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Mal Cashmere, mal Persil

©2015 254 Seiten

Zusammenfassung

Seit zwanzig Jahren ist Anna Sander mit dem erfolgreichen Unternehmer Heinrich verheiratet. Teure Kleidung, regelmäßige Besuche in Edelrestaurants und der obligatorische Urlaub auf Sylt gehören für sie zum Alltag. Die Katastrophe bricht in Gestalt einer blutjungen langbeinigen Blondine mit Zahnpastalächeln über Annas heiles Familienleben herein. Und Anna tut, was jede betrogene Ehefrau in dieser Situation tun würde – sie sucht Zuflucht bei ihrer besten Freundin in Kampen. Die Insel tut Anna gut, bringt sie auf andere Gedanken und nicht nur die Insel ...
Denn plötzlich taucht ein charmanter Unbekannter auf – Konkurrenz für Heinrich?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Susanne von Loessl

Mal Cashmere, mal Persil

Roman

Copyright der E-Book-Originalausgabe © 2015 bei hey! publishing, München

Originalausgabe © 1994 bei Langen Müller

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: FinePic®, München

ISBN 978-3-95607-178-2

www.heypublishing.com

Anna Sander stand mit ihrem Wagen an der Verladerampe des Autozuges in Niebüll. Regen klatschte an die Scheiben, der Wind tobte sich in den Silberpappeln aus. Die Tagestemperatur betrug 17 Grad, schließlich war Sommer. Genauer gesagt, Mitte August.

Es ist eigentümlich, wenn Katastrophen auf einen zukommen, herrscht, um dem Ganzen noch mehr Würze zu geben, nieseliges Herbstwetter, plötzlicher Wintereinbruch, ein mieser Sommer, oder man hat zumindest eine saftige Erkältung. Irgend etwas kommt mit Sicherheit als kleines Extra hinzu: das Sahnehäubchen des Schicksals. Bei Anna hatte sich das Schicksal für den miesen Sommer entschieden. Die lauen Sommerabende fanden in diesem Jahr im Pullover statt oder bei voll aufgedrehten Heizungen.

Anna wußte nicht, wie sie es bis Niebüll geschafft hatte, sie fühlte sich leer, hohl, ausgeheult. Ganz abgesehen davon, war sie in ihrem Zustand eine permanente Verkehrsgefährdung, aber in solchen Fällen setzt der liebe Gott offenbar einen pummeligen Schutzengel auf den Kühler, eine Art »Himmlischen Airbag«.

An Annas Scheibe wurde geklopft.

»Nun machen Se mal, daß Sie weiterkommen! Die Ampel ist grün, andere wollen auch noch mit! Ich hasse Frauen am Steuer und ganz besonders schwerhörige!«

Der Dicke im bischofslila Freizeitlook tippte sich an die Halbglatze und verschwand.

Anna hatte das Hupen nicht gehört, sie war immer noch unter Schock. Heinrich, Annas Heinrich seit über zwanzig Jahren, wollte sie verlassen. Wollte weg von ihr. Nicht mehr mit ihr zusammenleben.

Anna wurde in die untere Hälfte des Autozuges eingewiesen. Kein Gefühl von Freiheit und Abenteuer, bei der Fahrt über den Hindenburgdamm. Wieder so ein kleines Extra: unten. Fast dunkel. Viel Eisen und dicke Drahtseile.

Gedankenverloren betrachtete Anna ihren – was stand da – Autozug-Sylt-Beförderungsschein. Sie las, daß sie eine Preisberechtigungslänge bis 6 Meter hatte. Ihr Gehirn nahm langsam den Normalbetrieb wieder auf.

Was auf solchen und ähnlichen Scheinen an verquerem Deutsch zustande kommt, treibt einem die Nackenhaare zur fröhlichen Punkerbürste. Solche Sätze zu bauen muß doch mit einem enormen Zeitaufwand verbunden sein.

Anna faltete den Schein – großes N, Nummer 0243576 – zusammen, sah noch, daß oben rechts »Gültig zur Rückfahrt 2 Monate« stand, na dann.

Ratternd und schaukelnd verließen sie Klanxbüll. Klanxbüll, dachte Anna, da möcht ich nicht tot überm Zaun hängen. Na also. –

Der Zug durchfuhr die feuchten, dem Meer abgewonnenen Wiesen. In dieser territorialen Grauzone kämpfen Mensch und Meer seit ewigen Zeiten gegeneinander, mal gewinnt der eine, mal der andere. Hier hatte der Mensch gewonnen, es weideten Schafe auf der Wiese und – typisch Schaf – nicht eines sah zu dem vorbeirauschenden Zug hoch; aber wahrscheinlich fahren mittlerweile schon so viele Züge auf die Insel, daß die Schafe nicht mehr zum Fressen kämen, wenn sie jedesmal hochgucken würden, dachte Anna.

Diesmal standen die Schafe zur Linken, Gott sei Dank! Jeder weiß, stehen sie rechts, können sie einem gleich zu Beginn eine Reise vermiesen. Der Einfluß des Schafes auf das menschliche Wohlbefinden.

Anna dachte zum ersten Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden etwas ganz anderes. War sie auf dem Wege der inneren Erholung, Genesung, Besserung? Man wird sehen. Jedenfalls ganz so trist waren ihre Gedanken nicht mehr, ließen sie doch schon wieder »Allgemeines« zu.

Sie kramte in der Tüte, die ihr in Niebüll von einer Regenjacke mit Kapuze zugesteckt worden war. Darauf stand in großen Lettern: DAS LEBEN IN SEINER GANZEN FASZINATION GENIESSEN! Am liebsten hätte sie die Tüte aus dem Fenster gefeuert, aber das darf und macht man nicht. Aus purer Langeweile blätterte Anna in den beigelegten Zeitschriften, wohlbemerkt, keine neuen Zeitschriften, auch Remittenden müssen unter die Leute!

Sie las ihr Horoskop. Sie las es zweimal. STIER 21.4.-20.5. »Führt nach außen hin eine Vorbildehe, hat VENUS im Zeichen. Intern nervt …« – das stand da wirklich, so salopp »… nervt der Partner mit Lapalien; MARS: unterstützt Seitensprunggefahr. Den Tip, daß sie im Urlaub die Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor nicht vergessen sollte, den las sie schon nicht mehr. Das andere war das Wichtige und traf 100 % ins Schwarze.

Anna, die sonst solchen Astro-Schnickschnack gar nicht ernst nahm, war betriebsblind in ihrem Kummer. Denn sollte diese Voraussage allgemein zutreffen, müßte eine Welle von Trennungen und Scheidungen die Welt erfassen, zumindest bei den Stiergeborenen. Außerdem war die Zeitung vom 15. Juni und wahrscheinlich nicht einmal von diesem Jahr. Anna riß die Seite aus, um sie Christiane zu zeigen.

Christiane hatte Anna gestern abend telefonseelsorgerisch betreut, sie zu mindestens zwei Gläsern Rotwein verdonnert und befohlen: »Morgen kommst du auf die Insel. Aber schlaf dich aus!« Erst gegen Mittag war Anna dann aus der nächtlichen Rotwein-Narkose erwacht. Sie hatte drei Tassen Espresso gefrühstückt und versucht, sich das Blei von der Seele zu duschen; hatte sich sommerlich warm angezogen, Unnützes eingepackt, einen Zettel für Frau Becker, ihre Haushälterin, hingelegt und war wie in Trance nach Niebüll losgefahren.

Verschwommen konnte Anna durch den Regen die Keitumer Kirche ausmachen. Ihr war kalt, ihre Seele klamm. Sie nahm vom Rücksitz ihren Cashmereschal und wickelte soviel Anna wie möglich hinein. Der Zug erreichte Westerland. Dort, wo sonst Urlauber neu ankommende Freunde und Verwandte erwarten, stand heute nur ein bayerischer Regenschirm, plakatierte in Großbuchstaben: SAUWETTER.

Christiane war da. Eine rasche, nasse Begrüßung, schon wieder wurde gehupt – nichts wie einsteigen, durchstarten und ab nach KÄMPEN.

Christiane war mit »Nachbars«, wie sie sich ausdrückte, nach Westerland reingefahren, um Anna abzuholen. Und das mitten in der Hochsaison, das war Freundschaft.

Anna heulte wieder, das war Rührung. Ab jetzt war sie nicht mehr allein mit ihrem Kummer.

»Anna Sander, ich habe wirklich keine Lust auf Nordseeklinik, laß mich mal ans Steuer. Es ist ja ein Wunder, daß du heil angekommen bist.«

Die Heckenrosen wucherten Anna ihr »Herzlich Willkommen« durch den Regen entgegen, und das Haus schluckte sie in seine reetdachgedeckte Gemütlichkeit. Es duftete nach Kaffee und frisch Gebackenem. Anna plumpste in den Sessel und ihre Seele auch.

Nicht nur Kinder, auch Tiere sind unberechenbar, lassen sie doch den Erwachsenen oftmals keine Chance zu ausgiebiger Freude oder Tränen. Sie sind da und erwarten, daß man sie beachtet. Und wie! So erging es Anna mit Fiete, Christianes »Sylter Mutation«, Heinrichs Worte. – Ach Heinrich. Weiter kam Anna nicht mit ihren Gedanken. Fiete ergriff Besitz von ihr. Ohne Rücksicht auf Sessel und Kleidung. Seine Freude war grundehrlich und kam aus vollem Hundeherzen – man konnte ihm also nicht böse sein.

Christiane und Frau Bahnsen, die gute Seele, zerrten mit vereinten Kräften an Fiete, doch je mehr sie zogen, um so mehr ergriff Fiete Besitz von Anna: Endlich ein netter Besuch, außerdem war Anna eine Lieblingsbekannte von Fiete. Sie war von seiner Anhänglichkeit gerührt, fast schon wieder zu Tränen. Endlich besann Fiete sich seiner in den Genen gelagerten englischen Vorfahren und rollte sich brav von einer Sekunde zur anderen an Annas Füßen zusammen. Im Haus war man von Fiete ganz andere Aktionen gewohnt. Es kam vor, daß er aus heiterem Himmel eines von zwei herumstehenden Damenbeinen umklammerte, um sich schonungslos und in aller Öffentlichkeit daran zu amüsieren. Hinzu kam, daß er ein Faible für ältere Semester, beziehungsweise deren Beine, hatte.

Jeder hat Phantasie genug, um sich dieses Fiete-Fiasko auszumalen, wenn die Damen so unauffällig wie möglich versuchten, den Hund vom Bein zu schütteln. Heinrich hatte immer gesagt: »Nicht hinsehen, Anna, wir KENNEN diesen Hund NICHT!« – Ach Heinrich!

Nach Fiete kam nun auch Frau Bahnsen dazu, Anna zu begrüßen. Sie sagte nichts weiter, nahm Anna stumm in die Arme, strich ihr über Wange und Haar, dann erreichte auch Frau Bahnsens Augen die Schneeschmelze. »Ich hol nur schnell die Sahne«, schnüffelte sie, und weg war sie in Richtung Küche.

»Sahne«, protestierte Anna.

»Sahne«, nickte Christiane, »meinst du, es bekommt dir und der gesamten Situation, wenn du aussiehst wie Rosinante in Jil Sander? Iß, mein Herz. Und danach reden wir.«

In einer Freundschaft darf es keine gesetzlichen Feiertage, keine Ruhezeiten oder einen Tag- und Nachtrhythmus geben. Richtige Freunde erreicht man rund um die Uhr. Ganzjährig. Genau so eine Freundschaft verband Anna mit Christiane.

Kennengelernt hatten sie sich 1972, Annas Philipp war noch kein Jahr alt, machte die ersten Kriechversuche im Sand.

