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Titel: M’Batánga

M’Batánga

Reise zum Glück

von Cornelia Canady

Seiten: (ca.) 190
Erscheinungsform: Originalausgabe
Erscheinungsdatum: 20.5.2015
ISBN: eBook 9783956070204
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 5,99

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Autor

Autor: Cornelia Canady
Cornelia Canady (Autor)
4 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Elena könnte nicht glücklicher sein: nach jahrelanger Trennung wird sie endlich ihre geliebte Cousine wiedersehen. Zusammen mit ihrem Vater reist die junge Frau nach Afrika, wo ihr Onkel die kleine Touristenfarm M’Batánga leitet. Vom ersten Augenblick an ist sie von der wilden Schönheit des Landes fasziniert. Vor allem der stolze und schöne Häuptlingssohn Mali macht ihren Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Elena ist sich sicher: mit diesem Mann will sie den Rest ihres Lebens verbringen. Doch dann trifft ein schrecklicher Schicksalsschlag die Familie und nichts ist so, wie es einmal war. Hat Elenas Liebe trotzdem eine Chance?

Details

Titel
M’Batánga
Untertitel
Reise zum Glück
Autor
Cornelia Canady
Seiten
190
Erscheinungsform
Originalausgabe
Preis (eBook)
5,99 EUR
ISBN (eBook)
9783956070204
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Cornelia Canady

M’Batánga

Reise zum Glück

Roman

Inhalt

Elena

Hip-Hop am 8.42° Noerdl. Breite ~ 20.64° Oestl. Länge

Abflug nach Manovo

Gefahr am Ufer des Kotto und der vergessene Airport

Elena - L‘Africaine

Le Bon Dieux de la Savanne

Großes Fest auf der M’Batánga-Farm

Les Sudanées ‒ Wilderer aus dem Sudan greifen an

Commissair Demain

Mussa bringt grüne Täubchen für die Suppe

Tantine Gala zu Besuch

Vorbereitungen zum großen Konzert, Elenas Liebe und die Liebe überhaupt

Cello-Klänge an rosa Wolke und ein trauriger Abschied

Das Unglück an der Kotto-Schlucht

Mali

Der Commissair schlägt zu

Dann, am kleinen Bach…

Quandia, das Dorf im Bongo-Massif

Tikais Lieblingslied auf Sango

Elena

Ein heftiger Akkord tönte durch die Aula. Wer noch nicht richtig saß, fand schnell seinen Platz. Leidenschaftliche Tonfolgen, Musik wurde zerrissen, eine bizarre Melodie schwebte ein, eine ungarische Weise lähmte das Publikum. Zugleich erhob sich blutrot, fast bedrohlich, die aufgehende Sonne hinter der schemenhaften Figur der Solistin. Verblüfft verfolgten die Zuhörer Elenas Cello-Spiel in der Musikhochschule. Die Stimmung war bis eben familiär, man kannte sich größtenteils durch Veranstaltungen, freundschaftliche Grillabende, Friseurbesuche oder wenig erfreuliche Elterntreffs. Hier, in der Musikhochschule, traf man sich wieder. Hier wurden voll protzigen Stolzes oder leiser Bescheidenheit, die hausgemachten Debütanten zu Abschlüssen oder Sonderkonzerten präsentiert, kritisiert, preisgekrönt.

Elena begeisterte heute alle. Erstaunt folgten die Blicke der Zuhörer diesem Auftritt, denn keiner ahnte bisher solch leidenschaftliches Potential und Einfallsreichtum in der eher stillen Musikschülerin.

Gegen das Bühnenlicht leuchteten ihre ungebändigten Haare wie Feuer um das schmale Gesicht, das versöhnlich sanft wie Porzellan schimmerte. Den Mund lächelnd geöffnet, zwischendurch leise, unverständliche Worte murmelnd, die Augen geschlossen, als schämten sie sich das Innerste Preis zu geben, war Elena völlig im Klang ihres Cellos versunken ‒ im melancholischen und weichen Klang der Melodie. Die Blicke der Menschen im Saal hingen an diesem eigenwilligen Mädchen. Vieles gab es zu sehen, was wohl nicht richtig ein zu ordnen war. Wie passten helle Augen zum roten Haar, die zarten, nackten Füße zum metallenen Spieß des Cellos, wie unverschämt, spreizten sich die Schenkel des Mädchens und wie unschuldig lächelte der Mund.

Auch das Cello gab etwas her, erotische Details, die nicht zu übersehen waren: geschmeidig, besitzergreifend- sinnlich, lag es zwischen den geöffneten Beinen. Als ob es wüsste, welche geheimen Offenbarungen dieser Körper bot, den es hier nur durch dünnen Samt des dunkel grünen Kleides trennte. Obwohl es sächlich schien, das Cello, hier wirkte es ausgesprochen männlich. Wurde es nicht auch wie ein Lover immer wieder umarmt? Wurde es nicht gezupft wie geliebte Haut, wurde es nicht mit zartem Bogen gestreichelt, wo es wohl am schönsten empfindet? Und auch am Hals durch kräftigen Griff in die Tonhöhen mit nötigem Halt versehen, gar gedrückt, dass es sich mit seligem Stöhnen fallen lassen konnte? Auch geschlagen wurde es, heftig sogar. Und das grade im Augenblick, als die Sonne sich in der Kulisse mit fliegenden Wolken vereinte, in einem zarten, unschuldigen Rosa. Doch plötzlich fegte stärker werdender Wind durch die Aula, leere Mülltüten flogen über die Bühne. Zuhören, zusehen.

Als persönliche Eigenart demonstrierte Elena hier in diesem Konzert zum ersten Mal, dass für ihr Musikverständnis auch andere Empfindungen ganz vordergründig wichtig waren: Licht, Geräusche, Bilder. Bilder die sich in neuester Technik auf- und ablösten. Eine Formation von Wildgänsen, die sich laut rufend über peitschende Wellen kämpfte, hin zum klaren Grün einer Insel, Freiheit! Die Vögel verschwanden, lösten sich in einem grellgelben Lichtkanal. Begleitet wurde der Wildganspulk mit schrillen, kurzen Schreien, die sich leiser werdend im leichten Pfeifen des Windes verloren. Neonblitze leiteten eine rasche Tonfolge ein und mit ihr das Ende der die Freiheit suchenden Wildgänse. Auch die Schreie erloschen jäh. Nur das leise Rauschen der Windböen begleitete noch das Cello-Spiel, das heftig und schnell über die Saiten flog.

Den Bogen wie ein handliches Werkzeug fest im Griff, schob Elena nun die Töne in kurzen, kräftigen Bewegungen vom Instrument, dann wieder energisch bis zum Hals hinauf, zupfend, plötzlich überspringend in ein rasantes Fingerspiel, in aggressivem Stakkato, das sich in scheinbaren Disharmonien auflöste. Ihr Kopf war weit in den Nacken geworfen, die Augen geschlossen, die sinnlichen Lippen zu einem schmalen Strich zusammen gepresst. Es gab kein „sich fallen lassen“ in die Musik. Elena verstand es, die Gedanken zu manipulieren, zwang sie in ihre eigenste Vorstellungswelt, fast herrisch zeigte sie dem Publikum, was sie wollte, zwang es zum gemeinsamen Desaster und zur gemeinsamen Erlösung. Fast atemlos hörten die Menschen zu, gefangen zwischen Bild- und Tonwelten.

Wie sollten sie sich da des Jubels entziehen? Die Ruhe bewahren? Elena, die trotz ihrer jugendlichen Erscheinung, offensichtlich wusste oder ahnte, was großes Instrumentalspiel wirklich ernst werden und den Ursprung der Musik begreifen lässt, ließ ihr Instrument weiter singen, zu Straßenlärm und Kinderlachen. In vielfältigen Variationen nutzte sie alle vier Oktaven auf virtuose Weise in diesem temperamentvollen ungarischen Stück. Grade steigerte sich der dünn-sehnsüchtige Ruf des Cellos in schlankem, hellem Klang der A-Saite auf einer sich aufblähenden Blase zum Zerreißen hin.

Das Publikum wartete auf den erlösenden Knall. Im Saal war es mucksmäuschenstill, nicht einmal das leiseste Scharren von Füßen, nicht ein einziges Hüsteln war zu hören. Es waren die letzten Töne der Cello-Sonate Op. 8 von Zoltan Kodaly. Das Stück klang auch schon aus. Ein puristischer Monduntergang in graues Nichts, machte in der Kulisse auf sich aufmerksam, oder war nur das Licht ausgefallen?

Elena öffnete die Augen und kam mit einem entrückten Lächeln langsam in die Gegenwart zurück, in einen spärlichen, fahlen Lichtstrahl. In jungenhaftem Ruck warf sie die glühend rote Haarwolke in den Nacken, griff das geile Cello am Schlafittchen und stand auf. Elenas knapp 22 Jahre erkannte man jetzt gut in ihrer jugendlichen Präsentation, ohne Zweifel. Umso verwunderlicher die Perfektion des Spieles und die eigenwillige Interpretation. Aber diese zierlich und doch zugleich erdig wirkende Person, bestand noch aus reichlich anderen Gegensätzen von denen bestachen: der sinnliche Körper gepaart mit lässiger Burschikosität der Gesten; eine energisch gewölbte Stirn über einer zarten Nase, ein äußerst trotziger Mund.

Der Saal belebte sich langsam mit Geräuschen, mit leisem Stimmengewirr und dann brach auf einmal tosender Applaus los. In der kleinen Aula hallte er doppelt so laut und wollte nicht enden. Elena verbeugte sich scheu mit eckigen Bewegungen, bis fast auf den Boden, wobei die roten Haare auf der alten Holzbühne entlang fegten. Der Applaus schwoll noch mal an.

Steif und recht verlegen, beugte sie sich noch tiefer, berührte fast die nackten Füße während sie mit den Händen noch fester am Halse ihres hölzernen Kameraden würgte, der am Boden schlotterte. Fast unauffällig drehte sie sich kurz zur Seite und schaute zu einer kleinen Tür neben der Bühne. Überlegte ganz offensichtlich, wie es hier am schnellsten raus ginge.

Doch die Zuschauer waren begeistert aufgestanden und klatschen ununterbrochen weiter, wobei in der ersten Reihe ein Paar besonders auffiel. Ein mittel-alter, drahtiger Mann mit leuchtend roten Haaren und daneben eine hübsche mollige Frau, applaudierten voller Enthusiasmus und jubelten Elena in lebhafter Begeisterung zu. Es waren Elenas Eltern, Marianne und Eugene Larousse.

Mutter Marianne, eine hübsche 40-jährige, mit dem gemütlichen Elan aller rundlichen Wesen gab ihrem Eugene einen liebevollen Kuss und schwärmte: „Unsere klei.. Lena!“

Eugene, irgendwie wirkte er verkleidet in dem dunklen Anzug, an dem die Ärmel zu lang schienen, oder die Hände zu groß, nickte zufrieden und versuchte beim Applaudieren seine derben Hände möglichst unauffällig zu bewegen. Am liebsten würde er sie auf den Stuhl legen und dort ein wenig klatschen lassen. Seine Augen waren stolz auf Elena gerichtet.

Noch ein begeisterter Mann saß in der vordersten Reihe. Ein blondes, hageres Mannsbild, das intensiv zu Elena hinaufschaute und ihr lachend zu winkte: ich bin auch dabei! Abel, ein junger Arzt und seit kurzer Zeit Elenas Freund.

Die Eltern waren natürlich begeistert von dieser viel versprechenden und auch äußerst ‚standesgemäßen’ Verbindung. Doch Elena nahm es nicht allzu ernst: es gab ja noch so viel zu tun! Außerdem, so drückten es grade ihre Augen aus, fand sie Abel ein wenig aufdringlich oder wie sie es immer ausdrückte: ‚zu geräuschvoll’. Sonst aber fiel er eigentlich eher dadurch auf, dass er nicht auffiel; ein Chinese allerdings könnte noch bemerken: ‚auffallend ist dass er keine gelbe Hautfarbe hat!’

Elena entwischte nun doch flink zum Weg des Bühnenabganges, winkte noch einmal knapp und linkisch, ein Lächeln flog auch noch mit zum Saal zurück.

Dann, grade als sie die Treppe hinab steigen wollte, sprang Abel vor, auf die Bühne und mit einem weiteren, langen Satz ergriff er schnell ihre Hand. In einer Art „erweiterter Familienangelegenheit“, zog er Elena sanft, aber bestimmt zur Bühne zurück und präsentierte sie majestätisch dem Publikum. Ja, er liebte sie aufrichtig, war stolz auf sie. Das, wie er meinte ‚zickliche Getue‘ schrieb er Elenas Jugend zu.

Das Publikum honorierte seinen Eingriff fröhlich pfeifend, lebhafte Zurufe schlossen sich an. Doch Elena entwand sich brüsk seinem Zugriff. Eilig lief sie wieder zur Tür, winkte noch einmal ein wenig linkisch zum Publikum zurück und dieses Mal gelang ihr die Flucht.

Abel, der ihr hinterher gelaufen war, wurde verärgert zu Recht gewiesen: „Du weißt doch, dass ich so was nicht mag. Wie kannst du mich vor allen Leuten so brüskieren. Ich wollte mich zurückziehen, das Konzert ist vorbei!“, schimpfte Elena vorwurfsvoll, wobei ihre hübsche runde Stirn ziemlich runzlig wurde.

Das Publikum bekam die Auseinandersetzung zwischen Tür und Angel mit, leises Lachen war zu hören und Äußerungen wie: „Lass Sie doch“, oder „Elena komm zurück!“

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Abel schaute Elena bedrückt an, versuchte aber die Stimmung zu heben: „Ach Leni, Du bist immer so bescheiden! Die Leute lieben Dich und Deine wunderbare Musik, sie wollen Dir doch bloß danken. Und wenn du dich so schnell verdrückst, ist das doch nicht möglich. Ja, es kommt sogar ein wenig arrogant rüber.“

Er versuchte Elena zu umarmen, doch sie schob ihn beiseite.

„Ich mag den Rummel nicht, das weißt du doch!“, erklärte sie mit leiser Stimme, jedoch sehr entschieden. „Es ist mir peinlich, wenn ich so angeglotzt werde. Ich möchte mich dann am liebsten verkriechen. Und du müsstest das doch langsam respektieren.“

Es war ihr während dessen gelungen, sich den endgültig öffentlichen Blicken zu entziehen, auch denen durch die Ritzen, und mit Abel die nächste Türe zu erreichen. Fast ein wenig versöhnlich legte sie jetzt die Hand auf seinen Arm.

„Sei nicht bös, es ist halt so! Wo sind denn die Eltern, wir wollten doch gleich nach Hause gehen?“

Elena war ungeduldig. Sie wollte jetzt alleine sein, sich entspannen und den schönen Augenblicken des Spieles nachhängen und nicht herumgezerrt werden. Außerdem auch der Vorahnung aus dem Weg gehen, dass noch mehr Fragen und auch Fremde dazu kämen, wo man Rede und Antwort stehen müsste. Elena war froh, wenn sie schwierigen Dingen ausweichen konnte. Nicht dass sie sich überfordert fühlte, sie fühlte sich einfach wohler in einer beschützten Welt, am liebsten unter der Obhut und Liebe ihrer Eltern. Da wurde ihr Weg wunderbar geebnet und sie brauchte sich nur noch auf ein unkompliziertes Leben zu konzentrieren, ihr Spiel zu vervollständigen, ihr geliebtes Cello zu verzaubern. Mehr hatte sie bisher nie versucht.

Abel entdeckte Eugene und Marianne im Seitengang und beschwichtigte Elena. „Schau, alle sind da!“ Dann flüsterte er ihr ins Ohr: „Ich bin so wahnsinnig stolz auf dich. Wir werden Dein erstes Konzert noch in Ruhe feiern, nur wir beide… ja?“

Dieser nette Satz erstarrte in Gefrierfach-Atmosphäre, kaum dass er draußen war: “Phhfff!“

Sie mochte sich grad nicht besonders, aber irgendwie fand sie Abel auch völlig daneben, aufdringlich, sodass sie weiter in die Kälte stürzte.

Eugene war heran gekommen und nahm seine Tochter stumm in die Arme, nicht ohne einen vorwurfsvollen Blick auf Abel zu werfen. Elena ließ sich gerne drücken, in Vaters warmer Armbeuge fühlte sie sich wohl, war es kuschelig. Sie gab ihm einen eiligen Kuss auf die Wange und fragte leise, ungeduldig: „Hat es dir gefallen? War es nicht zu eigenwillig dem Komponisten gegenüber?“

Dabei schaute sie ihren Vater ernst an und bevor er antworten konnte, fügte sie noch in leiser Überlegung hinzu: „Es sollte doch mit genügend Respekt gespielt werden!“

Eugene drückte seine Tochter noch inniger an sich.

Mit geschlossenen Augen wiegte er sie wie ein Baby. Er liebte dieses eigenwillige Kind über alles. Verstand dessen künstlerische Nöte. Zärtlich neigte sich seine Nase in die wirren Mädchenlocken, schnüffelte sie ab und schien jede einzelne Strähne einatmen zu wollen. Fast fraß er auch die Sommersprossen, die so witzig in Elenas Gesicht herumlagen. Sein herzlicher Charme, den er noch aus Großvaters Generation geerbt hatte, machte alles verständlich. Es las sich gut in diesem Bauerngesicht, alles arbeitete mit: die reichlich kühne Nase, der sensible Mund, die wasserblauen Augen, auch die wechselnde Struktur der Locken mit der fabelhaft leuchtenden, roten Farbe, selbst der Neigungsgrad der verschieden abstehenden Ohren.

„Aber mein süßes Baby!“ In dieser so kindlichen Ansprache, ging ihm weder Respekt noch Anerkennung verloren. „Du hast doch...“

Eugene wurde von Mariannes etwas träger Stimme unterbrochen: „Genau, das hab… die Engelkes auch ges..! Dein Profess.. war ganz w…... So stolz… kaum ein Wor.. heraus bekam. Na ja, dafff.. hat sei.. Frau alles Nötige erzzz..“ Wie immer verschluckte Elenas Mutter ganze Satzfragmente, zu träge, unwichtige Dinge wie Wörter ‒ von denen doch jeder wusste wie sie endeten ‒ auszusprechen. Manchmal fügte sie stattdessen eine elegante, vage Bewegung an, die aber auch nichts Genaues ergänzte, sondern schließlich ebenso unvollendet wie die Sätze, in der Luft hängen blieb. Sie drückte ihre Tochter mit einem Arm an den runden Busen und die vor Aufregung geröteten Wangen und richtete in mütterlicher Fürsorge Elenas widerspenstige Mähne.

