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Im eBook lesen
Titel: Western Country Stories, Großer Sammelband 1 bis 20

Western Country Stories, Großer Sammelband 1 bis 20

Großer Sammelband 1 bis 20

von Luke Sinclair

Seiten: (ca.) 1526
Erscheinungsform: Originalausgabe
Erscheinungsdatum: 1.12.2014
ISBN: eBook 9783956070181
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 18,99

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Autor

Autor: Luke Sinclair
Luke Sinclair (Autor)
33 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Auf in den Wilden Westen! Folgen Sie uns zurück in die Zeit, in der die Männer noch harte Kerle waren und mutige Sheriffs und Marshals das Gesetz mit dem Colt verteidigten. Wir stellen Ihnen die rauen Burschen vor, die als Erste dem Ruf nach Westen folgten, um dort Reichtum, Ruhm oder den Tod zu finden. Erleben Sie ihre Abenteuer, den Kampf mit Banditen, den Krieg mit Indianern und nicht zuletzt ihre Suche nach den feurigsten Damen in den Weiten der Prärie.

Dieser Sammelband präsentiert Ihnen Band 1-10 unserer beliebten Reihe „Luke Sinclair Western“:
• Die Rebellen-Lady
• Im Canyon des goldenen Todes
• Mit dem Blizzard kam das Grauen
• Die Verfluchten der Blizzard-Hölle
• Des Sheriffs bitterster Sieg
• Dakota – der weiße Wolf
• Eher friert die Hölle zu
• Die Falle in der Geisterstadt
• Der Fluch von Wallowa
• Wehe uns, wenn Chaca kommt!
• Hass und Tod sind wie Brüder
• Der Tod zählt die Meilen
• Der Scout Durango
• Durango – der Unbeugsame
• Narbengesicht-Gringo
• Die Legende von Donald McKaye
• Die Mühlen des Hasses
• Im Banne von El Lobo
• Das Halbblut von Tonto Creek
• Das Gold der Juaristas

Lassen Sie sich von den abenteuerlichen Kurzromanen packen, die von den 60ern bis in die 80er unzählige Leser begeisterten. Nutzen Sie den großen Preisvorteil unserer günstigen Sammelbände!

Details

Titel
Western Country Stories, Großer Sammelband 1 bis 20
Untertitel
Großer Sammelband 1 bis 20
Autor
Luke Sinclair
Seiten
1526
Erscheinungsform
Originalausgabe
Preis (eBook)
18,99 EUR
ISBN (eBook)
9783956070181
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Impressum

Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München.

Originalausgabe © BASTEI, Bergisch Gladbach.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Luke Sinclair wird vertreten durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von canicula/shutterstock.com
ISBN: 978-3-95607-018-1

Besuchen Sie uns im Internet:
www.heypublishing.com
www.facebook.com/heypublishing

Stories aus dem Wilden Westen

Luke Sinclair Westernklassiker, Großer Sammelband 1-20

Die Rebellen-Lady

Sie ritt mit Ben auf blutigem Trail

Da saß ich nun in meiner Zelle und starrte durch das kleine, vergitterte Fenster nach draußen auf die mit Sonne und Staub übersäte Plaza, sah den Männern zu, die dabei waren, einen Galgen zu errichten – meinen Galgen, an dem man mich morgen früh am Halse aufhängen wollte, bis der Tod eintritt …!

Könnt ihr euch vorstellen, wie einem dabei zumute ist? Das war wirklich ein Witz, denn es war das erste Mal in meinem Leben, dass man sich meinetwegen so viel Mühe machte. Und wenn es nicht ausgerechnet ein Galgen gewesen wäre, den sie da für mich bauten, dann wäre ich wohl irgendwie gerührt gewesen über so viel Mühe und Eifer.

Aber wenn ihr mich fragt, weshalb man mir nun plötzlich diese zweideutige Ehre erwies, so kann ich nur sagen, dass es eine ganz dumme Geschichte war, so einfach, dass man nicht einmal darüber lachen konnte, und das hatte gewiss nichts mit dem verdammten Ding zu tun, das die Männer da draußen zusammenhämmerten.

Das ganze Theater hatte vor etwa einer Woche begonnen, als ich auf meinem müden Gaul vom Oberlauf des Gila River herüber kam. Eigentlich hatte ich weiter nach Globe gewollt, und ich war nur über diese verdammte Mesa geritten, um nicht den großen Bogen mitzumachen, den der Fluss im Süden um die Gila Bend Mountains herum beschrieb. Es war ein Tag, der selbst die Felsen vor Hitze knistern ließ, und der Wind war so heiß und trocken, dass er die Haut vollkommen ausdörrte, so dass der Staub nur in ihren Falten hängen blieb. Nun, der Gila führte zum Glück noch Wasser, so dass ich nicht bis nach Moody Spring oder gar Webb Well hinaufreiten musste.

Ich hatte den Rand der Mesa ohnehin fast erreicht, als ich die Schüsse horte, die dünn und knatternd zu mir heraufklangen. Ich trieb den Grauen nur kurz an und ließ ihn noch vor dem steilen Felsabsturz wieder in leichten Trab fallen, um keinen Staub aufzuwirbeln. Denn wo geschossen wird, da hat man für gewöhnlich nicht gern Zuschauer.

Ich hielt an und spähte in das unter mir liegende Land. Der Wind wehte heiß und brausend aus der Tiefe herauf, und ein einsamer Bussard ließ sich von ihm an der gigantischen Felswand emportragen.

Das erste, was mein Blick einfing, war eine Concord-Kutsche, wie sie gewöhnlich auf den Overland Stage Lines eingesetzt wurde. Sie stand etwas schief und war von der Straße abgekommen und gegen einen Felsen geprallt. Zwei der Gespannpferde waren gestürzt und rührten sich nicht mehr, während die übrigen wiehernd und schnaubend an den Geschirren zerrten. Ein einzelner Reiter jagte den Weg zurück, der nach Gila Bend führte, von wo die Kutsche vermutlich gekommen war. Die drei anderen Reiter neben der Concord schossen hinter ihm her. Einer von ihnen machte Anstalten, ihn zu verfolgen, ließ aber sogleich wieder davon ab.

Ich konnte sehen, dass eine Gestalt, vermutlich der Fahrer, leblos in den Riemen des Gespanns hing und von den unruhigen Gäulen hin und her geschaukelt wurde. Von irgendwelchen Fahrgästen konnte ich von hier oben aus nichts erkennen, aber ich sah, wie die Männer etwas, das wie eine große Tasche oder wie eine Kiste aussah, aus dem Wagen holten und auf eines ihrer Pferde luden.

Es war mir sofort klar, was sich da unten abgespielt hatte, und dass ich nichts tun konnte, was den Lauf der Dinge irgendwie beeinflussen würde. Ich würde Stunden brauchen, um von der Mesa zu dieser Stelle hinabzukommen. Ich konnte nichts weiter tun, als nachzusehen, ob es vielleicht jemand gab, der dieses Massaker überlebt hatte.

Erst jetzt bemerkte ich einen weiteren Mann, der ein Stück abseits, halb unter seinem Pferd begraben lag. Er musste sich wohl bewegt haben, was meine Aufmerksamkeit erweckt hatte, aber auch die eines anderen.

Einer der Banditen lenkte sein Pferd zu ihm hin und feuerte zwei Kugeln auf den Wehrlosen ab. Dann ritten sie nach Norden in Richtung der Buckeye Mountains davon.

Es dauerte eine Weile, bis der Zorn in mir abklang. Ich selbst hatte auch schon Menschen getötet, aber nicht auf solch eine Art. Schließlich zog ich den Grauen nach links und suchte einen Weg, der mich nach unten brachte.

Es dauerte tatsächlich Stunden, obwohl der Weg mitunter so steil war, dass ich manchmal befürchtete, in einer Lawine aus Staub und Geröll am Fuße dieser Mesa zu zerschellen. Aber irgendwann hatte ich es geschafft. Ein paar Geier hoppelten krächzend wie zornige, hässliche Gnome davon, erklommen einen kleinen Hügel, von dem aus sie böse zu mir herüberglotzten. Fliegen summten über den Leichen und den Pferdekadavern. Der Blutgeruch machte den Grauen nervös, und er wollte nicht mehr weitergehen.

»Alter Ziegenbock!« knurrte ich misslaunig und kletterte müde aus dem Sattel, ließ die Zügel herunterhängen und näherte mich zu Fuß der Kutsche. Ich hätte mir den Weg von der Mesa herunter sparen können, aber ich hatte ohnehin nicht vorgehabt, da oben zu bleiben.

In der Kutsche fand ich eine Frau und zwei Mexikaner. Die Frau hatte einen Bauchschuss und war vermutlich erst vor einer halben Stunde gestorben. Die Mexikaner hatten sich offensichtlich zur Wehr gesetzt, aber der Überfall musste zu unerwartet gekommen sein. Der Mann unter seinem Pferd war durch zwei Schüsse in den Kopf getötet worden.

Ich drehte mich um und feuerte einen Schuss auf die Geier ab, die sich unter Gekreisch und mit geräuschvollen Flügelschlägen entfernten.

Der entkommene Reiter würde die Kunde von diesem Überfall schnell nach Gila Bend bringen. Es bestand also kein Grund für mich, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Die Gäule, die hoch immer in dem Gespann standen, äugten misstrauisch zu mir herüber. Ursprünglich hatte ich den Gedanken gehabt, sie loszuschneiden, aber ich ließ es bleiben. Die Leute aus Gila Bend würden sie vielleicht zum Abtransport der Toten brauchen. Außerdem vermochten sie wohl, die Geier für eine Weile fernzuhalten.

Die Fährte der drei Banditen war deutlich zu erkennen. Ich folgte ihr, ohne eigentlich recht zu wissen weshalb, denn eigentlich ging mich die Sache nichts an. Aber ich war nun mal der erste, der den Ort des Überfalls erreicht hatte.

Ein paar Meilen weiter nördlich hatten sie den Gila überquert und waren eine Strecke weit am anderen Ufer entlanggeritten, um den Fluss danach von neuem zu überqueren. Ich konnte keinen Sinn in diesem Manöver sehen, zumal sie damit nicht versucht hatten, ihre Spuren zu verbergen. Sie waren dann plötzlich vom Fluss abgebogen und hatten die Richtung nach Webb Well eingeschlagen. Wenn ich mich beeilte, konnte ich diese Wasserstelle noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Aber schon nach der Hälfte des Weges bemerkte ich, dass ich es mit ganz gerissenen Halunken zu tun hatte. Die Fährte wurde schwächer und bog ganz plötzlich scharf nach Süden ab. Die Burschen hatten sich ausgerechnet, wann ihnen ein Aufgebot aus Gila Bend folgen könnte. Die Verfolger würden annehmen, sie seien nach Webb Well geritten und würden vermutlich ihren Ritt auch nach Einbruch der Dunkelheit dorthin fortsetzen, um den Vorsprung aufzuholen und die Fährte dann dort wieder aufzunehmen. Aber bei Webb Well würden sie keine Spuren finden, da die drei Banditen inzwischen nach Moody Spring abgebogen waren. Auf diese Weise würde ein Aufgebot mindestens einen ganzen Tag verlieren. Doch sie hatten nicht damit gerechnet, dass ihnen jemand bereits nach wenigen Stunden folgen würde.

Die Dunkelheit überraschte mich natürlich lange bevor ich Moody Spring erreichen konnte, aber ich setzte jetzt meinen Weg fort. Es war nicht anzunehmen, dass sie den gleichen Trick noch einmal anwenden würden, denn wer beim ersten mal darauf hereinfiel oder auch nicht, beim zweiten Male würde er es ganz gewiss nicht tun.

Der Mond war längst hoch am Himmel, als ich Moody Spring erreichte. Eine tödlich lauernde Stille lag über der Wasserstelle, und ich hielt mein Pferd an. Allzu große Stille hatte mich stets misstrauisch gemacht. Wasserstellen in der Wüste konnten Leben retten, aber sie hatten auch schon viele Leben gefordert, eben weil man dort hin muss, um zu überleben. Das wussten nicht nur Raubtiere, die an den Tränken auf Beute lauerten. Auch Indianer und andere Menschenjäger hatten Wasserstellen oft als Todesfallen benutzt. Die meisten Menschen vergessen alle Vorsicht, wenn der Durst sie zu einer Quelle treibt.

Ich glitt leise vom Pferd und zog das Gewehr aus dem Scabbard. Vorsichtig repetierte ich eine Patrone in den Lauf, wobei ich das Schloss der Waffe mit meiner Jacke bedeckte, um das Geräusch zu dämpfen. Den Hammer ließ ich halb gespannt, zog die Stiefel aus und ließ sie bei dem Grauen zurück.

Geduckt und geräuschlos schlich ich näher an die Wasserstelle heran, die in schroffe Kalksteinformationen eingebettet lag. Im Schatten eines Busches blieb ich hocken. Ich konnte den Platz von hier aus gut übersehen. In der Nähe des Wassers hielt sich jedenfalls niemand auf. Vermutlich waren die drei Kerle längst weitergezogen. Aber irgendein düsteres Gefühl warnte mich.

Der Mond spiegelte sich in dem schwarzen, leicht gekräuselten Wasser wie ein böse funkelndes Auge, und der laue Nacht wind wehte zu mir herauf. Er brachte einen schwachen Geruch von Rauch und Holzasche mit sich. Sie waren hier gewesen oder noch da, der Teufel mochte das wissen.

Ich versuchte, die Stelle auszumachen, wo das Feuer gebrannt hatte. Auf der anderen Seite des Wasserloches bei den Felsen musste es sein. Etwas Unheimliches bewegte sich in der Grabesstille, ohne dass ich etwas erkennen konnte. Dann bemerkte ich die Feuerstelle und daneben etwas Dunkles, das irgendwie nicht dahingehörte. Aber im selben Moment zogen ein paar Wolkenfetzen vor die Dreiviertelscheibe des Mondes, und der Vorhang fiel auf der Bühne unter mir.

Dieser Ort war nicht geheuer, aber jetzt konnte ich mich bewegen, ohne gesehen zu werden. Ich lief zwischen den Felsen hindurch und den Hang hinunter. Der Wind strich über die heißen Felsen und tasteten mit lautlosen Fingern meine Gestalt ab. Nur das leise Rascheln war zu hören, mit dem meine Hosenbeine durch die niederen Sträucher und das harte Gamma-Gras strichen.

Irgendetwas fiel in die erloschene Glut der Feuerstelle. Ein paar Funken glommen auf wie tanzende Irrlichter in der Finsternis und verlöschten wieder. Die Felsen schienen düster und drohend zusammenzurücken.

Ich umrundete das Wasserloch und näherte mich dem dunklen Etwas, das ich im schwachen Sternenschimmer ausmachen konnte. Es war eine Gestalt, aber sie bewegte sich nicht. Sie war vornüber gesunken und halb in die Asche des erloschenen Feuers gefallen.

Ich packte sie an der Schulter und zog sie zurück. Der Kopf des Mannes klappte unnatürlich weit nach hinten.

In diesem Moment gaben die Wolkenfetzen den Mond wieder frei, und ich sah das dunkel glänzende Blut, das die ganze Gestalt besudelt hatte. Jemand hatte ihn mit einem scharfen Messer den Hals halb durchtrennt.

Ich schaute mich rasch um. Das Wasser lag schwarz und schweigend in einem großen Kreis in der Mulde. Rechts von mir peitschte plötzlich ein Gewehr durch die bleierne Stille. Die Kugel klatschte gegen die Felsen. Ich hob den Kopf und grinste in das blasse Mondlicht. Sie hatten mich also schon bei Tageslicht auf ihrer Fährte bemerkt und hier auf mich gewartet.

Ich ließ den Toten los und lief schnell um das Wasser herum. Eine Kugel fauchte pfeifend in das Wasser. Dann war ich zwischen den Felsen und hielt inne, während eine weitere Kugel mich nur mit Sand und Steinsplittern überschüttete und davonjaulte. Ich hielt das Gewehr bereit, schoss aber nicht zurück, da ich von Munitionsverschwendung nichts hielt.

Jenseits der Felsen, die Moody Spring umschlossen, schnaubte ein Pferd, und Hufe trommelten dumpf auf sandigen Boden. Die Geräusche verklangen in der Nacht, und es war wieder so still wie zuvor.

Im Schatten der Felsen arbeitete ich mich leise den Hang hinauf. Ein böiger Wind strich über die Höhe und flüsterte mit Geisterstimmen im dürren Gras. Nach einigem Suchen fand ich die Stelle, wo ihre Gäule gestanden hatten, aber weder von diesen, noch von ihren Reitern war etwas zu sehen. Ihre Spuren verloren sich in den Schatten der Nacht zwischen Gestrüpp und Ungeheuern aus Stein, die starr und unbeweglich zu mir herüberglotzten.