Christianes Maximilian, fast vier Jahre alt und schon ein »kracheter« Bayer, hatte Philipp einen mit Schlick, Sand und Tang gefüllten Eimer über den Kopf gestülpt. Philipp schrie, so gut es der Eimer zuließ.

Aus der Ferne hörte man eine Stimme »Max!« rufen. »Max, wo steckst du? Max! Was hast du angestellt?«

Mit schnellem Schritt, so gut man eben durch Sand laufen kann, eilte die Stimme plus Flattermutter in Richtung Kindergeschrei. Es mußte sich um die Mutter handeln, Rufe von Müttern sind weltweit erkennbar, schon wegen der vielen Ausrufezeichen, die darin enthalten sind.

»Max!« Christiane sah erst auf Philipp mit dem Eimer, dann auf die daneben stehende Mutter, die ohne Erfolg an dem Eimer zerrte. Flink erteilte sie aus dem rechten Handgelenk dem kleinen indianerbraunen Urbayern eine kräftige Ohrfeige, bevor sie mit der linken Hand, ohne Schwierigkeiten, Philipp den Eimer von den Ohren zog, Entschuldigung sagte und lachte.

Anna und Christiane standen sich gegenüber.

»Wenn es irgendwo schreit, ist meistens mein Max nicht weit. Ich rufe schon automatisch nach ihm, die Wahrscheinlichkeit, daß er der Übeltäter ist, liegt bei neunzig Prozent.«

»Halb so wild«, lachte Anna, »wer weiß, was mir mit meinem Sohn noch alles bevorsteht.«

Nebenbei säuberte sie ihren Philipp, pustete ihm Sand aus den Wimpern.

»Sie sind aber eine Ausnahme«, erwiderte Christiane. »Die meisten Mütter schreien und plärren genauso wie ihre Kinder, nur schriller und mit noch mehr Phon.«

»Mein Gott«, sagte Anna, »Phipps hat die Geburt überstanden, da wird er wohl noch mit einem Eimer Schlick fertig werden.«

Sie lächelte.

»Ich bin Anna Sander.«

»Ich bin Christiane Melchinger.«

Das war er: der Urknall einer wundervollen Freundschaft.

Beide Frauen verbrachten die Ferien in Kämpen. Anna wohnte im Bergentenweg, Christiane in der Alten Dorfstraße. Anna kam ans Hamburg, Christiane aus München.

Sie rückten ihre Strandkörbe zusammen und hatten sich umgehend viel zu erzählen, viel zu sagen, während Max sich mit dem Kriechwurm, wie er Philipp nannte, arrangierte. Er zeigte eine völlig maxfremde Geduld mit dem Kleinen, denn Philipp kroch ihm überall hinterher.

Im nächsten Jahr ging es dann schon besser, und ungefähr drei Jahre später wurde es für Anna und Christiane ein richtiger Urlaub. Da scheuchten sie sich nicht mehr gegenseitig hoch mit: »Die Kinder!« Da war Ruhe, richtige Ruhe und nicht mehr verdächtige. Jeden Sommer lernte Philipp bayerisch, jeden Sommer etwas mehr.

Schon im zweiten Sommer hatten Christiane und Anna es so eingerichtet, daß Lorenz aus München und Heinrich aus Hamburg wenigstens für ein langes Wochenende dabei waren. Lorenz Melchinger, Architekt in München; Heinrich Sander, Pumpen und Filtertechnik, kam aus Hamburg. Es klappte bestens. Zu viert saßen sie im Kamp-Kroog, nahmen Drinks bei Karlchen – unvergeß­lich sein Planter’s Punsch – schwooften im Pony oder Village und tanzten Nächte durch nach der Musik von Barry White: »My first, my last, my everything.« Glückliche Zeiten.

Und auch die Kinder konnte man von Jahr zu Jahr mehr abends sich selbst überlassen. Erstens gab es Frau Bahnsen, die einen Narren an ihnen gefressen hatte, zweitens waren Max und Philipp Wachs in den Händen von Frau Bahnsen. Ein Wunder, daß weder Anna noch Christiane ansprachen, geschweige hinterfragen wollten. Wie oft hatten die Kinder gesagt: »Wir kommen nicht mit euch mit, Frau Bahnsen macht uns Kartoffelpuffer.

Und vorlesen tut sie auch«, zwitscherte Philipp dem schlechten Gewissen seiner Mutter hinterher.

»Seeluft macht müde, in längstens einer halben Stunde schlafen sie sowieso«, beruhigte Christiane ihre Freundin.

Anna wohnte mit ihrer Familie auch in dem Bendixschen Haus in der Alten Dorfstraße, umgeben von anderen netten, sandigen Urlaubern. Fast jeden Tag konnte man draußen frühstücken, herrliches Sylter Schwarzbrot mit dicker Butter, dazu Milchkaffee eimerweise, mit frisch unter der Henne weggezogenen Eiern und einer Leberwurst, bei der selbst Lorenz Melchinger seine bayerischen Augen verdrehte. Auch wenn Lorenz und Heinrich nicht jedes Jahr die gesamten Ferien auf der Insel verbringen konnten, für zwei lange Wochenenden klappte es immer.

Im Bendix-Haus kannte mit den Jahren jeder jeden, wußte um Freud und Leid der zugehörigen Festland-Mischpoche, man war sich sanft vertraut. Nur einmal kam es fast zum Eklat, dank der freundlichen Mithilfe von Max und seinem gelehrigen Schüler Philipp. Gräfin Werauchimmersiewar – von den Miturlaubern so betitelt – hatte sich samt Sohn, von Max kurz »Babygraf« genannt, auch bei Bendix einquartiert. Der arme kleine Graf mußte bei der Affenhitze Blazer und Flanellhosen tragen, was Christianes Max veranlaßte, die Gräfin im Vorübergehen mit »Kinderschänderin« zu betiteln.

Das Geschrei der edlen Dame war von Hörnum bis List zu hören. »Eine Stimme wie eine Sirene«, meinte Christiane später. »Aber keine griechische.« So Anna. Ihr Philipp hatte nämlich noch ein »Du Tierquäler« dazugesetzt, mehr wußte er noch nicht, in seinem Alter. Und Philipp fing auch die schallende Ohrfeige ein, von gräflicher Hand mit Wonne ausgeteilt. Geschrei auf der ganzen Linie. Alles, was Beine hatte im Bendix-Haus und in der Nachbarschaft, strömte zusammen. Phipps entrüstete sich lautstark und wütend: »Die Gräfin Scheißinteich hat mir eine geklebt!«, worauf sich der Rasen in Windeseile leerte. Anna zog Philipp mit sich, Max war sowieso verschwunden, genauso wie die Gräfin samt Kind. Frau Bahnsen hatte das erledigt, das war sie »ihren Kindern« schuldig.

Mit Einschulung von Max Melchinger mußten die Ferien geplant werden. Mit Einschulung von Philipp Sander war das Generalstabsarbeit. Unterschiedliche Bundesländer, unterschiedliche Ferien, aber gemeinsame Strandtage.

Ein paar Jahre später kam für die Jungens die Reiterhof-Phase, dennoch ließen sich weder Sanders noch Melchingers von ihrem Sylturlaub abbringen. Wie immer ein Genuß ohne Reue.

Lediglich Frau Bahnsen fehlten die Kinder in diesen Jahren; die zähmten aber lieber Ponys.

»Hab ich beim Räumen gefunden«, sagte Frau Bahnsen und wedelte mit einem Foto von 1975. Jetzt war 82. Es zeigte Heinrich, Anna, Christiane und Lorenz lachend und beinebaumelnd auf dem Friesenwall vor dem Gogärtchen. Die Männer trugen Pullover aus Uwe’s men shop, Lorenz in Rot, Heinrich in Blau. »Uwe’s« stand in großen Buchstaben quer über der Brust. Herrlich bekloppt, aber damals war es »In«, ein absolutes Muß. »Forever in blue jeans«, sang Neil Diamond in diesem Sommer, und Anna und Christiane zeigten ihre langen, braunen Beine in franseligen Jeansröcken!

Heinrichs Mutter hatte bei Ansicht des teuren Stücks ihre hanseatische Nase in Falten gezogen:

»Das Stück ist ja kaputt. Wie kann man nur« und irgend etwas von Schickimickiferienfummel gebrabbelt. Bevor Mutter sagen konnte: »Und dafür muß mein Heinrich arbeiten«, hatte Anna schnell die Schranktür geschlossen.

Das waren die Zeiten vor der großen Gelbjacken-Invasion. Kämpen boomte unter sich. An Bühne 16 spielten nebeneinander Sachs, Orsini, Beitz und Flick im Sand. Durch die berühmte Whisky-Straße knatterten die internationalen Sportwagen, aber mit Niveau. – Es gab noch keine Ampeln, jedenfalls nicht so viele. Heute hat eine Drückampel durchaus ihre Berechtigung, kann doch ein in die Jahre gekommener Playboy hier eine kurze Rast einlegen, statt wie früher mit drei, vier großen Sprüngen zwischen den Flitzern durchzuhechten.

Auch die gemütliche Kampener Sauna hatte ihre Pforten geschlossen; der Eigentümer anders disponiert, schlicht mehr Miete verlangt und von anderen auch gerne bekommen. Dieser Immobilien-Hickhack war selten zum Vorteil der Insel.

Bascheks Sauna war Latschenkiefer mit Ambiente; Anna und Christiane hatten dort manchen Abend verbracht, waren zwischen den Saunagängen in das riesige Faß im Hinterhof getaucht, hatten mit Gott und der Welt geklönt und anschließend die verlorene Flüssigkeit mit trockenem Weißwein ersetzt.

Damals war Saunieren noch keine Weltanschauung, man durfte miteinander reden, heute erntet man bereits für einen harmlosen Lacher strafende Blicke, die signalisieren: Ruhe, hier tut man etwas für die Gesundheit!

Es war Ende der siebziger Jahre, da schloß auch der Milchmann, der mit den besten Frikadellen der Insel, seine Pforten. Auf dem Weg zum Strand hatten sie bei ihm ihren Proviant besorgt und nicht zu vergessen: die Bild-Zeitung. Jeder hatte sie damals unter dem Arm, im Strandbeutel, in der Bermuda, um sie später am Festland wieder schnöde von sich zu weisen. Aber in der Saison quollen gegen Abend die Papierkörbe am Strand davon über. Lesen und gesehen werden hieß die Devise, fast jeden Tag kraxelte ein Reporter durch die Dünen, um abends seine Beute im Hamburger Stammhaus abzuliefern. Die »schönen Reichen« war das Thema.

Zur nachträglichen Beruhigung: Auch die hatten normale Figurprobleme und waren nackt und abgeschminkt nicht leicht zu erkennen. Das gab dann den »Wissen-Sie-Sie-sehen-aus-wie«-Effekt. Manch langbeinige Blondine schmiß daraufhin die Löwenmähne – drei Kilo Haarteil – nach hinten, stackste von dannen, indigniert durch die Ganzkörper-Beleidigung.

1983 stieß Fiete zu ihnen. Max hatte ihn an der Sturmhaube gefunden. Er war mit Absicht vergessen worden.

Das bißchen Hund bekommen wir auch noch groß, hatte Christiane gesagt. Sie konnte zu dem Zeitpunkt nicht ahnen, zu welch stattlicher Höhe und Länge sich das Bündel Hund auswachsen würde.