Mit glänzenden Augen verkündete sie würdevoll und zukunftsschwanger: „Du wirst mal eine große und berühmte Musiker....das habe ich heu….genau ges…“

Marianne, die ihre kaum zu bändigende Haarfülle nicht nur der Tochter vererbt hatte, sondern auch genau wie Elena, diese stets mit ungeduldigem Zupfen zur Ordnung ermahnte, trug heute ihre blonden Haare zu einer fetzigen Hochsteckfrisur gebündelt. Mit ähnlichem Geschick war auch an den kleinen, überflüssigen Fett-Röllchen gearbeitet worden. Heute waren sie ganz smart im entzückenden Blümchenkleid eingezwängt und weiß der Teufel nicht, in was da drunter! Marianne glänzte im sorglosen Chic und Selbstbewusstsein einer aufgebrezelten Landschönheit. Sie liebte, genau wie Eugene, ihre Tochter über alles, fast so wie ihren kleinen bunten Vogel. Nie würde sie dulden, dass ihr oder ihm, irgendetwas Böses oder Unerwartetes zugefügt würde.

Ständig pusselte sie an Elena herum, musste sie einfach anfassen, sie spüren, ohne etwas Bestimmtes zu tun, musste ihre Nähe dicht an ihrem Herzen fühlen.

Elena machte dies mitunter recht nervös und verlegen, vor allen Dingen vor anderen Leuten. Aber sie wusste auch, dass es ein Ausdruck überschäumender Liebe war und deshalb schmunzelte sie meist nachsichtig. Jetzt gab sie ihrer Mutter lediglich ab und an einen leichten kleinen Klaps auf die emsige Hand, worüber beide lachten. Elena liebte dieses selbstbewusste Wesen, das in jeder Pore Muttergefühle hegte. Eigentlich müssten da auf ihrer Haut Windeln, Kindsköpfe und Schokoladenpudding in kleinen Smilies zu sehen sein. Elena schmunzelte bei dem Gedanken, sie küsste ihre Mammi herzhaft auf den erstaunt geöffneten Mund.

Im kleinen Vorzimmer der Aula hatte Eugene inzwischen die Mäntel seiner Frauen eingesammelt, zwängte sie hinein, verschloss alles dicht und schob beide langsam, aber zielstrebig, hinaus. Elena beeilte sich, ihre Cellotasche fest im Griff, ins Freie zu kommen, denn im Hintergrund aus dem Saal, hörte man bereits Stimmen näher kommen, Stühle rücken und Sätze wie: ’Wo ist Sie denn?’ und ‚Ich will sie unbedingt sehen… Glück wünschen…. `

Draußen war es lausig kalt. Der Atem stand in hellen Fahnen vor den Lippen, frischer Schnee blinkte auf dem Weg. Vermummt in die Wintersachen und warm in einander gehakt, suchte die Familie, wie eine Gruppe abendlicher Verschwörer, mit schnellen Schritten das Weite. Alle respektierten Elenas Wunsch, weiteren Begegnungen aus dem Weg zu gehen. Fast im gleichen Rhythmus bewegten sie sich mit zielstrebigen Schritten heim. Bloß Abel lief ein wenig abseits mit recht nachdenklichem Gesicht. War er doch grade aus dem familiären Universum ins einsame Abseits gestellt worden, wo er sich ganz unwohl fühlte. Seine schlanke, hohe Gestalt bewegte sich mit eingezogenen Schultern und leicht tapsigen Bewegungen hinter den kleinen Fußabdrücken, die Elena im Schnee hinterließ.

Zu Hause, in der kleinen Villa der Familie Larousse, suchten sich die Frauen die wärmste Ecke, während Eugéne einen edlen Tropfen aus dem Keller holte. Den schönen französischen Namen hatte sich Eugenes Mutter vor vielen Jahren mühsam in Frankreich angeheiratet, als sie sich dort ‒ zum Entsetzen ihrer musisch veranlagten Eltern ‒ während der Schulferien in einen feschen Landwirt verliebte. In einen sehr feschen! Noch entsetzlicher: Großmutter sprach damals kein Wort Französisch. Doch nach der Geburt des ersten Sohnes änderte sich das schnell.

Seitdem wurde das französische Flair erhalten und fast wie ein Kulturerbe gepflegt. Bis heute waren Ferien in der Normandie, in den Weinbergen der väterlichen Familie, an der Tagesordnung und alle freuten sich immer wieder auf diese ländlich-urige Zeit. Außerdem wurde stets reichlich Champagner eingepackt.

Jetzt war solch eine schöne Gelegenheit, den edlen Tropfen zu zelebrieren. Im Wohnzimmer hatte jedes Familienmitglied, zwischen unzähligen exotischen Kissen, seltenen Pflanzen, Plüschtieren und ausgefallenen Sitzgelegenheiten aus Holz, seinen festen Platz und sank mit fragloser Selbstverständlichkeit dorthin.

Elena saß am liebsten am Boden neben dem Hundekörbchen, auf dem opulenten Orientkissen.

Papa Eugene stand neben seinem Pfauenthron aus Bambus, veredelt von einer Stechpalme. Dort zu Füssen, saß Elena. Liebevoll schenkte er die Gläser voll und prostete seinen Frauen zu; schließlich auch Abel, der unauffällig irgendwo auf einem Stuhl saß. Dann ließ er sich auf seinen Thron fallen und legte die Hand auf Elenas Lockenkopf.

„Ich fühle mich, als würde ich von einem Ausflug in einen abenteuerlichen Wald, zurückkommen!“, erklärte Elena fast beschwipst ihrem Vater und schmiegte liebevoll die Wange in seine Hand. Aufregung und Stress waren verflogen und das begabte Wesen mit dem roten Schopf und den eindringlichen blauen Augen wurde zu einem kleinen Häufchen schmelzender Sahne auf heißem Untergrund.

„Aber ich bin einmal gestolpert. Eine schwierige Passage mit den vielen Griffen!“, resümierte sie kritisch.

Eugene lachte: „Mein Schatz, du drückst Dich immer so bildlich aus. Wenn du nicht Musikerin wärst, könntest du sicherlich spannende Geschichten schreiben!“

Elena winkte ab. „Ich glaube dass die meisten Dinge schon reichlich und teilweise auch sehr gut beschrieben sind.“

Miefke, Eugenes buntfleckige Hündin, kam mit fliegenden Lefzen an galoppiert, im Schlepptau drei Welpen, die ihr kreuz und quer durch die Beine, am schlabbernden Gesäuge vorbei tollten. Eugene erklärte hierzu immer allen Ernstes, es sei eine neue Zucht. In Wirklichkeit aber wurde diese Handfeger-Hyänenmischung eines Tages laut winselnd am Raubtiergehege bei der Fleischausgabe entdeckt.

Alle vier stürzten sich jetzt begeistert auf Elena, zu heftigstem Gerangel, Geschrei und Gefiepse und im Nu war die feinste Rauferei im Gange.

„Vorsicht deine Fin...“, mahnte Marianne laut aus dem puffigen Sofa. Aber weder Elena noch Miefke und Konsorten kümmerten sich um diesen besorgten Einwurf.

Eugene, der als Großwildaufseher im Münchner Zoo arbeitete, hatte ständig Tiere zu Hause untergebracht. Als guter Mensch vom Isartal-Ost, konnte er natürlich kein Leid sehen und nahm sich jeder verletzten Seele an, egal aus welchem Teufelsloch sie stammte.

Eines Tages waren so viele Tiere im Haus, dass Marianne der Kragen platzte und sie sich mit einem langen Messer neben dem Hängebauchschwein platzierte, das in der Küche grade geflissentlich mit der Mülltrennung beschäftigt war. Auf dem vormals blitzblanken Boden lag, sorglos verteilt, der Inhalt des großen Mülleimers. Hängebauch-Wutz schob laut grunzend Plastik, Becher und Metall nach rechts und leckere Kartoffelschalen, Eierreste in roter Soße, leicht grünschimmeligen Reis mit Gemüse unter ihren dicken, grauen Bauch.

Mit einem entrüsteten Schrei konnte Eugene das Schlimmste verhindern und von da an beschränkte sich die Hausbewohnerzahl in der Glockenstrasse 12 der Au, auf drei Erwachsene, vier afrikanische Besen-Hyänen, Miefkes, plus einem stotternden Graupapagei. Sein Name: Rin-go-go. Mariannes Liebling und überall geduldet.

„Also, auf dein Wohl, liebe Elena und weiter viel Erfolg!“, prostete Eugene noch mal in die Runde. Abel durfte wieder etwas mitmischen und alle fühlten sich wohl, bis zu dem Augenblick, als Marianne das Wort ergriff.

„Aproppp.. feiern, wie ih..!“, mischte sie sich in die jeweiligen Gedanken, wobei sie ein bedeutungsvolles Gesicht machte. Dann begann sie noch mal: “Wie ihr alllll.. wisst, is.. i.. sechs Woch.. Weihnaaaa….!“ Dabei zog sie die Augenbrauen noch höher, so hoch, dass man Angst haben konnte, sie würden auf nimmer Wiedersehen in der Haartolle verschwinden.

„Ach Mammi, mach es doch nicht so spannend, sonst vergisst du vielleicht den Anfang wieder!“

Alle lachten laut, aber Marianne schwieg bedeutungsvoll und ernst, ging in feierlichen Schritten zum kleinen Sekretär am Fenster, öffnete die Lade und zauberte aus einem Stapel Papier einen sorgsam gefalteten Brief hervor.

„Voilà!“, schmetterte sie triumphierend hervor, hielt ihn dabei wie ein Beutestück empor. Es wurde still im Wohnzimmer und spürbar prickelnd, wie ein unbekannter Duft, verbreitete sich Spannung, aber auch Ehrfurcht. Dieser Ausruf nämlich, war der erste zusammenhängende an diesem Abend, in Form eines bedeutsamen Wortes: “Voilà! „Ein Brief v.. Pie... Er bittet… uns zu Weih…“, fuhr Marianne triumphierend fort, wurde aber nun ungeduldig, doch freundlich, von Eugene unterbrochen.

„Ach Haase, lass mich doch besser vorlesen! Es wird ja sonst zu spannend. Wir wollen hier alle ganz schnell wissen, was mein Bruder schreibt. Der Brief kommt ja schließlich nicht vom anderen Stadtteil, sondern aus dem schwärzesten Afrika!“

Und ohne weiter abzuwarten, entwand er ihr sanft den Brief, holte eilig die Brille und las nun ohne Umschweife vor:

MBantanga, 15. November 1997

Lieber Bruder, liebe Marianne und kleine Elena!

Solange haben wir jetzt nichts mehr von einander gehört, was ich sehr schade finde und denke, dass wir das ändern sollten. (Das hat übrigens der Familienrat gestern beschlossen, Vorsitzende ist da jetzt unsere kleine Fleur!)

Vorab noch: iich hoffe, euch geht es allen gut und ihr seid gesund! Elena kommt fleißig in der Musikhochschule voran? Unsere Fleur denkt sehr viel an sie und redet ständig davon, ihre Cousine bald wieder zu sehen. Und da sind wir auch schon beim Thema. Ihr wisst ja, dass ich nicht lange um den heißen Brei rede (Du, lieber Eugene, bist da ja etwas diplomatischer!!). Also wie gesagt, in einem Familienbeschluss haben wir diesen Wunsch zusammengefasst: Kommt doch bitte nach M’Batánga und lasst uns Weihnachten zusammen auf unserer Farm feiern. Es sind fast sieben Jahre vergangen und ihr fehlt uns sehr. Fleur hat große Sehnsucht danach, mit Elena zusammen Musik zu machen und TiKai möchte unbedingt mit Marianne wieder Zouk tanzen und du, lieber Eugene, musst meinen kleinen Exoten-Zoo auf Trab bringen. Ruanda und Hamid werden dir dabei helfen ‒ ich soll auch die Grüße nicht vergessen. Hiermit abgehakt.

Ich hoffe, Marianne hat inzwischen ihre Angst vor unserem „freilaufenden„ Groß-Park ein wenig in den Griff bekommen? Es werden nachts sicherlich keine Löwen mehr um die Farm, oder ihre Lodge schleichen, wir passen alle auf!

Der Park ist richtig schön geworden, aber verdammt viel Arbeit. Viele meiner Wildhüter haben Angst hier ohne Waffen raus zu fahren, aber du weißt ja, dass dies meine erste Devise ist, nur zum Schutz der Tiere. Zurzeit arbeiten wir noch hart gegen die schlammigen Wege, aber in drei Wochen wird alles begehbar sein.

Afrika zu dieser Jahreszeit- nach dem großen Regen- wird nicht zu anstrengend für Euch. Es ist noch nicht zu heiß, die Luft ist klar.

Jetzt hoffe ich,. dass der Brief nicht solange unterwegs ist und vor allen Dingen hoffen wir alle auf eure positive Antwort, sodass wir uns auf ein schönes Weihnachtsfest freuen können.

In Liebe

Euer Pierre, Eure TiKai und Fleur

À bientôt!

Bedeutungsvoll schaute Eugene in die Runde und trank dann sein volles Glas in bedächtigen kleinen Zügen leer. Außer dem Schlucken hörte man nichts im Raum, alle schienen ganz vertieft in eigensten Gedanken. Miefke sah mit schräg gelegtem Kopf erstaunt von Elena zu Eugene und wieder zu Elena. Marianne war aufgestanden und deckte Rin-go-go leise zu. „Schön schlaaaa.. mein Lieb….!“

„Schöööö schöö schlaa aa aa!“, äffte der Papagei stotternd in Mariannes träger Stimme nach. Doch diesmal lachte niemand.

Abel fasste sich als Erster. „Das ist ja mal eine feine Sache! Afrika, wilde Tiere! Das ist doch was für Dich Eugene! Und Elena sieht endlich ihre geliebte Cousine Fleur wieder. Ihr habt doch erzählt, sie sei ein rechter Wildfang, genau das Gegenteil von Elena. Marianne tanzt mit ihrer Schwägerin und ich komme später nach!“

Begeistert schlug sich Abel auf die Schenkel und schaute erwartungsvoll in die erstarrte Runde.

Nur Elena hatten die letzten Worte zum Leben erweckt. Und zwar recht abrupt. „Wieso möchtest Du nachkommen? Das ist doch ein reines Familientreffen!“, bemerkte sie spitz, und schaute haarscharf an ihm vorbei.

„Eben deshalb!“, konterte Abel schnell und etwas leiser. „Ich möchte, dass du mich endlich dazu zählst, das kann doch nicht so schwierig sein?“

Abel wirkte zwar relativ ruhig, doch an seiner linken Wange pochte es heftig. Elena tat es nun doch wieder leid, so direkt gewesen zu sein. Man merkte ihr an, dass sie diesen sanften und geduldigen Mann zwar sehr mochte, aber in ihrer unausgeglichenen Jugend noch nicht im Geringsten bereit war, für ein wenig Anpassung. Nun war auch Marianne wieder etwas munterer geworden und warf einen strafenden Blick auf Elena. Die robbte ein wenig aus dem Hundekörbchen hervor, griff Abels Hand und drückte sie leicht.

„Entschuldige, es ist nicht so böse gemeint, wie es sich vielleicht anhört. Ich bin nur noch ein wenig überdreht wegen des Konzerts. Mach ich ja schließlich nicht alle Tage. Und du gehst mir auf die Nerven, weil du dich vorhin ziemlich eigennützig über meine Gefühle hinweg gesetzt hast! Und jetzt bestimmst du einfach, dass du mitkommst!“

„Schon gut, Lenchen. Tut mir wir wirklich leid, ich werde mich bessern!“

Klugerweise ließ Abel die Sache auf sich beruhen. Er drückte zart ihre Hand und hauchte einen vorsichtigen Kuss auf den Handrücken. Doch Elena blieb verstimmt.

Auch Marianne, die das junge Paar ziemlich unglücklich beobachtete, hielt sich zu dem anhaltenden Gezänk diplomatisch zurück, auch zum Thema Afrika-Reise. Mit zierlichen Schritten glitt sie stattdessen durchs Zimmer und schenkte mit einem unverbindlichen Lächeln überall nach. Elena kaute an der Unterlippe und ließ Miefke in den zweifelhaften Genuss heftigen Kraulens kommen. Abel drehte versonnen am Glas und schien düster seine Zukunft aus den schwach perlenden Blasen zu lesen; Eugene kaute den frischen Tropfen kräftig durch, schluckte ihn dann auf einmal hinunter und schlug sich freudig auf den Schenkel.

Marianne nippte ein wenig an ihrem Glas und meldete sich kurzentschlossen zu Wort.

„Im Prinzzzz… fin.. ich das ei.. schöne Id... Ich wü… mich wahnssss.. freuen alle wied.....“ Nach einer kleinen Pause setzte sie einen Schlusspunkt ihrer Einstellung zur Reise. „Ihr wissss.. ja al.., dass ich d.. tropische Klim.. mi.. der hooo.. Luftfeuchtig.. ni.. vertra…. Und außerdd.. ist Afrika ni.. mein…..Diiin.. Lassss.. uns doch lieee… nach Norwe…..“

Aber dazu meldete sich jetzt Elena entschieden zu Wort. „Ich würde so gerne Fleur wieder sehen. Ich denke fast täglich an sie. Aber dieses M’Batánga hat soviel Unübersichtliches. Für mich ist Afrika mit purer Aufregung verbunden, auch mit Angst, genau wie bei dir, Mami.“

Eugene war nun aufgesprungen. Er schien vergnatzt. „So wie es aussieht wäre ich der einzige aus der Familie, der von diesem tollen Angebot Gebrauch machen sollte. Na großartig, meine verwöhnten Frauen! Was muss man euch denn noch bieten, dass ihr mal zufrieden: ‚ja gerne’ schreit?“

Mit gerunzelter Stirn musterte er kurz die Runde und schenkte sich noch mal randvoll nach, was ein missbilligendes, langgezogenes Räuspern Mariannes nach sich zog. Nun lag auch ihr hübsches, rundes Gesicht ‒ in dem sonst alles äußerst freundlich, glatt und zufrieden glänzte ‒ in schmollenden Wölbungen und drohenden Fältchen.