Es hatte keinen Sinn, ihnen in der Nacht zu folgen, aber es war gut, zu wissen, dass sie nicht mehr da waren. Ich suchte das Gelände rund um die Wasserstelle ab, konnte aber kein weiteres lebendes Wesen mehr entdecken. Die Spuren hatten von drei Pferden hergeführt, soviel hatte ich in der Dunkelheit erkennen können, und da nicht damit zu rechnen war, dass der Tote zu Fuß hierher gekommen war, konnte es nur einer der drei Kerle gewesen sein. Vielleicht hatten sie begonnen, auf diese Weise ihr Geld aufzuteilen.

Ich füllte meine Wasserflasche, tränkte das Pferd und ritt dann etwa eine Meile vom Wasser weg, um mein Lager aufzuschlagen und bis zum Morgen noch etwas Schlaf zu finden.

Am Mittag hörte das Klopfen und Sägen draußen auf, und es wurde still auf der Plaza. Ich stieg auf den Schemel, um durch das Gitterfenster sehen zu können.

Die Männer waren mit ihrer Arbeit noch nicht fertig. Sie waren nur nach Hause gegangen, um ihr Mittagsmahl einzunehmen und dann schwitzend zu ihrer Arbeit zurückzukehren, angestachelt zur Eile von ihren keifenden Frauen, die mit perverser Begierde das Schauspiel am nächsten Morgen erwarteten.

Da hatte ich es doch besser als sie. Hier drinnen gab es keine keifenden Weiber, keine Arbeit in praller Sonne. Ich war für mich allein, hatte meine Ruhe und ein schönes Zimmer mit Blick auf den Galgen. Und zu allem Überfluss hatte ich auch noch ein reines Gewissen.

Ich warf mich fluchend auf das harte Lager und öffnete die Augen erst wieder, als Sheriff Ange die Tür aufschloss und mir das Essen brachte. Seine hagere Gestalt reichte fast bis zum oberen Türrahmen. In der einen Hand hielt er die dampfende Blechschüssel und in der anderen den Revolver.

Ich richtete mich auf.

»Bleib wo du bist!« warnte er, bückte sich und stellte, ohne mich aus den Augen zu lassen, die Schüssel mit Bohnen auf den Fußboden.

»Lass nicht aus Versehen deinen Ballermann hier«, sagte ich ironisch, »diese Bohnen sind mir schon richtig an's Herz gewachsen.«

Er zog seine Oberlippe hoch und entblößte die Zähne, was wohl ein Grinsen sein sollte. »Diese Bohnen geben Kraft, und die wirst du morgen brauchen, schätze ich.« Er richtete sich wieder auf. »Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du für's Abendessen einen besonderen Wunsch hast, aber jetzt kenne ich ja deinen Geschmack. Diese Bohnen sind auch wirklich empfehlenswert.«

Während er bereits die Tür hinter sich zuwarf, sprang ich von meinem Lager hoch. Die Blechschüssel knallte gegen die Tür und schepperte auf den Boden. Die Bohnen rutschten zäh und ölig an dem harten Holz herunter.

Ich setzte mich wieder hin und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. Eine wirklich verdammte Geschichte, aber als ich an jenem Morgen bei Moody Spring die Spuren dieser drei Gäule aufgenommen hatte, wusste ich noch nicht, in was ich mich da eingelassen hatte.

Die Spuren der drei Gäule waren recht undeutlich. Offensichtlich hatten die Männer versucht, sie unkenntlich zu machen, was ihnen auf diesem Boden nicht ganz gelungen war. Sie waren wohl nicht davon überzeugt, dass ihre Kugeln mich außer Gefecht gesetzt hatten oder als Warnung genügten, mich von ihrer Fährte abzuhalten. Sie wussten nicht, wer ich war, und das machte sie unsicher und vorsichtig. Sie wechselten häufig die Richtung, aber ich konnte trotzdem ihre Route vorausahnen. Sie musste am Nordrand der Gila Bend Mountains verlaufen, dort war das Gelände günstig, um Verfolger abzuschütteln.

Als ich den Wollsey Peak links von mir liegen hatte, musste ich mir jedoch eingestehen, dass ich die Fährte verloren hatte. Ich folgte trotzdem weiter der eingeschlagenen Richtung, in der Hoffnung, sie wiederzufinden, aber ich legte Meile um Meile zurück, ohne den geringsten Erfolg zu haben. Ich beobachtete aufmerksam das Land, konnte aber nirgendwo die kleinste Staubwolke erkennen.

Vielleicht war es ihnen gelungen, ein gutes Versteck zu finden, in dem sie erst einmal abwarten konnten. Wer sich nicht bewegt, hinterlässt auch keine Spuren. Aber ich wusste es nicht, und es hatte keinen Sinn, weiter ziellos in ein Land vorzudringen, in dem es kaum Wasser, dafür aber herumstreifende Apachenhorden gab, für die ein einzelner Reiter eine leichte Beute darstellte. Hinzu kam, dass mein Gaul auf dem harten Steinboden etwas unsicher im Tritt wurde. Etwas mit seinem rechten Vorderhuf musste nicht in Ordnung sein. Ich glitt aus dem Sattel und fluchte leise vor mich hin, als ich den Huf untersuchte. Das Eisen war sehr stark abgelaufen, und ein Stück davon musste schon seit einiger Zeit fehlen. Der Gaul musste dringend neu beschlagen werden. Mochte die beiden Kerle also der Teufel holen. Ich hatte getan, was ich konnte, und beschloss, mich nun wieder um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.

Ich kehrte um, ritt aber vorsichtshalber nicht auf meiner eigenen Fährte zurück, sondern etwas weiter nördlich.

Ich war noch nicht sehr weit gekommen, als ich plötzlich schräg vor mir eine Staubwolke sichtete, die schon recht nahe war, weil mir eine Felsengruppe bis jetzt die Sicht versperrt hatte. Zuerst glaubte ich, jene beiden Halunken vor mir zu haben, an deren Versteck ich eventuell vorbeigeritten war. Aber als ich den Grauen anhielt und genauer hinsah, erkannte ich, dass es viel mehr Reiter waren und dass sie genau meiner Spur folgten, die ich vorhin hinterlassen hatte. Ich hatte keinerlei Versuche unternommen, meine Fährte auszulöschen, und so war sie recht gut zu lesen. Und mit einem Male wurden mir die verhängnisvollen Umstände klar, die mich in eine üble Lage bringen konnten.

Ich schaute meine eigene Fährte hinter mir an und konnte sogar vom Pferderücken aus deutlich das beschädigte Eisen erkennen.

Eine markante Fährte, der die Männer da drüben vom Ort des Überfalles aus bis hierher mühelos gefolgt waren. Wie sollte ich ihnen glaubhaft machen, dass ich mit diesem Schurkenstreich nichts zu tun hatte?

Auf jeden Fall war es besser, wenn ich ihnen nicht begegnete und diese Gegend so schnell wie möglich hinter mich brachte. Hier hatte ich allerdings keinerlei Deckung, deshalb trieb ich den Grauen auf eine scharfkantige Felsengruppe zu. Aber die Männer des Aufgebotes hatten mich ebenfalls schon gesehen, schwärmten aus und folgten mir.

Vielleicht hatte ich alles falsch gemacht, aber jetzt befand ich mich bereits auf der Flucht, und es gab keine Chance mehr, das rückgängig zu machen. Es hatte nun auch keinen Zweck mehr, dass ich mich dort zwischen den Felsen versteckte. Ich musste reiten. Aber ich brauchte keine halbe Meile, um einzusehen, dass ich es nicht schaffen würde. Das beschädigte Eisen klirrte hell auf dem harten Felsboden. Ich versuchte, auf sandigeren Boden zu gelangen, doch der Graue verlor stetig an Tempo. Ein Blick zurück machte zur Gewissheit, dass die Verfolger mich bald einholen mussten. Auch mein Fluchen half mir nicht weiter. Ich hielt an und rutschte aus dem Sattel.

Das verdammte Eisen war locker. Ich zog daran, bis mir die Finger schmerzten, aber ich brachte es nicht vom Huf weg. Resigniert richtete ich mich auf und schaute den Verfolgern entgegen.

Ich konnte natürlich kämpfen, aber wenn ich einige von ihnen dabei töten musste, dann gab es nichts mehr, was mich vor dem Galgen retten konnte.

Ich wartete, bis sie heran waren und im Halbkreis um mich herum anhielten. Staub wehte zu mir hin, und ich musste husten. Es gab nicht einen unter den neun Reitern, der nicht seine Waffe auf mich gerichtet hatte, und ich fand es irgendwie lächerlich.

»Waffen weg!« befahl Sheriff Ange völlig überflüssigerweise, denn ich war bereits dabei, meinen Gurt abzuschnallen.

»Wenn ich die Absicht hätte, zu schießen, dann hätte ich früher damit angefangen«, erwiderte ich ruhig und warf den Gurt in den Sand.

»Halt's Maul!« knurrte Ange böse. »Die Henry auch!«

Irgendjemand kletterte vom Gaul und nahm die Waffen an sich.

»Wo sind die anderen?« fragte Ange.

»Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht zurückgeritten.«

»Einen haben wir bei Moody Spring gefunden. Hast du die anderen inzwischen auch umgebracht?«

»Dann hättet ihr mich hier wohl nicht mit einem lahmen Gaul angetroffen.«

»Dein Pech«, grinste der knochige kleine Kerl, der meine Waffen hatte, »es macht eben jeder 'mal 'nen Fehler.«

»Ich bin erst ein paar Stunden nach dem Überfall dort gewesen...« Ich verstummte, als ich das hämische Grinsen in den Gesichtern sah.

»Deine Geschichte kannst du dem Richter erzählen, er hat mehr Zeit als wir, aber glauben wird er dir genauso wenig«, sagte Ange. »Jetzt erzähl uns lieber, wo die anderen sind. Das macht einen besseren Eindruck auf uns, und das kannst du in deiner Lage gebrauchen.«

»Ich weiß es nicht, verdammt nochmal!«

»Schaut nach, ob er das Geld bei sich hat!« befahl der Sheriff stur.

Zwei der Reiter glitten aus den Sätteln, und ich ließ sie schweigend gewähren, als sie in meinen Satteltaschen herumwühlten.

»Nichts«, sagte der eine enttäuscht.

Ein großer Kerl, der zu leichtem Fettansatz neigte, rutschte jetzt aus dem Sattel und kam mit den Bewegungen eines Grizzlybären auf mich zu.

»Er wird es versteckt haben, um es dann später zu holen, wenn die Luft rein ist. Deshalb ist er auch umgekehrt.« Er fuchtelte mit seinem Gewehr vor mir herum, das sich in seinen Pranken wie ein Kinderspielzeug ausnahm. »Na, was ist, Freundchen? Du kannst dir 'ne Menge Ärger ersparen, wenn du redest. Wo hast du das Zeug?«

Als ich nicht antwortete, stieß er mir den Schaft seines Schießprügels in den Bauch, und ich hatte plötzlich nicht mehr den Eindruck, dass es sich um ein Kinderspielzeug handelte.

»Lass das!« knurrte Sheriff Ange. »Damit verlieren wir nur Zeit. Wenn er es wirklich versteckt hat, dann läuft es uns nicht weg, wohl aber, wenn die anderen es haben. Ich glaube eher, dass sie sich getrennt haben, damit er uns von ihrer Fährte ablenken sollte, was ihm ja auch gelungen ist.« Er brummte zufrieden vor sich hin. »Der Bursche konnte ja nicht wissen, dass wir ihnen so nahe auf den Fersen waren.«

Diese Geschichte war natürlich völlig idiotisch, aber die Männer hier glaubten daran, und das war für mich äußerst unangenehm.

»Bill und Jake«, sagte Ange, »ihr bringt den Burschen nach Gila Bend, während wir anderen uns auf die Suche machen. Wir teilen uns in mehrere Gruppen, und wir werden die Kerle erwischen. Und wenn wir hier jeden Stein umdrehen müssen.«

Sie trafen bereits einen Tag nach uns in Gila Bend ein, und Sheriff Ange hatte Wort gehalten. Sie hatten die beiden erwischt, aber leider nicht lebend, und von dem Geld fehlte jede Spur. Somit glaubte Sheriff Ange, dass ich der einzige sei, der über den Verbleib dieses verdammten Geldes Auskunft geben konnte. Er tat wirklich alles, um dieses vermeintliche Geheimnis aus mir herauszuholen, und an meinem ganzen Körper gab es wohl keine Stelle mehr, die nicht irgendeine andere Farbe angenommen hatte. Was ich auch sagte, weder der Richter, noch irgendein anderer in diesem elenden Nest glaubte mir auch nur ein Wort. Schließlich musste man mir das zweifelhafte Vergnügen lassen, dieses Geheimnis mit ins Grab zu nehmen, oder man hoffte insgeheim, dass ich unter dem Galgen im Angesicht des Todes doch noch gesprächig sein würde. Wie dem auch sei, morgen früh würden sie mich aufhängen, so wie es Brauch war in diesem Lande.

Die Männer auf der Plaza waren fertig mit ihrer Arbeit, noch ehe die Sonne das Dach von Conny Duncans Etablissement berührte, in dem es jeden Abend bis spät in die Nacht laut und fröhlich zuging, und es war still draußen - beängstigend still. In mein Zimmer krochen die Schatten schweigend und tödlich aus den Ecken hervor. Ich lehnte an der Wand, und über meinem Kopf brummte eine dicke Fliege durch das eiserne Fenstergitter, rein - raus, rein - raus ...

Früher hätte ich nie geglaubt, dass in meinem Leben einmal ein Zeitpunkt kommen würde, wo ich eine schäbige Fliege beneidete.

Ich wollte gerade dem Schemel neben mir einen wütenden Tritt versetzen, als Sheriff Ange die Tür aufschloss. Das. erste, was ich von ihm sah, war sein Revolver. Ich konnte es jetzt versuchen. Erschossen zu werden war wohl nicht so unangenehm, wie vor einer schaulustigen Menge an einem Strick zu baumeln. Aber etwas in seinem Gesicht hielt mich davon ab. Er grinste beinahe unverschämt und sagte: »Da ist jemand für dich, Turgis. Hat wohl einen weiten Weg deshalb gemacht.«

Ich verstand nicht, was er meinte, aber sein Grinsen machte mich wütend und neugierig zugleich.

»Sieht nicht so aus, als ob sie nur wegen des Testamentes kommt.«

Ein schwarzhaariges, schlankes Mädchen schob sich an ihm vorbei. Ange wollte sie festhalten, aber er erwischte sie nicht mehr. Sie war sehr flink und warf sich mir schluchzend an den Hals.

»O Ben«, hauchte sie, »lass mich nur bei dir sein. Bitte, Ben, querido, schick mich nicht weg.«

Ich musste wohl ein ziemlich blödes Gesicht gemacht haben, denn ich wusste genau, dass ich dieses mexikanische Mädchen nie zuvor gesehen hatte. Aber ich begriff, dass sie etwas von mir wollte, und was hatte ich schon zu verlieren, wenn ich darauf einging. Ich schlang meine Arme um sie und spürte die weichen Formen ihrer Brüste unter der dünnen Bluse. In diesem Augenblick hätte ich wohl alles getan, um wenigstens noch eine Woche länger am Leben bleiben zu können.

»Na, ich muss schon sagen ...« Ange verschluckte sich beinahe. »Teufel nochmal!« Er zerrte das Mädchen von mir weg und fuchtelte mit seinem Revolver herum. Die Fülle ihrer Brüste drohte fast den dünnen Stoff ihrer Bluse zu zersprengen, und in ihren schwarzen Augen funkelte es wild und zornig.

»Wollen Sie ihm auch noch verwehren, von seiner Braut Abschied zu nehmen?«

»Sie sehen nicht wie eine Braut aus«, knurrte Ange und musterte ihre schlanke Gestalt mit argwöhnischen Blicken.

»Haben Sie geglaubt, ich komme mit Kranz und Schleier hier her?«

»Wollten Sie ihn besuchen oder sich mit mir streiten?« murrte Ange unwillig. Die Gegenwart dieses Mädchens machte ihn nervös, und er verbarg seine Unsicherheit hinter einer gewissen Grobheit.

Sie lächelte, und es war wie wenn nach langem Winter in den Bergen das Eis schmolz und die Blüten aus den Knospen hervorbrachen.

»Können Sie uns einen Moment allein lassen, Sheriff?«

Ange zögerte, er schaute das Mädchen an und dann mich.