Im nächsten Sommer bekam das Planungs- und Architekturbüro Melchinger, München, einen Großauftrag der Saudis. Es war das erste Jahr, als Christiane, sie war schon auf der Insel (wieso eigentlich?), Anna beim ersten gemeinsamen Abendessen im Landhaus Stricker, bei Hausente mit Pilzpiroggen, erklärte: »Anna, halt dich fest. Ganz fest! Ich bleibe für immer auf der Insel.«

Anna erbleichte unter ihrem Make-up. Wurde fast durchsichtig. »Bleib ganz ruhig« sagte Christiane. »Ich bin es auch. Der Hintertreppenroman, den ich dir erzählen werde, hat es in sich. Doch zuerst das Positive: Mir gehört seit gestern das Bendix-Haus in der Alten Dorfstraße.«

Um Haaresbreite hätte Anna, die auf den Schreck einen herzhaften Schluck Rotwein genommen hatte, Christiane denselben ins Gesicht geprustet. Aus Freundschaft hatte sie sich lieber verschluckt. Nachdem sie einige Minuten in die Serviette gehustet hatte, konnte Christiane fortfahren.

Sie berichtete, daß Inken Bahnsen, der gute Hausgeist, sie in München angerufen hatte – aufgeschreckt wie drei Perlhühner, denen der Hackklotz drohte —, denn Bendixen wollten verkaufen!

Anna fragte dazwischen, wieso wollten sie so plötzlich verkaufen?

Bei Bendixen war es nicht anders, als in Hunderten von anderen Familien auch, erfuhr Anna. Sohn Hinnerk wollte dies, Tochter Sünje wollte das mit dem Haus machen. Der alte Bendixen sah sich schon in der Mansarde oder im Anbau sein Altenteil fristen. Kurzentschlossen sagte der olle Bendixen zu seiner Meta: »Weißt du wat, min Deern, wi verköpt dat Huus, un wie god nach Majorka. Jawoll!«

»Da habe ich zugegriffen. Ich hatte noch einiges Geld zur Verfügung. Ein Dannenbergsches Erbe schlummerte still vor sich hin auf einer bayerischen Bank.« Sei bemerkt, Christiane war eine geborene von Dannenberg, mit Brauerei, Wald und Forst im Hintergrund sowie einigen jungfräulichen Großtanten.

Nachdem Friederike, Elisabeth und Clara, die Tanten, viel Gutes für verlassene Tiere und die katholische Kirche getan hatten, blieb dennoch ein »richtiges Geld«, wie die Bayern sagen, für Christiane übrig.

Anna sah ihre Freundin an: »Christiane, warum bleibst du auf der Insel? Das ist doch nicht einfach nur so.« Sie wischte mit der Hand durch die Luft.

»Nein, nein, durchaus nicht. Da ist noch die Hintertreppe. Das Negative – das Haar in der Suppe.« In diesem Moment betrat eine größere Gruppe Rhein/Ruhr lautstark mit viel Kettengedöns, die Damen und Herren waren geschmückt wie die Schellenbäume, das friedliche Landhaus Stricker. Gegacker, Gekicher, bis einer meinte: »Jupp, sach doch watt.«

Jupp besann sich seiner Eigenschaft als Maître de plaisir. »Tja«, strahlte er den Ober an: »Mir haben’ne Tisch beschteilt, auf Direktor Schmitz, Herrenhausen. Für zwanzisch Uhr dreisisch, datt isset doch. Woll?«

»Wir zahlen«, sagte Anna, »zu Hause ist es gemütlicher.«

Christiane nickte. »Ich habe einen wunderbaren Rotwein, der steht schon seit drei Sommern im Bendix-Keller. Der ist heut grad recht. Komm.«

Schweigend fuhren sie zurück. Das Haus war erleuchtet, Frau Bahnsen, die gute Seele, hielt Stallwache.

Als hätte Christiane Annas Gedanken erraten, sagte sie: »Frau Bahnsen bleibt. Ich bin sehr froh.«

»Ich auch«, sagte Anna. »Sie ist schon ein Teil der Familie geworden, findest du nicht?« Christiane nickte.

Frau Bahnsen hatte sich noch nicht hingelegt. Sie ließ es sich nicht nehmen, »den Mädchen« noch das Feuer im Kamin anzuzünden. »Nee, nee, Sie beiden machen mir da immer zuviel Wirtschaft.« Mit »Gute Nacht, Kinners« war sie dann verschwunden.

Anna und Christiane waren allein, den Rest der Hausgäste hatte das Kampener Nachtleben geschluckt.

Das Licht der flackernden Scheite im Kamin, dazu der Schein der Lampe verbreiteten Behaglichkeit, Christiane erzählte:

»Es war ungefähr vor zwei Monaten, mittags, ich saß in meiner kleinen Werkstatt und arbeitete«, Christiane war studierte Restauratorin. Ihr Beruf war immer noch wichtig für sie, sie nahm nur soviel Arbeit an wie »Rind und Kind« (O-Ton) es zuließen.

»Anna«, hatte sie einmal gesagt, »es ist wundervoll, wenn du eigenes Geld verdienst, um dir eventuell damit einen Hut zu kaufen, den du gar nicht brauchst.«

An jenem Tag, Christiane hatte eine pfriemelige Arbeit vor sich, eine Miniatur aus dem 18. Jahrhundert, da läutete das Telefon; da sie allein im Haus war, hob sie ab.

Eine fröhliche Stimme meldete sieh:

»Guten Tag, Reisebüro Cook, Ihre Tickets sind da.«

»Tickets?«

»Ja, nach Hongkong. Haben Sie das vergessen? Sie waren doch letzte Woche mit Ihrem Mann bei uns«, flötete die Stimme. »Sollen wir die Tickets schicken, oder holt Ihr Mann sie ab?«

Christianes Gehirn startete durch.

»Nein, bitte ins Büro schicken.«

»Huch«, kickste die Stimme. »Hier steht es, auch noch mit Textmarker notiert; manchmal ist man auch zu blöd. Ich schicke sie per Boten ins Büro. Entschuldigen Sie die Störung. Trotzdem gute Reise.« Der Uppercut saß.

Sehr oft bringen arglose Wesen, wie in diesem Fall Fräulein Unbekannt aus dem Reisebüro, ganze Leben zum Einsturz, ziehen den Boden unter den Füßen weg, schieben einen auf Nebengleise; und das alles mit weichgespülten Stimmen.

»Christiane«, erwiderte Anna. »Manchmal bringen diese arglosen Wesen, wie du sie nennst, auch Klarheit in Hochnebelfelder, durch die man schon länger orientierungslos tappert.«

»Mit meinem Elchgeweih paßte ich in keine Münchner Tram«, lächelte Christiane tapfer. »Die Insel wird mir guttun, der Wind wird mir den Kopf freiblasen. Bitte halte mich nicht für kleinkariert, spießig oder ähnlich bürgerlich zugemauert. Anna, wir leben in einer Konsumgesellschaft, das weiß ich, aber das überträgt man doch nicht auf eine Beziehung, nicht auf die Liebe. Anna, ich weiß nicht, wie lange ich das Telefon angestarrt habe. Ich weiß es nicht.«

Mehr hatte Christiane nicht dazu gesagt. Tapfer und »preußisch« ist sie ihren Weg »durch den Wind« gegangen.

Anna bewunderte sie sehr.

Ende der achtziger Jahre. Nach einer Ehrenrunde machte Max Melchinger ein glänzendes Abitur, ging anschließend zum »Relaxen« auf große Tour durch Amerika.

»Mein Gott, Christiane, hast du keine Angst um ihn?« fragte Anna.

»Um meinen Wurschtl muß ich mir keine Gedanken machen, der ist viel zu sehr Bayer, um sich ins Bockshorn jagen zu lassen; außerdem konnte ich ihm wenigstens das Motorrad ausreden, das nennt man in der Politik einen Teilerfolg, oder?«

»Bei Philipp hätte ich keine ruhige Minute«, erwiderte Anna.

»Erstens hast du noch Zeit, zweitens weißt du nicht, was zu dem Zeitpunkt das Nonplusultra ist, um sich vom Schulstreß zu erholen, drittens, liebe Glucke Anna, scheinst du nicht zu bemerken, daß du nur noch mit der halben Popobacke auf deinem Ei Philipp sitzt.«

»Was willst du damit sagen?«

»Klosterschwester Anna, dein Sohn wird sechzehn! Da steht die erste große Liebesgeschichte ins Haus. Je nach Lage der Dinge kann es dir passieren, daß dein Herr Sohn in dunklem Nappa oder per Schlips und Kragen einhergeht, alles aus Liebe, um der Dame seines Herzens zu imponieren. Von allem anderen ganz zu schweigen. Erinnerst du dich noch an Maxis wallende Haare, Batik-Flatterhemden und Holzketten? Es war eine grauenvolle Phase. Aber keine Bange, mit ausklingender Liebe werden sie wieder normal.«

»Baue mich nur weiter auf, zudem gießt es in Hamburg wieder mal aus Kübeln.«

»Komm auf die Insel, hier knallt die Sonne vom Himmel, in nur einer Stunde war die Wäsche trocken geflattert.«

Anna versprach bald zu kommen, mindestens für ein langes Wochenende. Komtess Dannenberg an den Waschtrögen, lächelte Anna, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Mal Cashmere, mal Persil.

Christiane Melchinger hatte nicht nur den Ferienhotelbetrieb übernommen. Sie hatte zusätzlich ein kleines, exquisites Geschäft aufgemacht. Interieur aus Frankreich und Italien. Sie importierte die schönsten Stoffe, machte Fabriken ausfindig, die zum Teil nach ihren Entwürfen herstellten. Sie ließ Möbel schreinern und in Farben lackieren, die nirgendwo anders zu finden waren; und ihre Adresse wurde bereits runter bis Süddeutschland als Geheimtip gehandelt.

Ein halbes Jahr nach Hongkong hatte Lorenz wieder an ihrer Tür gescharrt. Vergeblich. Aber sie wurden nicht geschieden. Lorenz lebte in München, Christiane auf Sylt. Sie sahen sich zu Familienfesten, besuchten sich gegenseitig, nun auf freundschaftlicher Basis, wie Christiane sich ausdrückte. Lorenz war ihr als hundertprozentiger Freund lieber, besser als ein fünfzigprozentiger Ehemann. Wer weiß, wie viele Affären dieser M. M. – das stand für Melchinger Macho – noch mit der Ausrede, man muß sich um die Baustellen kümmern, vertuscht hätte. O-Ton Christiane.

Max studierte inzwischen in Siena, sprach ein tolles Italienisch mit bayerischem Unterton und war Vaters Stolz und Mutters Freude, oder auch umgekehrt.

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Der Dezember graupelte sich durch Hamburg. Die ganze Stadt war klamm, und die Menschen sahen auch so aus. Obgleich in jeder zweiten Passage »O du Fröhliche« oder »Bald nun ist Weihnachtszeit, fröhliche Zeit« gedudelt wurde, hatte Anna das Gefühl, daß die Menschen hier zu Weihnachten immer besonders miesepetrig waren, vielleicht lag das an dem fehlenden Schnee? Nicht, daß sie sich nicht um Weihnachten bemühten, aber es war immer Lichterkette mit Krampf.

Anna war noch deutlich das Erlebnis des letzten Heiligen Abends in Erinnerung. Sie waren in die Elbchaussee gefahren, um in der schönen Nienstedtener Kirche zum Gottesdienst zu gehen. Frei nach dem Motto, Weihnachten gehen sie alle und sei’s nur wegen der Musik. Schwiegermutter Sander hatte gesagt, besser einmal im Jahr als keinmal im Jahr. Es bezog sich in ihrem Fall nur auf die Kirche.

Vor ihnen in der Kirche saß ein Ehepaar, zum Schluß des Weihnachtsgottesdienstes schmetterten sie aus vollem Halse mit allen anderen »Tochter Zion, freue dich«, selbst der pubertierende Sohn kieckste kräftig mit.

Doch unmittelbar nachdem sie die Kirche verlassen hatten, noch mit dem Weihnachtssegen auf dem Kopf, beschimpfte die Dame Heinrich. Warum? Nur weil er seinen Wagen halb auf dem Bürgersteig geparkt hatte. Weihnachten! Friede auf Erden! Philipp hat wundervoll reagiert, er rief ihnen »Halleluja, ihr Arschlöcher« hinterher.