Abel hatte trotz Zänkerei, nur Augen für Elena. Er wirkte hilflos, so zwischen den Stühlen und fünf weichen Kissen. Würde er doch am liebsten dieses geliebte Wesen an sich drücken und fest halten, das stand klar und deutlich in seinen blauen Augen. Aber genau das wäre für Elena sicherlich das i- Tüpfelchen, unerträglich! Und dazu wäre dieser brisante Augenblick hier im elterlichen Wohnzimmer, gelinde ausgedrückt, undiplomatisch. Nun musste er fast schmunzeln bei dem Gedanken, wie empört und in welcher Höchstgeschwindigkeit sich Elena in dieser Situation von ihm befreien würde und wie schnell er wohl auch von den Eltern, die ihn zwar sehr mochten, trotzdem eins aufs Dach bekäme. Warum bloß sind Wünsche so verzaubernd, wenn sie unerreichbar und warum bloß sind sie, wenn erreichbar, meist so entzaubernd? Diese deprimierenden Fragen jedoch, spülte Abel mit einem großen Schluck Champagner herunter und schaute wie auf Antwort wartend, auf seinen unerfüllten Traum.

Elena schaute wehmütig zu den Eltern. Nicht nur, dass das schöne Konzert vergessen war, es machte sich obendrein rechte Missstimmung breit, die grade einen unerwarteten Höhepunkt erreichte: „Schei- ei- eis- sse!“, pipste es schläfrig aus dem Käfig und beschrieb die Situation äußerst treffend. Abel grinste, aber sonst wurde die komische Situation ignoriert, es lachte keiner.

Stattdessen schoss Eugene wie vom Blitz getroffen zum Vogelkäfig, schmiss das Schlaftuch weiter drüber und wetterte laut durch das Gitter: „Wirst du endlich mal verdammte ganze Scheiß-Sätze sprechen! Das heißt ’Scheiße’, hörst du! ‚Scheissseee!’“

Damit war allen Anwesenden klar, wie sehr das Gestotter eines Menschen, nach 20 Jahre Ehe und phlegmatischer Anwendung eines im Prinzip wunderbaren deutschen Wortschatzes aus dem Munde einer ‚maulfaulen’ Ehefrau, in Rage bringen konnte. Mit besorgten Blicken fragten sich die Anwesenden, was wohl folgen würde…

Hip-Hop am 8.42° Noerdl. Breite ~ 20.64° Oestl. Länge

Im Norden der afrikanischen Äquatorialschwelle, erstreckt sich eine schier endlos scheinende Feuchtsavanne. Alle sechs Monate gibt es meist leichten, aber steten Niederschlag, aus dem sich mannshohe Gräser und Schilfinseln entwickeln. Die Regenzeit zeigt sich dicht und grün in Laub, herzhaft bunt in Blüten, klar in der Luft. Undurchlässiges Buschwerk zieht sich im Anschluss bis hin zum immergrünen Regenwald und dient als Versteck von Raubkatzen und anderen schleichenden Jägern, die aus dem Wald kommen. Auch der nachfolgende, lichte Wald, der baumspezifisch die vier Jahreszeiten nachvollzieht, bietet da reichlich Unterkunft und Nahrung. So gibt es zugleich Frühjahr-, Sommer-, Herbst- und Winterzeit. Das heißt, unterschiedliche Bäume blühen, tragen Früchte, werfen Laub ab zur unterschiedlichen Zeit. Doch dieses Nord-Savannen-Mosaik ist nicht Natur gegeben, sondern das Ergebnis menschlicher Eingriffe: Feldbau durch Brandrodung und systematisch angelegte Savannenbrände, die meist der Jagd dienen. Genau genommen wird beim Brand ja nicht gejagt, sondern das verstörte Wild wird auf der Flucht vor den Flammen in langen Netzen eingefangen und dann langsam getötet ‒ meistens mit einem stumpfen Messer. Es wird solange an der Kehle herum gesäbelt, bis sie endlich durch geschnitten ist. Manche Tiere flüchten in Panik vor den Menschen in die Flammen zurück, wo sie elend zu Grunde gehen. Jungtiere haben überhaupt keine Chancen. Auch die fremdartig wirkenden Termitenbauten, die sich aus der Savanne heben, wie abstrakte, rote Bauwerke von einem anderen Stern, brennen fast bis in die untersten Geschosse aus. Ein ziemliches Dilemma im nährstoffarmen, ausgelaugten Boden, denn die organischen Pflanzenstoffe, die von den Termiten im Innern ihrer Nester zusammengetragen werden, begünstigen die Entstehung der Bäume. Hier werden auch in einer anderen Art Symbiose, die von Elefanten abgerissenen Äste entwurzelter Bäumen, weiter verarbeitet und zersetzen sich dann. Eine natürliche Düngung findet statt, in der sich wiederum gerne Pilzgärten ansiedeln, die Feuchtigkeit aufsaugen und somit im Termitenbau für ein ausgeglichenes Klima sorgen. Besonders wichtig ist für den Termitenbau, dass sich dort gern Pilze ansiedeln und somit diese Bauwerke belüften und die Innentemperatur beständig auf 30 Grad Celsius halten. Anderseits können sich dort wieder die verschiedensten Gräser entwickeln. Ein ewiger Kreislauf, den man mit allergrößter Bewunderung beobachten kann.

Die brennende Savanne ist aber auch ein Kampf gegen die Tse Tse Fliege, dient außerdem der Vernichtung von welkem Altgras und somit der Neuschaffung frischen Weidelandes. Die schönen, mächtigen und breitfächrigen Baobab-Bäume, die auf so vielfältige Art genutzt werden in der trockenen und glühend heißen Savanne ‒ auch von Tieren ‒ brennen dabei noch wochenlang vor sich hin, wie glühende Mahnmale gegen schwefelnde Menschenhände.

Von hier oben, an der nördlichen Grenze zum Tschad, der nord-östlichen Grenze zum Sudan, an diesem 8.42° Breiten- und 20.64°Längengrad, in der kleinen Stadt

Ndélé, sind es nur 35 Kilometer zum Nationalpark Manovo ‒ La Gounda. 32° Hitze und 85% Luftfeuchtigkeit, heute am 29. November 1997, 15h auf der Farm M’Batánga in der Provinz Bamingui-Bangoranio. In diesem kaum besiedelten und unzugänglichsten Savannen-Gebiet der Republique Centrafricaine, bewirtschaftete Pierre Larousse, Gründer der M’Batánga-Farm, acht Touristen-Lodgen und seine kleine, lebenslustige Familie. Außerdem war er und das stand an aller erster Stelle seines Lebens, Direktor des umgebenden Naturparks ‚Manovo-Gounda St. Floris‘. Tiere, Tiere, Tiere…. bis hin zum braungrünen Mistkäfer, dem Öko-Gärtner der Savanne. Den mochte er besonders, hatte gestern erst die vielen frischen Pflänzchen, die aus den vergrabenen Mistkugeln wuchsen, bewundert.

Eigenwillig wie sein roter Schopf, ausgemergelt, aber zäh wie die umliegende Savannenlandschaft, regierte er seit 15 Jahren ohne Anwendung von Waffen oder Gewalt im Park, der im Volksmund „La Gounda“ genannt wurde. Der Park war sein Ein- und Alles. Und mit jugendlichen vierzig Jahren wurde Pierre von den Einheimischen als ‚alter Grüner‘ belächelt aber auch anerkannt als Naturschützer. Afrikaner kennen die Grüne Partei „La Mouvemente Verte“ nur als Farbenspiel auf Plakaten.

Trotz seiner allgegenwärtig rauschenden Engelsflügel, war Pierre auch ein Draufgänger, dessen Lebensart unter dem Motto stand: Top oder Hop. Nur ein scheinbarer Widerspruch, denn er war einer dieser seltenen Menschen, die mit der Gabe gesegnet wurden, biblische Geduld erfolgreich mit verwegenen Aktionen verbinden zu können. Mit zu dieser Devise gehörten seine junge, entzückende schwarze Frau TiKai, Schutzheilige der familiären Fress- und Verwöhnanfälle und ihre gemeinsame 18-jährige, quirlige Tochter Fleur, die sich meist im Rhythmus von Rap-Sounds vorwärts bewegte, oder überraschend seitwärts. Außerdem dabei, eine handvoll einheimischer, schwarzer Ranger, die mit ihren Familien auch ein wichtiger Bestandteil der kleinen Larousse-Dynastie waren. Denn dazu zählten auch noch Tontons et Tantines….

Die M’Batánga-Farm mit den sich halbkreisartig anfügenden Touristenlodgen lehnte sich unauffällig an die Buschlandschaft an und sogar das längliche Wohnhaus aus verwaschenen Ziegeln und altem Holz sah aus, als wäre es vor vielen Jahren mit den dornigen und zerzausten Dragonerbäumen aus der Erde gewachsen. Eine fuchsia-farbene Bourgonvilla umschmiegte das Haus seitlich mit armdickem Ästen, bis hin zum Dach. Vor der weit geöffneten Haustür lagen auf dem schattigen, kühlen Zementboden zwei müde Faulenzer. Den Zweiten, eine kleine Manguste, Bimbo Schleicher aus der Savanne, sah man erst auf den zweiten Blick. Sie hatte sich dicht an die Flanke der bunten Mischlingshündin Nessie geschmiegt und ihre spitze Schnauze mit den langen Schnurrhaaren tief in deren Bauchfalte vergraben. Nessie lag, einem zu lang gegarten Braten gleich, auf dem Rücken, dampfend, mit weit auseinander geklappten Beinen, Lefzen, deren rosa Innenseiten zu Boden gefallen waren. Ein völlig entspanntes, geöffnetes Maul erleichterte den Zugang für Mücken, die ab und an trägen Auges, von Schleicher Bimbo Mangoustino beobachtet wurden. So gesehen, könnte man meinen, diese beiden Penner könnten nicht bis drei zählen und seien in der glühenden Hitze jeder Art von Hirn beraubt. Hier aber würde jeder ahnungslose Betrachter gewaltig irren….

Aus offenen Fenstern, aus welchen blütenweiße Vorhänge flatterten, klangen leises Klappern, Küchengeräusche und ab und an ein paar afrikanische Sangho-Wortfetzen, ein Frauenlachen. Friedlich und ruhig war es hier, der Duft nach frischem Brot und Kaffee rundete den Eindruck ab. An den Hauptbau siedelten sich mit weiten Zwischenräumen, acht rundbauchige Lodgen an. Aus starkem Holz und nur mit Zementböden grundstrukturiert, bambusverstrebten Türen und Fensterrahmen mit verblichenem Schilfgras gedeckt, sahen sie ausgesprochen exotisch aus. Als Fenster dienten längliche Öffnungen, in die festes Moskitogitter eingelassen war. Kletterpflanzen mit großen gelben Trichterblüten, bedeckten Dächer und teils auch den harten, staubigen Boden. Hier, im unteren Teil, wurde allerdings heftig mit Macheten zusammen gestutzt, damit sich keine Schlangen heimisch fühlten. Grade zur Regenzeit und wenn die Lodgen nicht durch Gäste besetzt waren, kam dies häufig vor. Beliebte, kuschelige Plätzchen waren unter dem Dach oder unter dem Boden. Sogar die gelbe Mamba hatte hier schon mal ihr Winter-Nickerchen gehalten. Die Ranger ließen sie schlafen, legten ihr aber Nahe, in vier Wochen zu verschwinden…

Die vier, ungefähr 80 Meter hohen Dragonier-Bäume standen bereits in voller Blüte und lockerten die Zwischenräume der Lodgen auf. Ihr filigraner Schatten lag angenehm kühlend über dem sauber gefegten Innenhof, in dessen Mitte ein offener Bambus-Pailotte stand. In dieser Pergola traf man sich gern zum Drink. Sonst zum Grillen an der Steinmulde daneben. Ein paar Meter weiter, auf der kleinen Anhöhe, hatte man durch zwei majestätische winkende Voyageurpalmen hindurch, einen herrlichen Blick auf den entfernten, glitzernden Fluss Kotto, auf die schmalen, hellgelben Sandbänke und ‒ wenn man gute Augen hatte ‒ auf die dösenden Flusspferde. Und bis dahin sah man über ewig weite Savanne, die mit stündlich wechselndem Farbspiel ein erdiges, geheimnisvolles Afrika zauberte und dieses manchmal auch mit recht fremdartigen Lauten füllte.

Hier, an diesem göttlichen Platz, lebte kein geringerer als Josef von Eichendorf:

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus.

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

So war es mit gebrannten Buchstaben auf einem verwitterten Holzschild zu lesen, das windschief an einer Palme hing. Im krassen Kontrast zu der schönen deutschen Lyrik, dröhnte von weiter drüben, dem ölverschmierten Vorplatz der flachen, langen Garage neben dem Haus: ,Death Certificate’ von ICE Cube aus einem Getto-Blaster. Es schien als spielte das Radio für sich ganz alleine, als einziges angetan von dieser subkulturellen, afrozentrischen Musik in ihrer ‚Peace- Love-, Unity and Having-Fun’- Philosophie.

Im Fuhrpark vor der Garage bewegte sich rein gar nichts, außer flirrender Hitze, die in transparenten Schichten bis hinaus zur Savanne brannte. Die Luft stand recht stramm, die Sonne sengte sich erbarmungslos mit hauchdünnen Rauchfahnen hindurch. Schier unglaublich, aber man sah sie vereinzelt, bläulich züngelnd im Gegenlicht, bei fast 45 Grad. Zwei alte Pick-Ups in Tarnfarben dösten mit weit geöffneten Türen, ein Rover mit zerschlissenen Sitzbänken sah mit blinden Scheinwerfern Richtung Fluss und ein zickiger, aufgebockter Toyota wartete anscheinend auf Zuspruch für eine flotte Beschleunigung oder so. Stapel alter LKW-Reifen, verblichene Klappstühle und bunte Benzinfässer, gaben dieser leicht verrotteten Kulisse den Anschein, dass hier vor langer Zeit toll was los war.

Doch plötzlich ertönte unter dem ersten Pick-Up eine helle Stimme: „Hey Ruanda ‒ s’il te plait…“

Anscheinend gehörte sie in irgendeiner Form zu den langen Beinen, die unter dem Wagen hervorschauten. Mädchenbeine offenbar: zarte Haut mit rosa Sommersprossen-Konfetti übersät, steckten in derben Canvas und seitlich zierte ein fetter Ölfleck diese seiden-schimmrige Wade.

„Ruandaaaaaa!“, schrie es wieder unter dem Wagen. Doch im himmlischen Oberrap: „him da- holy hip, daddy death…“ ging das alles unter. Fluchend robbte jetzt ein rothaariges, verschmutztes Wesen unter dem Chassis hervor, in kurzen Hosen und rissiger bunter Bluse, ein Wesen, das man mit etwas positiver Fantasie als gut gebautes, und mit noch mehr Fantasie, als sehr hübsches Mädchen erkennen könnte.

„Ruanda, ich brauche deine Hilfe!“, ertönte es noch einmal brüllend laut, anstatt dass die Musik leiser gestellt wurde. Die Stimme gehörte zu Fleur, der Tochter des Hauses. Wie es aussah brauchte sie tatsächlich dringend Hilfe beim Abdichten der Ölwanne: ihre Haare glänzten im satten Ton dunklen Alt-Diesels und auch an den Hosen waren unübersehbare Spuren von Rost und was sonst noch so lose an einem alten Auto herum hing. Das teure Mineral lief in breiter Lache in den roten Sand. Hastig schob Fleur noch eine Blechschüssel unter das Leck. Bei der letzten Patrouille hatte sie sich die Löcher eingefangen. Einmal zu lange der Löwendame mit den zwei Jungen nachgeschaut und schon saß sie auf Steinbrocken auf, den zwei einzigen auf dieser Strecke!

Hinter ihr ertönte es freundlich: „Madame Fleur, je suis la!“ Ein großer Schwarzer kam jetzt in leicht gebückter Haltung schleppenden Ganges aus der Garage. Bedächtig wischte er sich über die Augen und gähnte herzhaft. Das Ende einer Siesta. Feixend zeigte er auf den Blaster am Tor.

„Du mit deiner Musik! Da kann man ja nichts hören.“ Liebevoll klopfte seine faltige Hand auf ihre Schulter. Diese Falten waren so dünn, so von der Sonne ausgelaugt, dass man erwartete, sie würden bei Bewegung knistern. Taten sie aber nicht. Nach einem kurzen, fachmännischen Blick unter das Auto, kam die knappe Aussage: „Ausbauen, schweißen!“

Auf Ruandas gutmütigem Gesicht perlten sich an Schläfen und Oberlippe, Schweißtropfen zu kleinen Rinnsalen, die sich zu einem weitläufigen Feuchtgebiet am Hals vereinten, um dann im olivefarbenen T-Shirt zu versickern. Als er sich jetzt mit einem zerknitterten Tuch aus der Hosentasche den Schweiß vom Gesicht wischte, zogen sich gleichmäßige Spuren von Ruß und Schmiere über Stirn und Wangen, sodass er eher einem aufrührerischen Rebellen in Tarnfarben, als einem gutmütigen Ranger glich.

Fleur lachte laut heraus und zeigte auf den dreckigen Lappen. „Ach lieber Ruanda, ohne die Kriegsbemalung im Gesicht gefällst du mir eigentlich besser!“ Sie knuffte ihn in freundschaftlicher Zuneigung in die Seite.

„Da stehen wir uns in nichts nach: wenn du nicht diese scheußliche weiße Farbe überall hättest…“, konterte er und musterte sie belustigt von oben bis unten.