»Sie wissen nicht, was Sie da reden«, sagte er heiser. »Dieser Bursche ist gefährlich.«

»Nicht für mich.«

»Er hat nichts zu verlieren, er ist imstande und bringt Sie um.«

»Warum sollte er das?«

»Er hat schon einmal jemand die Kehle durchgeschnitten.«

»Lüge«, fauchte ich dazwischen.

»Nur ein paar Minuten, Sheriff. Ich bin seine Braut, ich habe das Recht, jetzt bei ihm zu sein.«

Ange nickte.« »Aber wenn er versucht, Sie als Geisel zu benutzen, dann ist das Ihr Problem. Ich werde auf Sie pfeifen. Und jetzt will ich sehen, ob Sie vielleicht einen Revolver unter dem Rock haben.« Lüstern tastete er mit seinen Fingern ihre Gestalt ab, und ich fühlte einen völlig unsinnigen Zorn in mir aufsteigen.

»Unter der Bluse hat sie bestimmt keine Knarre«, knurrte ich ärgerlich. Ange warf mir einen feindseligen Blick zu und fasste den Revolver wieder fester.

»Bleib in deiner Ecke, rate ich dir.« Dann ging er zur Tür. »Ich bin in der Nähe.«

Die Tür schloss sich hinter ihm.

Das Mädchen schaute mich aus großen Augen an. »Ich bin Aurita.«

»Ich werde diesen Namen nicht vergessen, so lange ich lebe«, erwiderte ich sarkastisch und deutete mit dem Kopf auf die Tür. »Hat er dich geschickt, um im letzten Augenblick noch etwas zu versuchen?«

Sie kam näher.

»Glaubst du das wirklich?«

Ich nahm sie in die Arme. »Nein, auf eine solche Idee würde er niemals kommen. Er zieht die Gewalt vor.«

Sie verschlang mich fast mit ihren Küssen. Sie war wohl das wildeste Weib, das ich jemals in meinen Armen gehalten habe.

»Also, was willst du?« fragte ich schließlich. Sie legte den Kopf zurück. Jeder Blick, jede Bewegung an ihr war eine einzige Versuchung.

»Das Geld. Dir nützt es nichts mehr, und ich gebe dir dafür alles, was eine Frau einem Mann zu geben hat.«

»Ich habe es nicht.«

»Natürlich nicht. Aber du weißt, wo es ist, und du kannst dir damit die letzten Augenblicke deines Lebens versüßen.«

Ich ließ sie los. Sehr taktvoll benahm sie sich nicht, aber das konnte man wohl bei einer Frau ihrer Art nicht erwarten. Es waren also noch mehr Leute hinter diesem verdammten Geld her, aber mich interessierte nicht einmal mehr, wer sie geschickt hatte.

»Ich weiß auch nicht, wo es ist.«

Sie öffnete aufreizend langsam ihre Bluse und riss sie mit einem Ruck auseinander.

»Fällt es dir jetzt vielleicht ein?«

Ich starrte auf ihre festen, wohlgeformten Brüste, auf ihre samtweiche hellbraune Haut, und ich schluckte hart, weil es mir mit einem Male sehr trocken im Hals war. Und plötzlich wurde mir klar, wie lange ich mich in dieser verfluchten Wildnis herumgetrieben hatte. Die letzten kostbaren Monate meines Lebens ...!

Verdammt, ich konnte ihr nicht geben, was sie wollte, aber was hinderte mich daran, auf ihr Spiel einzugehen und mir zu nehmen, was das Leben noch im letzten Augenblick zu bieten vermochte?

»Zehn Minuten Spaß für ein Vermögen?« sagte ich bitter.

Sie lächelte schön und kalt. »Glaubst du, du findest jemand, der dir mehr dafür bietet?«

Ich packte sie so hart bei den Schultern, dass ihre nackten Brüste erbebten. »Ich will aber mehr dafür.«

Sie verzog ein wenig das Gesicht. »Ich werde diesen bärbeißigen Sheriff überreden, die ganze Nacht hierbleiben zu können. Einverstanden?«

Ich ließ sie los und nickte. Ich hatte ihr nichts zu geben, aber das würde sie erst erfahren, wenn die Nacht vorbei war, und dann würde ich schließlich für alles bezahlen. Das Leben hatte mich betrogen und im Stich gelassen, und ich fand, dass es mir diese eine Nacht noch schuldig war.

Aurita hatte inzwischen ihre Bluse wieder geschlossen und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Sie wurde sofort geöffnet. Ange musste hinter der Tür gewartet haben. ' »Ich möchte hierbleiben«, sagte Aurita entschlossen, »ich kann ihn in dieser Nacht nicht allein lassen.«

Ange grinste boshaft. »Daraus wird nichts.«

»Es ist die letzte Nacht in seinem Leben«, begehrte Aurita auf.

Ange packte sie am Arm und schob sie grob zur Tür. »Hören Sie, das hier ist kein Freudenhaus.«

In diesem Moment packte mich ein wahnsinniger Zorn. Das Verlangen nach Auritas Körper saß wie ein Fieber in mir.

»Du Schwein!« schrie ich und sprang Ange an. Aber Zorn ist ein schlechter Kampfgefährte. Sein Revolver knallte mir gegen den Schädel, und ich taumelte benommen zur Seite. Wie aus weiter Ferne hörte ich Auritas wütendes Geschrei und die vulgären Ausdrücke, die sie dem Sheriff an den Kopf warf.

Der harte Schlag der Tür und das Knirschen des Schlüssels brachte mich wieder auf die Füße. Ich schrie und trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. Es war die letzte Nacht in meinem Leben, und es würde die längste und einsamste sein ...!

Ich lehnte mich erschöpft gegen die kühle Wand, während das Blut über mein Gesicht lief. Ange, dieser niederträchtige Bastard'. Er hatte sich auf diese gemeine Weise an mir rächen wollen, weil er das Versteck des Geldes nicht erfahren hatte. Und er wollte auch nicht, dass es jemand anderes erfuhr. Er hatte hinter der Tür gelauscht, und wenn ich das Geheimnis nicht ihm selbst preisgab, so meinte er, sollte ich es mit ins Grab nehmen.

Ein anderer Verdacht stahl sich plötzlich in meine Gedanken. Er hätte hinterher versuchen können, etwas aus Aurita herauszuholen. Aber er hatte verhindern wollen, dass sie es erfuhr. Wusste der Sheriff schon etwas über den Verbleib des Geldes? Etwas vielleicht und nicht alles, und er wollte nicht, dass noch jemand es wusste und ihm vielleicht zuvorkam.

Nun, ich würde es wohl nie mehr erfahren. Ich legte mich still auf mein Lager und schaute zu, wie die Nacht langsam das helle Rechteck über mir auslöschte.

Der Himmel war klar und hell an jenem Morgen, aber die Sonne war noch nicht über den Dächern der Mexikanerhütten, über denen sie jeden Morgen aufzugehen pflegte, als man mich aus meiner Zelle holte.

Sheriff Ange brachte noch zwei Helfer mit. Dem ersten knallte ich meine Faust auf die Nase, dass er gegen die Wand geschmettert wurde und zu Boden ging. Sein Revolver polterte auf den Boden, aber der Mann wälzte sich im letzten Rest von Geistesgegenwart mit seinem Körper auf die Waffe, so dass ich sie nicht schnell genug erreichen konnte. Ich wusste auch, dass ich überhaupt keine Chance hatte, aber ich war nun einmal nicht der Mann, der sich widerstandslos wie ein Schaf zur Schlachtbank führen lässt.

»Na los!« schrie ich Ange an. »Wenn du denen da draußen eine Show bieten willst, dann musst du auch 'was dafür tun.«

Ich hatte in dieser Nacht nicht geschlafen, denn es war eine ungeheure Spannung in mir. Und jetzt war ich ganz einfach explodiert. Sie sollten ihre Show haben, aber für mich begann sie bereits hier drinnen.

Ange schlug mit seinem Revolver nach meinem Kopf. Ich konnte seinem Schlag ausweichen und drosch ihm meine Faust in den Magen. Zu einem weiteren Schlag kam ich jedoch nicht mehr, denn im nächsten Moment prallte der dritte Mann gegen mich, und wir landeten gemeinsam auf der hölzernen Pritsche, die unter unserem Aufprall zusammenbrach.

Ich versuchte, mich loszureißen, doch sie waren jetzt alle drei über mir. Etwas krachte gegen meinen Kopf, und ich war einen Moment benommen. Sie hielten mir die Arme fest und banden sie auf dem Rücken zusammen. Dann hockte ich einen Augenblick auf den Trümmern meiner Pritsche und schaute diese Kerle aus wütenden Augen an.

»Worauf wartet ihr noch?« fragte ich keuchend. »Habt ihr noch keinen Strick gefunden?«

»Es ist noch eine kleine Verzögerung eingetreten«, erklärte Ange. »Der Reverend ist letzte Nacht erkrankt und fühlt sich nicht in der Lage, der Hinrichtung beizuwohnen.«

»Zum Teufel, ich brauche ihn nicht. Es gibt genug andere Zuschauer da draußen.«

Sheriff Ange nickte. »Wenn es nach mir ginge, würde ich dich ganz einfach aufknüpfen. Aber Reverend Daniels würde mir das nie verzeihen, und ich werde ihn wegen dir nicht verärgern. Er besteht nun 'mal darauf, dass auch Schurken geistlichen Beistand erhalten, wie er es nennt.«

»Seid ihr hierher gekommen, um mir das zu erzählen?«

»Nein«, grinste Ange sadistisch, »du brauchst dir keine Hoffnungen zu machen. Zu unserem Glück kam gestern Abend irgend so ein Wanderprediger in die Stadt, und der wird Daniels vertreten und wenn wir ihn mit Gewalt zum Galgen schleifen müssten. Wir müssen nur einen Moment warten, bis man ihn aufgetrieben hat.«

Ich erhob mich. »Na, so groß ist ja dieses schäbige Nest nicht, dann können wir wohl schon hinausgehen.«

Irgendwie glaubte ich nicht an meinen Tod. Es gab keine vernünftige Erklärung dafür, aber ich konnte es mir nicht vorstellen, dass ich jetzt sterben sollte, obwohl alles dafür sprach. Vielleicht war es das, was mir die Kraft gab, die ich in diesem Moment brauchte.

Es waren weniger Leute auf der Plaza versammelt, als ich angenommen hatte, aber schließlich war Gila Bend nur eine kleine Stadt. Die beiden Hilfssheriffs nahmen mich in ihre Mitte, während Ange hinter uns her ging.

Ich registrierte den finsteren Blick der Menge, ohne dass ich deshalb hinschauen musste. Hier hielt mich jeder für einen Mörder, und es gab wohl nicht einen, der das geringste Mitgefühl mit mir hatte. Aus den Augenwinkeln sah ich vereinzelt Männer mit Gewehren, die auch schon bei dem Aufgebot dabei gewesen waren.

Als wir die Stufen zum Galgen hinauf gingen, hatte ich nun doch ein etwas flaues Gefühl im Magen, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Der Prediger war noch nicht da, aber Anges Helfer legten mir bereits die Schlinge um den Hals. Das Gefühl, doch am Leben zu bleiben, war durch den harten, rauhen Strick an meiner Gurgel plötzlich wie weggewischt, und mir wurde mit erschreckender Deutlichkeit klar, dass es eigentlich nichts gab, was mich jetzt noch retten konnte. Ich stand genau auf der Klappe, die sich bald unter mir öffnen würde. Wenn das Ding schon jetzt aufging, würde es um mich geschehen sein, ob mit oder ohne Priester. Ich versuchte krampfhaft, an etwas anderes zu denken, aber meine Gedanken kreisten immer wieder um mein bevorstehendes Ende wie Motten um ein verzehrendes Licht, in einem immer schneller werdenden Wirbel.

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis dieser Wanderprediger auftauchte. Er trug einen schwarzen Rock und einen ebenso schwarzen flachen Quäkerhut. Unter dem Arm hatte er eine große Bibel, und er bahnte sich seinen Weg durch die Schaulustigen.

»Lasst mich durch, meine Brüder. Lasst mich zu dem verlorenen Schaf. Im Namen des Herrn, lasst mich durch.«

Ich fand sein Getue etwas theatralisch, aber diese Burschen waren wohl so.

Am Rande der Plaza hatten Mexikaner einige Marktstände aufgebaut und boten Früchte und Gemüse feil. Der Duft von etwas Gebratenem wehte zu mir herüber. Dort in der Nähe erschienen jetzt auch einige Reiter, die auch zwei ledige, aber gesattelte Gäule bei sich hatten. Doch niemand achtete auf sie. Alle starrten zu mir herauf, als wäre ich ein Kalb mit zwei Köpfen.

Auch ich kümmerte mich nicht weiter um sie, denn meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Mann mit der Bibel, der nun zu mir herauf kam. Er versuchte, milde auszusehen, aber die Härte, die seinen dünnen Mund geprägt hatte, ließ sich nicht mehr verleugnen. Und in seinen Augen lagen weder Güte noch Frömmigkeit. Sie waren kalt und fordernd, und selbst das scheinheilige Lächeln konnte darüber nicht hinwegtäuschen.

Sheriff Ange war von Natur aus ein misstrauischer Mann. Dieses Gesicht musste ihn geradezu provozieren.

»Heh, Augenblick«, sagte er, als sich der Prediger mir nähern wollte. »Schließlich kennen wir Sie nicht.« Er schlug den Rock des Wanderpredigers auseinander und schaute sehr aufmerksam darunter, tastete mit der Hand dessen Rückenpartie ab und sagte dann: »Naja, nichts für ungut.«

Es war mir, als sähe ich in den Augen des Mannes ein verächtlich spöttisches Licht, aber ich konnte mich natürlich auch geirrt haben, denn er beteuerte: »Du hast nur deine Pflicht getan, Bruder, so wie ich jetzt die meinige tue.«

Damit trat er auf mich zu und sah mich prüfend an.

»Machen Sie es kurz, Hochwürden«, sagte ich, »die da unten warten auf ihr Schauspiel, und ich warte, und in der Hölle werde ich sicher auch schon erwartet.«

»Die Gnade des Herrn ist grenzenlos und unendlich, mein Sohn«, antwortete er und fügte leise hinzu: »Das wirst du gleich erleben.«

Er schlug seine Bibel auf und blickte zufrieden hinein. Offenbar hatte er die richtige Stelle sofort gefunden, denn er blätterte nicht darin herum. Er senkte seine Hände mit dem Buch ein wenig, und was ich da zu sehen bekam, ließ mein Herz augenblicklich schneller schlagen. Dieser Mann war kein Prediger, sondern ein Engel, der direkt vom Himmel kam.

Die Seiten dieser Bibel waren mit einem scharfen Messer in der Mitte ausgeschnitten worden, und in der so entstandenen Vertiefung lag ein handlicher, kurzläufiger Revolver.

»Halte dich bereit, mein Sohn, denn du wirst gleich vor das Angesicht des Herrn treten«, verkündete der Mann vor mir mit einem Triumph in den kalten Augen, der mir Mut machte. Er blickte schnell und unauffällig nach beide Seiten, klappte die Bibel wieder zu und winkte Ange heran.

»Mein Bruder«, sagte er salbungsvoll, »würdest du diesem Heimkehrenden die Schlinge abnehmen, damit er niederknien und beten kann?«

»Was soll dieser Unsinn?« schnappte Ange. »Sagen Sie Ihr Sprüchlein auf, und dann...« Er hielt plötzlich mitten im Satz inne, denn der falsche Prediger hatte seiner Bibel den Revolver entnommen und drückte dem Sheriff die Mündung desselben in die Rippen. Die Bibel flog achtlos auf den Boden.

»Sag den anderen, sie sollen ihm die Schlinge abnehmen, oder du bist noch vor ihm in der Hölle, mein Freund!«

Ange stand stocksteif da und knurrte leise über die Schulter: »Bis jetzt hat das hier noch niemand bemerkt. Du hast also noch die Chance, zu verschwinden.«

»Du glaubst also, dass ich bluffe, wie? Du kannst nur noch hoffen, dass die anderen nicht so denken.« Der Mann mit dem Quäkerhut zog Ange den Revolver aus dem Halfter. »Heh, ihr da«, rief er den anderen zu. »Euer Boss hat eine Kanone im Rücken, wenn ich die abdrücke, dann fliegen ihm vorn die Eingeweide heraus! Und ich werde es tun, wenn ihr dem da nicht sofort diese verdammte Schlinge abnehmt, ehe noch etwas passiert!«

Die beiden zögerten unentschlossen, und auch ich konnte mir noch immer nicht denken, was das alles zu bedeuten hatte.

»Tut was er sagt«, keuchte Ange wütend. »Sie werden nicht weit kommen.«

Einer der beiden gehorchte, und es war ein herrliches Gefühl, diese Hanfschlinge wieder los zu sein.