Selbst Großmutter Sander fand seine Reaktion völlig legitim.

Schon wieder war Dezember, Halleluja …!

Zu Hause angekommen, machte ein nervös blinkender Anrufbeantworter auf sich aufmerksam. Anna wollte in aller Ruhe Mantel und Regenstiefel ausziehen, doch sie hatte das Gefühl, heute blinkte er anders, machte stärker auf sich aufmerksam.

»Jaja, ich komm schon.« Anna hinkte zum Telefon, einen Stiefel am Fuß, den anderen hatte sie bereits ausgezogen in der Hand. Er tropfte das restliche Islandtief auf den Velours. Sie drückte auf Wiedergabe, hörte die flatterige Stimme von Frau Bahnsen. »Frau Sander, Bahnsen, o Gott, ich weiß gar nicht, was ich machen soll, es ist furchtbar, Herr Melchinger ist nicht da. Max, der Max ist beim Skifahren.«

»Liebe Frau Bahnsen, reden Sie«, dachte Anna.

»Die Frau Melchinger ist zusammengebrochen, was soll ich machen.«

»Reden Sie, reden Sie«, dachte Anna.

Nein, besser sie schaltete aus, wählte die Kampener Nummer. Eine zittrige Frau Bahnsen meldete sich. Wie sie Annas Stimme hörte, kullerte Frau Bahnsen eine Lawine von der Seele. »Anna, Gott sei Dank.«

Sie erfuhr, daß Christiane ohne ersichtlichen Grund heute Morgen zusammengebrochen war. »Sie liegt auf der Intensivstation in der Nordseeklinik.«

Anna fragte nicht weiter nach, sagte nur: »Ich komme.«

Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, atmete sie durch, pfiff sich zur Ordnung, sagte Ruhe, du schaffst es, sprach mit Heinrich im Büro, telefonierte mit dem Flughafen, charterte eine Maschine, telefonierte zum dritten Mal, diesmal nach einem Taxi, schrieb Philipp eine Nachricht. So einfach gehen Dinge von der Hand, wenn man sieh nicht selber verrückt macht.

Drei Stunden später saß sie bei Christiane auf der Bettkante.

Anna war dank Heinrichs Pumpen und Filtertechnik finanziell in der Lage zu chartern, aber auch ohne die finanzielle Unterstützung hätte sie bestimmt einen Weg gefunden.

Es geht alles, wenn man nur will.

Christiane hing an diversen Schläuchen und Apparaten. Kindlich, schmal, zerbrechlich lag Annas Freundin, die nichts aus der Bahn werfen konnte, oder etwa doch?, in den Kissen. Nicht heulen, Anna Sander. Sei stark, du kannst Kraft abgeben. Bitte keine hysterischen Ich-kannes-alles-gar-nicht-fassen-Reaktionen, sagte sie sich.

»Christiane, ich bin da … Anna …« Mit liebevoller Geste strich sie ihr die Haare aus der Stirn. »Hörst du?«

Anna spürte, daß jemand gekommen war, drehte sich um. »Frau Sander.« Mehr konnte Frau Bahnsen nicht sagen. Ununterbrochen liefen dicke Tränen aus ihren himmelblauen Hans-Albers-Augen. Anna legte ihre Arme um sie. »Es wird alles gut, Frau Bahnsen.«

Inken Bahnsen hatte leise die Station betreten, unbemerkt auch von Anna. Es war ihre Art, niemals in all den Jahren hatte sie sich in den Vordergrund gespielt. Sie war sich selbst nicht wichtig, dafür war sie für alle, die ihr am Herzen lagen, ununterbrochen im Einsatz.

Eine Schwester tauchte auf.

»Meine Damen, Sie gehen jetzt am besten nach Hause. Hier können Sie doch nichts machen.«

Anna hörte sich reden. Ruhig und sachlich erwiderte sie der zickigen Schwester: »Was am besten ist, entscheiden in diesem Falle nicht Sie. Ob wir etwas machen können oder nicht, fällt auch nicht in Ihren Kompetenzbereich.« Sie fügte noch hinzu: »Ich hoffe, ich habe mich unmißverständlich ausgedrückt.«

Die Schwester war nur noch ein weißer Kittel von hinten.

»Bravo, Frau Sander.«

Vor lauter Respekt hatte Inken Bahnsen aufgehört zu weinen. Die resolute Anna hatte ihr glatt die Tränen verschlagen.

Es folgten Nächte und Tage, an die sich später weder Anna noch Frau Bahnsen erinnern konnten, alles ging ineinander über.

Lorenz kam, hielt fast vierundzwanzig Stunden Händchen, um letztlich völlig irritiert wieder abzufliegen. Am vierten oder fünften Tag nach Christianes Zusammenbruch, Anna hatte sich völlig übermüdet in einen Sessel gelegt, klingelte es Sturm. Entnervt schoß sie hoch, öffnete. Vor Anna stand, ihre Augen mußten an ihm hochklettern, ein großer, nein, ein sehr großer Mann.

Mit einem: »Wir vermieten zur Zeit nicht«, wollte sie die Tür schließen.

»Vermieten ist gut«, sagte er. »Ich wohne hier. Rainer Wolfson«, stellte er sich vor, ging an Anna vorbei ins Haus. »Bitte lassen Sie den Schlüssel nicht wieder stecken, dann werden Sie auch nicht wieder geweckt.«

Fehlt nur noch, daß der Muttchen zu mir sagt, dachte Anna. »Was erlauben Sie sich!« sagte sie laut.

»Was ist hier los?« So der Mann, der aussah wie eine dänische Bierwerbung, nur viel attraktiver. »Wer sind Sie?«

»Anna Sander, eine Freundin von Frau Melchinger.«

»Mmh, gut.« Er nahm Anna näher ins Visier, grinste, schien einverstanden. »Wo steckt sie? Sicher rast sie mit einem überfüllten Terminkalender kreuz und quer über die Insel, weil jeder UNBEDINGT seinen Klötterkram noch vor dem Fest hängen, liegen oder stehen haben will. Es ist verrückt.«

Anna bat ihn, sich zu setzen, sein Hoppla-jetzt-komm-ich-Ventil ein wenig zu drosseln, sie hätte ihm einiges zu sagen, sie war inzwischen wieder hellwach, berichtete von den Ereignissen der vergangenen Tage.

Der Wikinger wurde immer kleiner und hilfloser. Fast hätte Anna ihn in die Arme genommen und getröstet, dabei fiel ihr auf, daß sie nicht wußte, wer er war, in welchem Zusammenhang er zu Christiane stand. Sie fragte.

Rainer berichtete Anna, er sei Christiane im letzten Sommer zugelaufen, er sei freier Mitarbeiter, kümmerte sich überwiegend um die Festlandsaufträge.

Jetzt erinnerte sich Anna, daß Christiane bei einem Telefonat davon gesprochen hatte. Anna hatte natürlich gedacht – natürlich? –, es handelt sich um eine Frau.

Frau Bahnsen betrat das Haus.

»Herr Wolfson, wie schön.«

Zuerst berichtete sie ausführlich von Christiane. Später entschuldigte sie sich, Herrn Wolfson völlig vergessen zu haben.

»Er ist auch so klein, das kann schon passieren.« Zum ersten Mal seit Tagen wurde wieder in diesem Haus gelacht. Zaghaft noch, aber es war ein Anfang.

Es sollte nicht bei einem Mann im Hause bleiben. Gegen 22 Uhr stürmte Max durch die Tür.

»Was ist mit Mami?« Anna und Frau Bahnsen berichteten in Kurzform. Erst dann schälte sich Max aus seiner dicken Lederkluft. Max war mit nur zwei Pinkelpausen nonstop auf die Insel gefahren, und zwar mit dem Motorrad.

München, das große Dorf, wenn es um Gerüchte und Meldungen geht, hatte auch in Christianes Fall erstklassig funktioniert. Irgend jemand hatte von irgend jemandem die Geschichte von Lorenz Melchingers Frau aufgeschnappt und weitergeleitet. Bis sie schließlich bei Max mit »Das ist ja furchtbar mit deiner Mutter« gelandet war.

Nach kurzem Kontakt zum Büro seines Vaters gab’s für Max nur eins: Durchstarten auf die Insel.

Im Auto auf dem Weg zur Klinik erzählte Anna ihm die Geschichte noch einmal von Anfang an. Anna hatte Max erneut beruhigt, daß es glimpflich verlaufen war: Nach dem Frühstück mit Frau Bahnsen hatte Christiane urplötzlich rasende Kopfschmerzen bekommen, von einer Sekunde zur anderen wurde ihr speiübel, dann wurde sie bewußtlos. Inken Bahnsen hatte fabelhaft reagiert, ohne Hysterie. Sie rief den Notarzt. Zehn Minuten später stand er im Haus, um Christiane bis zur Klinik mit dem Nötigsten zu versorgen. Dort angekommen wurde sie in die Innere Notaufnahme gebracht. Diagnose: Subarachnoidal-Blutung. Zwei Tage war sie bewußtlos. Die Ursache sei ein Aneurysma gewesen.

Max erfuhr, daß seine Mutter, dem Himmel sei Dank, unter die zehn Prozent jener Patienten gefallen war, bei denen man die Blutung nicht röntgenologisch darstellen konnte. Das hieß, es handelte sich um die Aussackung eines Gefäßes, das zwar geplatzt, aber so klein und minimal war, daß keine Schäden blieben oder Spätfolgen eintreten konnten.

Stumm und blaß hatte sich Max alles angehört.

Neben Anna ging einmeterneunzig Kinderunglück, als sie das Krankenhaus erreichten. Anna kraulte ihm mit der Hand den Nacken. »Es wird schon, Maxi, komm.«

Maximilian drehte sich um und fiel Anna in die Arme. Max war gar nicht mehr »cool«, er zeigte Verwundbarkeit. Die angestaute Spannung schaffte sich ein Ventil. »Mensch Anna, schön, daß es dich gibt.« Max ergriff Annas Hand, küßte sie während sie nebeneinander durch den Flur gingen.

Vor der Tür angekommen, streckte er sich und atmete durch. »Wie sehe ich aus, geht es so, oder muß ich mir die Nase pudern?« Er lächelte so gut es ging.

»Komm, Maxi, es ist alles bestens.«

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Das war der schnellste Dezember für alle. Anna blieb auf der Insel, arbeitete sich bei Christiane ein und war Rainer Wolfson eine große Hilfe. Sie lernte kalkulieren, Kostenvoranschläge zu machen, sie konnte Gardinen vermessen, sogar mit »Rapport«! »Rapport nennt man das Stück, das entfällt, wenn Muster mit Muster Anschluß haben muß«, erklärte Rainer.

Zwischendurch, wenn Frau Bahnsen mit Einkäufen für die Feiertage beschäftigt war, füllte Anna die Waschmaschine, warf den Tümmler an und lernte faltenfrei mangeln. Während Anna Laken durch die Mangel zog, saß Rainer daneben, um den nächsten Tagesplan zu besprechen. Wer mußte womit beliefert werden. Die Weihnachtshektik machte auch vor der Insel nicht halt. Dazwischen gab’s immer wieder Zwischenstops bei Christiane, die sich sichtlich erholte und ihre Besucher anfrozzelte: »Ich sehe von Tag zu Tag besser aus. Ihr werdet immer weniger. Laßt doch alles liegen. Bitte. Es ist so schön, daß ihr da seid. Was nicht fertig ist, ist eben nicht fertig.«

»Sei still, mein Kind«, sagte Anna. »Iß ein Plätzchen und lies die Weihnachts-Vogue, ich muß nach Keitum, die letzten Leuchter liefern.«

»Ich liebe dich, Anna«, lächelte Christiane ihrer Freundin hinterher.