Sie deutete auf all die Öllachen, das Auto machte ihr Sorgen. „Na gut, das musst Du dann machen. Hast Du Zeit? Wir müssen spätestens morgen mal an die obere Grenze fahren, ich hab da ein ganz ungutes Gefühl. Mir war so, als hätte ich Schüsse gehört. Schnellfeuergewehr. Aber hoffentlich habe ich mich da getäuscht. Die dicke Giraffe dort müsste inzwischen auch gekalbt haben. Da muss Papa aber mal nachschauen!“

Fleur strich sich geschäftig die letzten ungeölten, rotbraunen Haare aus dem Gesicht ‒ ein Gesicht, das sich in ungewöhnlicher Ausstrahlung mit Leidenschaft und purer Unschuld zeigte. Auch die honiggoldenen, strahlenden Augen waren mindestens einen dritten Blick wert. Winzige Schweißperlen glänzten auf ihrer Oberlippe und auch die durchgeschwitzte Bluse zeugte von der starken Hitze, obwohl es nun schon Nachmittag war.

Die afrikanische Glut hielt hier in der Savanne lange an. Sie glühte nach. In der Erde hätte man noch lange Brot backen können. Erst der Abendwind vom Westen würde Kühlung bringen und Bewegung in die erstarrte Lebensvielfalt und dann, erst viel später, schickte der Sichelmond in seiner kalten Klarheit, weißes Licht dem täglichen Hitzeflimmern hinterher. Dann, durch den Morgentau in seinem Glitzer-Schimmer, würde sich das Bild von neuem, zu einem verheißungsvollen Tag verklären.

„Schüsse?“, wiederholte Ruanda ungläubig in das Hip-Hop-Getöse hinein. „Das wäre ja furchtbar!“

Fellnase Nessie schlich sich müde in das Geschehen ein, schaute kurz, warum hier besorgte Töne laut wurden, blinzelte wohlwollend in die Runde und schmiss sich mit einem lauten, aus tiefstem Brustkorb herauf gestöhnten: „Pfffrrrrhhhhhhhh“ auf den heißen Steinboden, genau zwischen die Gesprächsrunde. Unglaublicher Weise gab es Wesen, die noch bei 39° im Schatten Wärme suchten!

Nachdenklich wog Ruanda den graulockigen Kopf hin und her, als quäle ihn etwas. Dann nickte er kurz. „Also gut, Fleur! Eigentlich wollte ich es Dir nicht sagen, aber vielleicht ist es doch besser: Hamid und ich haben bei der Kontrollfahrt am westlichen Grenzgebiet eine Ansammlung von bewaffneten Männern beobachtet, gestern Abend. Ich habe auch schon gehört, dass wieder Rebellen-Gruppen vom Sudan unterwegs sind. Aber die werden doch nicht bis in den Park kommen?“ Ruanda schaute besorgt zu Fleur.

Die schüttelte den Kopf und versuchte, Ruanda zu beschwichtigen. „Das sind wahrscheinlich nur Soldaten auf dem Durchmarsch zur Grenze vom Tschad. Bitte sag aber trotzdem auf gar keinen Fall den Eltern etwas davon!“, fügte sie eindringlich hinzu. „Die regen sich immer gleich so auf. Am Besten ist, wir fahren morgen ganz früh mit Hamid hoch und schauen erst mal selbst, was da los ist! Vielleicht habe ich mich ja auch verhört.“

Fleur sah das Ganze unbekümmerter als Ruanda. Und trotz der Hitze tanzte sie jetzt in zuckenden Bewegungen zum lauten Rap, sauste auf einem Hacken herum und landete abrupt mit weit gegrätschten Beinen am Boden.

„Und? wie sieht das aus?“, wollte sie lachend wissen und schaute stolz zu Ruanda hoch.

Der schüttelte nur den Kopf: „Du hast die reinsten Gummibeine! Hoffentlich passiert da nicht eines Tages etwas.“

Die beiden waren dicke Freunde, wobei auch noch Hamid, der andere schwarze Ranger, zum Kreis der vertrauensvollen Outdoor-Kumpels gehörte. Auch Jim war dabei ‒ der Vierte im Bunde, doch er war zu aller erst der gute Geist des Hauses. Alle zusammen hatten schon manches Außergewöhnliche unternommen, was mächtig zusammenschweißte. Ruanda, Hamid und Jim wohnten mit ihren Familien hinter dem Haupthaus in zwei Bungalows. Eine angrenzende Plantage wurde von ihnen mit betreut und versorgte sie alle mit Gemüse und Obst. Sogar Blumenkohl und Radieschen wuchsen hier; auch Schlangenbohnen wickelten sich um meterhohe Stangen. Ein Geschenk von der chinesischen Kooperativen. Papayas wurden ständig von Affen gestohlen und da gab es dann eine rechte Hetzjagd mit schrillstem Geschrei. Wobei man nie wusste, wer lauter schrie, die flinken Makaken oder die Leute von der Plantage. Ein geheimnisvoller, duftender Kräutergarten wurde von TiKai und Adele gehegt. Niemand sonst wagte sich da heran, abgesehen von den guten Geistern natürlich, die alle glücklich machen sollten. Hier wurden Blätter gezupft und dem Hausherrn heimlich als Tee kredenzt, damit die Lust nicht verginge; hier gab es blaue Beeren, damit mehr Kinder kämen; hier gab es lila Blüten, zu Mus gekocht, damit die Kinder besser schliefen, falls nachts die Erwachsenen zu laut wurden; hier wurde Rinde von den Papaya-Bäumen geschält und zu Saft gestampft, falls mal der Stuhlgang zu fluppig wurde; hier gab es geheimnisvolle Wurzeln, die vorsichtig gedämpft und aufgelegt werden mussten, falls mal eine der Vipern beißen würde. Gott sei Dank war das noch nie geschehen. Vielleicht hielten die Büsche um die Plantage tatsächlich ihr Versprechen, Schlangen ab zu halten.

Die-Ranger-Frauen halfen überall in Haus und Garten mit. Außerdem auch mit Rat und Tat in traditionellen „schwarzen Weisheiten“ für Küche und Befindlichkeiten. Bei der Savannen-Apotheke war Adele besonders gefragt. Der nächste Arzt war weit entfernt und so hatte sie mit ihren Kräutern die medizinische Sektion übernommen. Oft saßen TiKai und Adele vor dem Haus im Schatten auf den kleinen Hockern, tuschelten und zerstießen Kräuter.

Ach ja… TiKai hatte ein ganz großes Geheimnis zu ihrer schönen Haut: sie hatte das alte Rezept einer Paste von ihrer Großmutter übernommen. Hier, in aller Stille, bereitete sie diese zu. Der Wunsch aller schwarzen Frauen, und waren sie noch so schön, war eine helle Haut. So wurde die stinkende, graue, fette Paste aus der Ölpalmfrucht vom Kernmark, in einem Mörser zerstoßen. Mühsame, langwierige Arbeit für ein kleines Quäntchen Brei. Gott sei Dank half es gar nichts ‒ TiKai behielt ihre wunderbare Schokoladenhaut.

Die Kinder der Familien hier, waren, außer Hamids Familie, christliche Bantou. Sie lebten teilweise bei Verwandten in Ndélé, um dort zur Schule gehen zu können. Hamid aber kam aus Kinshasa, war Banda und Muslim. Seine drei Kinder und die sieben anderen, die ganz Kleinen hier auf der Farm, bastelten am liebsten Drahtautos, kleine Kartons oder jagten Hühner und rupften die Federn aus.

Zurzeit tönten metallene Schläge zu den Baracken herüber, untermalt mit Hip-Hop-Bässen. Hamid schlug mit ein paar anderen Arbeitern das meterhohe Gras hinter dem Haus mit Macheten frei. Weithin hörte man die regelmäßigen Aufschläge, wenn die Schneide auf hartes Gebüsch oder Stein traf. Diese letzten Spuren der Regenzeit mussten noch beseitigt werden, dann waren die Wege wieder passierbar, die Lodgen übersichtlich und neugierige Raubkatzen besser zu orten. Nachts nämlich, war die kleine M’Batánga-Farm ein gut besuchtes Ausflugsziel für nachtaktive, pelzige Herumlungerer. Fleur und Ruanda beschäftigten sich immer noch am Garagenplatz. Ruanda hatte mit Hamid zusammen, Fleur mit groß gezogen. Die beiden kannten fast alle ihre Sorgen und natürlich auch ihre Freuden. Für den hübschen Teenager würden sie alles tun. Aber auch Fleur würde für ihre Freunde durchs Feuer gehen.

„Wann kommt denn nun Deine Cousine Elena? Soll das wohl schon zu Weihnachten sein?“, versuchte Ruanda fast schreiend die laute Musik zu übertönen, obwohl Fleur direkt neben ihm herum tanzte.

Gnädig unterbrach sie ihre Darbietung. „Na ja, wir haben leider noch keine Nachricht. Aber ich spüre ganz sicher, dass sie kommt. Sie packt schon den grünen Koffer. Da ist die Hälfte voll mit Noten!“

Dann, nach einer kleinen Pause, fügte sie strahlend hinzu: „Und… mit einer Überraschung für mich.“ Übermütig schaute sie Ruanda an. „Ich freue mich wahnsinnig auf sie. Ich muss so oft an sie denken. Ist ja auch meine beste Freundin!“

Und sprunghaft sprudelte es aus ihr heraus: „Gleich morgen werde ich anfangen die Lodgen her zu richten, damit alles schön ist. Papa und Mama freuen sich auch schon sehr, auf alle! Papa hat gestern schon unseren Zoo etwas ausgebessert, damit Eugéne darin herum-doktoren kann. Die kleine Antilope braucht dringend einen richtigen Verband und dem Löwenbaby muss der Bauch untersucht werden. Seit gestern spuckt es das Futter wieder aus. Na, das gibt ja was….“

„Da werden wir noch viel zu tun haben!“, tönte es relativ gleichmütig vom Auto. Ruanda war inzwischen mit dem Werkzeugkasten unter das Chassis gekrochen, während sich Fleur auf den Weg zum Haus machte.

Sie lächelte vor sich hin und dachte an ihre Cousine. Obwohl Fleur erst 18 Jahre alt war, standen sich die beiden so nahe, dass sie sich fast spüren konnten. Zwar gab es wenig Kontakt ‒ Briefe dauerten so lang und Telefonate waren hier draußen unmöglich ‒ dachten sie ständig aneinander. Auch Elena schrieb in ihren seltenen Briefen Dinge, an die Fleur zeitgleich dachte, auch erste Frauensorgen, Jungs, Ärger Zuhause, Gedanken an die Zukunft. Eigentlich hätten sie Zwillingsschwestern sein können. Manches war zwar reichlich unterschiedlich, der Musikgeschmack zum Beispiel, aber den Mädchen blieb doch die gemeinsame Liebe zur Musik. Auch viele ihrer Charakterzüge waren identisch. Der Drang sich nicht bevormunden zu lassen, oder die liebenswerte Art, mit Menschen umzugehen. Obwohl Elena da oft im Konflikt mit ihrer Zurückhaltung stand, war sie doch zauberhaft und offen, sobald das Eis gebrochen war. Und zur Eisschmelze hatten bei Elenas letztem Besuch bereits die Hitze und die duftenden Jasmin-Büsche gereicht. Fleur übersprang leichten Herzens die Phase der Zurückhaltung, eine eindeutige Zugabe ihrer lebhaften afrikanischen Mutter TiKai.

Obwohl es von der Garage zum Haus nur ein paar Meter waren, hatte sich ein besorgter Begleiter an Fleurs Fersen geheftet: Bingo, die Manguste. Jetzt wo Bewegung auf dem Hof war, Nessie immer noch faul an der Garage döste, kümmerte sich die kleine Schleichkatze um Fleur. Aufpassen war angesagt! Eigentlich sollte sie im kleinen Zoo hinter der Gemüseplantage bleiben, zur Rekonvaleszenz, denn Ruanda hatte sie mit einem verletzten Beinchen gefunden. Nachdem es Fleur aber in einem langwierigen Gerangel gelungen war, das Bein mit einem festen Salben-Verband zu verarzten, hatte sie zwar einen neuen Freund gewonnen, jedoch nur unter der Prämisse, Liebe vor Gehorsam zu setzen. Ein Freund, der es immer wieder irgendwie schaffte, aus dem Gehege zu entwischen und ‒ so wie jetzt ‒ in kleinen, humpelnden Drehungen und mit laut quietschendem Gehabe hinter Fleur her zu rollen.

Fleur konnte den lustigen Knopfaugen nicht widerstehen und knuddelte die kleine Manguste heftig, sodass ihr Hören und Sehen verging. Doch offensichtlich stand das kleine Ungeheuer drauf, es quiekte noch lauter und das fast dreieckige Mäulchen mit den kurzen Schnurrhaaren zeigte dabei zwei heftig spitze Zahnreihen. Nein, hübsch war das graue Bimbo-Monster nicht, eher war es ein größeres Abbild einer Normalo-Ratte mit schwarzen Zebrastreifen am Rücken und langem, dünnen Schweif. Zum Ausgleich aber betörte es mit selbstverständlichen Charme und einem draufgängerischen Wesen. Bimbo, Boss aller Savannen-Schlangen, kämpfte bis zum letzten Atemzug mit jeder Schlange, die sich ihm stellte. Die Familie liebte ihre unaufdringliche Art, sich des Sieges und ihres tapferen Herzens aus zu weisen: Schlangenhautreste lagen dann vor der Küchentür. Manchmal allerdings lagen da auch ein paar Küken-Füßchen…

Den schmalen Weg vom Haus kam jetzt eine junge schwarze Frau entlang. Sie trug eine rautenförmig eingeschnittene Mango und lachte über das ganze hübsche, gutmütige Gesicht. Dabei lagen so massenhaft viele perlweiße Zähne frei, dass wohl manchem europäischen Zahnarzt schlecht werden würde, bei dem Gedanken an so viel Arbeitslosigkeit in einem einzigen Mund mit so vielen gesunden Zähnen. Ihr rosa gemustertes Boubou schwang lässig um sie herum und beruhigte sich erst, als auch die Frau zum Stehen kam. Der Duft, der sich dabei löste und wie eine heitere Brise die Umgebung einnebelte, war eine aufregende Mischung von gebratenem Huhn, Erdnusspaste und Monoi-Tiare-Öl. Eine wunderschöne junge Frau, die hier den Weg entlang blickte und weder der leicht überdimensionale Hintern noch der wogende Busen, der sich größtenteils der unterstützenden Hilfe des weißen BHs entledigt hatte, taten dem Abbruch. Die Nachmittagssonne ließ die glänzende Haut in reinstem Gold erstrahlen und die streng zurück geknoteten Haare gaben diesem urig-lebhaften Bild zugleich einen edlen und auch stolzen Ausdruck.

Sie hielt sich demonstrativ die Ohren zu und rief Fleur entgegen: „Ici, ma petite. C’est pour toi, ça!“ Dabei lehnte sie sich an den Stamm der wuchtigen Fächerpalme, die außer Bimbo, noch das Haus beschützte. Sie streckte lächelnd den Arm nach Fleur aus.

Flink lief Fleur hinüber und kuschelte sich nur zu gerne da hinein. Dabei griff sie zur Mango und biss herzhaft in das orangefarbene Fleisch.

„Wie schön du bist, Maman. Ich hoffe ich werde auch mal so wie Du!“

TiKai lachte laut los und zupfte an einigen Strähnen des hellroten Haares ihrer Tochter, die noch nicht ganz ölverschmiert waren. „Mit dieser roten Haarfarbe und deinem Guss aus Milchkaffe, wird das wohl kaum möglich sein, ma petite Pousse!“ Damit gab sie ihr einen Kuss auf den saftverschmierten Mund und einen Klaps auf den Po.

„Ma, ich wollte dich fragen: wann kommen unsere Leute aus Deutschland an? Ich habe in Erinnerung, so in vier Wochen?“ Fleur löste sich aus der Umarmung und schaute TiKai fragend an.

„Ja, auf dem Kalender in der Küche ist kurz vor Weihnachten eingekringelt. Der Brief hängt ja auch daneben. Ich freue mich schon ganz riesig. Wir werden ein schönes Weihnachtsfest feiern!“

Fest drückte sie ihre Tochter, sie umarmten sich. Dann hopste Fleur verspielt zum Patz zurück.

TiKai schaute stolz ihrer Tochter nach. Viele Ähnlichkeiten konnte man bei den beiden wirklich nicht entdecken, wenn man mal vom Temperament absah und vielleicht noch die schöne Augenform dazu zählte, war das fast alles auf den ersten Blick. Auf den zweiten jedoch sah man dann vielleicht noch das Lächeln, das breitwillig in den Mundwinkeln lauerte, das herzförmige Gesicht, die fast kantigen Figuren, Hände mit viel zu langen Daumen. Aber da wäre noch etwas: das allgemeine Erscheinungsbild, das schließlich endgültig gegen eine Mutter-Tochter-Beziehung spräche, wüsste man es nicht besser. Nicht die Hautfarbe, TiKai wie ‚Café Noir‘ und Fleur wie ‚Café au lait’, sondern das Alter. TiKai sah höchstens nach zwanzig Jahren aus, Fleur nach ungefähr fünfzehn. Ja, so sahen sie tatsächlich aus. Aber dies ist nun mal einer der größten Vorteile afrikanischer Frauen: das Alter sah man ihnen nie an. Lediglich die Kinderzahl, am breiten Hintern. Das Alter konnte man ahnen, wenn man die flache, typische Geste ihrer Hände beobachtete, mit der sie sich ‒ je nach empfundener Schwere ihres Lebens ‒ das Leid von Stirnen und Augen wischten. An der Handinnenseite zeugten viele dunkle Linien von einem langen Leben. Bei TiKai zeigten die Innenseiten höchstens ein mittleres Leben, vielleicht 33 Jahre.

Als Fleur hinter dem hohen Eingrenzungszaun verschwunden war, bewegte sich TiKai wieder zurück ins Haus. Ihrem rhythmischen Gang sah man an, dass da viel tänzerisches Talent drin steckte, eine weitere Gemeinsamkeit der ‚Larousse-Mädels’, wie das Familienoberhaupt Pierre, die beiden immer liebevoll nannte.