»Die Fesseln auch!« befahl der Mann mit dem Quäkerhut.

Auf der Plaza entstand Unruhe, Rufe wurden laut.

Ich hatte nicht einmal Zeit, mir die Handgelenke zu reiben. Mein Befreier warf mir Anges Revolver zu, und ich musste ihn auffangen.

»Den Sheriff nehmen wir mit. Und denkt ja nicht, dass ich allein gekommen bin. Wenn sich einer von euch bewegt, dann ist nicht nur Ange tot. Denkt daran, dass ihr hier wie auf einem Präsentierteller steht.«

Der Tumult auf der Plaza wurde lauter. Von dort her, wo die fremden Reiter hielten, kamen ein paar Schüsse, und die Leute spritzten wie aufgescheuchte Hühner auseinander. Aber niemand schoss zurück. Alle hatten inzwischen gesehen, was sich hier mit unerhörter Dreistigkeit abspielte, und niemand schien zu glauben, dass er Erfolg haben würde.

Als wir das Podium des Galgens verließen, war die Plaza fast leer. Die Reiter warteten mit schussbereiten Waffen auf ihren nervös schnaubenden Gäulen. Alles war so überraschend gekommen, dass niemand wusste, wie er im Moment reagieren sollte.

Ange ging langsam mit erhobenen Händen über den staubigen Platz und der Mann, der mich herausgehauen hatte, mit dem Revolver in dessen Rücken unmittelbar hinter ihm. Der Bursche hatte eiskalte Nerven, das musste man ihm lassen. Und ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Ich folgte ihm, ebenfalls den Revolver in der Hand, nach allen Seiten sichernd.

Die Männer mit den Pferden kamen uns entgegen, und ich schwang mich, ohne lange zu fragen, auf eines der reiterlosen Tiere. Das andere hielt jemand für den Heiligen bereit, wie ich ihn insgeheim zu nennen begann.

»Los, da 'rauf!« sagte er zu dem Sheriff. Dann saß er hinter Ange auf und griff mit der linken Hand nach den Zügeln, während er in der rechten noch immer den Revolver hielt.

Jemand von den anderen winkte mir zu, und ich sah, dass es Aurita war. Sie hatte ihre langen Haare unter dem großen mexikanischen Hut verborgen und sah auf den ersten Blick wie ein Mann aus, aber nur so lange, bis man genauer hinsah. Ihr braunes Gesicht lachte mich an, dann zog sie ihren Gaul herum, und wir preschten' zusammen die Straße entlang. Mit Aurita und mir waren wir acht Reiter. Die Männer schrien dabei und schössen wahllos in die Häuser, um einen möglichst großen Schock zu hinterlassen.

Mit einem Male war mir klar, weshalb mich diese Kerle, die ich nie zuvor gesehen hatte, vor dem Strick gerettet hatten. Sie glaubten wie alle anderen an diese verdammte Geschichte, die bereits zur Legende zu werden schien. Sie wollten verhindern, dass ein Geheimnis mit mir starb. Aurita hatte es mir nicht entlocken können, also blieb ihnen nichts weiter übrig, als meinen Tod zu verhindern, wenigstens so lange, bis sie das Geld hatten oder wussten, wo es sich befand.

Das Dumme an der Sache war nur, dass ich ihnen dabei nicht helfen konnte.

Die Stadt blieb schnell hinter uns zurück, ohne dass uns jemand folgte. Irgendwo am sandigen Ufer des Gila hielten wir zum ersten Male an.

Dichtes Strauchwerk aus Weiden und Fettholz säumte den Flusslauf.

Der Heilige schlug Ange mit dem Revolver bewusstlos und warf ihn einfach vom Pferd aus in die Büsche.

»Es wird eine Weile dauern, bis sie ihn finden, und bis dahin haben wir einen guten Vorsprung.«

Dann drehte er sich nach mir um. »Ich bin Brad Luckhee«, sagte er. »Wie fühlst du dich?«

»Wie neu geboren.« Ich schaute die anderen an. »Ich glaube, ich muss mich bei euch bedanken.«

Luckhee lachte. »Wir haben uns gleich gedacht, dass es schade sei, wenn es irgendwo verkommt. Das viele Geld, meine ich,«

»Ja, das ist es«, sagte ich.

»Dein Leben gegen das Geld«, fuhr Brad Luckhee fort. »Ein fairer Tausch, findest du nicht auch?«

Ich nickte. »Aber jetzt lass uns erst einmal von hier verschwinden.«

Ein großer Kerl mit einem schwarzen Bart deutete auf das Gebüsch, in dem Ange lag.

»Knall ihn ab, Brad! Ein Toter kann uns nicht mehr gefährlich werden.«

Luckhee zog die Augenlider zusammen.

»Wenn du Angst vor ihm hast, kannst du abhauen, Dan. Feiglinge kann ich hier nicht gebrauchen.«

Dan Kandrys Lippen wurden schmal und hart.

»Das hättest du nicht sagen sollen, Brad. Sag so etwas nie wieder, hörst du!«

»Ich sage, was mir passt«, knurrte Luckhee, aber er war klug genug, seine Worte nicht zu wiederholen.

»Ange ist hinter dem Geld her, genau wie wir«, sagte Richy Murday. »Er wird keine Ruhe geben, und er kann verdammt hart sein, das weißt du.«

»Ange ist ein Schweinehund, bei ihm weiß ich, woran ich bin. Lasst ihn da, wo er ist, liegen. Sie werden ihn bald finden. Wer weiß, wer mir sonst auf den Pelz rückt. Und jetzt lasst uns abhauen.«

Wir ritten ein Stück weit im Fluss und verließen ihn an einer günstigen Stelle in Richtung Citrus Valley.

Bereits am Nachmittag bemerkten wir die Verfolger hinter uns. Sie waren noch weit weg, aber sie kamen eher, als der Heilige angenommen hatte.

Wir schlugen einen steilen Serpentinenpfad ein, der aus dem Tal hinauf zu den Felsplateaus führte, wo man einer Fährte nicht gut folgen konnte.

Von oben aus hatten wir eine gute Sicht auf das' unter uns liegende Land und konnten das Aufgebot, das uns folgte, deutlich erkennen. Es waren mehr als ein Dutzend Reiter, und sie ritten sehr schnell, aber vorsichtig. An ihrer Formation konnte man erkennen, dass Sheriff Ange kein Anfänger war und durchaus mit einem Hinterhalt rechnete. Zwei der Reiter ritten mehrere hundert Yard voraus. Dann kam der Haupttrupp, und im gleichen Abstand dahinter befanden sich nochmals drei Reiter. Auf diese Weise war es kaum möglich, in einen Hinterhalt zu geraten, es sei denn, Apachen hätten ihn gelegt.

Der Aufstieg hatte unsere Gäule ziemlich mitgenommen, aber der Tag ging ohnehin zur Neige.

»Wir könnten sie uns vom Halse schaffen, wenn sie die Serpentinen heraufkommen«, schlug Dan Kandry vor.

Brad Luckhee sah sinnend auf die Verfolger hinab.

»Wir könnten nur die ersten beiden erwischen«, sagte er. Und damit hatte er recht. »Die anderen würden wir bestenfalls aufhalten. Aber dabei würden wir unseren eigenen Vorsprung einbüßen. Hier oben bleibt es länger hell als da unten. Das müssen wir für uns ausnützen.«

»Unsere Gäule könnten dabei verschnaufen«, sagte Terry Ralston mürrisch. »Ich laufe nicht gern davon, bis meinem Gaul die Zunge heraushängt.«

Ralston war ein rothaariger Bursche mit einer zerschlagenen, schiefen Nase.

»Ich will sie alle auf einmal haben«, beharrte der Heilige. »Und ich weiß auch, wo uns das gelingt.«

Bevor es völlig dunkel war, erreichten wir eine Felsengruppe, die wie eine Bastion aus der Mesa aufragte. Dort sattelten wir die erschöpften Gäule ab, zündeten aber kein Feuer an.

Doch bereits am nächsten Morgen mussten wir feststellen, dass der Vorteil des längeren Tageslichtes uns nichts genützt hatte. Vermutlich waren Ange und seine Männer noch vor Einbruch der Dunkelheit aus dem Citrus Valley heraufgekommen, denn wir bemerkten sie bereits wieder hinter uns. Allerdings waren unsere Pferde jetzt ausgeruht, und wir würde unseren Vorsprung wohl halten können.

Noch ehe es Mittag war, erreichten wir ein kleines Mexikanerdorf, eine kleine Placita, die nur aus wenigen Häusern bestand. Hier hielt Brad Luckhee an, und wir rutschten staubbedeckt aus den Sätteln. Aurita ging sofort zum Brunnen, während wir anderen bei den Gäulen blieben.

Aus einem der Häuser kam ein alter Mann. Er hielt den Hut in beiden Händen und schaute uns unsicher, ja fast ängstlich entgegen.

»Buenos dias, Señores«, sagte er. Brad Luckhee ließ die Zügel seines Braunen los und klopfte sich mit dem Hut den Staub aus den Kleidern. »Bist du der Alkalde hier, Alter?« Der alte Mann nickte und bewegte dabei den ganzen Oberkörper. »Si, Señor.« Sein Blick hing mit einer bangen Frage an Luckhees Gesicht, aber er sagte nichts weiter, sondern wartete ab, bis der Gringo weitersprach.

»Sind Leute auf den Feldern draußen?«

»Es ist noch zu heiß um diese Zeit.« Der Alte deutete mit seiner mageren Hand auf eine seichte Hügelkette. »Nur Felipe Chavez ist mit den Schafen hinter den Hügeln dort.«

Der Heilige zog sein Gewehr aus dem Scabbard und sagte: »Dan, Robert, tränkt die Gäule und füllt die Wasserflaschen.« Dann wandte er sich wieder an den Mexikaner. »Habt ihr Gäule hier?«

Der Alte zögerte und fingerte nervös an der Krempe seines Sombreros. »Pferde«, schrie Luckhee, »caballos.« »Señor«, sagte der Mann leise, »wir sind arme Leute, wir haben gerade so viel, dass wir davon leben können.«

»Wir finden sie ja doch, wenn wir danach suchen«, sagte Luckhee kalt. »Oder willst du uns ärgern?«

»Diez mulos.« Die Stimme des alten Mannes zitterte leicht. »Nur zehn Maultiere haben wir hier, aber ohne sie können wir nicht auskommen. Eines ist uns letztes Jahr schon gestorben. Haben Sie ein Herz, Señor.«

Der alte Mann dauerte mich, aber ich glaubte nicht, dass der Heilige ihm die Tiere stehlen wollte. Er hatte etwas anderes damit vor.

»Acht genügen«, sagte er, unbeeindruckt von der Furcht des Alten. »Holt sie her!« Er ließ den Lauf seiner Winchester in der linken Hand wippen. »Señor, Sie können ...« Er schob den zeternden Alten mit einer Handbewegung zur Seite und ging auf das erste Haus zu. Auf halbem Wege blieb er stehen und wandte sich halb um.

»Hast du noch eine Frau?« Der Mann schluckte und nickte. »Dann tue, was wir dir sagen, hombre, oder du kannst sie morgen begraben. Und die Erde hier ist verdammt hart.«

»Wir werden euch die Mulis nicht wegnehmen«, sagte ich auf Spanisch.

Luckhee schaute mich an. Offenbar verstand er so viel Spanisch.

»Und warum nicht?«

»Weil ich es gesagt habe.«

Luckhee grinste kalt wie ein steinerner Götze. »Na gut, du sollst deinen Spaß haben. Aber jetzt brauchen wir sie, oder hast du auch dagegen etwas einzuwenden?«

Als ich schwieg, wandte er sich wieder an den Mexikaner. »Sorg dafür, dass sie herkommen!«

Der alte Mann lief eilig zwischen den Häusern entlang und rief ein paar Namen. Als daraufhin einige jüngere Männer erschienen, redete er in schnellem Spanisch auf sie ein. Die Burschen schauten mehrmals scheu, aber finster zu uns herüber.

Frauen schien es hier nicht zu geben, aber ich dachte mir, dass sie sich nur vor den fremden Reitern versteckt hielten.

Die Mexikaner zerrten einige Mulis aus verschiedenen Ställen und trieben sie auf dem staubigen Platz zwischen den Adobehütten zusammen. Brad Luckhee kam herüber und sagte: »Ein paar Männer treiben die Biester bis hinter die nächsten Hügel, und sie sollen sich so lange nicht mehr sehen lassen, bis wir es ihnen sagen. Ich will, dass die Spuren deutlich zu sehen sind.«

Der alte Mann nickte, und als die Mulis fort waren, sagte ich: »Wir brauchen jetzt ein Versteck für unsere Pferde.« Ich hatte begriffen, was Luckhee vorhatte.

Der Mexikaner wies mit der Hand zum hinteren Ende der kleinen Placita. »Der Stall von Alvaro ist wohl groß genug. Aber was haben Sie mit uns vor, Señores?«

»Es werden bald noch mehr Reiter hierher kommen. Sie sollen denken, wir seien schon wieder fort«, mischte sich Brad Luckhee ein. »Und wenn einer von euch sich auch nur muckst um sie zu warnen, dann töten wir euer Vieh und brennen diese verdammten Hütten nieder.«

»Wir wollen nichts, als in Frieden leben, Señor, wir werden tun, was Sie verlangen.«

»Na los, dann schafft die Gäule fort und verteilt euch. Aber fangt keinen Blödsinn mit den Weibern an. Ich will absolute Ruhe haben.«

Ich selbst verbarg mich zusammen mit Brad Luckhee im Hause des Alkalden. Seine dicke Frau hockte die ganze Zeit in der Ecke und betete monoton mit murmelnden Lippen. Ich fühlte mich gar nicht wohl in meiner Haut. Solange wir Ange und seine Männer noch hinter uns hatten, war der Heilige beschäftigt. Aber wenn das nicht mehr der Fall war, würde er wissen wollen, wo das Geld versteckt war, und ich konnte es ihm nicht sagen. Manchmal kommt einem auch irgendein Zufall zu Hilfe, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Wenn die Burschen dahinter kamen, dass ich sie zum Narren hielt, war mein Leben keinen Cent mehr wert.

Es war etwa zwei Stunden nach Mittag, als drei Reiter in Sicht kamen, unwirklich und zitternd hinter den Schleiern heißer Luft. Ange hatte also seine Formation von gestern geringfügig geändert, aber das störte uns nicht.

Als die drei Reiter bis auf Gewehrschussweite herangekommen waren, hielten sie an und beobachteten unschlüssig die niedrigen Hütten. Schließlich trennten sie sich und ritten, einer links und einer rechts, in weitem Bogen um die kleine Ortschaft herum. Der dritte blieb, wo er war, saß ab und hockte sich in den Schatten seines Pferdes.

Die beiden Männer konnten wir von unserem Standort aus nicht mehr sehen. Ich verließ daher die Behausung und lief, so dass man mich nicht sehen konnte, am Rand der Plaza entlang und durch eine enge, nach Schafmist stinkende Gasse zwischen den primitiven Häusern.

Von hier aus konnte ich wenigstens einen der beiden beobachten. Ich sah, wie er die Maultierfährte erreichte und anhielt. Er saß ab und untersuchte den Boden. Ich hoffte, dass der Mann kein allzu guter Fährtenleser war, denn wenn er den Trick durchschaute, dann saßen wir hier ganz schön in der Falle.

Kurze Zeit später tauchte auch der zweite von der anderen Seite auf. Die beiden Männer berieten sich einen Moment und waren offenbar zu dem Schluss gekommen, sich selbst umzusehen, denn sie kamen direkt auf die Placita zu. Vielleicht wollten sie auch nur auf dem kürzesten Weg zurückkehren zu den anderen. Auf jeden Fall konnte das für uns gefährlich werden.

Ich lief zurück, und schon bevor ich das Haus erreicht hatte, sah ich Ange und seinen ganzen Haufen. Sie warteten auf ein Zeichen ihrer Vorhut.

Luckhee drehte sich vom Fenster herum, als ich eintrat, und fragte: »Haben sie das mit der Mulifährte geschluckt?«

»Sieht so aus«, erwiderte ich. »Sie kommen jetzt hier her.«

Der Heilige richtete sich auf, aber er hatte nicht mehr viel von einem solchen an sich.

»Geh nach draußen«, sagte er zu dem alten Mexikaner. »Es muss sich jemand draußen sehen lassen.«

Der Mann gehorchte, ohne etwas zu erwidern.

»Aber denke daran, dass wir deine Frau hier drinnen haben«, warnte Luckhee. Der Mexikaner schaute ihn an, einen kurzen Moment nur, dann ging er hinaus.

»Wenn sie nun einen Bogen um dieses Nest machen?« fragte ich, aber Luckhee blieb zuversichtlich.