In Hamburg wurden Heinrich und Philipp Sander bestens von Frau Becker betreut. Außerdem gingen sie ab und zu essen. Es tat der Vater-Sohn-Beziehung gar nicht schlecht, einmal auf sich gestellt zu sein. An einem der langen Samstage saß Heinrich Sander mit seinem Sohn am Gänsemarkt und aß, man staune, einen Big Mäc, dazu Milchshake. Er fühlte sich wunderbar, jung und unbeschwert. Sein Magen übrigens auch.

Max war auf der Insel geblieben. Auch er war im Einsatz der Firma Melchinger tätig, brachte Vorhänge an, die im letzten Moment noch bestellt worden waren, um die anreisenden Familien zu Weihnachten mit neuem Look zu überraschen.

Max wurden die schwierigen Fälle, sprich die Eppendorfer-Baum-mit-Sahne-Hamburgerinnen, zugewiesen. Er war durch nichts aus der Ruhe zu bringen, zudem sah er blendend aus. Durchtrainiert und wintersportbraun.

»Ach bitte, kann der nette Herr Melchinger noch einmal vorbeikommen, es gibt da noch ein kleines Problem, aber nichts Wildes. Ein Problemchen.« So flöteten die Hanseatinnen nach dem ersten Besuch von Max, wo sie sonst mit einem zickigen »Also hören Sie mal!« begonnen hätten.

Auch Anna kam in viele Wohnungen, von uiih über olala bis oha! »Was sag ich, wenn ich in eine Wohnung komme und vor geschmacklosem Interieur nicht weiß, wo ich hin- oder besser wegsehen sollte?« fragte sie Wolfson.

»Dann sagen Sie den Satz, den Frau Melchinger immer sagt. Ich habe ihn übernommen. Er ist Firmeneigentum.« Er zwinkerte Anna zu. »Wie schön, daß Sie so wohnen können.«

Anna sagte diesen Satz sehr oft im Laufe der Zeit. –

Die letzten Tage vor dem Fest. Frau Bahnsens Ofen wurde nicht mehr kalt. Es wurde gebacken, gebraten, vorgekocht, Inken hatte hochrote Wangen vor Freude und Hitze. In der Friesenküche herrschten Hochofentemperaturen. Sie erwarteten Lorenz, Heinrich, Philipp und Schwiegermutter Sander. Vor ihr fürchtete sich Anna ein bißchen. »Keine Bange, Frau Sander, wenn die uns brägenklütterig macht, trichtern wir ihr einen ordentlichen ›Pharisäer‹ ein und setzen sie außer Gefecht, zur Not kriegt sie zwei, dann schläft sie ein.« Inken lachte. Pharisäer ist so etwas wie Grog, nur viel schlimmer.

Am 20. Dezember holten sie Christiane nach Hause.

Rainer Wolfson hatte zur Feier des Tages einen besonders guten Champagner kalt gestellt. Der kennt die Lieblingsmarke von Christiane, stellte Anna unterbewußt fest. Max, Spezialist im Anbringen schwieriger Objekte, hatte eine dicke Tannengirlande anfertigen lassen. Schleifen, Sterne, Kugeln, Äpfel, Pustebackenengel mit und ohne Trompeten und in der Mitte mit schnörkeligen Buchstaben stand: Wir lieben dich.

Alle heulten, jedenfalls die Frauen. Es war zu schön. »Wenn es gleich noch schneit, kommen wir aus der glück­lichen Sülze nicht mehr heraus«, wischte Max die Sentimentalität aus der Luft, entkorkte den Champagner. Prost!

Abends saß man am Kamin, erzählte, lachte, war froh, daß alles gutgegangen war.

Die Festländer trafen am 22. Dezember ein. Oma Sander hatte Gepäck wie Liz Taylor für eine Kreuzfahrt dabei.

»Wenn das Geschenke sind, hab ich nichts dagegen.« Philipp stubbste seinen Freund Max in die Seite.

Der legte die Stirn in Falten. »So wie die Dame ausschaut, sind das Klamotten. Für jede Mahlzeit ein anderes Outfit, wart’s nur ab, ich kenn mich mittlerweile mit den hanseatischen Herrschaften aus.«

Wolfson, der die letzte Hälfte des Satzes gehört hatte, sagte im Vorbeigehen zu Phipps: »Max ist unser Dekogroupie und bei der weiblichen Kundschaft sehr beliebt.«

»Dafür kennen sich andere wiederum gut in Champagnermarken aus«, flachste Max zurück. Philipp sagte kurz und bündig »Bahnhof« und ging zu Frau Bahnsen, um seine Hilfe anzubieten. Anna, seine Mutter, hatte ihm beim Frühstück zugezischelt: »Steh nicht so rum – mach dich nützlich.« Jetzt machte er sich nützlich, indem er bei Frau Bahnsen rumstand. So einfach war das.

Lorenz hatte einen bayerischen Weihnachtsbaum per Dachgepäckträger auf die Insel transportiert. Heinrich, er und eine Trittleiter waren dabei, ihn zu schmücken.

»Papi, bitte nicht stylen, wir wollen einen gemütlichen Baum«, rief Max durch die halboffene Tür.

Zuvor hatten sie zu viert, Väter und Söhne, jede Menge Zeit damit zugebracht, den Tannenbaumfuß zu finden. Später war Rainer Wolfson noch dazugekommen. Keine Ecke, kein Winkel, der von den Männern nicht durchsucht wurde. Ergebnislos.

»Mir reicht’s eh«, grantelte Lorenz, er hatte sich an einer Schräge recht kräftig seinen Schädel gestoßen. »Wir machen es mit Sand. Max, hol einen Eimer. Philipp, nimm einen Spaten und bring Sand aus dem Garten.«

Heinrich gab zu bedenken, daß leichter Bodenfrost war.

»Himmelsackelzement!« donnerte Lorenz. »Man wird doch hier noch Sand auftreiben.«

»Der ganze Strand soll voll davon sein, lieber Lorenz.«

»Mensch, Heinrich, entschuldige, aber Festtagsvorbereitungen machen mich immer nervös, ich hol uns mal ’n Schnaps.«

Max und Philipp wuchteten erst eine Plastikwanne und dann eine zweite in die Diele, randvoll geschippt mit feuchtem Nordseesand. Es wurde umgefüllt, festgetreten, jeder gab sein Bestes. Endlich, nach einer Stunde »stand« der Baum.

»Jetzt brauch ich noch ’n Schnaps.«

»Wer hat die Riesenschweinerei gemacht?« Inken Bahnsen stand auf knirschendem Sand in der Haustür.

»Wir.« Die Männer sahen sich hilflos an. »Der Baum mußte doch verankert werden. Wir haben das ganze Haus nach dem Fuß abgesucht und nichts gefunden.«

»Der steht seit vierzehn Tagen links unter der Spüle, den hab ich schon vom Boden geholt.«

»Und jetzt trink ich noch ’n Schnaps«, sagte Lorenz.

»Wir auch«, antwortete der Rest.

»Und ich nehm einen Doppelten«, lachte Inken Bahnsen.

Philipp und Max übten zweistimmig – zu etwas muß der Musikunterricht nützlich gewesen sein: »Am Weihnachtsbaume …« »Ist da draußen alles in Ordnung?«

Christiane guckte besorgt Rainer an. Sie hatte sich »wenigstens eine Stunde« Büro erbettelt.

»Reine Vorfreude«, beschwichtigte Rainer Wolfson.

Das Bauernfrühstück mit viel Speck, von Frau Bahnsen serviert, neutralisierte den Schnaps nur etwas. Der Baum wurde geschmückt, alles lief in bekannter Heiligabend-Hektik weiter. Auch Oma Sander beteiligte sich, indem sie klebrige Kringel auf Zwirnsfäden zog.

Um 18.00 Uhr war Gottesdienst in der St.-Severin-Kirche in Keitum, aber mit Rücksicht auf Christiane blieben sie alle zu Hause. An diesem Tag hätte die Kirche das Fassungsvermögen des Petersdoms haben müssen, um die vielen »Christen« aufzunehmen.

Großmutter Sander war auch nicht wild auf das »Geschubse in der Kirche«, und Philipp und Max boten an, falls ihr »die Musik fehlte«, zu singen.

»Nein, danke, dann lieber ne volle Kirche.« Oma Sander hatte, wenn sie wollte, durchaus Humor.

Ihr Gepäck entpuppte sich als eine Mischung aus Kleidung und Geschenken. Mit viel Liebe hatte sie für alle etwas ausgesucht, außerdem bekam jeder ein Buch.

»Zu den besinnlichen Feiertagen gehört einfach ein gutes Buch, es paßt schön zu Weihnachten: Musik, Kerzen, na, ihr wißt schon, was ich meine. Da hat man Lust zum Lesen!«

»Allein acht Bücher hat die Gute auf die Insel gekarrt. Respekt«, stellte Max fest, »Respekt«, und packte, wie er sagte, sein »sinnliches« Buch aus.

Ein tüchtiger Verkäufer hatte Frau Sander sen. einen dicken Hochglanzwälzer aufgeschwatzt, voller Bilder mit Schnee, im Weitwinkel, und Sonne, Mond und Sternen. »Gotthilf Knügg: Ohne Schlitten durch die Arktis. Eine Kameraerzählung«, nur weil die alte Dame wohl gesagt zu haben schien, daß der junge Mann, für den es sein sollte, Wintersport betreibt.

Philipp empfahl ihm später, den Scheiß soll er einfach umtauschen. Er wollte sein Buch auch zurückbringen, denn das gleiche hätte er schon zweimal von ihr bekommen. Er bot Max an, das seine mitzunehmen.

Auch bei Melchinger und Sander sen. fand der jährliche Krawattenaustausch statt, seidig, bunt und immer wieder nett. Trotz der Krawatten schenkte Heinrich Anna, Christiane, seiner Mutter und Frau Bahnsen je einen Traum von Cashmereschal, der Trägerin entsprechend wählte er die Farben beige, apricot, wollweiß und hummer.

»Er hat in Cashmere gewildert«, pflaumte Philipp.

Die Weihnachtstage waren mit die schönsten, die alle je erlebt hatten. Gespräche, Spaziergänge, Musik, jede Menge Köstlichkeiten aus der Bahnsenschen Küche, die besten Weine und dazu ging es Christiane von Tag zu Tag besser, sie erholte sich schnell. Selbst Fiete war rundherum zufrieden, er lag vollgefressen vor dem Kamin. Bei so vielen netten Menschen fand sich immer eine freie Hand, die ihn einmal kurz oder lang kraulte.

Nach einem rauschenden Silvesterabend ging das Inselidyll seinem Ende entgegen. Jeder tat sich schwer bei der Abreise. Laut, zur Entkrampfung der Abschiedsstimmung, sang Max während er die Gepäckstücke in den Wagen verstaute: »Alles hat ein Ende, nur die Wurscht hat zwei …«

»Mein Max besingt sich selber.«

»Ich weiß«, sagte Anna. »Er ist doch auch ein bißchen mein Sohn.«

»Genau wie dein Philipp ein bißchen mir gehört.«

Auf bald, Anna. – Auf ganz bald!

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Das war im vergangenen Dezember gewesen. Jetzt trommelte der Sommerregen ohne Unterbrechung an die Scheiben. Die Heckenrosenbüsche wurden vom Wind gebeutelt, die Blüten schüttelten trotzig ihre Köpfe. So, als würden sie sagen, nicht mit uns und bitte nicht den ganzen Sommer.

Anna genoß die Behaglichkeit des großen Hauses, es beschützte, nahm auf, ließ wohl fühlen, wie ein verscheuchtes Kind, das sich unter die Röcke der Mutter flüchtet und Halt findet.