Ein gütiges Wesen hatte inzwischen mit einem lauten Knacken den Ghetto–Blaster zum Schweigen gebracht und so hörte man die typischen Geräusche eines arbeitsamen Nachmittags auf der M’Batánga-Farm. Auch den entfernten Gesang einer Männerstimme: vielleicht war es Hamid, der im Rhythmus zum Machetenschlag sang. Da er große Angst vor Schlangen hatte, bat er Ruanda immer nach ihm zu schauen, sobald der Gesang abrupt aufhören würde. In diesem Augenblick hatten sich seine Überlebenschancen also bestätigt! Hier gab es eine Menge Giftschlangen, auch die dicken Würger versteckten sich gerne unter altem, gut durchwärmtem Holz. Würgeschlangen würden sich wohl eher von Hamid fernhalten, denn sie lebten weiter westlich ‒ so hoffte er jedenfalls. Da war auch der tief-blecherne Ton eines Werkzeuges; eines anschlagenden Hammers; der schnelle Schnitt einer Machete; lautes Schwirren und starkes Flügelschlagen einiger großer Turako-Vögel auf dem Weg zum Fluss oder ins Weideland mit den vielen Grassamen, Mücken, Käfern. Das gleichmäßige Ticken einer Wasserstelze aus dem nahen Schilf; das Surren von anfliegenden Moskitos; irgendwas fiel auf den Boden; leises Fauchen aus dem entfernten Zoo-Gehege; Frauenlachen von der Küche; Geschirrklappern; flatternde Hühner im Käfig hinter dem Haus. Fleur war stehen geblieben, Bimbo auch. sie lauschten fast andächtig nach allen Seiten, kannten jeden Laut. Doch auch die Sonne bewunderte Fleur in all ihren Erscheinungen, jeden Tag, sie bekam nie genug. Grad jetzt, am äußersten Rand der Savanne, war sie in dramatisches Untergangs-Purpur gehüllt, sogar die Mauern des Farmhauses hatte sie mit dieser glühenden Farbe übergossen. Erst in diesen Augenblicken löste sich M’Batánga aus der Umklammerung der Tageshitze.

Fast andächtig liebte Fleur dieses Afrika, ein Zuhause, das ihr wichtiger war, als alle Verlockungen ferner Welten. Obwohl sie ein äußerst neugieriges Wesen war, und Sehnsüchte hatte: nach fremden Kontinenten, exotischen Menschen, modernen Lebensformen, lila Nagellack. Aber hier, wo sie geboren war, waren auch ihre Wurzeln. Wurzeln, stark wie die eines Kautschukbaumes: die mühelos ein Haus umschlangen, es zusammenpresste bis die Mauern bröselten.

Abflug nach Manovo

Marianne saß so ziemlich ratlos auf dem Bett im Schlafzimmer und beugte sich über den geöffneten Koffer. Sie schichtete nun schon zum dritten Mal Eugenes kurzärmelige Hemden aus dem Koffer in die Umhängetasche. Sie dachte, dass es effizienter sei, die Hemden in der Nähe zu haben, falls eventuell das Flugzeug notlanden musste und Eugene gut aussehen sollte, wenn er später wieder zum Vorschein käme. Auch seine Tabletten und das Waschzeug landeten wieder in der Tasche. Der zweite Koffer war schon fertig und verschlossen und stand bereits auf dem Weg zum Flughafen: an der Schlafzimmertür.

Marianne wurden die ständigen Entscheidungen langsam zu viel und außerdem war ja bereits Nachmittag. So ließ sie sich mit einem zufriedenen Seufzer einfach nach hinten fallen, landete wie ein gestrandeter Käfer auf dem Rücken, die Beine hochgespreizt, in den blütenweißen Kissen des Bettes und reckte sich wohlig zu einem Nickerchen. Die verschiedensten Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf ‒ dass es einen Heiden-Krach geben würde, weil sie Mann und Tochter nicht nach Afrika begleiten würde. Aber sie war wild entschlossen, hier zu bleiben. Afrika war ihr unheimlich ‒ überall das Herum-Wuseln von Viechern, Hitze- unerträglich für Kreislauf und Schönheit. Sie mochte es nicht, täglich mit zerklatschter Frisur herum zu laufen, vertrug auch keine der Malaria-Profilaxen.

Zweimal hatte sie es versucht, bekam jedes Mal dicke Beine und steife Gelenke. Nun fand die Reise eben ohne sie statt, obwohl sie Pierre, Fleur und TiKai liebend gerne wieder sehen würde und auch das Remmidemmi mit den zwei Familien zu gerne mit gestaltet hätte. Aber hier ging es schließlich um ihre Gesundheit und davon mal abgesehen, hoffte sie, dass die drei „Afrikaner“ bald nach München kämen. Müsste ja nicht wie jetzt, mitten im Winter sein…. Aber das passte nun alles gar nicht zu dem Nickerchen, lieber träumte sie von den kühlen Wäldern des hohen Nordens. Und mit dünner werdenden Gedanken, zog sich Marianne die Decke über die Schultern und kuschelte sich endgültig in ein Schläfchen, bei dem es unter den Lidern sanft kreiselte und ab und an auch mal funkte.

Eugéne, war währenddessen bei den Großwildkäfigen im Zoo und arbeitete etwas bedrückt, seinen Vertreter im verschneiten Gehege ein. Auch hier hatte sich München weiß eingekleidet und der Zoo versteckte sich in wärmere Gefilde, zumindest die Abteilungen mit den Genossen aus dem Süden. Eugenes Gang war etwas schleppend, entweder lag es an den schweren Gummistiefeln, oder am Abschied. Er liebte seine haarigen Freunde hier. Es waren ihm Kumpels geworden, denen er die Gefangenschaft so angenehm wie möglich gestaltete und deren liebevolles Feedback er mehr schätzte, als die kargen Zärtlichkeiten zu Hause.

Jetzt war seine Stimme traurig, als wäre es ein Abschied für immer: „Weißt du Franzl, diesmal habe ich ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Vielleicht sollten wir lieber hier bleiben. A bissel was ist anders!“

„Ach Blödsinn! Du solltest dich freuen, wieder so eine einmalige Gelegenheit zu haben, alle unsere Spetzl’s in freier Wildbahn zu sehen. Ich beneide dich!“ Franz versuchte die aufkommende Melancholie seines Freundes zu zerstreuen: „Und um das hier“, dabei zeigte er mit einer großzügigen Geste über die verschiedenen Gehege, “brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Alles Paletti!“ Beruhigend legte er seinem verunsicherten Kollegen die breite Hand mit den drei Fingern, auf die Schulter.

Franzl, ein viereckiges, bayrisches Mannsbild, hatte zwar ein kindliches Gemüt und Verständnis für die Katzen, aber er läutete auch gerne seinen Feierabend so früh wie möglich für ein zünftiges Maß Bier in einer Wirtschaft ein. Und bei den Feierabend-Spezls hingen auch oft seine Gedanken, die eigentlich im Zoo bei der verantwortungsvollen Arbeit sein sollten.

Eugéne wusste das nur zu gut. Beide hingen am Gitter von Timbas Gehege und schauten versonnen durch die Stäbe. Die Löwin beobachtete die beiden Männer und wie es schien, waren hier eher die Mannsbilder gefangen, zumindest in ihren Gedanken.

Franzl zauberte aus den Tiefen seiner Hosentaschen, ein kleines Päckchen hervor und drückte es seinem Freund in die Hand. Sein Gesicht hatte sich zur Feier des Augenblickes, in ernste Falten gelegt. „Bitte gib das deinem Bruder und grüße ihn von mir. Ich hätte ihn gerne wieder gesehen. Das soll er einpflanzen. Das sind Kerne vom Apfelbaum, auf dem wir als Jungs immer gesessen haben. Habe beschrieben, wie er das machen soll ‒ erst trocknen, dann Kühlschrank, na ja und so weiter.“

Eugéne steckte es ein. Schweigend umarmten sich die beiden Männer und nahmen Abschied.

Währenddessen hatte sich Elena mit ihrer Freundin Tanja unter den blauen Kuppeln des Cafes am Müllerschen Volksbad getroffen. Dort vergnügte sich meist das künstlerische Völkchen vom Glockenbach, Alternativ-Theatermacher und natürlich auch alles andere, das bald in die Geschichte eingehen wollte. Die Freundinnen liebten hier den frischen Apfelstrudel und den Cafe a la Menthe, alle möglichen raffinierten Schorlen, wie Holunder mit Cassis, Rhabarber mit einem Schuss Campari. Man kannte sich, hatte sein gemütliches Wohnzimmer, rauchte schwarze Zigaretten. Im Winter konnte man draußen sitzen. Heute im Schnee, sah man über die weiß gepuderten Ufer-Büsche auf die dampfende Isar bis hinüber zum Isartal.

Elena hing hinter der Theke am öffentlichen Telefon und lachte aus vollem Hals. „... klar komme ich mit, versprochen! Wir müssen doch zusammen spielen. Deine Gitarre ist noch heil?“ Elena zwinkerte Tanja zu, die gebannt mithörte.

Tanja bewunderte ihre Freundin und ergänzte sie großartig mit ihrer Selbständigkeit. Während Elena viel Raum brauchte, mit den Augen stets Neuland suchte, brauchte Tanja nur Platz für ihre Weiblichkeit, die gedrosselt noch leise vor sich hindampfte. Sie machte Elena Zeichen, dass sie auch mit kommen wollte, verdrehte die Augen … nach Afrika fliegen, hm! Elena winkte ab, sie hörte nichts, die Verbindung war schlecht.

„Ok, die A-Seite! Bringe ich dir mit, meine liebe Fleur. Schönen Gruß von Tanja, sie kommt das nächste Mal mit! Auf jeden Fall möchte ich wieder bei Dir im Zimmer schlafen, da können wir die ganze Nacht quatschen!“, schrie Elena in den Hörer, freute sich. „Ich höre jetzt auf, es wird sonst zu teuer. Grüße alle schön und dann bis Freitag! A Vendredi, mon amour!“

Elena legte auf und zahlte an der Theke. Dann drückte sie Tanjas Hand.

„Weißt du, meine Gefühle sind so gemischt...“

„Na ja, wie immer, Elena!“, unterbrach Tanja mit einer kleinen Grimasse.

„Ja, weiß ich. Wollte sagen: irgendwie freue ich mich sehr. Und dann habe ich doch diese grässliche Angst vor all dem Unbekannten. Fleur ist da so ganz anders. Die läuft einfach los, sieht sich nicht mal um! Das bewundere ich so an ihr. Dann wünsche ich mir, ich könnte auch ein wenig so sein: dass wir uns auch da ähneln, genau wie mit den verdammten, roten Haaren!“ Elena zottelte in den übermütigen Locken herum.

Tanja drückte Elenas Hand. „Du bist ein prima Typ und wirst diesmal tolle Sachen erleben. Das spüre ich!“ Sie feixte: “Vielleicht verliebst du dich ja endlich richtig, vielleicht in den Sohn des großen Medizinmannes ‚Massa Tunga Matunga‘...und Abel landet in meinen sehnsüchtigen Armen.“ Sie breitete theatralisch die Arme aus und ließ ahnen, dass sie Schauspielschülerin war.

Elena äffte sie nach: „Tunga Matunga!“

Die beiden Freundinnen lachten herzhaft und trennten sich etwas später mit einer liebevollen Umarmung.

„Also, dann gute Reise Elena, pass auf dein Cello auf und erst mal viel Spaß beim Packen. Und! Nicht vergessen, ganz liebe Grüße an Fleur. Ich komme auch noch mal zu Besuch!“

Dann verschwand Jede in eine andere Richtung des diesigen, kalten Winter-Nachmittags.

Die folgenden Stunden im Larousse-Haus, füllten sich mit Packen, Weinen, Abschied nehmen. Schließlich der Flughafen: Freitag früh 6h30. In München Riem am Eingang der Abflughalle, war die Stimmung schlecht. Elena, die ihr Cello wie einen neuen Lover an sich drückte, war immer noch gefangen in ihren ambivalenten Gefühlen. Eigentlich mochte sie, grade jetzt, keine Veränderungen, war aber andererseits hungrig auf neue Einflüsse, denn sie spürte nach dem großartigen Erfolg ihres Konzertes frustrierende Leere, farblos, emotionslos wie der Schnee auf der Fahrt hierher.

Marianne war im Augenblick etwas kleiner als sonst, ihr Gesicht fahl bis hellgrau. Das schlechte Gewissen lastete nun doch auf ihr. Sie fühlte sich als Spielverderber und auch die Trennung von der Familie, die nun immer näher rückte, fiel ihr schwerer als sie dachte. Schon als die Koffer auf der Rollbahn waren: Paris, Djamena, Bamari… verschluckte sie den letzten Kuss. Dann war der Hals zugeschnürt, Marianne war verstummt; das Wasser verteilte sich schlecht: sprang in die Augen, ließ die Nase laufen, tröpfelte sogar in die Hose. Andererseits schienen die Stimmbänder und der Hals wie ausgedorrt. Wenn es da nicht die große, geheimnisvolle rosa Tüte in ihrer Hand gäbe, wäre das hier ein Fall tiefen Grams mit diversen Mesalliancen.

Eugene krampfte seine Gesichtszüge zu einer gewissen Fröhlichkeit zusammen. Ihn belastete der zurück bleibende Zoo mit den vielen Verantwortungen und Sonderproblemen des Winters, und natürlich war er sauer, dass Marianne nicht mitkam, sich nicht mal zu einem Versuch aufgerafft hatte. Einfach so ‚nein‘ gesagt hatte. Dass sie nun als Häufchen Elend neben ihm stand und versuchte aller möglichen kleinen Katastrophen Herr zu werden, schien ihn da nicht weiter zu berühren.

Als Abel sich nun, vermummt mit Strickschal und Lodenmantel, mit einem versöhnlichen Geschenk von Elena verabschieden wollte, brachte dies die Missstimmung fast zum Bersten. Aus der kleinen, mit Musikanten hübsch verzierten und bunt bemalten Spieldose erklang blechern und gut hörbar durch die stille, morgendliche Abflughalle: “Schanzon damuur, ratatata…”

Als er sie mit einem verzagt-liebevollen Lächeln Elena überreichen wollte, drehte die sich peinlich berührt ab. Eugene rettete die Situation und barg mit freundlicher Geste die lustige Dose in seiner großen Hand. Rügte Elena mit einem kurzen Seitenblick. Keiner ahnte hier, dass sich mit dieser so kleinen Aktion, später eine große, schicksalhafte Wende verbinden sollte, die über Verrat und Tod entscheidend wurde.

Auch Marianne gab im letzten Augenblick ihrer Tochter eine Überraschung mit. Wie im Trance öffnete sie die große rosa Tüte und zog ohne ein Gramm Fröhlichkeit, einen lila Hut für TiKai hervor. Er war verrückt und groß, voller Federn, Tüll und bunten Schleifen. Nach etlichen vergeblichen Versuchen des Verstauens, zwischen einem maulenden Cello und einer aufgeplatzten Schultertasche, setzte ihn Elena entnervt auf. Erstaunlich mutig für die stets zaudernde Elena. Erlösend platzte nun herzhaftes Gelächter in das ganze Familien- Wirrwarr. Marianne drückte ihre Tochter an den dicken Busen und flüsterte ein paar Worte, die von Tränen fast erstickt wurden. „Psss auf di.. auf, mein Scha..... komm hei… und bald wie...!“

Eugene drückte sich nun dazu, umarmte seine Frau liebevoll. Ein verwehter Kuss. Dann flüchtete das merkwürdige Paar mit Spieluhr, Federhut und Cello in die Passkontrolle. Keiner drehte sich mehr um, sah die zwei hinterbliebenen, traurigen, komischen Gestalten, lang und kurz. Abel im Arm von Marianne.

Gefahr am Ufer des Kotto und der vergessene Airport

Parallel zu einer großen, undurchsichtigen Sandwolke fuhren Pierre, Fleur, Ruanda und Hamid mit dem Jeep auf schilfigem Weg, am Ufer des Kotto. Die Jungtier-Inspektion war fällig und sollte vor Ende des Monats beendet sein. Also mussten sie mit der Übersicht anfangen. Ruanda hatte alle zusammen getrommelt.

„Mehr Augen, mehr Tiere!“, rief er in die albernde Gruppe, als plötzlich dumpfer Donner herüber rollte, das Geräusch vieler schwerer Hufe. Als die Staubwolke etwas durchlässiger wurde, konnte man in einiger Entfernung eine gewaltige Herde Hippos sehen, die den vielen Sand aufwirbelte.

Ruanda flüsterte von hinten: „Das sind mindestens 20 Tiere. Und viele Junge dabei.“

Sie galoppierten auf der schmalen Quer-Trasse, auch zum Wasser hinunter. Das dumpfe Getöse der Hufe dieser tonnenschweren Tiere kam näher, gefährlich nah. Fleur, obwohl sie schon oft diese urtümlichen Bilder mit den schwergewichtigen Säugern gesehen hatte, rückte unwillkürlich enger zu Hamid heran. Zu dritt saßen sie auf der Fahrerbank, deren Stahlfedern sich fast unmittelbar in die Pobacken bohrten, spätestens aber hatten sie ihr Ziel bei den ausgiebigen Schlaglöchern erreicht. Fleurs Gesicht verzog sich schmerzverzerrt und Hamid drückte sie fester an sich. Tonlos zischelte er: „Zusammenkneifen!“

Ruanda hielt indessen hinten auf der Ladefläche Ausschau. Er war gewissermaßen für die üblichen Inspektionen zuständig. Er mahnte, wie so oft, zur Vorsicht: „Wenn die einmal die Richtung ändern und da nur eines auf uns losrast, schmeißt es garantiert den Jeep um und dann…“

„Genau! Ich habe da auch immer ein ganz übles Gefühl!“, gab nun auch Fleur recht kleinlaut zu bedenken.

„Aber das passiert nicht, ma petite Cherie! Dein Vater hat ein gutes Auge für jede Bewegung in der Herde!“, beruhigte sie Ruanda von hinten.

Trotz ängstlichem Respekt vor dieser Monstermasse, bewunderte Fleur die gewaltigen Tiere: hellsandige Speckschwarten um den tonnenartigen Rumpf bis zum breiten, lilabraunen Hals, ein massiger Schädel, seitlich die albernen, kleinen Ohren, und viele kurze, stämmige Beine in kräftigem, stampfenden Schritt. Das alles tobte grade ohne Bremse vorn vorbei.