»Sie werden auf jeden Fall ihre Gäule tränken wollen. Wichtig ist nur, dass sie vorher nichts bemerken.«

Die Plaza lag still und leer im heißen Sonnenlicht. Ein heißer Wind wehte von den Gila Bend Mountains herunter. Irgendwo schnaubte ein Pferd. Dann konnten wir den Mexikaner sehen. Der Wind bewegte den großen Hut, den er wieder in den Händen hielt.

Die beiden Reiter hielten bei ihm an. Sie redeten mit ihm, und der Mexikaner nickte und wies mit der Hand nach Norden, in die Richtung, in der sich die Maultierfährte befand.

Die beiden Männer blieben in den Sätteln sitzen und sahen sich misstrauisch um.

Brad Luckhee drückte sich dicht an die Wand neben dem Fenster. Sein Gewehr stieß dabei mit dem Schaft gegen die Mauer.

»Verdammt«, knurrte er, »worauf warten denn diese Aasgeier noch.«

Ich hatte es nicht so eilig, denn ich würde gleich auf Männer schießen müssen. Daheim in Gila Bend warteten ihre Familien bereits auf ihre Rückkehr. Aber diese Männer wollten mein Leben, und es konnte für mich keine andere Entscheidung geben, als mit den Wölfen zu heulen, ob mir das passte oder nicht.

Ich zog Anges Revolver aus meinem Hosenbund und kontrollierte dessen Ladung. Sechs Schuss hatte ich ohnehin nur zur Verfügung, und weitere Munition würden Luckhee und sein Rudel mir nicht geben. Ihnen konnte es nur recht sein, wenn ich am Ende ohne Waffe dastand.

Einer der beiden Reiter stellte sich jetzt in den Bügeln auf, stieß einen lauten Schrei aus und schwenkte seinen Hut hin und her. Sein blondes Haar glänzte in der Sonne.

Ange und seine Reiter setzten sich in Bewegung. Langsam kamen sie herüber geritten, während die anderen beiden ihre Gäule zum Brunnen lenkten.

Ich spannte den Hammer an meinem Revolver.

»Warte, bis sie alle am Brunnen und aus den Sätteln sind«, flüsterte der Heilige mir zu, »dann haben wir sie.«

Die Plaza füllte sich mit Reitern auf schnaubenden, nervösen Pferden. Staub wallte auf. Die Stille zwischen den ärmlichen Hütten stand in krassem Kontrast zu dem Stampfen der Hufe, Klirren von Gebissketten, Stimmen und dem Knarren von Sattelleder. Aber Sheriff Ange blieb misstrauisch. Er schien der friedlichen Idylle nicht zu trauen. Nur etwa die Hälfte seiner Reiter saß ab und tränkte die Tiere. Die übrigen blieben in den Sätteln und beobachteten mit schussbereiten Waffen die Umgebung.

Brad Luckhee fluchte und hob das Gewehr.

»Dieser verdammte Halunke, aber wenn wir ihn erwischen, haben wir auch die anderen.«

So wie Ange mich behandelt hatte, gab es für mich keinen Anlass, ihn zu mögen. Aber ich hasse es ganz einfach, wenn jemand aus dem Hinterhalt abgeknallt wird, ohne eine Chance zu haben.

Mein Revolver donnerte kurz vor Luckhees Schuss. Ich wusste nicht, ob ich irgendetwas getroffen hatte, aber Anges Gaul stieg hoch, und zwar genau in dem Moment, als sich die Winchester neben mir entlud. Das schwere Geschoss traf den Kopf des Tieres und riss es augenblicklich auf die Seite. Ange verschwand in dem unbeschreiblichen Tumult, der nach diesen beiden Schüssen entstand.

Wie ein nicht enden wollendes Echo knallte es aus allen Hütten und verwandelte die eben noch friedliche Plaza in Sekundenschnelle in einen Hexenkessel aus röhrenden, um sich keilenden Pferden und fluchenden Männern.

Dazwischen hörte ich Anges scharfe Stimme. Er versuchte, die Männer zusammenzuhalten, aber der Schock hatte Tier und Mensch ergriffen und sie zu einem wirren Knäuel vermischt. Wer noch im Sattel saß, gab seinem Gaul die Sporen und versuchte, tief geduckt diesem tödlichen Gewirr zu entkommen. Einige fielen dem todbringenden Blei zum Opfer. Andere suchten hinter den panisch tobenden und beißenden Pferden Deckung, feuerten ihre Revolver ab und wurden von Hufen getroffen. Kugeln durchlöcherten den hölzernen Eimer am Brunnen, zerhackten die Adobeeinfassung und schlugen klatschend in die Leiber der Gäule, die sich unter schrillem Wiehern im Staub wälzten.

Ich selbst hatte erst einen einzigen Schuss abgefeuert, denn ich war darauf bedacht, meine Kugeln einzuteilen, um für einen späteren Zeitpunkt noch einige davon zu haben, wenn es darum ging, mein Leben zu verteidigen.

Die alte Frau hinter uns hatte aufgehört zu beten und starrte in stummem Entsetzen nach draußen, wo Männer im tödlichen Kugelregen um ihr Leben kämpften.

Einmal sah ich Sheriff Ange. Er brüllte aus Leibeskräften und feuerte zu uns herüber. Eine Kugel pfiff durch das Fenster und zerschmetterte die Heiligenfigur in der hinteren Ecke.

Luckhee duckte sich, und die Frau hinter uns schrie hysterisch auf, warf sich auf den Boden und verfiel in ein jammerndes Beten.

Ich schoss meinen Revolver ab, aber von Ange war zwischen all den Pferdeleibern, dem Staub und Pulverdampf nichts mehr zu sehen.

Das Feuer der Männer auf der Plaza wurde jetzt intensiver. Sie schienen den ersten Schock überwunden zu haben und brachten nun eine schwache Gegenwehr zustande. Aber trotzdem würden sie da draußen beim Brunnen nicht die geringste Chance haben. Einigen Reitern war es inzwischen gelungen, von der Plaza zu verschwinden und zwischen den Hütten unterzutauchen. Das konnte für uns gefährlich werden.

Einer dieser Männer trieb sein Tier direkt auf uns zu. Er schrie und feuerte in unser Fenster hinein.

Adobestaub spritzte mir in das Gesicht, und ich warf mich zur Seite. Luckhee feuerte weiter. Ich konnte nicht sehen, ob er etwas getroffen hatte, aber das Pferd prallte im vollen Lauf gegen die Wand der Hütte, und Staub rieselte vom Dach herunter. Luckhee schoss in das braune Fell. Ich sah, wie das Tier heiser röhrend und mit schlagenden Hufen verendete. Eine Kugel streifte Luckhees Wange, er wischte sich das Blut ab und fluchte.

Schüsse abseits der Plaza lenkten Luckhees Männer ab und gaben somit den Bedrängten Gelegenheit, ihre Pferde allmählich unter Kontrolle zu bringen. Immer mehreren von ihnen gelang es, mit ihren Gäulen dem mörderischen Feuer zu entkommen. Wer es nicht schaffte, wurde erbarmungslos erschossen.

Das alles hatte nur wenige Augenblicke gedauert, und zurück blieben tote Pferde und einige zusammengeschossene Männer von Anges Aufgebot. Aber damit war der Kampf noch nicht zu Ende.

Sheriff Ange versuchte, von hinten an die Hütten heran zu kommen. Das Feuer erstarb zu einem vereinzelten, gelegentlichen Schusswechsel, wenn irgendwo Männer verschiedener Seiten aufeinander trafen.

»Los, raus hier!« rief Brad Luckhee. »Wir machen, dass wir wegkommen. Sie sind uns zahlenmäßig noch immer überlegen. Aber wenn wir erst einmal weg sind, werden sie uns nicht mehr folgen. Ich kenne diese Typen.«

Wir rannten hinaus und wurden vom Rand der Placita von einigen Felstrümmern aus beschossen. Luckhee schoss zurück, aber ich rannte weiter. Ich sprang über eine Gestalt hinweg und warf mich hinter ein totes Pferd.

»Heh, was hast du dort verloren?« schrie Luckhee heiser.

»Verloren habe ich nichts«, knurrte ich zurück und schaute mich schnell um. Luckhee duckte sich hinter den Brunnen.

»Dann mach, dass du weiterkommst! Wir haben dich nicht vom Galgen geholt, um dich hier krepieren zu sehen.« »Alles zu seiner Zeit, wie?« Er feuerte seine Waffe ab, und ich hörte ihn zwischen den Schüssen fluchen.

»Verdammt, wir haben jetzt keine Zeit für Streitereien.«

Ich achtete nicht weiter auf ihn. Ein Stück neben mir lag jener Mann mit dem blonden Haar, der die anderen herangewinkt hatte. Er hatte einen Revolvergurt um seine Hüfte geschlungen, dessen Schlaufen noch voller Patronen steckten. Und diese Patronen stellten für mich einen unschätzbaren Wert dar. Es waren etwa drei Schritte bis zu diesem Revolvergurt, aber ich musste es riskieren.

»Gib mir Deckung!« rief ich über die Schulter.

Luckhee feuerte, und ich hockte mich auf, rannte geduckt zu dem Blonden hinüber. Ein Pferdehuf hatte seinen Schädel zerschmettert und das Blut sein Haar dunkel gefärbt.

Eine Kugel pfiff an meinem Kopf vorbei und klatschte gegen die Brunnenmauer. Ich duckte mich dicht auf den Boden und tastete mit den Fingern nach der Gürtelschnalle. Es dauerte endlose Sekunden, bis ich sie auf hatte.

Ein Querschläger heulte irgendwo vom Boden hoch.

»Sie knallen dich ab, du Idiot!« schrie Luckhee schrill. Auch von den Hütten jenseits der Plaza brüllte jemand, was ich allerdings nicht verstehen konnte. Aber unsere Lage musste sich in der augenblicklichen Situation ständig verschlechtern. Anges Männer begannen, uns auf den Pelz zu rücken.

Ich zog an dem Gurt. Der Tote rollte ein Stück zur Seite, und ich rannte los. Kugeln ließen den Staub hochspritzen.

Es wäre diesen Burschen sicherlich ein Vergnügen gewesen, mich abzuknallen, wie einen Hasen. Aber es waren Männer, die nur hin und wieder einmal eine Waffe gebrauchten, und die Entfernung war groß genug, um sie vorbeischießen zu lassen.

Zusammen mit Brad Luckhee erreichte ich die erste Hütte und somit eine schützende Deckung. Luckhee war sehr wütend, aber der Atem war ihm im Augenblick zu knapp, um ihn zu vergeuden.

Wir liefen weiter zu Alvaros Stall, wo unsere Gäule standen. Und dort hatten sich auch die anderen bereits eingefunden.

Dan Kandry schien sehr nervös zu sein, und Richy Murday schielte böse zu mir herüber.

»Wolltet ihr eine Extravorstellung geben?« fragte Aurita. Sie war ebenfalls noch etwas außer Atem, und ihre Bluse war so prall, dass ich befürchtete, sie würde aus den Nähten platzen.

Ich schlang den erbeuteten Revolvergurt um meine Hüfte und sagte: »Ich kann doch nicht ewig nackt vor euch herumlaufen.«

»Darüber reden wir noch«, keuchte Luckhee.

»In Ordnung«, erwiderte ich gleichgültig, »aber nicht jetzt.«

Terry Ralston zog das Tor auf. Harvey und Tillery waren schon drinnen bei den Pferden, und wir hatten auch wirklich keine Zeit zu verschenken. Sie kamen bereits wieder näher, jede Deckung ausnutzend.

Ein junger Bursche versuchte es zu Pferd mit einer direkten Attacke. Der Kerl musste den Verstand verloren haben. Vermutlich hatte er vor, unsere Gäule auseinanderzujagen.

Richy Murday wartete, bis er nahe genug war, und schoss ihn kaltblütig aus dem Sattel.

»So, jetzt weg hier!« brummte er. Ich hätte gern noch nachgesehen, ob der junge Bursche ein Gewehr bei sich gehabt hatte. Aber die anderen saßen bereits in den Sätteln, und es war wohl besser, wenn ich ihnen folgte.

Mein Gaul scheute einen Moment, aber dann war auch ich im Sattel.

Wir verließen die mexikanische Siedlung in nordwestlicher Richtung. So wie es aussah, folgte uns niemand. Unser Weg schlängelte sich durch Felsbrocken, Kiefern und Unterholz aus dichtem, dornigen Gestrüpp, wo man uns nicht mehr sehen konnte.

Wir kamen gut voran, und als wir eine Anhöhe erreichten, konnten wir keinerlei Anzeichen von Verfolgern entdecken.

»Aufgebote sind alle gleich«, meinte Brad Luckhee. »Am Anfang sind sie mutig und voll Tatendrang, aber nach den ersten Strapazen legt sich die Begeisterung. Und wenn dann die ersten ins Gras beißen, ist ihnen das eigene Leben mehr wert, als die Gerechtigkeit, von der sie träumen.«

Er holte tief Luft und schaute dann zu mir herüber. »Und du vergiss nicht, dass du ohne uns jetzt am Ende eines Strickes baumeln würdest, schon hässlich blau im Gesicht. Dein Leben gehört uns solange, bis wir das Geld haben.«

Ich grinste ihn an. »Und dann?«

»Reiten wir weiter«, drängte Robert Harvey, »je eher können wir deine Frage beantworten.«

»Und wenn ich nun gar nicht weiß, wo das Geld versteckt ist?«

Luckhee lachte mir ins Gesicht. »Das haben dir nicht 'mal die Idioten in Gila Bend abgekauft.«

Dan Kandry deutete mit der Hand nach vorn.

»Da hinten beginnt das Apachenland.«

Luckhee zog seinen Gaul herum.

»Halb so schlimm. Repetiergewehre mögen sie nicht sehr. Ich glaube nicht, dass sie uns offen angreifen.«

Kandry sagte: »Die Kavallerie hat sogar Fort Bunyan aufgeben müssen, weil sie es gegen die Apachen nicht halten konnte.«

»Das war vor fünf Jahren. Inzwischen hat sich einiges geändert. Und Fort Bunyan lag an einem ungünstigen Platz und hatte kaum eine Bedeutung.«

Wir setzten unseren Weg fort und bemerkten aus der Ferne hin und wieder kleinere Trupps Apachen, die aber von uns keine Notiz nahmen. Jedenfalls taten sie so. Nur einmal« erblickten wir zwei Reiter, vermutlich Späher, die reglos am oberen Rand eines Tafelberges hielten, der weit aus dem Massiv der Gila Bend Mountains herausragte.

Sie beobachteten uns mindestens zehn Minuten, bis sie plötzlich verschwunden waren.

Aldo Tillery drehte sich im Sattel um und sagte: »Ziemlich belebte Gegend, finde ich.« Er wies mit einer Kopfbewegung nach rückwärts. »Da hinten ist auch noch einer auf Schatzsuche.«

Alle drehten sich um, und Luckhee stieß ein kurzes Lachen aus.

»Er hat es noch nicht aufgegeben, aber die anderen haben die Hosen voll.« Ein einzelner Reiter folgte uns, aber er versuchte nicht, näher zu kommen. Und dieser Reiter war Sheriff Ange.

»Es wird ihm sehr recht sein, dass die übrigen umgekehrt sind«, sagte Aurita lachend. »Wenn er uns das Geld abgejagt hat, wird er niemand mehr dabei haben wollen.«

Wir durchquerten ein ausgetrocknetes Flussbett und setzten unseren Ritt noch eine Stunde lang nach Norden fort, auf die Gila Bend Mountains zu.

Dann schlugen wir im Schutze eines Buschgürtels unser Lager auf.

»In zwei Tagen können wir bei Fort Bunyan sein«, sagte Brad Luckhee. Er schaute mich an. »Oder was meinst du? Du kennst dich doch hier besser aus.«

Ich kannte die Gegend einigermaßen, in Fort Bunyan, oder was davon noch übrig war, bin ich jedoch nie gewesen.

»Wenn das Geld in Fort Bunyan wäre, dann hätte Ange es gefunden«, erwiderte ich ausweichend.

»Na, immerhin kamen deine Kumpane von dort, als Anges Leute sie umlegten. Und du kamst auch aus dieser Gegend, aber keiner von euch hatte auch nur einen Dollar davon bei sich. Also wo soll es wohl sonst sein?«

Ich hielt den Kopf schief und sah Luckhee an. »Vielleicht hat niemand dieses Geld gehabt.«

»Sei nicht kindisch, mein Freund. In der Kutsche waren ein paar Mexikaner und die hatten fast sechzigtausend Dollar bei sich, um damit Repetiergewehre für ihre verdammte Revolution zu kaufen. Dieses Geld muss irgendwo geblieben sein, und du weißt es.«

Luckhee schaute mich noch immer an, und ich fühlte, dass das Unheil näher kam. Aber ich sagte nichts. Zwei Tage hatte ich noch Zeit, und bis dahin konnte noch eine Menge geschehen.