Wie gut, daß Inken Bahnsen so backen konnte. Anna hat ein großes Stück Apfelkuchen gegessen, Christiane hatte ihr einen dicken Klecks Sahne dazugegeben, zwei Tassen Milchkaffee wärmten Anna wieder durch.

Eine Stunde später drückte Christiane ihrer Freundin einen wetterfesten Mantel in die Hand und sagte: »Wo die Gummistiefel stehen, weißt du, bind dir ein Tuch um. Wir gehen zum Kliff, da ist ordentlich Wind.«

Leicht gegen die Böen gelehnt, stapften die beiden Frauen durch den Heideweg, sie gingen den schrägen Trampelpfad am Leuchtturm entlang hinunter zum Strand. Das Meer zeigte, was es »drauf hatte«, was in ihm steckte; wütend attackierten die Wellen den Strand. Grün war es, wie Glas, mit viel Gischt obenauf. Leere Strandkörbe gähnten für Langeweile. Die Möwen machten kurze Rast auf ihnen, um dann mit einem Flügelschlag, der sagen konnte, da kann man halt nichts machen, weiterzufliegen.

Kein Mensch am Strand. Nur Anna und Christiane.

Christiane war viel zu klug, zu behutsam, um Anna zum Erzählen aufzufordern. Und Anna war froh darüber. Fast drei Stunden sind sie gelaufen, beinah bis zum Ellenbogen.

Zurück im Haus – Christiane zog ihre Gummistiefel aus – sagte Anna, während sie ihre nassen Haare, die ihr der Wind ins Gesicht geklebt hatte, ordnete: »Mein Gott, hab ich einen Hunger.«

»Komm mit, wir plündern die Küche«, erwiderte ihre Freundin. Frau Bahnsen mußte es geahnt haben. In dem kleinen Vorraum zur Küche hatte sie gedeckt. Käse, kaltes Huhn, Krabben und Salat. Im Kühler eine Flasche Pinot Grigio.

Die Freßwelle ergriff Anna. Ein Stück Käse, ein Hühnerbein, Prost Christiane, ein Teller Krabben, noch ein Stück Huhn, noch ein Glas Wein. Prost!

Da studieren Menschen mit einem enormen Aufwand an Zeit, Geld und Hirn Psychologie, bieten einem die Couch an, nur Inken Bahnsen denkt aus dem Bauch, hilft schneller und effektiver als alle anderen, dachte Christiane. Die Flasche war fast leer, der Käse war verputzt, Krabben waren auch keine mehr da, und von dem Huhn ragten nur noch das Gestell in die Luft.

»Das sieht aus wie Gaby«, sagte Anna. »Wie Gaby Krause aus Altwarmbüchen.«

Hier prallten Tragik und Komik aufeinander. Das Huhn. Gaby Krause. Altwarmbüchen. Christiane erfuhr im Vorraum der Friesenküche von Kämpen die Geschichte, die Annas Leben auf Umleitungskurs gebracht hatte.

Heinrich Sander, »Pumpen und Filtertechnik Hamburg«, war jedes Jahr auf der Hannover-Messe mit einem Stand vertreten. Wie üblich engagierte man Standhilfen, die ausgedörrten Messekunden mit einem freundlichen Lächeln Kühles, Kaltes und Warmes servierten.

Im Laufe der Jahre überboten sich die Firmen. Wer hatte die Langbeinigsten, wer die Blondesten? Jetzt hie­ßen sie auch nicht mehr Standhilfen, sondern Messehostessen. Mit der Zeit hatte jede Firma ihre eigene Barbiepuppensammlung. Annas Heinrich auch.

Wenn Anna, was gelegentlich vorkam, Heinrich während der Messetage in Hannover besuchte, flachste sie mit ihrem Mann darüber, fragte, ob die Mädchen automatisch funktionieren oder noch per Hand aufgezogen werden müssen.

»Anna Sander, was soll das, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?« hatte Heinrich gefragt.

»Erstens, lieber Heinrich, ist Eifersucht ein Beweis von Zuneigung und sollte dir guttun. Außerdem haben diese Mädels so viel nicht vorhandenes Fett, man könnte dar­über grün werden. Dazu kommt, ich habe nur läppische 32 Zähne und nicht wie die mindestens 156! So, daß du nur weißt, das sind meine Sorgen.«

Und was hatte Heinrich, der Verräter, geantwortet? »Anna, du bist zauberhaft.«

Ja, und nun war es passiert. Heinrichs Midlife-crisis-Sucher-Sensor hatte getickt: Gaby sollte es sein. Dieses gußeiserne Reh. Anna war verletzt, traurig, wütend; ausgetauscht gegen eine Blondine Anfang Zwanzig. Aus Altwarmbüchen! Sie konnte Philipps Schwester sein.

Bereits über drei Messen übte sich Heinrich im Minnedienst, von den anderen Zeiten ganz zu schweigen.

»Dieses verlogene Weihnachtsfest im letzten Jahr auf der Insel, diese Cashmere-Orgie seinerseits, o ja«, entrüstete sich Anna weiter, »da muß man nicht Psychologie studiert haben, einwickeln wollte er uns.«

Christiane war froh, daß Anna redete, sie fragte nur einmal, während sie Anna Wein nachschenkte: »Seit wann weißt du es?«

»Seit vorgestern abend.«

Nein, nicht in den häuslichen vier Wänden hat er gebeichtet, nein, ganz chic beim Nobelitaliener.

»Anna, Liebes, einen Champagner als Aperitif?« hatte er honigsüß gefragt. Es war zum Zuckerallergie-kriegen. »Süßholzraspler«, schimpfte Anna.

Beim Hauptgang, Ironie des Schicksals (»Ich habe auch noch Flugente gegessen«), hat Heinrich ohne Umschweife gesagt: »Anna, du erinnerst dich doch noch an Gaby, Fräulein Krause.« Und ob Anna sich erinnerte. »Anna, ich will nicht lange drumherum reden, Gaby und ich wollen zusammenleben.«

Anna stand unter Schock, fragte im Kammerton Boulevard: »In Altwarmbüchen?«

An den weiteren Verlauf des Abends erinnerte sie sich nur noch fragmentarisch. Von den diversen Möglichkeiten, ihre Wut zum Ausdruck zu bringen, die innerlich an ihr vorbeizogen, wie Heinrich die Spaghetti auf den Kopf zu knallen, schreien oder ohnmächtig werden, wählte sie keine. Sie saß da, wartete, wartete, daß der Wecker klingelte, sie sich in Heinrichs Arme rollen und sagen konnte: »Hab ich einen Blödsinn geträumt.« Statt dessen fragte ein freundlicher Ober, ob alles in Ordnung sei.

Fast alles, hatte sie ihm geantwortet.

Irgendwann seien sie zu Hause gewesen, sie haben noch miteinander über einiges geredet, aber Anna wußte nicht mehr, worüber. Sie hatte einen vierfachen Wodka getrunken und war in die Arme von Prinz Valium geflüchtet …

Nach solchen gravierenden Abenden ist der nächste Morgen das Schrecklichste überhaupt. Stundenlang habe sie dagesessen und nur vor sich hingestarrt.

Dem Himmel sei Dank, daß Philipp gerade Ferien in Frankreich machte, so war er wenigstens aus der Schußlinie. Gegen Mittag habe sie dann Heinrichs Brief gefunden.

»Christiane, ich muß dir nicht erklären, was darin stand, geschweige denn, wo Heinrich war. Ich habe nicht gewußt, daß man sich hohlweinen kann. Ich habe nur so dagesessen, dann habe ich die Wohnzimmervorhänge abgenommen und gewaschen; bis sie wieder gehangen haben, sind fast vier Stunden vergangen, in denen ich beschäftigt war. Tja, ich griff zum Telefon, habe mit dir telefoniert, du warst der erste Mensch seit Stunden, mit dem ich gesprochen habe. Und jetzt bin ich hier.«

»Anna, geh ins Bad, leg dich hin, du bist im Giebelzimmer einquartiert. Ich komme mit einem Schlummertrunk an deine Bettkante.«

Durch den gelben Seidenschirm fiel mattes Lampenlicht in das Zimmer, eine verlorene Anna lag in dem viel zu großen Bett. Christiane kam mit einem Glas Latour à Pomerol und einer Tablette. »Trink, Anna, soviel und so schnell du kannst, morgen sind wir einen Tag weiter. Schlaf gut. Wir sind da.«

Christiane blieb bei Anna, bis sie eingeschlafen war. Sie dimmerte die Lampe klein, schloß leise die Tür.

Die ersten acht Tage waren schwierig für Anna. Sie fühlte sich ausgesetzt wie ein Hund ohne Hütte. Sie zählte die Tage.

Christiane, Frau Bahnsen, später auch Rainer Wolfson, nahmen Rücksicht, lenkten sie ab, waren für Anna da. Die Sonne hatte sich entschlossen, nun doch bis auf eine kurze Nachtruhe zu scheinen. Anna ging viel spazieren, Fiete schloß sich ihr an und kuschelte in den Wanderpausen Zärtlichkeit in ihre Kniekehlen.

Das Bendix-Haus war von mehreren Seiten erreichbar, manchmal benutzte Anna den Hintereingang, direkt an der Küche, um bei Frau Bahnsen, die meistens dort anzutreffen war, entweder an den Töpfen oder an der Mangel, einen kurzen Plausch einzulegen. Auch heute hatte sie wieder den Weg unter der flatternden Wäsche zum Kücheneingang genommen, um in aller Ruhe mit Inken, zu der sie sich hingezogen fühlte, bei einem Kaffee zu klönen.

Anna wußte im Grunde von Inken Bahnsen nichts Privates, nichts Persönliches, lediglich, daß sie auf Sylt in Braderup geboren war. Inken machte kein Aufhebens um sich, sie war für die anderen da, und die nahmen es selbstverständlich hin in ihrem Alltagsegoismus, ohne böswillig zu sein. Anna dachte auf einem ihrer Spaziergänge darüber nach, nahm sich vor, Inken nach ihrer Familie zu fragen.

Im Grunde war es Inkens Geschichte, die Anna aus ihrem seelischen Mustopf holte.

1944 hatte Inken ihre Eltern bei einem Tieffliegerangriff verloren. Ihr Verlobter, Jörn, war 1945 in den Ardennen gefallen.

Während des Krieges – Weihnachten 43 – verlobte Inken sich mit Jörn Hansen, der auf dem Festland lebte und dort den elterlichen Hof übernehmen sollte. Es war Mai 44, als Jörn seine Einberufung erhielt. Sie war mit den Eltern nach Brekendorf in Schleswig-Holstein gefahren, um wenigstens noch einige Tage vor seinem Abmarsch bei ihm zu sein.

An einem Nachmittag sind Peter und Fiene Bahnsen ein bißchen an die Luft gegangen. Der Mai machte sich mit frischem Grün und Vogelgezwitscher breit, die Luft war lau, schon richtig warm. Bei Hansens wartete frischer Streuselkuchen, mit richtiger Butter gebacken, der Kaffee stand unter einer dicken Mütze. Der Krieg war weit weg, so dachten sie jedenfalls.

Erst war es ein leises Summen in der Luft, es wurde lauter, verstärkte sich.

Fiene und Peter gingen einen Feldweg entlang, Maschinengewehrsalven, dann Totenstille.

Warum der verirrte Flieger auf die beiden alten Leute geschossen hatte, wird man nie erfahren. Der Krieg macht sich seine eigenen Gesetze. Inken flüchtete zurück auf die Insel.