Pierre, still und beobachtend mit Lenkrad, der Kupplung und der Gangschaltung verwachsen, blieb unter einem Gebüsch stehen. Er ging davon aus, dass die Tiere zum Wasser wollten, wie immer. Hätte er sich einmal getäuscht, jetzt zum Beispiel, und die Hippos hätten sich bedroht gefühlt, wären die vielen Tonnen ganz behände umgeschwenkt und es wäre zu einem ziemlichen Drama gekommen. Zum Wenden des Jeeps, bliebe keine Zeit und im Rückwärtsgang würden sie nicht flüchten können. Da hatte seine Tochter völlig Recht. Aber das wollte er sich nicht anmerken lassen. Er beobachtete weiter den ausgewaschenen, sandigen Weg und die langbärtige Affenschar, die grade laut kreischend hinter ihnen über die Piste hüpfte. Einige schauten sich den Jeep genau an und blieben neugierig an der Seite hocken, andere kreischten panisch weiter. Manche hatten die Backentaschen prall mit Futter gefüllt und sahen aus als würden sie Ballons umher tragen. Makaken, die ‚Fußgänger der Savanne‘, wie sie Fleur nannte. Denn hier am Boden stopften sie sich mit Nahrung voll und kletterten nur zum Früchte suchen auf Bäume. Hauptsächlich hüpften sie auf allen Vieren, inspizierten neugierig Herumliegendes, Verstreutes, Verlorengegangenes, klauten Beeren, Früchte, Hops- gegangenes von Kollegen. Ein Affe schrie grad besonders laut, anscheinend ging etwas verloren. Pierre fuchtelte mit seiner Jacke, er solle sich dünn machen, der hysterische Typ; alle sollten sie weiter laufen, die blöden Meerkatzen! Nun waren anscheinend auch die letzten Hippos in der Sandmulde vor dem Fluss verschwunden und Fleur sprang aus dem Jeep, um ein jammerndes Makaken-Baby zu begutachten. Das war’s wohl, was verloren ging.

„Du kommst bitte sofort ins Auto zurück und bewegst dabei weder die Tür noch sonst was!“, zischte ihr Pierre böse durch dünne Lippen hinterher. „Mach dabei weder Geräusche noch irgendeinen Krach!“ Und zu Hamid gewandt, noch leiser: „Und du passt gefälligst besser auf! Hier steht bei der kleinsten Überraschung unser Leben auf dem Spiel. Das weißt du doch besser als alle hier!“

Hamid nickte beschämt und zog Fleur über die Tür ins Auto. Liebevoll hielt er sie fest. Alle hier dachten mit Sicherheit an Lucie, Hamids kleine Tochter. Vor zwei Jahren war sie in dieser Sandmulde tot getrampelt worden. Sie wollte mit anderen Kindern und der Tante zum Fluss, um zu baden. Die anderen Kinder konnten sich retten, aber Lucie und die Tante, die sie retten wollte, bezahlten mit dem Leben. Es wurde eine ganz traurige, lange Zeit für alle.

Ruhe kehrte im Auto ein, Piere fuhr langsam im ersten Gang weiter. Fleur murmelte etwas wie: „…tschuldige Pa, war dumm von mir!“

Die weitere Inspektionsfahrt wies nichts Neues auf, jedenfalls nichts das besorgniserregend sein könnte. Die genaue Zählung der Jungtiere würde Ende des Monats folgen.

Ruanda schlug vor: „Dann lasst uns jetzt weiter in die Buschlandschaft fahren. Schauen wir mal, wie es bei den Schleichkatzen aussieht, denn….“

„..falls Wilddiebe da waren, kämen sie hier wohl zuerst hin. Es liegt ja so verdammt günstig!“, beendete Pierre den Satz verbiestert.

Meist waren es Sudanesen, die hier rücksichtslos einfielen, und dann mit unpräzisen, uralten Waffen, das Wild erlegten. Manchmal nur aus Lust am Töten.

„Gestern war eine Zusammenfassung im Radio, dass in Birao die meisten Überfälle waren und über 1000 Menschen überfallen und getötet wurden. Die Mörder haben inzwischen auch Schnellschussgewehre. Das Militär sorgt für Ruhe. Na, ob das wohl so stimmt und so einfach ist?“, beendete Pierre nachdenklich seine Überlegungen.

Sie waren einen großen Bogen gefahren, kamen etwas nördlicher wieder in die Nähe des Flusses, der sich dann weiter, fast bist zum Sudan schlängelte. Langsam bremste er und alle schauten sich in Ruhe um, ob sie grade irgendwo, irgendwie störten. Dann sprangen Hamid und Ruanda vom Wagen, gingen vorsichtig Richtung Fluss hinunter. Fleur und Pierre stellten sich aufrecht an die niedergeklappte Windschutzscheibe, um weiter sehen zu können. Der Blick auf die angrenzende, schier endlose Savanne gab die schönsten Eindrücke einer unberührten Tierwelt frei, hier schlug das wilde Herz Afrikas in ruhigem Rhythmus. Antilopen zogen im hinteren Buschland vorbei, auf der Suche nach Wasser und Nahrung, ungeahnt der nahen Gefahr einer Löwenfamilie, die nicht weit entfernt unter einer schattigen Buschgruppe döste. Drei Jungtiere amüsierten sich mit Mamis Schwanzquaste, Monsieur Lion schlief indes mit eingequetschtem Gehänge auf einem Musangabaum in der Nähe. Fleur deutete lächelnd hinüber und Pierre antwortete mit einem vagen Handzeichen: ob das gut geht? Aber anscheinend stand der Wind günstig für die Antilopen. Weiter südlich erkannte man unter rot blühenden Akazienbäumen, zwei Giraffenhälse. Ein weiterer Hals schritt majestätisch durch das hohe Gras und gesellte sich zu dem Duo. Pierre deutete stumm zwischen die Giraffen und eine kleine Büffelherde. Dort waren mit etwas Mühe, Strauße zu erkennen. Neugierige dreieckige Köpfe, die auf schmalen Hälsen zugleich nach vorne und nach hinten zu schauen schienen. Am nahen Uferrand setzten Flamingos in eleganten Bewegungen rosa und weiße Farbtupfer in die Landschaft; fast daneben, nicht ganz so elegant und weniger rosa: Hamid und Ruanda die mit Feldstechern das Geländer sondierten und noch näher, auf dem Weg zum Auto, tollten drei junge Paviane. Nirgendwo auf der Erde gab es eine solche Fülle großer und kleiner Tiere. Unter anderem auch noch: Gazellen, Gnus, Büffel oder Elefanten und in der Raubtierfauna Löwen, Geparde, Schakale, Hyänen und andere fauchende Kreaturen. Doch die Savanne bot auch hunderten von Vogelarten Raum, ganz zu schweigen von Varanen, Schlangen, Schweinen und kleinen Horden von Mangusten, die im Zickzack durch die Gräser tollten. Wer hier für wen Futter war, wollte keiner so genau wissen.

Vater und Tochter schienen gleich beeindruckt von der Umgebung, obwohl ihre Kontrollfahrten im Park fast täglich stattfanden.

Fleur zeigte zu den Giraffen. „Kannst Du sehen, ob schon das Junge dabei ist?“

Pierre schüttelte den Kopf. „Nein, kann ich nicht. Aber wenn, würden sich wohl die Hälse zum Boden beugen, zumindest ab und zu!“ Sicherheitshalber schaute er aber noch mal durch das Fernglas. „Nein, sicherlich nicht. Ich weiß auch gar nicht ob das unsere Surmeli ist. Sie müsste noch näher bei der Grenze sein!“ Dann wurde Pierre nachdenklich. „Du bist dir nicht sicher, ob das gestern wieder ein Schuss war oder etwas anderes?“

Fleur überlegte nicht lange. „Ich denke nicht. Ein Schuss allein ist doch eher selten!“, log sie flott, während sie schräg an ihrem Pa vorbei schaute.

„Ich weiß nicht“, antwortete Pierre.

„Viele andere Möglichkeiten gibt es wohl nicht. Und wenn es Söldner aus dem Tschad sind oder gar Banditen aus dem Sudan, die da schießen, dann haben wir nichts zu lachen und unser Park wird…“

Pierre stutzte, als er jetzt weiter nach Norden sah. Fleur, die gespannt seinem Blick folgte, sah einen jungen Reiter, der sich in majestätischer Silhouette gegen das morgendliche Sonnengold abhob. Fasziniert beobachtete sie ihn und jede seiner Bewegungen. Seine Gesichtszüge waren kaum zu erkennen, aber die Gestalt war hochwüchsig und muskulös.

„Ist das ein Sudanese, Pa?“, fragte sie leicht erschrocken.

„Nein!“, ertönte die tiefe Stimme Hamids hinter dem Wagen. „Es ist ein Nuba. Ein stolzer, ehrbarer Stamm aus dem mittleren Sudan.“

Ruanda, der auch wieder zurück war, ergänzte: „Das dort ist Mali, der älteste Häuptlingssohn. Der passt auf seinen wilden Bruder auf! Mali ist ein prima Kerl.“ Dann fügte er etwas verschämt hinzu, während er mit langem Arm zu Mali hinüber grüßte: „Er hat mich mal vor einem verrückten Pavian gerettet!“

Fleur schaute offenen Mundes zu der schönen Gestalt, um die ein blaues Tuch wehte. Mali schaute zu ihnen herüber. Er hob die Hand und grüßte zurück.

Piere jedoch, interessierte das alte Thema mehr: „Habt ihr Schüsse gehört, gestern?“, fragte er noch mal intensiver in die gesamte Runde.

Fleur stieß Hamid kräftig in die Seite, ohne auf zu schauen. Dann meinte sie fast beiläufig: „Bei der Farm war jedenfalls nichts zu hören. Die Typen waren ja auch erst vor zwei Wochen da und haben Büffel abgeknallt!“

Pierre nickte nachdenklich, aber das Thema war für ihn offensichtlich noch nicht vom Tisch. Hamid und Ruanda stiegen schweigend wieder auf. Sie schauten sich bedrückt an, ihnen war es ganz offensichtlich unangenehm, den Patron zu belügen. Fleur sah kurz zu Ruanda nach hinten, doch der musterte intensiv seine alten, durchlöcherten Schuhe. Dann schaute sie noch mal zu Mali, aber der war irgendwo hinter der aufgehenden Sonne verschwunden. Obwohl es noch früh war, sengte die Sonne schon auf der Haut, heute aber gab es mal eine angenehme Brise dazu. Leise bewegte sie das Schilf den prallen Samen, bis zum Fluss hinunter und die mannshohen Büsche auf der anderen Seite der Piste, blitzten in frischem Grün.

Hamid meldete sich: „Wir müssten ca. sieben Löwenweibchen haben und drei davon mit Jungen. Zweimal drei, einmal zwei Männchen sind vier hier oben und der Alte ganz im Süden. Fünf haben wir grade gesehen!“

Fleur atmete tief durch und genoss die weitere Fahrt. Schön war dieser Monat nach der Regenzeit. Glücklich schaute sie zu ihrem Vater, der sich nachdenklich und mit gerunzelten Brauen anscheinend auf den Weg konzentrierte. Zwei senkrechte Faltenstreifen seitlich an der Nase verlaufend und der undurchsichtige Gesichtsausdruck verhießen nichts Gutes.

Pierre schaute kurz zu seiner Tochter, anscheinend ahnte er das leichte Grinsen neben sich. Ernst ermahnte er zur weiteren Vorsicht. „Pass bitte auf! Nilpferde verstehen keinen Spaß, das weißt du! Solange wir hier in ihrem Revier sind, und das sind wir immer noch, bleiben alle im Wagen! Auch meine geliebte kleine Tochter! Hier habe ich außerdem grade noch zwei Mütter mit ihren kleinen Speckschwarten gesehen, also ein sensibles Niveau, ’hochexplosiv’, immer wieder. Auch wenn es noch so komisch aussieht!“ Pierre deutete dabei zu vier weiteren Hippos hinüber.

„Papa, ich werde aufpassen, versprochen. Du hast Recht, ich denke einfach nicht immer an die Gefahr, weil die Tiere von Natur aus nicht böse aussehen.“

„OK, Kleines, dann denke einfach öfter dran. Ich möchte dich noch lange bei mir haben!“

Wer die Stimme Pierres gut kannte, spürte leichte Schwingungen und ein Schlucken, das da nicht hin gehörte.

Fleur hatte es bemerkt und drückte die raue Hand ihres Vaters fest.

„Schau mal da drüben sind sie, die Jungen! Meist sind sie nicht allein unterwegs. Letztes Jahr waren es vierzig erwachsene Tiere und hier waren es erst dreißig. Wenn da jetzt noch ein Pulk in unserer Richtung unterwegs ist, haben wir ganz schlechte Karten, so mitten drin. Und dann müssten noch ca. zehn ein- bis dreijährige Jungtiere dabei sein. Also pass auf ob da noch mehr kommen.“

„Mach’ ich, Papa!“ Fleur lachte kurz über die niedlichen kleinen Monster vor ihnen, stieg dann aber ernst in die Aufgabe ein. Vorsichtig kletterte sie zu Hamid und Ruanda auf die Rückbank und beobachtete von dort nun auch das Schilf auf der anderen Seite.

Meist gruppierten sich diese Mütter zu einer Art Geburtsverband, um eben Gefahren wie dieser: ein fauchender Jeep der morgens durch die Gegend staubt, gemeinsam begegnen zu können.

Seit vier Uhr morgens war die kleine Gruppe der M’Batánga-Farm schon unterwegs. Der Wagen war zwar wieder in Ordnung, aber Pierre am Steuer, war vom Fieber der letzten Tage noch müde und zermürbt. Er fuhr nun langsam und vorsichtig, machte einen Vorschlag der alle hochgradig interessierte: „Wollen wir bei Lina eine Pause machen? Wir sind noch zwei Stunden von der Grenze zum Tschad weg. Die Ziegenfleisch-Spießchen haben wir uns verdient.“

„Und eine kalte Coca auch, falls die Kühlbox kein Loch hat!“, ergänzte Fleur.

Das Fleisch war zwar immer zäh und stundenlang in Sonne und Feuer gegrillt, aber alle freuten sich auf den kleinen Straßen-Grill in der Nähe von Birao. Pierres kantiges Gesicht hob sich während des Fahrens, wie ein karger Schattenriss gegen den Horizont ab. Keine weiche Schraffur, keine lustigen Mätzchen. Von weit leuchtete ein merkwürdig zyclamfarbiges Wolkenspiel, in rot bis violett herüber und begoss Pierres Silhouette zu einem mittlerem Drama. Es verging keine Stunde des Tages mit den gleichen Lichtbildern. Und wie durch Zauber, fiel noch dazu ein bläulicher Strahl ganz albern auf die rotfuchsigen Haare Pierres. Verliebt in alle kleinen Unberechenbarkeiten ihres Vaters, der Sonne und denen der restlichen beweglichen Umgebung, hatte Fleur stets große Freude. Schmunzelnd schaute sie zu ihrem ernsten Vater hinüber.

„Schön dass es dir schon ein bisschen besser geht! Aber sollen wir nicht mal Dr. Selem kommen lassen? Du hast jetzt schon so oft hohes Fieber gehabt! Malaria wird das kaum sein, sonst wären die Schmerzen schlimmer und gebrochen hast du auch nicht!“

Plötzlich erschrak Fleur und schrie leise auf: „Papa, da sind die Hippos wieder und noch mehr dabei, genau wie du gesagt hast. Und so nah!“

Pierre bremste abrupt, denn schon donnerte eine Gruppe Nachzügler aus dem Schilf heraus und schnaubte in kürzester Entfernung vor ihnen auf die Piste.

Alle Insassen hielten den Atem an, Hamid ergriff die Hand von Fleur und hielt sie ganz fest, Ruanda schaute vorsorglich den Rückweg entlang und Pierre bog langsam und geräuschlos in eine Ausbuchtung, um von dort nötigenfalls sofort zurück fahren zu können. In diesem Tempo sahen die Hippos äußerst bedrohlich aus. Am langen, walzenförmigen Körper zogen sich stramme Speckwülste bis zu den kurzen, säulenförmigen Beinen einerseits und bis zur kupferfarbenen Brustseite, andererseits. Unterstrichen wurde eine gewisse persönliche Komik dieser Tiere oft – wie auch grade jetzt – durch schnelles Schlagen mit dem winzigen Schwanz, der in Windeseile den austretenden Kot wie ein Ventilator in alle Richtungen wirbelte. Doch mit ihren satten 4 Metern Länge, mindestens 1,60 Höhe und ca. 3000 Kilogramm Gewicht, brachten sie jeder auftretenden Komik schnell wieder die nötige Ehrfurcht bei. Piere hatte eben mal schnell die Anzahl der Tiere überschlagen und kam auf ca. 40, was der letzten Zählung entsprach. „Schön dass wir anscheinend keine Verluste im Park hatten. Ich dachte es sind viel weniger!“

Pierre freute sich. Die rotbraun gesprenkelten Hinterteile entfernten sich endlich in Richtung Ufer. Das waren dann wohl die letzten. Pierre fuhr langsam wieder weiter.

Trotz allen Respekts, musste Fleur plötzlich laut lachen, sodass sich Pierre fragend zu ihr nach hinten drehte. „Ach Pa, mir fällt grade der Witz ein, den Tonton Eugéne bei seinem letzten Besuch über die Hippos machte.“

„Na dann erzähl mal!“, munterte Pierre seine Tochter auf und schaute sie zärtlich an. Er war etwas aufgetaut und wieder bei der Sache, ganz Ohr für seine Tochter. Vater und Tochter liebten sich auf diese ganz unkomplizierte, wie auch unterhaltsame Weise.

Fleur kletterte nach vorn. „Also gut: sag mir mal den Unterschied zwischen einer Frau und einem Flusspferd!“, begann Fleur vergnüglich feixend.

Pierre schüttelte den Kopf und meinte: „Da gäbe es viele! Wenn ich keine wüsste, wäre deine Mutter sehr böse!“, schmunzelte er.