Irgendetwas weckte mich in der Nacht. Ich öffnete die Augen, ohne mich sonst zu bewegen. Das Mondlicht war zu schwach, um viel zu erkennen. Eine kühle Brise hatte sich aufgemacht und rauschte sacht und geheimnisvoll in den Büschen. Sonst war nichts zu hören. Die anderen schliefen. Ich konnte ihre Gestalten undeutlich in der Dunkelheit erkennen. Aber keiner von ihnen bewegte sich. Alles sah friedlich aus, und doch war da etwas, das mich geweckt hatte, und ich konnte mich noch immer auf meinen feinen Instinkt verlassen.

Ich schaute zu den Sternen auf und erkannte, dass Mitternacht bereits vorbei sein musste. Ralston musste gerade die Wache haben. Mich hatte man davon freigestellt. Offenbar traute der Heilige mir nicht, und dafür hatte ich volles Verständnis.

Irgendetwas war bei den Pferden. Ich hob langsam den Kopf und schaute zu dem kleinen Seilcorral hinüber, den wir am Abend bei dem Buschgürtel errichtet hatten.

Die Gäule waren nicht direkt unruhig, aber sie waren in Bewegung. Wer lange genug in der Wildnis gelebt hat, der spürt die kleinste Veränderung dieser Tiere.

Dann bewegte sich etwas in der Schwärze der Büsche, wurde zu einer Gestalt, die sich vorsichtig und lautlos bewegte.

Von weit jenseits des Buschgürtels klang der einsame Ruf eines Nachtvogels herüber.

Ich tastete nach meinem Revolver und spannte den Hahn unter der Decke, um kein Geräusch zu machen. Langsam und vorsichtig schlug ich die Decke zurück und kroch in den tieferen Schatten. Erst dort richtete ich mich auf und spähte zu der dunklen Gestalt hinüber.

Die Gäule wurden jetzt wirklich unruhig und liefen hin und her.

Ich überlegte, ob ich die anderen wecken sollte, aber ich wollte doch erst selber nachschauen.

Die Gestalt vor mir bewegte sich, genau wie ich, im Schatten der Büsche. Ein paar Wolkenfetzen huschten wie tanzende Geister am Mond vorbei, hüllten ihn für einen Moment mit ihren dünnen Schleiern ein, ohne ihn ganz zu verdecken.

Die Gestalt beim Pferdecorral war verschwunden, untergetaucht in den zahllosen Schlünden der Nacht, die sich überall dort auftaten, wo das spärliche Mondlicht nicht hinreichte. Aber sie konnte noch nicht weit sein.

Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, tastend, immer in der Befürchtung, auf einen dürren Zweig zu treten, der mich verraten würde.

Die Pferde schnaubten leise und drängten gegen die Seile. Dann sah ich die Gestalt wieder. Eine Schulter wuchs aus dem dunklen Umriss eines Busches heraus und die Krempe eines Hutes. Der Mann trat in das kalte Mondlicht, und ich erkannte, dass es Terry Ralston war.

Meine Haltung entspannte sich. Ich richtete meinen Oberkörper gerade auf, blieb aber im Schatten der Büsche.

Der Mann vor mir war also Ralston, der die Wache hatte. Aber was, zum Teufel, beunruhigte die Gäule? Indianer kämpften nicht gern in der Nacht. Das bedeutete aber nicht, dass sie nicht versuchen würden, ein paar Pferde zu stehlen. Vielleicht trieb ,sich auch nur ein Coyote in der Nacht herum.

Ich war gerade im Begriff, Ralston anzurufen, als dessen Revolver krachte. Ich sah das Mündungslicht aufzucken und duckte mich instinktiv. Zuerst glaubte ich, er habe mich für einen Fremden gehalten, und auf mich geschossen. Aber ich erkannte sofort, dass dies nicht der Fall war.

Gestalten brachen plötzlich aus dem Buschgürtel auf der anderen Seite des Corrals. Schnelle, undeutliche Bewegungen durchbrachen die starren Formen aus Licht und Schatten und verschwanden wieder. Behände Körper bewegten sich irgendwo vermischt mit der Dunkelheit.

Ich konnte unmöglich sagen, wie viele es waren.

Ralston war verschwunden, und ich konnte ihn nirgends sehen. Ich feuerte auf die rennenden und springenden Schatten, hörte einen spitzen Schrei und ein Brechen und Knacken in den Zweigen. Ein Zeichen, dass ich getroffen hatte.

Hinter mir waren hastige Bewegungen und Flüche. Waffen wurden durchgeladen, und Luckhee schrie heiser:

»Die Gäule! Verdammt, lasst sie nicht an die Gäule heran!«

Ich war dicht neben dem Corral. Schüsse zerfetzten die Nacht mit ihren Flammenzungen und ihren scharfen Detonationen. Die Pferde wieherten schrill, stiegen hoch und schlugen mit den Hufen. Etwas Dunkles sprang mich an wie ein wildes Tier und riss mich zu Boden. Eine Messerklinge schlitzte meine Jacke auf und verfing sich in dem Stoff.

Ich stieß mein Knie in die dunkle Masse und schlug blindlings mit dem Revolver zu. Der Geruch eines Indianers alarmierte meine Abwehrbereitschaft auf das Äußerste. Meine Finger glitten an nackten, sehnigen Armen ab. Ich stützte mich auf ein Knie, konnte aber dem Druck des Gegners nicht standhalten und fiel erneut zu Boden. Der Apache bekam die Hand mit dem Messer frei und sprang ein Stück zurück. Irgendwo in der Dunkelheit lauerte die tödliche Klinge, bereit zuzustoßen, schnell und gefährlich wie eine Klapperschlange.

Die Nacht war von Schüssen und schreienden Männern, Füße trampelten durch das Unterholz, Kugeln zogen zischend ihre unsichtbaren, todbringenden Bahnen.

Ich achtete jedoch nicht auf all dies, nahm es nur am Rande meiner Sinne wahr. Die Klinge stieß aus der Dunkelheit heraus. Irgendein winziges Licht brach sich auf dem blanken Stahl und machte ihn für den Bruchteil eines Augenblickes sichtbar. Ich drehte blitzschnell mein Becken zur Seite, und nur die Faust streifte noch meinen Körper. Der Krieger prallte durch seinen eigenen Schwung gegen mich. Ich zog ihm den Revolver über den Schädel. Der Schlag rutschte am Hinterkopf ab und traf mit voller Wucht sein Genick.

Ich nahm das Messer an mich, und plötzlich war ein Gedanke in mir, der mich zu hastiger Aktivität trieb.

Den Apachen war es nicht gelungen, sich der Pferde zu bemächtigen. Sie liebten nächtliche Kämpfe nicht und zogen sich zurück.

»Los, hinterher!« brüllte Luckhee. »Lasst so wenig wie möglich entkommen!«

Die Männer drangen schießend durch den Buschgürtel, und keiner war mehr in meiner Nähe. Vielleicht würde ich nie wieder eine solche Chance bekommen.

Ich rannte zu meinem Lagerplatz zurück und fuhr eilig in meine Stiefel. Dann schnappte ich mir den nächsten Sattel, an dessen Knauf eine Wasserflasche hing, und schleppte ihn zum Corral.

Es war dunkel, und ich hatte keine Zeit, mir ein Pferd auszusuchen. Ich warf dem erstbesten Tier die Decke über, aber das verdammte Biest scheute und lief weg. Ich hob die Decke wieder auf und näherte mich einem anderen. Dabei musste ich mich zur Ruhe zwingen, obwohl die Ungeduld wie ein Fieber in meinen Adern raste. Jeden Augenblick konnte man mich entdecken. Das Feuer von Luckhee und seinen Spießgesellen wurde ständig spärlicher, und sie mussten gleich zurückkommen.

Ich murmelte beruhigende Worte und schaffte es, dem nächsten Gaul den Sattel, aufzulegen. Mit hastigen Finger zog ich die Gurte fest, aber da erstarrte ich plötzlich, und jede Faser in meinem Körper spannte sich.

»Mach nur weiter«, sagte jemand hinter mir. An der Stimme erkannte ich, dass es Dan Kandry war. »Ich glaube ohnehin nicht, dass du uns von Nutzen bist. Du bist ein Spinner, Turgis.«

Ich brauchte mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er eine Waffe auf meinen Rücken gerichtet hielt. Ich richtete mich langsam auf. Da ich auf der Schattenseite des Gaules stand, konnte er meine Hände bestimmt nicht genau sehen, aber eine schnelle Bewegung von mir würde ihn schießen lassen. Selbst wenn er mich nicht traf, konnte er das Pferd nicht verfehlen.

So dicht am Ziel, und alles war aus. Eine ohnmächtige Wut schäumte in mir auf. Dieser Kerl musste auch gerade jetzt hier auftauchen. Wäre ich bereits im Sattel gewesen, hätte ich ihn einfach niedergeritten.

Ich musste ihn unsicher machen, ihn irgendwie am Schießen hindern. Ich brauchte eine kleine, winzige Chance, und bei Gott, ich würde sie nützen.

»Na, was ist? Steig auf oder sattle ihn wieder ab. Oder glaubst du, dass ich das mache?«

Ich drehte mich langsam um. »Schieß doch«, sagte ich. »Du kannst ja den anderen sagen, ich wollte fliehen. Vielleicht kannst du ihnen dann auch sagen, wo das Geld ist. Aber möglicherweise triffst du mich auch nicht, sondern nur Luckhees Gaul hier. Er würde sich bestimmt darüber freuen.«

Ich wusste nicht, wem der Gaul gehörte, den ich da gesattelt hatte, aber es war auf jeden Fall zu dunkel, als dass Kandry diesen Bluff auf den ersten Blick bemerken würde.

Er kam näher, bis die Mündung seines Gewehres nur noch wenige Zoll von meinem Bauch entfernt war.

»Glaubst du, dass ich auf diese Entfernung daneben schieße?«

Dieser Mann war ein Narr. Er hielt sich für den Größten und schien zu glauben, dass er mir genügend Furcht einflößte, um sich jede Nachlässigkeit leisten zu können. Aber wenn ich etwas tun wollte, dann musste ich es gleich tun, denn ich hörte die anderen bereits zurückkommen.

Ich schlug den Gewehrlauf zur Seite, und meine Faust fuhr Kandry in die Zähne. Er stolperte nach hinten, und ich setzte ihm nach, riss ihm das Gewehr aus den Händen. Er fluchte, und ich hörte an dem schlürfenden Geräusch, dass er den Revolver zog. Ich stieß ihm den messingbeschlagenen Schaft seines Gewehres gegen den Schädel und rannte zu dem Gaul zurück. Mit einem Satz flog ich in den Sattel und trieb das Tief an. Es lief ein paar Schritte, stieß gegen das Seil und scheute zurück. Ich fluchte und griff nach dem Messer des Apachen.

Die anderen waren bereits so nahe, dass ich ihre dunklen Gestalten sehen konnte. Sicherlich konnten sie mich auf dem Gaul noch besser erkennen.

Ich beugte mich aus dem Sattel herunter und durchtrennte mit der scharfen Klinge das Seil.

»Heh, was ist da los?« hörte ich Aldo Tillery rufen.

Jemand schoss.

Gleich würde ich sie auf den Fersen haben. Ich riss den Gaul herum und trieb ihn in den zerstörten Corral zurück. Schüsse fetzten hinter mir her. Ich ritt mitten zwischen die anderen Tiere, schrie aus Leibeskräften und wedelte mit den Armen. Ich riss mir die Jacke herunter und schlug damit auf die Gäule ein, die entsetzt davonstoben, auf die schießenden Männer zu. Eine Kugel schlug mir ein Loch in die Jacke. Ich setzte den davonrasenden Pferden nach.

»Nicht schießen, ihr Idioten!« schrie Brad Luckhee durch den Lärm. Ich ritt mitten durch sie hindurch. Einer versuchte, sich an mir festzuklammern, aber ein heiseres Lachen war das einzige, was von mir zurück blieb.

Ich jagte die Pferderemuda am Buschgürtel entlang und in das offene Land hinaus, wo sie nach allen Richtungen auseinander liefen. Dann drosselte ich den Lauf meines Pferdes und schaute mich um.

Es würde mindestens einen halben Tag dauern, bis sie die Gäule wieder eingefangen hatten, wenigstens diejenigen, die Apachen nicht erwischten.

Ich ritt nach Norden auf die Berge zu. Es war gut, wenn ich mich bei Tagesanbruch nicht mehr hier draußen im offenen Gelände blicken ließ. Als einzelner Reiter hatte ich nicht viele Chancen, wenn mich die Apachen erwischten.

Ich blieb den Rest der Nacht im Sattel, aber ich kam nicht sehr gut voran. Das Land war finster und gefährlich. Wenn sich mein Pferd bei einem Fehltritt verletzte, dann konnte ich nur noch hoffen, dass mich Luckhee und seine Mörderbande vor den Apachen erwischten.

Als der Tag graute, hatte ich die Gila Bends erreicht. Aber da der langsame Ritt das Tier nicht sehr angestrengt hatte, setzte ich meinen Weg fort. Es war gut, wenn ich möglichst viele Meilen hinter mich brachte.

Aber als dann die Hitze einsetzte, spürte ich die Müdigkeit in allen Knochen. Ich hielt an und angelte nach der Wasserflasche, wobei ich erschrocken feststellte, dass sie nicht einmal mehr halb voll war.

Jetzt nahm ich erst einmal einen Schluck und ließ das Wasser wie Balsam durch meinen heißen Körper rinnen. Dann schaute ich mich um: Felsen, Sand, Kakteen und wieder Felsen, braune, gelbe und rote. Schön anzusehen, das, aber hier gab es bestimmt kein Wasser.

Ich änderte meine Richtung nicht. Wenn ich weiter nach Norden ritt, musste ich jenseits der Berge irgendwo auf das alte Fort stoßen, und wahrscheinlich gab es dort auch Wasser.

Ein paar Meilen weiter hielt ich erneut an. Der Staub juckte und biss auf meiner Haut, und meine Füße brannten in den Stiefeln, meine Lippen waren dick und rissig. Ich hatte nicht einmal einen Hut, denn als ich gehenkt werden sollte, hatte ich keinen gebraucht. Aber jetzt brauchte ich ihn, ich konnte es nicht riskieren, einen Sonnenstich zu bekommen. Es half nichts, ich musste mir irgendwo einen schattigen Platz suchen und warten, bis die Mittagshitze vorüber war.

Ich trank etwas von dem inzwischen lauwarm gewordenen Wasser und setzte mich am Fuße einer steilen Felswand hin. Hoch über mir kreiste ein Bussard an einem fast weißen Himmel. Ich lehnte mich gegen das rau Gestein und versuchte erst gar nicht, wach zu bleiben.

Als ich wieder wach wurde, schaute ich zuerst zum Himmel. Die Sonne war weitergewandert und schien mir jetzt heiß auf meine Beine.

Ich erhob mich, goss mir etwas Wasser in die hohle Hand und rieb dem Gaul Nüstern und Maul damit ein. Das Tier leckte mir dankbar die Hand ab, bis der letzte Rest Feuchtigkeit verschwunden war. Zum Glück hatte es sich in der Mexikanersiedlung vollgesoffen. Wenn ich es gut behandelte, konnten wir bis Fort Bunyan kommen, und mit etwas Glück natürlich.

Es war noch immer heiß, aber ich musste weiter. Das Wasser kam nicht zu mir, sofern es in dem alten Fort überhaupt noch welches gab.

Doch schon nach einer Stunde spürte ich die Schwäche wieder. Auch der Braune zeigte erste Anzeichen von Erschöpfung.

Mir fiel ein, dass ich seit gestern nichts gegessen hatte, und ich hielt an und suchte in den Satteltaschen nach etwas Essbarem. Einige Streifen Dörrfleisch und etwas Zwieback war alles. Aber ich fand zwei Schachteln Gewehrpatronen vom Kaliber 44 flat. Wenn sie für das erbeutete Gewehr verwendbar waren, hatte ich einen guten Fund gemacht. In meiner Situation waren diese Patronen mehr wert als Nuggets.

Ich zog das Gewehr aus dem Scabbard und hebelte eine Patrone aus dem Schloss. Erleichtert stellte ich fest, dass sie vom gleichen Kaliber war, wie jene in der Satteltasche. Ich konnte sie zwar nicht trinken, aber es war immerhin etwas. Ich betrachtete die Waffe in meinen Händen, ein Henry Sattelgewehr, nicht das neueste Modell, aber gut gepflegt.