1945 kam dann bei Wind und Wetter Briefträger Jochimsen die Chaussee nach Braderup geradelt. Er hatte ein Telegramm in der großen Posttasche. »In Pflichterfüllung für Volk und Vaterland …«

Ja – dann sei sie zu Bendix gegangen, hatte Meta mit den Kindern geholfen, später mit den Gästen. Nun sei sie immer noch da. So ist das Leben, liebe Anna.

»Gut, daß es Sie gibt, Inken Bahnsen, schön, daß wir Sie in der Familie haben.« Anna lächelte. Seit Tagen zum ersten Mal.

»So, nun aber Schluß mit Schicksal, ich muß die Wäsche abnehmen.«

»Ich helfe Ihnen«, sagte Anna.

Fiete ging auch mit.

Das Leben schluckte Anna mit einem tiefen Atemzug. Der Zug hieß Ottoardo Fernando von Weißenfels. Anna hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nachmittags bei Leysieffer einen Milchkaffee zu trinken. Täglich, zwischen 16 und 17 Uhr, schlenderte sie mit Fiete durch den Ort, sah in die Schaufenster, ratschte hier ein bißchen, klönte da, um letztlich bei Leysieffer zu landen.

Rainer und Christiane sahen das Wiedererwachen der Anna S., wie sie sich ausdrückten, mit großer Freude.

»Hört sich an wie’n Filmtitel, nicht?« Rainer, der Wikinger, lachte.

»Du warst großartig gestern, ich fand es schlicht prima, wie du mit Heinrich dem Achten umgesprungen bist.«

»Das ist doch die einfachste Sache der Welt: von Mann zu Mann, mitten in die blauen Augen.« Rainer lachte dieses Lachen, das Christianes Rekonvaleszenz um Monate verkürzt hatte.

Heinrich hatte sich nach Tagen per Telefon gemeldet. Er war zuerst besorgt, kleinlaut, zaghaft gewesen. Im Laufe des Telefonats meinte er jedoch, Land unter den Füßen zu haben, nach dem Motto, ja, aber Anna kann doch nicht so einfach wegfahren … ihn alleine lassen.

Wie hatte Rainer Heinrich betitelt? »Ein menschlicher Gefrierbeutel.« Himmlisch. Heinrich hatte sich tatsächlich empört, daß Anna alles stehen und liegen gelassen hatte.

Rainer hatte Heinrich gefragt, ob er so naiv gedacht hatte, eine Frau für die Buntkarierten zu haben und eine, die die Flagge des Hamburger Haushalts hochhält?

»Es müßte doch alles noch geklärt werden, das Wie und das Was. Und überhaupt«, erwiderte Heinrich.

»Anna wird sich melden, wenn ihr nach ›überhaupt‹ zumute wäre. Da können Sie sicher sein. Bis dahin Ihnen einen schönen guten Tag, Herr Sander.«

Dösig stierte Heinrich auf seinen Schreibtisch. Er fühlte sich gekränkt, aber nur kurzfristig, denn Gaby platzte in sein Büro und nahm ihm mit ihrer ein Zentimeter oberhalb der Pobackenenden abgeschnittenen Levis die Tiefschläge aus dem reifen Gesicht.

Drei Tage später, bei Leysieffer; Anna saß beim Milchkaffee, dröhnte eine Stimme vom Nachbartisch zu ihr herüber.

»Grüß Gott, Kaffeeschwester.«

Kaffeeschwester war bei Anna auf dieselbe Schnur gefädelt wie Muttchen und Gute Frau.

Wer war das? Sie guckte in Richtung gewaltige Stimme, wollte sich furchtbar empören – und lachte. Dieses sympathische Männergesicht mit den jeansblauen Augen forderte direkt dazu heraus.

»Wir sind heute aber spät dran«, meinte der Herr.

»Ich war in Westerland, um …« – Anna! Anna! Vorsicht! funkte ihr Hirn dazwischen, beinah hätte sie gesagt: ›Um meine Brille abzuholen‹ – »… um eh, um eh, also ich, ich war mit Fiete beim Tierarzt.« Das war knapp.

»Dann handelt es sich bei Fiete um einen Hund, wenn ich richtig vermute, nicht um einen Mann«, so der Herr am Nachbartisch, der mit seiner allgewaltigen Stimme dafür gesorgt hatte, daß alle Anwesenden sich nun brennend dafür interessierten, wie das Gespräch zwischen den beiden weiterging. Andächtige Ruhe war auf dem Vorplatz des Hauses Odin eingekehrt, entfernt hörte man Porzellangeklapper, gemischt mit Eros-Ramazotti-Klängen aus dem Haus.

Die Bedienung tauchte auf, fragte: »Wer bekam den Pflaumenkuchen mit Sahne?«, erntete strafende Blicke, fast hätte man schtschtt gemacht, um zu sehen, beziehungsweise zu hören, wie die Chose weiterging, mit Fiete, Mann und Westerland. Das macht den Urlaub aus. Man lernt wieder Zuhören.

»Ja, Fiete ist der Hund«, antwortete Anna.

»Hab ich schon gesehen, aber kann eine Frau wie Sie sich nicht einen anderen ständigen Begleiter suchen?«

Ach, wurde das schön spannend, leise rührten die übrigen Leute in ihren Tassen, schoben geräuschlos die Kuchengabeln in den Biskuit. Mit einem: »Flott genug sehen Sie doch aus!« wurde ihre Andacht endlich belohnt.

Die Leute, die Anna bis dahin den Rücken zugekehrt hatten, drehten sich nun in einheitlicher Choreographie um. Fiete kam als Deus ex machina um die Ecke gehechelt, bellte dazwischen.

Anna zahlte, grüßte, ging.

»Für’n kranken Hund ganz munter …«, prallte es von hinten noch zwischen Annas Schulterblätter!

Mit: »Was machen wir heute abend?« betrat Anna das Büro von Christiane. »Wir sollten einmal etwas unternehmen, wie wär’s, wenn ich euch zum Essen einlade?«

Was keiner wissen konnte: Anna hatte vor zirka einer halben Stunde einen Dornröschenkuß bekommen, aber das wußte sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht.

Das Leben hatte Anna Sander wieder.

Drei Tage später kam Philipp nach Kämpen. Im Bendix-Haus traf er nur auf Christiane. Die anderen waren ausgeflogen.

Die Begrüßung war: »Die spinnen. Total …«

»Die nicht. Der!« erwiderte Christiane. »Schön, dich zu sehen, Philipp, fabelhaft siehst du aus.«

»Aber nicht mehr lange, mir ist schon ganz schlecht, was soll das zu Hause, welcher Film läuft da ab?«

Christiane hatte eine Weile zu tun, dem dampfenden Philipp den Überdruck zu nehmen.

»Willst du einen Saft?«

»Gern. Ist zufällig noch Kuchen da?«

Kinder dachte sie, eben ging noch ein Teil seiner Welt aus den Fugen, nun war ihm schon wieder nach essen.

Philipp verdrückte mit großem Appetit vier Stücke von Inkens Rosinenpuffer. Dazwischen krümelte er den Protest über das Verhalten seiner Eltern.

»Papi spielt mit Puppen. Mami flieht auf die Insel, man kann nicht einmal in aller Ruhe in die Ferien fahren. Dabei wäre meine Erholung so wichtig, es ist mein letztes Jahr in der Schule. Ich brauche meine Nerven für Cicero und Konsorten, nicht für Klein-Gaby. So was Doofes.«

Meinte er das nun situationsbezogen oder persönlich? Christiane fragte lieber nicht nach, mußte innerlich über den verzweifelten, kindlichen Egoisten lächeln.

Nein, nicht Mami, er, ihm tat man etwas an. Die eingefahrene Philipp-Welt drohte sich zu verändern, das könnte seiner Bequemlichkeit Schaden zufügen. Also wirklich! Und alles. Und so. Er sah sich seiner Annehmlichkeiten beraubt.

Inken kam mit Fiete durch den Garten. Fiete hechtete mit zwei Sprüngen auf Philipp zu, dem eine Balgerei auf dem Rasen folgte. Mittendrin sah er hoch, weil ein paar Füße durch das Gras auf ihn zukamen. Die Füße gehörten zu zwei langen, braungebrannten Beinen, die in Radlerhosen steckten, zusammen mit einigen anderen Extras gehörte das ganze zu Vera Garber, die mit ihren Eltern Sommergast im Bendix-Haus war. Philipp rappelte sich eiligst hoch.

Im Vorbeigehen strich Vera den Hund mit ihrem von mindestens zehn Klingelarmreifen beringten Handgelenk durch das Fell.

»Hi.« Sie lächelte Philipp an und verschwand mit kühnem Hüftschwung zwischen den Stockrosen im Hauseingang.

»Hi«, grüßte Philipp mit Verspätung.

»Hi«, sagte Inken Bahnsen.

»’tschuldigung. Hi, ich meine guten Tag, Frau Bahnsen.« Philipp war immer noch leicht unter Vera-Schock.

»Ich nehme an, du bleibst ein paar Tage, es steht doch einiges an. Philipp, hast du gehört?«

»Bleiben?« schusselte Philipp. »Gerne.«

»Und wie«, flüsterte Inken Christiane zu.

Eine schlanke Frau, in beigem Overall, das Beige unterstrich ihre Bräune noch, ein Hermes-Flattertuch um den Kopf, mit Sonnenbrille, nahm Kurs auf Philipp, auch Fiete lief auf sie zu, um sie zu begrüßen.

»Philipp, o Philipp, wie schön!« Die Dame streckte die Arme aus.

»Mami?«

»Ich freue mich, mein Gott, wie schön, daß du hier bist.« Anna umarmte ihn, ließ einen Arm auf seinen Schultern. »Da schaust du, Christiane, wir haben Söhne, was?«

Philipp sah aus den Augenwinkeln auf seine Mutter, großartig sah sie aus. Meine Mutter! Aber es wird sich alles ändern, signalisierte sein Unterbewußtsein. Sein Gesicht bewölkte sich.

Im Laufe des folgenden Gesprächs, das Mutter und Sohn führten, machte Anna ihm klar, sie wolle dem neuen Glück seines Vaters nicht im Wege stehen. Philipp gab zu bedenken, ob es nun wirklich das Glück wäre, müßte sich noch erst herausstellen. »Egal, wie dem auch sei, auf diese Art und Weise bekommst du eine große Schwester.«

Philipp war entrüstet, daß seine Mutter alles so locker vom Tisch fegte. Anna sagte ihrem Sohn, sie dächte nicht daran, wegen Gaby ins Kloster zu gehen oder Missionsschwester im Hindukush zu werden. Das Leben geht weiter, sie sei verletzt, tief traurig, aber wäre dabei, sich zu berappeln. In dieser kritischen Gesprächsphase schickte ein guter Engel Vera vors Haus. Sie trödelte gelangweilt durch den Garten.

»Weißt du, Mami, das bringt nichts, so zwischen Tür und Angel. Wir müssen in Ruhe über die ganze Angelegenheit reden.« Philipp stand auf, küßte seiner Mutter die Wange und verschwand eiligst im Garten.

»Ihr werdet viel Zeit zum Reden haben. Vera mit Familie bleibt drei Wochen«, schickte Christiane ihm seelenruhig hinterher.

Nein, heute wäre sie nicht zum Essen da, sie wäre eingeladen, erklärte Anna ihren staunenden Freunden.

»Von wem? – Von einer Frau?«

»Nein, nicht von einer Frau, auch von keinem Bagger-Typ Marke: Ich-bin-allein-du-bist-allein-nachts-da-sollte-man-zu-zweit-sein. Es handelt sich um einen sehr netten Freund, einen Gentleman.«

»Holt er dich ab?« fragten alle gleichzeitig.

»Das, meine Lieben, habe ich abgebogen, weil ich euch kenne. Ihr hättet euch doch hinter den Gardinen gestapelt.« Wie hieß es doch immer? »Befreiung von der männlichen Feudalherrschaft, Wort mit zwölf Buchstaben: EMANZIPATION!« Anna war auf dem Weg zu einem »Date«, wie man heute lässig eine Verabredung zu nennen pflegt.

