Hamburger Hotelküche Eindruck geschunden, als ich einen Job brauchte und vorgab, bei Bocuse gelernt zu haben – Karotten, Mangold und Lauch sehr fein schneiden, schmoren, Seeteufelfilets darauf garen und eine Aioli einrühren.
Was hat Sie dazu veranlasst, die Handlung im 19. Jahrhundert anzusiedeln?
Nostalgie? Fluchtgedanken? Tatsächlich liebe ich die Literatur des 19. Jahrhunderts, die englische wie die französische, am meisten Abenteuerromane wie die von Stevenson oder Dumas, Dickens oder Zola. nicht unbedingt die Frauen. Ursprünglich wollte ich das 18. Jahrhundert literarisch bereisen, aber als ich genauer darüber nachdachte, verging mir der Mut. Zum einen, weil es sehr weit entfernt von meiner Welt war, zum anderen, weil die geschichtlichen Ereignisse so beeindruckend waren ... allein die Französische Revolution! Mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam ich besser klar, verstand mehr von den Menschen. Wichtig war mir immer, mit einer Postkutsche oder einem Segelschiff reisen zu können – bloß nicht mit einem bunt bemalten Omnibus auf eine überfüllte Fähre!
Was schätzen Sie an ihrem Helden neben seinen Kochkünsten und seinem Gerechtigkeitssinn, der ihn immer wieder in gefährliche Situationen schlittern lässt?
Er ist sehr groß, schlank, muskulös – eine beeindruckende Erscheinung. Er ist höflich und immer korrekt, aber er kann zupacken, wenn es nötig ist. Er weiß, was die Liebe ist und dass die Leidenschaft zuerst kommt – was heutzutage ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Dass er außerdem flink mit dem Messer ist, muss ich wohl nicht extra ausführen. Auch das hat seinen Nutzen.

Womit beschäftigen Sie sich denn neben dem Schreiben und Kochen gerne?
Daneben gibt es kaum etwas zu tun, oder woher nehmen Sie die Zeit? Nun gut, ich reise gern und viel. In Hamburg habe ich eine gewisse Leidenschaft für interessante Charaktere und das Glücksspiel entwickelt. Eine Zeitlang war ich mit einem jüngeren Mann in Monaco tätig. Seither ist es nicht unbedingt nötig, für Geld zu arbeiten. Ab und zu aber tauche ich ab ... er hat die plötzliche zwangsweise Trennung von mir nicht verwunden. Aber nach fünf Jahren ist es nur natürlich, dass eine Frau woanders Trost sucht, oder?
Worüber haben Sie sich zuletzt besonders gefreut?
Man soll so etwas nie laut sagen, eigentlich nicht mal denken, aber ich bin realistisch: Der Tod einer bestimmten Person war mehr als nur eine Erleichterung. Halten Sie mich nicht für hartherzig. Aber seither habe ich wieder eine korrekte Postadresse und konnte den kleinen Bereitschaftskoffer neben der Hintertür auspacken und die muffigen Sachen lüften. Ansonsten: Es kam ein Brief von einer Bekannten aus Hamburg, darin erzählt sie mir von einer eigenartigen Begebenheit, die sich vor über hundert Jahren dort ereignet hat, eine grauenhafte Geschichte, wirklich sehr schaurig. Ich frage mich, ob man daraus nicht einen finsteren, hinterlistigen Roman machen könnte. Aber ich komme ins Plaudern, und das geht Sie gar nichts an!
Und zu guter Letzt: Wenn Sie selbst Protagonistin in einem Text Ihrer Wahl sein könnten – wer wären Sie?
In einem fremden Text möchte ich nicht auftauchen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich in einem Film noir ganz gut aufgehoben wäre – ein Typ zwischen Michelle Morgan und Lauren Bacall. Ich hatte eine farbenfrohe Kindheit, das lernt man das Monochrome zu schätzen. Eine Romanfigur? Keine Frau, die etwas auf sich hält sollte sich mit weniger als Emma Bovary zufrieden geben. Aber: Wenn sie »Die schwarze Nonne« aufmerksam lesen, werden sie merken, dass hier ein gewisses Quantum Autobiografisches mitschwingt. Der Küchejunge, der ein Mädchen war, der Franzose, der den Engländern zeigt, wie man mit Kochlöffel und Officemesser umgeht ... Wandel der Geschlechter, Schauspielerei, Begegnungen mit zweifelhaften Damen ... das Drama einer Flucht, Verlorengehen, wieder gefunden werden ... einmal Vagabund ewig Vagabund ... mir liegt so einiges auf der Zunge, aber ich muss jetzt zurück in die Küche mein Lammragout überprüfen. Wissen Sie, Geschmortes im eigenen Saft ist doch das Leckerste ...
Vielen Dank Frau Doyle, dass Sie sich Zeit genommen haben!
»Die Schwarze Nonne« ist der erste Teil der siebenbändigen Jacques Pistoux Reihe und spielt in England. Die Titel der Reihe sind inhaltlich abgeschlossen und bieten einen umfangreichen und mit dem Haupttext verlinkten Rezeptteil.

Der erste Band der Reihe zum Aktionspreis:
bis 30. April statt 4,99 EUR nur 2,99 EUR
Was der französische Meisterkoch und Amateurdetektiv Jacques Pistoux auf seinen Reisen durch Europa erlebt, passt auf keine kriminalistische Speisekarte. Unsere Empfehlung zum heutigen Verbrechensmenü: ein englisches Landhaus voller Leichen, Jahrgang 1876, mit anstößiger Note und fanatischem Abgang!
Seiten: 207
Erscheinungsform: Neuausgabe
ISBN: 978-3-95607-042-6
Aktionspreis: statt 4,99 EUR jetzt 2,99 EUR
Weiterführende Infos
Die komplette Jacques Pistoux Reihe im Überblick
Virginia Doyles Webseite (Gangsterbüro)