„Also, dann sage ich dir hier den wahren und einzigen Unterschied: das Eine hat einen fetten Arsch und eine große Klappe, das andere lebt im Wasser!“

Alle mussten herzhaft lachen und Hamid wollte den Witz unbedingt seiner Frau weiter erzählen.

„Wirklich gut, wirklich gut!“, prustete er mit runden Backen vor sich hin und hatte dabei fast den gleichen Gesichtsausdruck, wie die Kameraden, die es grade so eilig zum Fluss hatten. Er schlug herzhaft auf Ruandas pralle Schenkel neben sich und musste sich vor Lachen an der langen Bank fest halten. Fleur lachte noch lauter.

Ruanda, ruhiger als die anderen, hatte während der letzten Aktionen in aller Besonnenheit die Ereignisse auf der Rückbank abgewartet. Doch nun rief er auf einmal bedenklich in die lachende Runde: „Leute, nicht so viel Lärm! Da sind noch die Jung-Hippos, die fehlen. Die machen jetzt schon auf Halbstark in eigenen Gruppen. Die gehen ohne Warnsignal auf Gegner los und dann müssen wir mächtig auf erfahrene „Alt-Hippos“ machen!“

„Ok, Ruanda, klar hast du Recht!“, entschuldigte sich Pierre mit leisem Lächeln über die Alt-Hippos. Und schon galoppierte ein Weibchen mit Jungem, das in flotter Gangart aus dem Schilf stob, heran und mit Sicherheit zu den anderen wollte. Um sie herum die anderen Hippo-Flegel. Nun aber war die Hippo-Mutter abrupt stehen geblieben, hatte bereits den Oberkörper zum Jeep gedreht und senkte den Schädel. Die kleinen Augen waren zur Seite gedreht und starrten auf das Auto. Da war es puckstill, alles Lachen schlagartig erfroren, keine einzige Bewegung. Ja, sie waren sich sehr nah gekommen. Trotz der äußerst heiklen Situation ruhig und beherrscht, entschloss sich Pierre ein weites Stück im Rückwärtsgang zu fahren. Er drehte langsam den Kopf, fuhr fast lautlos bis zur Ausbuchtung. Die Hippo-Mutter folgte leise schnaubend und mit gesenktem Oberkörper dem Jeep, stampfte dabei aggressiv mit den kurzen Beinen im Sand. Das Junge blieb unschlüssig in der Deckung des Schilfs. Alle im Jeep hielten den Atem an. Der Abstand zwischen Tier und Auto betrug höchstens vier Meter. Pierre drehte den Kopf langsam wieder nach vorn. Ruanda flüsterte: „Anhalten, Boss!“

Pierre bremste langsam ab. „Was immer passiert, keiner verlässt den Wagen!“, mahnte Pierre in ungewohntem Befehlston. Leise und streng.

Das Muttertier zögerte nun, auch der Jeep war endgültig stehen geblieben. Doch Pierre hatte die Kupplung voll durchgetreten, zu einem nötigen Blitzstart. Fleurs Hände waren zu Fäusten geballt, mit weiß leuchtenden Knöcheln. Ihr war das Tier am Nächsten. Pierre nahm sich trotz der Gefahr eine Sekunde Zeit, zu seiner Tochter zu sehen, auch auf die geballten Fäuste. Mit leichtem Schmunzeln schaute er jedoch sofort wieder nach vorne. Man musterte sich abwägend ‒ Tier und Mensch. Nach fast endlosen Augenblicken, scharrte das Hippo im Sand, was Angriff wie auch Ratlosigkeit bedeuten konnte. Drehte dann ab. Es trabte zu seinem Jungen zurück und dann weiter mit den anderen Jungtieren den Sandweg hinunter.

Alle schauten gebannt hinterher, die Stille blieb, auch der Atemstillstand, bis kein Fietz mehr zu sehen war.

Ruanda gab höchst sachlich Entwarnung, so als ob er das ganze grad aus dem Kino-Sessel in Bamari, gesehen hätte: „So, das waren noch mal 15. Mehr sind jetzt nicht zu erwarten!“ Wie der König aller Hippos, stand er stolz auf der Bank und schaute weit über die Savanne, als wäre nichts geschehen.

Die anderen holten zum ersten Mal tief Luft und pfiffen sie langsam wieder aus. Dann, ziemlich respektlos, unterbrach Pierre Ruandas majestätischen Moment und wendete in einen schmaleren Weg, direkt ins Buschland. Wobei der König aller Hippos fast auf den Schiedel fiel und leise vor sich hin fluchte. Pierre machte sich Luft: „Jetzt hab ich hier die Hippo-Faxen dicke! Wir fahren den anderen Weg in den Norden. Der ist wahrscheinlich noch ein bisschen zugewachsen, aber das schaffen wir schon!“

Kaum ausgesprochen, fuhr er auch schon durch die ersten tief ausgewaschenen Schlaglöcher, hielt dann aber abrupt an. Jeder dachte sofort wieder an Hippos und die letzte Chance, aber es kam viel einfacher.

„Hamid! Du kannst besser über die Löcher fahren!“ Damit sprang Pierre vom Sitz und ein schneller Fahrer-Wechsel ging von statten: Ruanda sprang vor und Fleur kletterte zu ihrem Pa nach hinten.

„Warum hast du vorhin so gegrinst, als du mich angesehen hast?“, wollte sie wissen.

Jetzt lachte Pierre aus vollem Halse, so wie er es wohl schon seit langem nicht mehr getan hatte. „Ach mein Liebes, als ich kurz deine arg geballte, kleine Faust sah und dann den mächtigen Hippokopf, überlegte ich ganz kurz, ob das Tier überhaupt irgendwas von dem Schlag gespürt hätte. Du aber ganz sicherlich!“, prustete er los. „Sei mir nicht bös!“ Lebhaft knuddelte er sein rothaariges Tochtertier.

Die äffte ihn nur mit einer Grimasse nach und drohte kurz mit der kleinen Faust. Woraufhin Pierre noch heftiger lachte und Fleur innig auf die Stirn küsste, über die leuchtenden, bernsteinfarben funkelnden Augen.

„Ach wenn ihr wüsstet, wie sehr ich meine Familie liebe. Mein Leben und mein letzter Atemzug gehört euch!“ Fast als Selbstgespräch verklang dieser gefühlvolle Satz. Dieser schweigsame Bursche ließ ganz selten Momente wie diese zu, zumindest nicht zu Sätzen formuliert. Keiner konnte ahnen, wie schnell sich das Schicksal an dieses leise Versprechen halten würde…

Schon ging es friedlich weiter, einfühlsam und langsam fuhr Hamid über die holperige Piste. Mit Fleur im Arm schien Pierre glücklich, schien voll in der Natur aufzugehen, lauschte all den Geräuschen und Tierlauten des Parks, wie einer Andacht. Er entdeckte sie alle: die frühen Räuber, die Leiseschleicher, Niederstelzer, Rückwarts-Krabbler, Grün-Hüpfer, Flatternd-Federer, Tief-Unker. Unauffällig waren sie so früh, teils noch im klamm- kühlen Vormittagstau erstarrt. Tarnfarbig perfekt der Umgebung angepasst warteten sie auf die wärmende Sonne. Wären da nicht neugierige Augen oder hungrige Mäuler, welche den Frieden gierigst ausnützten, wäre dies die perfekte Welt.

Langsam, mit der wärmenden Sonne im Rücken, ging es weiter in den Norden, zur Grenze. Fleur lachte verhalten auf und deutete nach hinten. Da schien offensichtlich ein Vogel über das hohe Schilf getragen zu werden. Über dem Gras schwebend, näherte er sich flott dem Fluss.

„Manno! Schon wieder Hippos. Nimmt ja heute kein Ende! Trotzdem! Das hier finde ich immer wieder komisch, diese Putzer-Vögel. Hocken da gemütlich auf der weichen Schwarte vom ‚Hippo-Gasthaus‘, haben mit dem Milbenfrühstückspeck prima Futter und werden außerdem noch spazieren geführt!“

„Ja aber den Speckschwarten geht es nach dem Schmarotzer-Frühstück auch besser!“, erläuterte Pierre. „Nichts mehr was da teuflisch juckt und die Haut zerlöchert!“

Jetzt sah man es genauer: ein gemütlicher Hippo-Dreier auf dem Weg zum Fluss mit Putzern auf dem Nacken. Alles diesmal in sicherer Entfernung.

Pierre nickte und antwortete leicht grinsend: “Eine tolle Symbiose! Sollte ich vielleicht auch mal bei Mama beantragen!“

„Und welche Rolle, würdest du da beantragen?“ fragte Fleur frech und mit vor Tränen glänzenden Augen. Jetzt konnte sie sich vor Lachen kaum halten. Alle lachten wieder mit, endlich wieder ein lustiger Haufen.

„Hamid hat sich bei Tantine Marianne schon durchgesetzt, als Putzer!“, lachte Fleur weiter. „Weißt du noch als sie das letzte Mal hier waren, hat er ihr zwei Spinnen aus dem Haar geholt und seitdem ist sie ihm den ganzen Tag mit Kuchen hinterher gelaufen!“

Pierre grinste jetzt auch über das ganze Gesicht. „Aber hast du nicht gesehen wie verzweifelt Hamid war. Er konnte den Kuchen nicht mehr sehen und Marianne wohl auch nicht!“

Kräftig schlug Pierre Hamid auf die Schultern. Der musste den Wagen anhalten, so sehr schüttelte es ihn vor Lachen. Tränen liefen an der Nase entlang und voller Vergnügen schlug er aufs Lenkrad.

Fleur aber wurde plötzlich nachdenklich. Sie senkte den Kopf und nagte an den Lippen. Besorgt drehte sie sich zu ihrem Vater: „Pa?“

Auch Pierre hatte feuchte Augen, wischte sich das Gesicht ab und sah jetzt mit den nassen Staubspuren, quer über das Gesicht verteilt, noch alberner aus als vorher im Drama-Licht. Aufmerksam schaute er seine Tochter an. „Ist grade was passiert?“, prustete er ein wenig ironisch heraus. Er kannte seine Tochter und ihre intuitiven Eingebungen. Wenn sich dann Stimmungsschwankungen daraus ergaben, musste er das ernst nehmen.

„Weil wir grade von Tantine Marianne geredet haben... ist heute nicht Freitag?“

„Ja! So stand es zum Frühstück jedenfalls noch am Kalender!“, bestätigte Pierre immer noch belustigt, schaute aber doch neugierig zu seiner Tochter.

„Kommen dann heute nicht Elena und Tonton Eugene in Birao an? Für diesen Freitag stand im Kalender: Abflug E& E in München!“, unterbrach sie die lockere Stimmung.

Und tatsächlich schlug dieser Satz ein, wie eine mittlere Bombe. Pierre wurde augenblicklich ernst. Mit einem Ruck drehte er sich ganz zu Fleur. „Ja! Heute ist Freitag. Da kommen sie dann an. Und warum sagt mir das keiner?“ Nun wurde er fast böse. „Die ganze Zeit macht ihr Blödsinn zu Hause, und auch hier werden Witze erzählt. Aber dass mein Bruder und Familie grade landen ‒ diese Kleinigkeit wird vergessen?“

Hamid hatte während der letzten Worte ahnungsvoll gebremst. Schon sprang Pierre über die Lehne wieder zurück ans Steuer, schob Hamid fast vom Fahrersitz herunter und schmiss den ersten Gang ein. Während Hamid noch mit der Besteigung der hinteren Ladefläche zu tun hatte, wurde der Wagen bereits brutal gewendet, auf einem Rad in fast 95 Grad und mit Vollgas wieder auf den Weg geschleudert. Ruanda hielt mit letzter Kraft Hamid an den Armen fest, während Fleur ihm beherzt an den Hintern griff und dort mit mächtig viel Kraft alles nach oben zog. Mit einem lauten Aufheulen fiel Hamid auf das harte Blech, als der Wagen auch schon mit jaulendem Motor zurück donnerte. Pierre hatte die Sandpiste erreicht, den Wagen noch mal um die eigene Achse geschleudert, in grau-roten Staubgehüllt und quetschte nun das Gaspedal auf den Metallboden. Der Jeep bäumte sich kurz bockig auf und als alle Räder wieder mit einem blechernen Rumms auf den Boden aufschlugen, schoss er den Weg zurück, diesmal in einer Geschwindigkeit, die kaum Schlaglöcher mehr berührte. Ruanda und Hamid versuchten laut fluchend ihre Knochen wieder zurecht zu rücken, suchten verzweifelt Halt an Sitzbänken oder Chassisstangen. Besorgt schauten sie sich an, Hamid schimpfte leise: „Wenn das jetzt so weiter geht, dann springe ich irgendwo ab!“

In ihren dunkelbraunen Gesichtern, stachen die Nasen nun fast weiß hervor. Ein Schwarzer würde sagen: du siehst sehr blass aus. Weiteres war dann nicht mehr zu erkennen, eine mächtige gelbe Staubwolke hüllte alle folgenden Aktionen ein. Nur Husten war ab und an zu hören. Fleur brauchte alle Kraft, um an der Chassisstange hängen zu bleiben. Der Sandstaub prasselte hart auf ihre Haut und in die Augen.

Pierre beschloss direkt zum Flughafen zu fahren. Jetzt noch mal zur Farm zurück, wäre ein extremer Umweg. Also riss er noch mal den Jeep herum, düste quer durch die Savanne, in einen ausgewaschenen Weg, der nur aus Furchen und altem, knorrigen Buschwerk bestand. Ungemütlicher Weise führte er außerdem an einer gefährlich steilen Schlucht vorbei, bei der man den Weg langsam einkurven musste. Fleur schrie laut auf und quetschte sich wie ein Hund fast unter den Sitz. Pierre schien das alles nicht zu interessieren, dieser Weg war um ca. zwei Stunden kürzer, als die größere Piste nach Bossangoa, zum Flughafen. Mungos schraken auf und flohen vor dem Jeep. Panisch hetzten sie im Zickzack voran, die vielen kleinen Füße berührten kaum den Savannenboden. Antilopen hechteten in heller Aufruhr hinterher. Dagegen schien es im Rover fast leblos, still, auch kein Husten oder Sandspucken mehr. Nur das metallene Scheppern des Wagens war zu hören, wenn er über die harten Löcher sprang und wieder auf dem Chassis landete. Hier federte nichts nach, hier erleichterten weder die ermüdeten Stoßdämpfer, noch durchgesessenen Sitze den Komfort der Mitfahrer. Die lustige Runde war erstarrt in Angst. Äste der Dornsträucher schlugen wie Fangarme in den offenen Jeep und hängten sich bei Ruanda in Hemd und Haut. Doch dem armen Gemarterten blieb sogar der Schmerzensschrei im Halse stecken.

Fleur schmollte, unberührt von allen äußeren Anfechtungen, unter dem Sitz laut vor sich hin: „Du warst doch dabei, als wir das Telegramm bekommen haben...“ Sie verschluckte dabei zwar eine Menge gelben Staubes, aber das war es ihr Wert.

„Ja, aber dir ist ja auch aufgefallen, dass ich hohes Fieber hatte und deshalb höchstens die Hälfte von allem mit bekommen habe!“, konterte Pierre grimmig. Beim letzten Wort schlug sein Oberkiefer heftig auf den unteren, denn der Jeep hatte grade wieder festen Boden unter sich gewonnen. Er riss den 2. Gang rein und schnellte vorwärts. Alle schnellten mit, schmerzvoll, denn nun wurde jedes Schlagloch voll durch fahren. Bockig wie ein mürrischer Esel, sprang der Jeep von einer Seite der Piste zur anderen. Fast schien die lange Fahne hinter ihm, aus Staub und hoch geschleuderten Steinen, als Wappen seines Unmutes. Fleur, Ruanda und Hamid, deren Fingergelenke bläulich angelaufen waren von der festen Umklammerung der Halterungen, schauten sich besorgt an. Der Sand brannte in den Augen, verklebte Mund und Nasenlöcher, das Atmen fiel schwer. Doch dann musterten sie wieder angestrengt die Strecke vor sich. Sie war gefährlich! Hier gab es wurzlige Engpässe, die man mit höchster Aufmerksamkeit und entsprechend langsam nehmen musste, sonst gab es auf dieser abschüssigen, steinig-rutschigen Piste kein Halten mehr. Schleudern, und ein Sturz aus der Kurve in die steile Schlucht, wäre die verheerende Folge. Mit Sicherheit würde das keiner überleben. Die Kurve stand kurz bevor. Hamid und Ruanda murmelten kleine Gebete. Jeder achtete konzentriert auf den ausgefahrenen Weg. Alle kannten die Strecke und hatten Angst. Eigentlich hätte man hier den Allradantrieb einlegen müssen, aber das wäre Pierre mit Sicherheit zu langsam geworden. Er hätte auch aussteigen müssen, um die Radmutterkerben zurück zu drehen. Reiner Zeitverlust wie es schien. Der Engpass kam näher. An den starken Wurzeln rutschte der Jeep ab, schleuderte herum, sodass er aus der Spur flog und am äußersten Pistenrand die letzten losen Steine in die Tiefe radierte. Nur ein paar lausige Millimeter lagen zwischen Rädern und dem Rand zum Abgrund. Fleur schrie auf, biss sich dann aber stumm die Lippen blutig. Alle wussten dass der Boss ein genialer Fahrer war und vertrauten ihm. Aber nun pfiff sogar der phlegmatische Ruanda laut zischend durch die Lippen.

Hamid griff sich schützend an den Kopf und machte Anstalten vom Wagen zu springen.

„Paaaa!, bitte!“, flehte Fleur laut schluchzend.

Aber alles war gut gegangen. Der Jeep hatte wieder festen Boden gefasst. Ruanda hatte Hamid noch im Flug erwischt und hielt ihn mit letzter Kraft an der Ladefläche fest. Pierres Gesicht war zu einer steinernen Grimasse erstarrt. Er schaltete herunter und verlangsamte die Fahrt ein wenig. Trotzdem, in den folgenden drei Stunden blieb es mucksmäuschenstill. Jeder hatte reichlich damit zu tun, sich von dem Schreck zu erholen und sich irgendwo zu bedanken, dass nichts Schlimmeres geschehen war.