Ich aß nur den Zwieback. Das Dörrfleisch war gesalzen und würde mich durstig machen. Ich beschloss, es erst zu essen, wenn ich irgendwo auf Wasser gestoßen war.

Während der zweiten Hälfte des Nachmittages ging ich zu Fuß und zog das erschöpfte Tier am Zügel hinter mir her. Ich durfte den Gaul nicht zu hart 'rannehmen, sonst würde er nicht durchhalten.

Das Land War heiß und trocken unter einer gleißend hellen Himmelskuppel mit einer riesigen, erbarmungslosen Sonne. Salz und feiner Sand brannten auf meiner Haut. Mein Gang wurde kraftlos und schleppend. Ich wusste nicht, wie lange ich so gelaufen war, ich hatte nur den einzigen, brennenden Wunsch, dieser Sonne und dem quälenden Durst zu entgehen.

Als ich einmal stehen blieb, um einen Schluck Wasser zu trinken, bemerkte ich vor mir in der Ferne eine Staubwolke, die aber sogleich wieder verschwand. Aus brennenden Augen schaute ich über das Land, aber ich konnte keinen Staub mehr erkennen. Vielleicht gaukelte mir der Durst schon Halluzinationen vor.

Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen. Die Sonne hatte mir das Gesicht verbrannt. In der Wasserflasche befanden sich nur noch ein paar Schluck.

Ich setzte meinen Weg fort, aber meine Sinne waren bereits so abgestumpft, dass ich meine Umgebung nur noch mit halbem Bewusstsein wahrnahm. Und ich bemerkte nicht, wie mein Schatten länger wurde, der Himmel sich zu röten begann und das Glitzern auf dem Sand erstarb, das meinen Augen so weh tat. Der Tag war vergangen.

Irgendwo machte ich Halt, weil ich nicht mehr weiter konnte. Ich nahm dem Braunen den Sattel ab und rieb ihn mit der Decke ab. Dann legte ich mich nieder und schlief sofort tief und fest ein.

Erst die Kälte der Nacht weckte mich wieder, und ich richtete mich auf. Der Gaul stand ein paar Schritte abseits und döste vor sich hin. Ich hatte mich etwas erholt und beschloss, weiter zu reiten und mich dafür während der Tageshitze auszuruhen.

Ich war bis zum Tagesanbruch unterwegs und suchte mir dann einen überhängenden Fels, der mir während des ganzen Tages Schutz vor der Sonne geben würde. Ich hatte es bisher vermieden, den Rest meines Wassers zu trinken, und ich würde es wohl noch eine Weile aushalten. Ich musste es einfach.

Ich wusste nicht genau, wie lange ich im Schatten jenes Felsens gedöst hatte, bis ich die Schüsse hörte. Zuerst glaubte ich ah einen wirren Traum, aber dann wurde mir klar, dass es Wirklichkeit war. Irgendwo knatterten Schüsse. Es war weiter weg, aber ich konnte es deutlich hören.

Der Braune spielte mit den Ohren und äugte zu mir herüber.

Vielleicht war es besser, wenn ich hier in meinem Schatten hocken blieb, aber ich entschloss mich doch nachzusehen. In einem feindlichen Land konnte es nicht schaden, wenn man über die Vorgänge in seiner Umgebung Bescheid wusste.

Ich sattelte also meinen Gaul und ritt dem fernen Gewehrfeuer entgegen.

Es war doch nicht so weit, wie ich gedacht hatte. Als ich von einem Bergrücken aus in ein seichtes Tal hinabsehen konnte, gewahrte ich einen einzelnen Wagen, aus dem heraus geschossen wurde. Soweit ich das erkennen konnte, musste es sich um zwei Schützen handeln, die nicht einmal über Repetiergewehre verfügten. Weiter konnte ich etwa sechs Apachen ausmachen, die zu Fuß den Wagen angriffen, indem sie geschickt die Deckung von Steinblöcken und Bodenwellen ausnutzten.

Apachen kämpfen lieber zu Fuß als vom Rücken ihrer Pferde aus, und bei dieser Kampfesweise waren sie äußerst gefährliche Gegner.

Jemand versuchte vom Bock des Wagens aus die beiden Gäule anzutreiben, musste aber sein verzweifeltes Vorhaben wegen des Feuers der Angreifer wieder einstellen. Ich sah lange blonde Haare in der Sonne glänzen und erschrak fast.

Eine Frau dort unten!

Irgendetwas musste mit dem Wagen nicht in Ordnung sein, sonst hätten sie sich dort nicht festnageln lassen. Die Apachen kamen den Bedrängten immer näher, und die Verteidiger hatten keine Chance gegen sie.

Ich hatte gewiss genug eigene Probleme am Hals, um mich auch noch um die Sorgen anderer zu kümmern. Aber da unten in diesem Wagen befand sich eine Frau, und ich wusste, was Indianer mit weißen Frauen tun konnten, die lebend in ihre Hände fielen. Und dann war da noch etwas anderes, was mein Handeln beeinflusste. Wer mit einem Wagen quer durch ein dürres Land zog, der musste über Wasser verfügen, und ich brauchte es notwendig. Dieses Wasser konnte meine Rettung sein, denn dann hatte ich es nicht mehr nötig, nach Fort Bunyan zu reiten, wo für mich die Gefahr bestand, von Luckhees Männern überrascht zu werden.

Ich zog den Braunen herum und ritt schnell im Schutze der Bergkuppe weiter. Wo die Pferde der Apachen standen, hatte ich nicht sehen können, aber ich musste auf jeden Fall erst einmal näher heran, und ich musste sie darüber hinwegtäuschen, dass ich nur ein einzelner Mann war. Mit dem Repetiergewehr würde mir das nicht schwerfallen, aber ich durfte mich ihnen nicht zeigen.

Hinter einem Gewirr aus Felsbrocken und dornigem Gestrüpp hielt ich an und zog das Gewehr aus dem Scabbard.

Der Kampf hatte an Heftigkeit zugenommen und näherte sich seiner entscheidenden Phase. Zwei der Apachen waren nur noch wenige Meter vom Wagen entfernt.

Meine Schüsse mischten sich fast unauffällig unter den Lärm des Kampfes und wurden wohl von den Leuten im Wagen kaum bemerkt, denn die hatten jetzt alle Hände Voll zu tun. Aber die Apachen bekamen sie zu spüren. Der vorderste von ihnen wurde von meiner Kugel in den Rücken getroffen und auf das Gesicht geschleudert. Ein anderer drehte sich erschrocken zu mir um, rief den anderen etwas zu und verschwand hastig vor den Kugeln und Querschlägern Schutz suchend, die ich so schnell aus dem Lauf jagte, wie es der Repetiervorgang erlaubte. Die heißen Messinghülsen flogen blitzend durch die Sonne.

Einen erwischte ich noch. Er zog sich humpelnd und stolpernd hinter einen Stein zurück, wurde aber von den Schüssen aus dem Wagen wieder aufgescheucht und niedergeschossen.

Es gibt wohl kaum etwas, das die Apachen mehr hassen, als zwischen zwei Feuer zu geraten. Sie ergriffen die Flucht, und es dauerte nur eine Minute, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Eine Staubwolke jenseits eines mit Buschwerk bedeckten Hügels verriet, dass sie ihre Pferde bestiegen hatten und fortritten.

Ich hatte das Gewehr in den Händen behalten und trieb jetzt erst mit einem Schenkeldruck den Gaul an. Langsam ritt ich zu dem Wagen hinüber. Es war ein Marketenderwagen, ein fahrender Kramladen, in dem alles zu finden war, was man so abseits der größeren Städte gebrauchen konnte. Eine Frau und ein junger Bursche kamen zum Vorschein, als sie mich kommen sahen. Aber sie behielten ihre Waffen in den Händen, und besonders der Blick des jungen Mannes war nicht sehr einladend. Er betrachtete mich und meine Ausrüstung sehr kritisch.

Ich nickte ihnen zu und sagte: »Hallo. Pech mit dem Wagen?«

Die Frau nickte. Ihr schmales Gesicht war vom Eifer des Kampfes und von der Hitze gerötet. Sie trug ein langes, mit Blumen gemustertes Baumwollkleid, dessen einer Ärmel halb abgerissen war.

»Das eine Rad ist gebrochen, glaube ich. Könnten Sie uns vielleicht helfen?«

Ich ließ mich aus dem Sattel gleiten und sah mir den Schaden an.

»Haben Sie ein Reserverad?«

Sie nickte wieder mit dem Kopf.

»Reiten Sie zufällig durch's Apachenland, oder haben Sie hier etwas Bestimmtes vor?«

Es war weniger die Frage dieses jungen Burschen, sondern der herausfordernde Ton, der mir missfiel.

»Was es auch sein mag, junger Freund«, erwiderte ich. »Im Augenblick ist es wohl ein Vorteil für euch.«

»Er will uns helfen, Ernie«, rief das Mädchen vorwurfsvoll.

»Ja, das sagt er. Aber wir wissen nicht, wer er ist und was er hier vorhat. Kein Mensch reitet ohne Grund durch dieses gottverlassene Land.«

Der Junge schien mir recht hitzig. Vielleicht war es Nervosität oder die Nachwirkung des Kampfes oder ganz einfach Angst.

»Mein Name ist Ben Turgis.«

Das Mädchen strich ihre Haare nach hinten und band sie im Nacken mit einer Schleife zusammen. »Ich bin Melin Bowes«, erklärte sie, »und das ist mein Bruder Ernie.«

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie ganz allein hier draußen waren, aber ich wollte nicht weiter fragen. Es ging mich ja auch nichts an.

»Wir können ihm nicht trauen«, beharrte der Junge. »Wir haben eine Menge Dinge im Wagen, die ein Satteltramp gebrauchen kann.«

Ich zog meine brennenden Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ich würde nicht eine so große Klappe haben«, sagte ich kalt, »es sei denn, ich wäre sehr gut mit dem Schießeisen.«

»Sie dürfen es ihm nicht übelnehmen«, erklärte Melin hastig. »Mein Bruder ist manchmal aufbrausend, und er hat viel hinter sich in den letzten Tagen.«

Ich nickte nur und beachtete diesen vorlauten Burschen nicht weiter.

»Glauben Sie, dass wir den Wagen reparieren können? Wir müssen schnell weiter. Welches ist die nächste Stadt, die wir erreichen können?«

»Gila Bend«, sagte ich und bückte mich neben dem zerbrochenen Rad. Es war völlig kaputt.

»Wo haben Sie das Reserverad?« ich hob den Kopf, und dann fuhr ich sofort in die Höhe.

Ernie Bowes machte sich an meinem Gaul zu schaffen und langte gerade nach der Wasserflasche.

»Lass die Hände von meinen Sachen!« warnte ich ihn.

Er drehte sich herum.

»Ernie!« rief das Mädchen ärgerlich. »Was tust du da?«

»Wir brauchen sein Wasser«, erklärte Ernie, »aber er hat auch nur noch ein paar Schluck in der Flasche.«

Das Mädchen sah mich bestürzt an. »Ist das alles, was Sie haben?«

»Ich hatte gehofft, hier welches zu bekommen.«

Das Mädchen ließ mutlos die Schultern sinken, und der Junge hängte

meine Wasserflasche an den Sattelknauf zurück.

»Entschuldigen Sie«, sagte sie.

»Eigentlich müsste er sich entschuldigen.«

Sie schaute mich an, und es war so viel Kummer in ihren Augen, dass ich beschloss, die ganze Sache zu vergessen. »Wir haben unseren Vater dort im Wagen«, erklärte sie. »Er hat Fieber und hat unser ganzes Wasser verbraucht., Wir müssen ihn so schnell wie möglich zu einem Arzt bringen. Deshalb sind wir auch durch das Apachenland gefahren.« Sie schlug die Augen nieder. »Aber ich glaube, wir werden den Weg nicht allein finden. Wir waren noch nie in dieser Gegend.«

Sie erwarteten offenbar, dass ich sie nach Gila Bend brachte.

»Ich kann Ihnen den Weg dorthin beschreiben«, sagte ich, »mehr kann ich nicht tun.«

»Aber er wird sterben, wenn er nicht rechtzeitig zu einem Arzt kommt.«

»Wenn er Fieber hat, kommt er ohne Wasser sowieso nicht bis nach Gila Bend«, sagte ich mit schonungsloser Offenheit zu ihr. Dann kletterte ich in den Wagen, um mir den Mann anzusehen.

Sein Gesicht war rot und heiß und mit einem dichten Stoppelbart bedeckt. Die Lippen, dick und pelzig, bewegten sich, ohne die Worte, die er im Delirium murmelte, hörbar zu machen. Die gläsernen Augen starrten mich an, aber sie sahen mich nicht.

Dieser Mann hatte keine Chance mehr, Gila Bend zu erreichen, ob mit oder ohne Wasser, denn bis dort hin würden sie mehrere Tage benötigen.

Ein schmutziger Verband sah aus seinem offenen Hemd hervor.

Ich drehte mich um und sprang von dem Wagen herunter.

»Es gibt doch in dieser Stadt einen Arzt, nicht wahr?« fragte Melin hoffnungsvoll.

»Gila Bend können Sie sich aus dem Kopf schlagen«, erklärte ich ihr. »Weder Sie noch ich würden es ohne Wasser bis dorthin schaffen. Von ihm ganz zu schweigen.«

Ihre blauen Augen waren groß und angstvoll. »Aber was sollen wir denn tun?«

»Das erste, was er braucht, ist Wasser. Wir alle brauchen es. Sie könnten es bei Moody Spring versuchen, aber auch das ist weit. Ich werde zu dem verlassenen Fort Bunyan reiten.«

»Wir haben einmal davon gehört«, nickte sie. »Gibt es dort Wasser?« Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn einmal ein Militärposten dort war, muss es auch Wasser gegeben haben. Aber das ist schon lange her. Vielleicht gab es einen Brunnen, der längst verschüttet ist. Wenn wir das Risiko nicht mitzählen, ist es die beste Chance, die wir haben.«

»Er will auf keinen Fall nach Gila Bend, hast du das noch nicht gemerkt«, mischte sich Ernie ein. »Was haben Sie denn dort angestellt, Mister?«

»Man wollte mich hängen«, sagte ich ganz selbstverständlich, »und wenn du noch eine Weile so weitermachst, dann wird man bald einen Grund dafür haben.«

Der Junge war sichtlich schockiert. Offenbar hatte er mich bisher nur für einen harmlosen Strolch gehalten. Er machte den Mund zu und sagte kein Wort mehr.

In den Augen des Mädchens kämpften Bewunderung und Sorge und noch etwas anderes, was ich nicht zu deuten wusste. Schließlich sagte sie entschlossen: »Wenn wir Ihnen nicht lästig sind, Mr. Turgis, dann würden wir gern mit nach Fort Bunyan gehen.

Oder hast du einen anderen Vorschlag, Ernie?«

»Wir haben ja keine Wahl«, knurrte Ernie.

»Das erste mal, dass ich ihm recht gebe«, nickte ich, »aber ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen Schwierigkeiten bekommen.«

»Noch mehr Schwierigkeiten, als wir jetzt schon haben, kann man kaum bekommen. Wenn Sie nicht vorbeigekommen wären, hätten wir es wohl nirgendwohin geschafft.«

»Dann wollen wir jetzt zusehen, dass wir den Wagen flott bekommen«, sagte ich und wandte mich an Ernie. »Wir brauchen die Deichsel, um den Wagen hochheben zu können.«

Der Junge ging nach vorn und schirrte die Pferde aus, und ich suchte nach ein paar passenden Steinen, mit denen wir den Wagen abstützen konnten, wenn wir ihn hochgehoben hatten.

Melins Aufschrei ließ mich plötzlich wie elektrisiert herumfahren. Eine wilde Gestalt sprang mich an. Ich duckte mich instinktiv unter dem Schlag, aber es gelang mir nicht ganz, ihm auszuweichen. Der Schaft der Streitaxt traf meine Schulter wie ein Keulenhieb und zerbrach. Ich taumelte zurück, aber der Apache ließ mir keine Zeit. Die eine Seite seines Jagdhemdes war blutdurchtränkt, aber das schien ihm nichts auszumachen. Er versuchte, mit einem Fußtritt meinen Unterkörper zu treffen, aber das gelang ihm nicht. Er prallte gegen mich, und wir stürzten beide zu Boden. Ich schlug mit dem Rücken auf einen Stein, und der Aufprall raubte mir für einen Moment die Atemluft. Ich stieß mit den Füßen nach meinem Gegner, konnte ihn aber nicht abschütteln. Er bekam einen Stein zu fassen und holte damit zu einem furchtbaren Schlag aus. Ich sah das verzerrte, dunkle Gesicht über mir und die wilde Entschlossenheit in den blitzenden Augen. Ein tödlicher Schreck saß wie eine kalte Faust an meinem Halse. Ich zuckte verzweifelt zur Seite, als der Stein auf mich heruntersauste. Er knallte dicht neben meinem Ohr hart auf den Boden, und feine Steinsplitter trafen meine Wange wie winzige Geschosse. Die Wucht des Schlages riss den Oberkörper des Indianers mit nach vorn. Meine Faust traf seine Schläfe. Es war nicht viel Kraft in diesem Schlag, aber er verschaffte mir ein wenig Luft. Ich konnte mich zur Seite rollen und kam keuchend auf die Füße. Irgendwo hörte ich Melin etwas schreien, aber ich konnte es nicht verstehe, weil das Blut in meinen Ohren rauschte. Meine Hand fuhr zum Revolver, aber er war nicht mehr da. Ich musste ihn bei dem Kampf verloren haben.