Täglich hatte sie weiter ihren Kaffee bei Leysieffer getrunken. Schon am nächsten Tag wurde Anna an einem reservierten Tisch erwartet. Ihre Unterhaltung hatte nicht mehr Freilichtbühnen-Charakter. Sie wurde gedämpfter, leiser. Bis auf die »Lache« von Ottoardo Fernando; die hatte barockes Ausmaß und ließ die Whisky-Straße erbeben.

Ottoardo Fernando von Weißenfels hatte eine Zweitwohnung in Strandnähe, wohnte ansonsten in Düsseldorf und war Anwalt. Gerda, seine Frau, hatte das viele Geld mit in die Ehe gebracht, er brachte den Adel. Gemeinsam hatten sie einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn war für ein Gastsemester in den Staaten, die Tochter ging in ein renommiertes Internat und lebte ansonsten noch zu Hause.

»Nein, Gerda ist nicht mit auf der Insel.«

»Nein, mein Mann ist diesmal in Hamburg geblieben, es gibt da so einiges zu tun!«

Sie verschwieg, daß »einiges« ein Rauschgoldengel aus Altwarmbüchen war, der sie, Anna, schnöde entthront hatte.

»Dann können wir morgen doch in aller Ruhe mit Eimer und Schaufel buddeln gehen«, schlug Ottoardo vor.

Anna hatte sich gedrückt, hatte erzählt, sie könne nicht tagsüber. Er freute sich über ihre Bemerkung, war sie doch abends frei. Abends ging schon, aber man würde sehen …

Drei Tage hat Ottoardo Fernando dieses Man-würde-sehen hingenommen. Am vierten Tag empfing er Anna nachmittags zur gewohnten Kaffeestunde mit: »Ich habe heute für neun Uhr einen Tisch drüben bei Tappes bestellt.«

Tappes war hell, klar und übersichtlich. Jede Hand am Knie würde man sehen. Selbst von draußen. Anna nahm die Einladung an. Nein, abholen solle er sie nicht, sie käme ihm entgegen. Es war ja alles in der Nähe. Von Weißenfels dröhnte wieder sein Lachen.

Anna mußte sich in die Situation finden, daß sie eine Verabredung traf, sie betrat Neuland. Seit Heinrich hatte sie keine Verabredung mehr getroffen. Gut, hin und wieder ein Flirt über rutschende Sonnenbrillengläser oder so, natürlich, aber sich richtig treffen, nein. Wenn Ottoardo nicht wußte, wo sie wohnte, konnte sie sich das Ganze noch überlegen. Sie mußte ja nicht hingehen. Verabredung mit Sicherheitsfaktor 12, dachte sie.

Längst wußte der Weißenfels, in welchem Haus Anna wohnte. Er war einfach Fiete gefolgt, wenn dieser durch den Ort streunte und Stammbäume begoß.

Anna stand vor dem Spiegel. Haare, Make-up, alles okay, aber was sollte sie anziehen? Sie war mit kleinem Gepäck gekommen, und das war auch noch das falsche für die Insel, geschweige um abends zum Essen zu gehen. Was sollte sie anziehen? Was soll’s, Anna Sander, du willst essen, mach nicht so ein Theater. Jeans, ein T-Shirt, der Blazer. Aus, fertig. Sie griff nach ihrem Cashmereschal. Nein, den heute nicht! Das war Heinrichs weihnachtlicher Verräter-Schal. Oder doch? Ja, nun gerade. Mit gekonntem Schwung schmiß sie ihn um, zog ihn vorne wieder lässig, locker zurecht; Anna war mit dem Ergebnis zufrieden. Auf Sylt rüscht und mandelt man sich nicht auf und war mit einem schnellen »Tschüß« aus der Tür. Sie wollte sich den Segen, die wohlgemeinten Ratschläge der Familie ersparen. Handelt es sich doch nicht um Jungfer Anna auf dem Weg zum ersten Rendezvous. Überdies war er überhaupt nur ein netter Freund. Mit dem sie essen ging. Anna bog aus dem Gartenweg.

»Guten Abend, meine Schöne. Ich freue mich.« Sie prallte in Weißenfels. Sein Lachen haben alle im Haus gehört.

Sie haben köstlich gegessen, Zander mit eingelegten Tomaten, einen staubtrockenen Chablis getrunken und geredet. Sich über Kunst und Musik, über blödsinnige Serien im Fernsehen, Politik und über Hollywood, von Mae West bis Sharon Stone, unterhalten. Mindestens zweimal hat er dazwischen zu Anna gesagt, daß sie eine bemerkenswerte Frau sei. Und Anna genoß es, in seiner Gesellschaft zu sein. Hinzu kam, daß er nicht ohne Charme war.

»Müssen Sie die Stechuhr bedienen oder trinken wir noch etwas?« fragte er. »Wir können weiterziehen ins Gogärtchen oder so, Sie haben die freie Wahl.« Anna ging die Nase pudern. Weißenfels bezahlte.

Draußen wehte ein lauer Inselwind. Die Luft war herrlich. Anna fühlte sich gut, so leicht, wie schon lange nicht mehr.

»Wir können auch noch zu mir gehen auf einen Drink, es ist nur ein Steinwurf von hier.«

Es wäre mehr als verklemmt gewesen, jetzt zu sagen, nein danke, das möchte ich nicht. Wenn sie sich schon emanzipierte, dann richtig, dann mußte sie auch konsequent bleiben. Weißenfels war kein Aufreißer. Würde sie auch nicht als heiße Ware nach Tanger verkaufen, also: Entwarnung. Warum nicht zu ihm? Obendrein war er nicht ihr Typ. Basta!

Sie bogen in die Kurhausstraße, gingen schweigend einige hundert Meter, waren vor seiner Tür, kamen in eine wirklich schöne, überaus geschmackvolle Wohnung.

»Hat Ihre Frau sie eingerichtet?«

»Nein, Melchinger und Partner.«

Es bleibt alles in der Familie, dachte Anna.

Daß Ottoardo Fernando »und Partner« gesagt hatte, registrierte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Familienstücke, ein traumhaft schöner Barockschrank, diverse Kommoden, hoch und mit vielen Schüben, waren wohlgefällig in die Gesamteinrichtung eingegliedert. Christiane hatte offensichtlich ein Händchen. Toll.

Vor ihr stand Ottoardo Fernando mit einem Glas Champagner. »Das ist ein würdiges Getränk, um eine hoffentlich schöne Freundschaft zu beginnen.« Seine himmelblauen Augen wurden ernst. »Auf Ihr Wohl, Anna.«

»Prost, Ottoardo Fernando.«

Schön ist es hier, dachte Anna. Sie war immer noch von dieser unerklärlichen inneren Leichtigkeit. Er kann mir überhaupt nicht gefährlich werden, wie angenehm, säuselte es in Annas Hirn. Wie angenehm.

Weißenfels machte eine »Schloßführung«. Von dem anschließenden weiteren Wohnraum mit Blick in die Dünen ging eine Wendeltreppe in den ersten Stock.

»Meine Frau hat die obere Wohnung.«

Anna war leicht angealbert. »Sie wohnen getrennt?«

»Ja.« Mit der Antwort hatte Anna nicht gerechnet. »Oh.« Mehr fiel ihr im Moment zu dem Thema nicht ein.

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Sechzehnter September, Flugnummer 1557, Hamburg/ Paris-Charles de Gaulle, Transfer nach Nizza, Ankunft 15.10 Uhr. Die Maschine der Air France ließ mit freudigem Hüpfer das regnerische Hamburg unter sich, zog ab in die blauen Wolken.

Angegurtet, die Sitze hochgestellt, saßen nebeneinander Anna und Ottoardo Fernando von Weißenfels!

Nachdem sie die Flughöhe erreicht hatten, bestellte Ottoardo Fernando Champagner. Und den konnte Anna sehr gut vertragen. Es war schrecklich viel passiert und vor allem so schnell. »Prost!«

Zum Wohle, cheers, skol, na sdrowje, le chaim, dachte Anna, ließ ihre Seele in die dicken Wattetürme, die sich rechts und links der Maschine bauschten, fallen.

Anna Sander, verheiratet, wenn auch mit Heinrich, dem Verräter, aber immerhin noch verheiratet, Mutter eines Sohnes, saß neben einem anderen Mann freiwillig im Flugzeug, mit Ziel Cannes. Oh, là, là! A votre santé. Verheiratet war er auch noch.

Wie das Leben so spielt. Der barocke »VW« – von Christiane so betitelt – lächelte sie von rechts an, als ob er Annas Seelenflattern gespürt hätte.

»Schön, daß Sie mitkommen, Anna.« Er ließ sein Glas an das ihre klingen.

Anna lächelte sich Mut zu. Sie war mit dem Segen der gesamten Sylter Truppe unterwegs, man hatte sie fast gezwungen, zu ihrem eigenen Wohlergehen, wie sie sagten, diese Reise mitzumachen. Selbst Philipp hatte gemeint: »Mami, wir leben nicht mehr Anno Zwieback, hab dich nicht so, fahr mit! Außerdem ist er attraktiv, gescheit und charmant. Dir kann doch nichts passieren, jedenfalls nichts, was du nicht willst.«

Philipp, der Übervater. Seine Bemerkung »gescheit und charmant« ließ Anna lächeln. Ihr Sohn! Dabei war er gerade mit sich und Vera zum Dauerwalzer auf Wolke sieben. Hatte Plüschaugen, gab sich wie menschlicher Himbeersaft, fast zu süß, für seine Umgebung leicht zähfließend. Genauso Vera.

Garbers, die Eltern Veras, wurden nahtlos mit in die Familienclique aufgenommen, es war unumgänglich; zum Glück waren es sehr nette Leute, es hätte auch anders kommen können. So aber paßten sie fabelhaft, denn Vera und Philipp waren wie siamesische Zwillinge. Jede Trennung, sei es auch nur für eine Mahlzeit, hätte gegen die Menschenrechtsklausel verstoßen.

Der liebe Gott meinte es gut mit den beiden: Vera kam nämlich aus Hamburg. »Komisch, Mami, wir haben uns noch nie gesehen, dabei haben wir viel gemeinsame Bekannte, wir hätten uns längst einmal treffen können, oder?«

»Gottes Regie geht wundersame Wege«, sagte im Vor­übergehen Christiane. »Eure Seite war noch nicht dran, Phipps.«

Sie strubbelte ihm durch seine vielen, gerade eben sorgfältig gezähmten Locken und drehte sich noch einmal kurz um: »Das heißt aber nicht, daß ihr jetzt besonders schnell blättern müßt.« Christiane war in der Türfüllung verschwunden.

»Selbstverständlich, ehrwürdige Mutter«, rief Philipp ihr hinterher. »Oh, entschuldige Mutter«, rief Philipp ihr hinterher. »Oh, entschuldige Mami, Vera wartet.«

Raus war er. Fiete stürzte im Galopp in die Diele, bremste, legte den Teppich in Falten, saß vor Anna und legte seinen Kopf schief.

»Ich komme schon Fiete, also, gehen wir.«

Fiete hechelte aus der Tür, ohne Rücksicht auf kreuzende Zweibeiner, sollten sie doch an die Seite springen, jetzt kam er, Fiete!

Eine Stunde später bogen beide in den Strönwai ein zu Leysieffer. »Die Schöne und das Biest«, begrüßte Ottoardo Fernando Anna.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2015
ISBN (eBook)
9783956071782
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
Liebe Familie Affäre Beziehung Frauenroman Liebesroman Romanze Seitensprung Urlaub Sylt Cannes
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Titel: Mal Cashmere, mal Persil