Endlich schob sich die kleine Stadt aus dem Horizont, kam eilig näher. Blau gestrichen, weiß und tiefes Gelb hob sich bei den Häuschen hervor. Eine lange Allee mit rötlich ein-gesandetem Hibiskus und Weihnachtssternbäumen, begleitete den Jeep bis zur Stadt. Nach einer schneidigen Einfahrt in die alte Hauptstraße, an morbiden Villen vorbei, schmuddeligen Geschäften, Reifenflickern, freiluftig scherenden Friseuren und Schneidern an alten Singer-Nähmaschinen, Straßen-Cafés, raste Pierre mit lautem Geholper über den letzten Bürgersteig, direkt zum schiefen, verrosteten Flughafenschild. Hüllte dabei Kaffee, Kuchen und frische Haarpracht in eine rote Wolke.

Fleur wusste nicht wo sie hin-lachen sollte, damit ihr Vater es nicht sähe. Sie fand es irre komisch wie die Gäste dort Deckung suchten.

Als Pierre ins Flughafengelände ein düste, hörten die drei Eingestaubten, fest in Stangen, Haltegurte und Polster verkrampften Passagiere, den leicht zynischen Satz: „Es ist doch der Flughafen von Birao?“ Wobei Pierre bereits vor der verlotterten Baracke eingeparkt hatte und Fleur etwas spöttisch von der Seite anschaute.

Die verschiedenen Areale gingen hier so ländlich-lückenlos ineinander über, dass Pierre auch direkt auf die Piste zu der kleinen Maschine hätte fahren können. Fleur wäre sicherlich begeistert gewesen. Jetzt aber entgegnete sie trocken, wieder verstockt und sandverkrustet: „Auch wenn es nicht der richtige Flughafen wäre, würde ich dir das jetzt nicht mehr sagen!"

Hinten sprangen die Männer erleichtert vom Jeep herunter, wobei Hamid fluchend in Hockhaltung am Boden erstarrte. „Mein Rückgrat ist grade zerbrochen!“ Ein vorwurfsvoller Blick ging in Richtung Pierre. „Das möchte ich nicht noch einmal erleben. Unsere Schuld war das Ganze schließlich nicht! Das war einfach unmenschlich!“

Ruanda, der grade damit fertig war, diverse Speckrollen wieder ordentlich in Hemd und Hose zu verteilen, half seinem krummen Freund, bog ihn langsam wieder grade. Vorsichtig zog und dehnte er den jämmerlich stöhnenden hoch, schüttelte ihm schließlich noch liebevoll den Staub aus den Kleidern.

Pierre lachte verschämt. „Du hast Recht, es tut mir leid!“ Dabei nahm er seine beleidigte Tochter in die Arme. „Ach Spätzchen, sei bitte nicht böse mit deinem alten Vater. Ich bin nervös, verzeih mir! Aber du hast auch ein wenig Schuld.“

Vom hinteren Teil des Wagens wurde heftig Luft ausgepfiffen. Danach knurrte Ruanda leise zu Hamid: „Da hätte er sich auch schon früher beruhigen können, dann hätte ich mir meinen zweiten Herzanfall in der Kurve am Steinbruch ersparen können!“

Auch Fleur war empört und strampelte sich aus dem Griff ihres Vaters frei. „Diese läppische Entschuldigung ist viel zu einfach für die Tortur und schlechte Fahrerei! Du hast echt Strafe verdient!“ Mit dieser Feststellung ließ sie ihn links liegen und kümmerte sich um ihr Äußeres. Klopfte den Staub aus Kleidung und Haaren, aber trotz heftiger Anstrengungen blieb ein fahler Sandton über dem kleinen, verärgerten Wesen liegen. Ganz plötzlich jedoch, vergaß sie alle Strafsanktionen für ihren Vater, vergaß das Auto, den Staub und schaute mit leuchtenden Augen auf die Piste. „Das Flugzeug ist schon da. Schaut mal da hinten, am Ende der Bahn!“

Elena – L‘Africaine

Ruanda war bereits neugierig in Richtung Piste gegangen und zeigte auf das Rollfeld. Dabei rannen mittlere Schweißrinnsale in seinem T-Shirt herunter. Die Sonne knallte hier immer noch erbarmungslos herunter und intensivierte die Strahlung um vielfaches in dieser kargen, kahlgeschlagenen Landschaft. Kein Lüftchen schaffte Erfrischung! Sogar die fächrigen Blätter der mächtigen Voyageur-Palme, wie auch all die der schönen anderen Palmenkumpels, hingen wie zerschundene Mahnmale besserer Zeiten, schlapp an den Spitzen herunter.

Hier, zwischen Parkplatz, fransigen Palmen und Pisteneingang, hüpfte Fleur höchst ungeduldig auf der Stelle. Eine weiße Vogelgruppe stieg nervös flatternd auf und zog einen weiten Kreis, dort hinten, wo die Piper grade langsam einen Halbkreis drehte und dann wendete. Eigentlich hätte sie auch schnurstracks in die Empfangshalle rollen können, hier hätte sich niemand gewundert. Die Tore standen dort weit genug offen, reinpassen würde sie alle Male und andere kreuzende oder einfliegende Flugzeuge, waren weit und breit nicht zu sehen, kamen sicherlich auch in den nächsten Tagen nicht. Hier war tote Hose am vergessensten Arsch der Welt. Niemand wollte her. Höchstens alle 2 Wochen landete hier mal eine kleine Maschine mit Militärs, leicht betuchten Verwandten oder zwei bis fünf Touristen, die sich von keinerlei Einflugverboten schrecken ließen, oder seltsam gekleidete Ornithologen. In flirrenden Luftwellen näherte sich die kleine Piper schemenhaft, dann bedrohlich wie ein fremdartiges Rasterbild, das sich langsam zu einem utopischen Suchbild zusammen fügte. Jetzt kam sie langsam über die schmale Rollbahn direkt auf die kleine aufgeregte, bunte Zuschauer-Gruppe zu. Wie ein verwundeter Vogel, wippte sie langsamer werdend mit dem Schnabel nach unten, über die holprige Teerspur, ganz dicht vorbei an Büschen und dem hohem Weidegras der Savanne. Nirgends auf der Welt gab es für offizielle Flughäfen so wenige Absperrungen wie hier im afrikanischen Busch. Eigentlich gab es gar keine Sperren, Gitter, Holzzäune oder Mauern. Mit dem Begrenzungsmaterial konnte man schließlich mittlere Hausfassaden zusammenhalten, Hütten bauen, Fahrräder fixieren, Stühle reparieren, Hühnerställe vergrößern, Fenster abdichten…. Und wer musste das hier nicht?

Übermütig kniff Fleur ihren Dad in die Pobacke, vergessen war der Streit.

„Autsch! Du weißt, das darf nur deine Mama!“, schalt er sie spaßhaft.

„Ich freu mich so riesig auf Elena! Ein ganz neues Leben!“, strahlte Fleur. Endlich reden, endlich eine Vertraute so ganz nah und für sie ganz allein. Was würden sie alles für tolle Sachen treiben!

Inzwischen kam die sechssitzige Piper hier am Ende der Piste fast zum Halten, ruckelte nur noch ein bisschen vorwärts in Richtung Flughafengebäude, tauchte dabei den Schnabel noch mal beängstigend weit zu einem Asphaltloch hin, dann zitterte sie sich endgültig fest. Das war das wohl das geheime Zeichen, denn zugleich kam Leben in die verstaubte Gruppe aus der Savanne. Alle hasteten auf einmal in schnellem Spurt zu den offenen Toren der Halle. Seit Jahrzehnten war dies alles verödet, und für den Anflug von so wenigen Besuchern zum außergewöhnlichen Park Manovo, Wissenschaftler mit neuen Studien, oder für kleinere Militär-Aktionen, wurde hier nichts investiert. Davon mal abgesehen, wäre gar auch kein Geld da gewesen. Wer nicht an die besseren, vorangegangenen Zeiten glaubte, der sah es noch an den vielen Schildern und Hinweistafeln. Groß und überdimensional eingerahmt, zeigten sie sich der illustren Gesellschaft von damals: Diamantenschürfer die ihr Glück suchten; Reiche, Maharadschas die zu Wildsafaris kamen, Minister, Investoren mit großartigen Ideen; Wissenschaftler, die von unbekannten Tierarten hörten; Modefuzzies die sich für Felle interessierten usw. Ein ehemaliges Flugabfertigungsschild, seit langem außer Dienst, glänzte noch ein wenig vor sich hin: „Utiliser numéro 58 – contrôle du trafic aérien régulation des vols“. Auch schön gestanzte, verblichene Metalltafeln und Markierungen bewegten sich heute gelangweilt im Wind: „Arrivée, Départ“.

Drei alte Kontrolltische, die übereinander gestapelt waren, standen schon fast am Barackenausgang, wohl auf dem Weg zu einem neuen Besitzer. Ein alter Holzsessel ohne Sitz, stand am Eingang zu einem Büro, die öffentlichen Anlagen an der Ecke daneben, schlugen die Türen auf und zu, gaben den direkten Blick auf gesplitterte Keramikkloschüsseln und Zeitungsfetzen am Boden frei. Es roch nach Eau de Javel und Urin.

Ruanda, neugierig auf die deutschen Freunde, gelang ein schneller Anfangs-Spurt, mehr oder weniger, denn ziemlich alle kleinen und größeren Fettrundungen sabotierten gegen die Erdrotation und bewegten sich in heftigen Schwingungen von unten nach oben, dieser entgegen. Er kam immer langsamer vorwärts.

Während dessen hatte Fleur schon ihren Onkel bei den Kontrolleuren wiedererkannt und fiel ihm um den Hals. Sie kannte hier alle Zöllner und Beamte, begrüßte auch Tonton Joseph herzhaft, auch Tonton Eric und Tonton Muhamed in ihren verschwitzten Uniformen und erklärte laut und glücklich: „Elena est dans l`avion et l‘autre famille d‘ Allemagne aussi!“ Sie war völlig aus dem Häuschen, strahlte über das ganze Gesicht und winkte ihrem Vater, er solle schneller laufen.

Die Onkel bestaunten das verstaubte rothaarige Wesen, von dem man im Augenblick nicht wusste zu welchem Element es denn gehörte: Erde oder Licht? Pierre lief lachend hinterher. Auch er wurde von den Onkeln begrüßt: Kuss rechts, links, rechts und wieder links. Auch bei diesem roten Kopf wurde der Sand belächelt.

„Die Familie aus Deutschland kommt an! Endlich wieder.“, erklärte er noch mal, falls es noch nicht alle wussten. Vergessen war Hektik und die anstrengende Fahrt, Pierre war wie verwandelt. Auch ihm sah man an, wie sehr er sich freute. Hauptsächlich galt seine Freude aber dem Bruder, seinen neuen Ideen und seinem stillen Humor.

Hamid und Ruanda blieben inzwischen erschöpft und bescheiden an dem alten Flugplan stehen, der noch stolz die Ankünfte des Jahres 1981 anzeigte. Kurzatmig hechelten sie nach Luft, der Schweiß lief ihnen jetzt hemmungslos in dunklen Bahnen durch die Hemden. Am großen Thermometer konnte man satte 45° lesen. Stehende Luft hier in der Flach-Baracke, die in Deutschland bestenfalls zu einer offenen Garage oder der Müllabfuhr gedient hätte. Doch hier wurde liebevoll noch ein langer Zolltisch arrangiert und mit einer Art Durchleuchtungs-Bombe bedient. Ein Gerät, das aussah, als käme es aus einer veralteten Röntgenabteilung eines spät-gotischen Provinz-Krankenhauses. Hier am Airport jedoch, stolzes Status-Symbol, erntete es große Aufmerksamkeit und hohen Respekt.

Genau an diesem beeindruckenden Objekt lehnte sich Pierre gemütlich an und schaute seiner Tochter hinterher. Belustigt, sehr belustigt. Sie rannte nämlich völlig unbedacht grade durch die letzte Absperrung, die in Form eines dünnen, alten Hanfseiles, lässig hinter ihr her schwang und keine weiteren Schwierigkeiten machte. Der kleine Tonton Eric war begeistert mit gelaufen, hatte auch die letzte Hürde mit Bravour genommen. Beide winkten der Maschine entgegen, die ziemlich unverhofft noch ein paar Meter zu geruckelt hatte und nun direkt vor dem Gebäude stehen blieb. Die paar Zuschauer wichen weiter zurück, falls die Piper doch eventuell lieber direkt durch die Zollkontrolle rollen würde, eventuell gar auch durch die neue Durchleuchtungsmaschine…

„Elena!“, schrie Fleur aufgeregt aus vollem Halse.

Beruhigend legte Tonton einen Arm um sie und gemeinsam schauten sie angestrengt zu den kleinen Fensterluken. Die Abendsonne hüllte das Geschehen in rot-goldene Farben, fast schienen es Senkrecht- Streifen zu sein, zum Aussteigen und Betreten gesandt.

Fleur zeigte drauf und lachte laut: „Schau mal, Tonton! Wäre jetzt noch ein schwarzer Streifen dabei, wäre es ein echt deutscher Willkommensgruß von unserer Sonne.“

Doch bevor sich das Schwarz fand, sah man bereits wie sich die frisch gestrichene, rote Tür ‒ die Alte war wohl beim letzten Flug abgefallen ‒ langsam öffnete. Der Türgriff klemmte, wurde nun aber kräftig aufgestoßen, und ein Cello erschien in der Öffnung. Fleur kreischte in einem echten Fanschrei auf, war mit langen Sprüngen direkt unter der Tür und streckte die Arme nach oben.

Sehr blass, leise lachend erschien Elena, hielt das Cello fest mit einem Arm umklammert, wie einen rettenden Anker, eine Stütze aus der guten alten Zeit. Zaghaft, neugierig und doch schließlich mit einem tiefen Atemzug, sich in diese fremde Welt einlassend, blickte sie über die leuchtend rote Savanne und dann zu ihrer bunt durcheinander gewürfelten Familie. Glanz kam in ihre müden Augen mit den tiefen Ringen drunter, welch ein Kontrast! Heftig winkte sie allen zu, Ja! Es war die richtige Entscheidung! Ihre roten, langen Haare flogen der afrikanischen Sonne entgegen, und ihr Herz flog eilig hinterher.

Dicht hinter ihr erschien Eugéne, der sie an der freien Hand fest hielt. Er nickte andächtig vor sich hin. Sein rotes Haar sah hier ganz anders aus: es stand, wie er auch, aufrecht in der kleinen Brise die grad aufgekommen war und die Hitze ein wenig mäßigte. Wie ein kleines Gebet entfuhr es ihm leise: „Ja! Hier bin ich richtig! Wir beide!“ Zärtlich drückte er seiner Tochter einen Kuss auf die Nasenspitze. Er liebte sie, liebte es, dass sie an seiner Seite war und das Leben mit ihm teilte. Ziemlich ungewollt widersprach der große Federhut unter seinem Arm, dieser Ernsthaftigkeit. Eugene knuffte Elena übermütig in die Seite, freute sich. Beide lachten und winkten glücklich zu dem erwartungsvollen Empfangskomitee hinunter. Eugenes Gesicht wurde breit vor Freude.

Der Pilot wollte grade die kleine Leiter einhaken, kam aber nicht dazu.

„Hey, Cousinchen.“ Schon drängte sich Fleur mit Tonton Eric im Schlepptau unter die Tür und da kam auch Pierre angerannt. Der Pilot wurde zur Seite geschoben, Elena herunter gehievt, landete in Tontons Armen, wurde abgeküsst: rechts-links-rechts-links, und dann von Fleur in die Arme genommen. Ein Wiedersehen, das beiden Cousinen die Tränen in die Augen trieb. Sie hielten sich lange fest, selbstvergessen und still. Elena weinte friedlich. Tränen die voller Selbstverständlichkeit ein neues Glück gut bewässerten.

Inzwischen hatte sich Pierre seinen Bruder Eugéne geangelt und auch sie drückten sich nun mit Tränen in den Augen, fest aneinander. Auch der Tonton weinte. Bei ihm hatte unbemerkt, schräg hinter den Ohren, auf den dunklen Locken- der Federhut ganz plötzlich einen neuen Platz gefunden.

Auch der Pilot hatte Tränen in den Augen, Ruanda und Hamid wischen sich verstohlen die Augen, der Zöllner weinte. Dem kleinen Kofferträger, der geschäftstüchtig angerannt kam, kullerte es glitzernd über die braunen Wangen. Dann aber brach aus dem Tränenmeer, ein Wirrwarr an Stimmen los, alle zugleich: Fragen, Erklärungen, Beschwörungen, Komplimente…

Und zwischen Lachen und Tränen, Antworten und Umarmungen, landeten alle, fast wie unter einem magischen Zwang, im Jeep. Merkwürdiger Weise passten auch alle hinein, obwohl es nun 6 Personen mehr waren als vorher und dazu noch 2 große Koffer, eine breite Tasche, ein prall gefüllter Rucksack und natürlich das Cello. Aber das Gedrängel störte niemanden und wie es schien, wollten tatsächlich alle mit fahren, auch der Zöllner. Er hatte schließlich die Koffer direkt ins Auto expedieren lassen. Auch der Junge, der die Koffer trug, saß neben ihnen auf der Ladefläche. Er hatte zwar noch kein Geld bekommen, aber das war sicherlich nicht der Grund. Unten, zwischen vielen Füssen saß er und schwenkte stolz, wie ein kleiner Pfau, ein paar bunte Hutfedern herum. Ein Relikt des Gedrängels.

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Autor: Cornelia Canady

Cornelia Canady

Cornelia Canady, geboren 1942 in Berlin, war Cutterin und Naturfilmexpertin am Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung, bevor sie für über zehn Jahre in die Zentralafrikanische Republik übersiedelte. Dort engagierte sie sich für die Erhaltung des Urwaldes, der dem letzten traditionell lebenden Pygmäenstamm Lebensraum bietet. Cornelia Canady beschreibt ihr abenteuerliches Leben in der fremden Kultur in ihrer Biographie "Die Gottestänzerin" sowie in den Romanen "Tränen am Ouibangui" und "Ruf des Abendwindes". Heute lebt die Autorin auf Teneriffa – doch wie ihre Heldinnen zieht es auch sie immer wieder nach Afrika zurück.
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