Der Apache war ebenfalls aufgesprungen. Er knurrte etwas in seinem kehligen Dialekt und schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust. Seine wadenhohen Wüstenmokassins wirbelten Staub auf, als er wie eine gespannte Feder vor mir hin und her sprang, die Arme in lauernder Haltung, bereit, die kleinste Blöße zu nützen, die ich mir gab.

Ich fühlte den Schweiß an meinem Körper herunterrinnen. Dieser Bursche war vorhin bei dem Kampf verwundet worden und hatte hier zwischen den Steinen gelegen und geduldig wie eine Schlange auf seine Chance gewartet. Und hätte Melin nicht geschrien, dann wäre es ihm auch gelungen.

Ich sprang plötzlich vor, aber der Bursche war schnell und gewandt wie ein Puma. Mein Schlag ging ins Leere, und ich kam aus dem Gleichgewicht, fing mich aber in dem Moment wieder, als er zum Angriff ansetzte. Ich traf ihn voll im Gesicht, und jeden anderen hätte dieser Hieb außer Gefecht gesetzt, nicht aber diesen verdammten Apachen. Er war zäh wie eine Katze, wurde zu Boden geschmettert, wirbelte einmal um sich selbst über den harten Boden und sprang wieder auf die Füße. Ich hämmerte ihm meine Faust in den Magen. Der Bursche krümmte sich und stieß vor Schmerz rasselnd die Luft aus. Mit einem krachenden Schlag gegen das Kinn richtete ich ihn wieder auf und landete einen dritten Treffer mitten in seinem Gesicht.

Das Blut schoss ihm aus der Nase. Seine Knie gaben nach wie bei einem neugeborenen Fohlen, aber er umklammerte meine Beine und riss mich erneut zu Boden. Wie knurrende Tiere ineinander verkrallt rollten wir auf dem Boden hin und her. Ich versuchte, seinen klammernden Griff loszuwerden, aber die Finger dieses Burschen saßen wie Klauen in meiner Kleidung.

»Ernie!« hörte ich Melin schreien. »Ernie, so tu' doch etwas. Er bringt ihn um!«

Ernie knurrte etwas von einem fairen Kampf und rührte sich nicht.

Es gelang mir schließlich, mich unter dem Apachen hinweg zu wälzen. Seine Faust knallte mir gegen den Schädel. Dieser Schlag war nicht gefährlich. Apachen sind keine Faustkämpfer, aber ich war durch die Strapazen der letzten Tage, durch Wasser- und Nahrungsmangel geschwächt. Mich brachte dieser Schlag aus dem Gleichgewicht. Der Apache schnellte sich hoch und versuchte, mit beiden Füßen auf meinen Magen zu springen. Ich rollte mich zur Seite. Seine Füße trafen nur meine Hüfte, glitten ab, und er stürzte in den Staub. Diesmal war ich eher auf den Beinen. Meine Faust knallte in sein Gesicht, als er hochkam, und schleuderte ihn in einen staubigen Busch. Er wandte sich wie eine Schlange, wischte sich das Blut aus dem Gesicht und drückte sich vom Boden hoch. Seine Hände schaufelten den Sand hoch und schleuderten ihn in mein Gesicht. Ich taumelte zurück. Der feine Sand brannte schmerzend in meinen entzündeten Augen, und ich konnte nichts mehr sehen. Instinktiv sprang ich zur Seite, stolperte dabei über einen Stein und raffte mich wieder auf. Wie ein blinder Bär tappte ich umher, rieb zornig in meinen Augen und verfluchte meine eigene Unachtsamkeit.

»Nein, nein, nicht!«

Ich hörte Melin schreien. Dann donnerte wenige Schritte vor mir ein Revolver. Ich sah den rötlichen Blitz durch den Hahn der Waffe zum zweiten mal die Kugel vorbeizischen. Der Apache musste irgendwo meinen Revolver gefunden haben. Mein Glück war es, dass er mit dieser ungewohnten Waffe nicht gut umzugehen verstand. Aber bereits die nächste Kugel konnte mich treffen.

In der Stille nach dem Schuss hörte ich das harte Klicken, als der Apache den Hahn der Waffe zum zweite mal spannte. Ich warf mich zur Seite und wischte verzweifelt in meinen Augen. In der Hoffnung, dass er mich verfehlte, solange ich in Bewegung blieb, wälzte ich mich herum, schürfte mir Hände und Gesicht auf, als ich in einem dornigen Gebüsch landete. Ich riss gewaltsam die Augen auf und konnte schemenhaft und undeutlich Bewegungen und Gestalten erkennen. Das Bild klärte sich langsam und nahm an Schärfe zu.

Eine Kugel prasselte durch das Gewirr von dürren Zweigen. Ich tastete nach einem Stein oder einer sonstigen Waffe, aber ich fand nichts.

Jetzt sah ich den Indianer wenige Schritte vor mir. Er fingerte an meinem Revolver herum und hob ihn mit beiden Händen gegen mich. Weiter rechts bewegte sich noch etwas. Ich erkannte Melin Bowes. Sie ging auf den Apachen zu und hielt ein altes Sharps-Gewehr in den Händen, das sie auf den Apachen richtete.

Dieser schrie gellend auf, als das schwere Geschoss ihn traf und halb herumriss. Er stürzte zu Boden, aber er kam wieder auf die Knie. Melin ließ die leere Hülse aus dem Schloss des einschüssigen Gewehres schnappen, aber sie hatte keine weiteren Patronen bei sich.

Der Apache keuchte vor Schmerzen, während das Blut aus seiner Schulter hervorbrach. Aber er richtete den Revolver jetzt auf das Mädchen.

»Vorsicht, Melin, runter!« schrie ich verzweifelt. Sie schaute mit großen, erschrockenen Augen auf den Indianer hinter dem Revolver.

Ich stieß mich ab, aber der lose Sand gab unter meinen Füßen nach und ich fiel auf die Knie.

Vom Wagen her krachte ein Schuss, aber die Kugel traf den Apachen nicht. Ich rannte durch den. losen Sand und prallte gegen ihn. Die Kugel aus dem Revolver pfiff in den. heißen Himmel. Wir prallten beide gegen einen Stein. Das Blut des Indianers lief mir über die Hände. Ich ließ ihn los, tastete nach einem Stein und hob ihn auf, während der Apache mit verzweifelter Anstrengung die Waffe wieder spannte. Die schwarze Mündung pendelte drohend vor meiner Brust hin und her, als der Stein herniedersauste und ihm den Schädel zertrümmerte.

Mein Kopf sank erschöpft auf das aufgestellte Knie herab, und so blieb ich keuchend hocken. Wie ein Steinzeitmensch hatte ich meinen Gegner erschlagen und war dadurch knapp dem Tode entgangen.

Erst als ich Melins Schritte neben mir hörte, hob ich den Kopf.

»Alles in Ordnung?« sagte sie leise. Ihr Gesicht war blass und erschöpft.

Ich sagte nichts. Ich nahm den Revolver wieder an mich, wischte das Blut von meinen Händen und stand auf. Ich spürte den heißen Wind im Gesicht, und der Durst begann mich wieder zu quälen.

»Danke für die Hilfe«, sagte ich noch immer schwer atmend.

»Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich Ihnen besser helfen können«, erwiderte sie mit einem zornigen Seitenblick auf Ernie, der mit dem Gewehr in der Hand näher kam.

»Sie haben mehr Mut gezeigt als mancher Mann.« Das ging an Ernies Adresse, und ich sah den Zorn in seinem Gesicht.

»Es war Ihr Kampf, Mister Turgis, und ich bin Ihnen nichts schuldig«, schnappte er gereizt.

Das Gesicht des Mädchens lief rot an.

»Als uns vorhin die Apachen fast getötet hätten, war das auch nicht sein Kampf.«

»Nein«, schrie Ernie sie an, »und deshalb hat er auch da drüben zwischen den Felsen gewartet, bis sie weg waren. Als die Gefahr dann vorbei war, ist er gekommen, weil er glaubte, wir hätten Wasser für ihn. So handelt nur ein Feigling.«

Meine Faust traf ihn genau am Kinn, und er fiel in den Sand.

»Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann tu es gleich«, sagte ich kalt. »Jetzt sind wir gerade dabei.«

»Lassen Sie ihn in Ruhe«, sagte Melin hinter mir. »Was er auch gesagt hat, er ist mein Bruder.«

Ich hätte jetzt mein Pferd besteigen und wegreiten können. Aber ein Mann kann nicht einfach davonreiten und eine Frau mit einem Narren von Bruder und einem todkranken Vater in der Wildnis ohne Wasser zurücklassen. Ganz egal, wie die Dinge auch lagen. Aber sie hatte recht, es war sinnlos, sich zu streiten. Die Schüsse waren sicher weit zu hören gewesen, und ich wusste nicht, wie groß mein Vorsprung vor Luckhee und seinen Outlaws tatsächlich war.

»Beeilen wir uns, dass wir hier wegkommen«, sagte ich.

Es dauerte nicht lange, bis der Wagen wieder fahrbereit war und wir weiterzogen. Als ich mich nach einigen Meilen umwandte, bemerkte ich eine winzige Staubwolke in dem dürren Land hinter uns, die aber nur kurze Zeit zu sehen war. Ich konnte daraus keine Schlüsse ziehen. Sie konnte von einem oder auch von mehreren Reitern stammen, oder vielleicht war es nur ein 'Staubteufel gewesen, einer jener kleinen Luftwirbel, die zuweilen den feinen Staub hochtrieben. Ich konnte mich auch nicht weiter damit beschäftigen. Die Felsen wurden schroffer und traten näher an unseren Weg heran. Von Canyons und Spalten zerrissen und zum Teil mit Gestrüpp bewachsen, boten sie allerhand Möglichkeiten für unangenehme Überraschungen und forderten ständige Wachsamkeit.

Ernie Bowes fuhr den Wagen, und Melin befand sich zwischen all dem unnütz gewordenen Gerumpel im Wagen bei ihrem fiebernden Vater, der bereits so gut wie tot war. Ich wusste zwar nicht genau, wie weit es noch bis zu diesem verlassenen Fort war, aber wenn wir die Gäule nicht zu sehr antrieben, konnten sie durchhalten. Andererseits war diese Gegend hier ziemlich ungemütlich, und wir taten gut daran, sie so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass die Apachen ihr Vorhaben aufgegeben hatten. Ein solcher Wagen war für sie eine verlockende Beute. Dieser Gedanke beunruhigte mich mehr und mehr.

»Heh, fahr schneller!« rief ich deshalb dem Jungen zu.

»Die Gäule werden uns schlappmachen«, erwiderte Ernie. »Ist das Aufgebot schon hinter uns?«

»Tu' was ich dir sage, verdammt!«

Der Junge gebrauchte widerwillig die Peitsche, und die Tiere begannen schneller zu laufen, zogen den Wagen keuchend den leicht ansteigenden Weg hinauf.

Im Canyon des goldenen Todes

Hier starb die letzte Hoffnung der Verdammten

»Ich bin der einzige Mann, der damals überlebt hat. Wir waren verblendet von dem vielen Gold, das wir in diesem Canyon entdeckt hatten. Und wussten nicht, dass wir uns schon im Schatten des Todes befanden. Denn ganz in der Nähe befand sich eine heilige Begräbnisstätte der Rothäute, die in diesen Bergen leben. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel kamen sie über uns. Ihre Pfeile kamen so dicht, dass sie die Sonne verdunkelten. Dann brachten ihre Messer und Tomahawks endgültig das Ende. Wie durch ein Wunder kam ich mit dem Leben davon. Ich konnte entkommen aus diesem verfluchten Canyon des goldenen Todes! Aber ich werde dorthin zurückkehren. Eines Tages …«

Mindestens hundert Mal schon hatte der alte McDovan diese Geschichte erzählt, und nie hatte ihm jemand auch nur ein einziges Wort davon geglaubt. Aber dieser Fremde, der heute erst in die Stadt gekommen war und sich seither im Saloon aufhielt, schien sich dafür zu interessieren. Early McDovan leerte sein Glas, knallte es auf die Theke und fuhr fort: »Wie gesagt, ich war der einzige, der damals davonkam. Außer mir gibt es keinen, der diese Mine jemals wiederfinden könnte, Mister. So wahr ich hier neben Ihnen an der Bar stehe, vor einem leeren Whiskyglas.«

Der dicke, glatzköpfige Bursche hinter der Theke grunzte wie ein satter Eber und wischte sich seine Hände an der schmuddeligen Schürze ab.

»Wenn Sie ihm noch 'n Whisky spendieren, Mister, erzählt er Ihnen die ganze Geschichte«, animierte er den Fremden. »Jeder der hier anwesenden Gentlemen hat sie schon gehört. Und jedes Mal wird das Gold mehr.« Er ließ ein öliges Lachen hören und beugte sich nach vorn. »Wer weiß, vielleicht holt er es doch eines Tages und kauft den ganzen Laden hier.«

»Dann gieß ihm nochmal ein.« Die Augen des Fremden musterten den alten McDovan, der einen Kopf kleiner war als er selbst, als wollte er feststellen, ob dieser vielleicht schon betrunken war. Manchen Leuten merkte man das nicht so ohne weiteres an.

Der Barmann goss das Glas voll, und jedes Mal, wenn bei dieser Bewegung sein kahler Kopf in den trüben Schein der Ölfunzel geriet, sah es aus, als ginge hinter den träge ziehenden Rauchschwaden der Mond auf.

»Zehn Mulis hatten wir mit Gold beladen, dass ihnen die Knie weich wurden«, schilderte McDovan, während seine Augen an der hellschimmernden Flüssigkeit in seinem Glas hingen. »Und Gott ist mein Zeuge, Mister, wir hatten die Mine nur angekratzt. Aber eines Tages gehe ich dorthin zurück und …«

»Glauben Sie ihm nur nicht, Fremder«, lachte einer der anderen Gäste. »Das einzige, was der alte McDovan noch findet, ist das Glas vor seiner Nase.«

Das allgemeine Gelächter, das dieser Bemerkung folgte, machte Early McDovan wütend.

»Halt dich da raus, Pearcy! Du bezahlst mir schließlich nicht den Whisky«, bellte er, und seine Hand schnappte nach dem Glas auf der Bar. Als er sich dem Fremden wieder zuwandte, zuckte er resignierend mit den Schultern. »So ist das nun; wenn man die Wahrheit sagt, glaubt einem keiner.« Er legte ihm die Hand auf den Arm. »Aber Sie glauben mir doch, nicht wahr?«

Der andere lächelte etwas gelangweilt.

»Und wo liegt diese Mine?«

In den alten Augen McDovans kam plötzlich ein hellwacher Ausdruck. Er schüttete rasch den Inhalt seines Glases hinunter und hob dann abwehrend den Zeigefinger. »Glauben Sie ja nicht, dass Early McDovan das hier vor allen Leuten ausposaunt …«

Ein Mädchen in einem blauen, tiefdekolletierten Kleid und einer Federboa kam in diesem Moment herein.

»Hallo, Wanda«, nickte McDovan und schien für einen Moment seine Geschichte vergessen zu haben.

Das Gesicht des Dicken hinter der Bar verfinsterte sich.

»Du kommst verdammt spät heute«, knurrte er bärbeißig. »Die Gäste langweilen sich schon und müssen sich Early McDovans Geschichten anhören.«

Das Mädchen schüttelte mit einer energischen Bewegung das blonde Haar nach hinten.

»Ich muss mich noch lange genug ihrer Finger verwehren und ihr dummes Gerede anhören«, gab sie leise, aber mit einem scharfen Unterton zurück.

»Und merk dir eins«, die leicht vorstehenden Augen des Barmannes wurden böse und drohend, »Freundlichkeit ist gut für den Umsatz.«

»In Ordnung, Mister Wilkins«, presste Wanda durch ihre schmalen Lippen.

»Geben Sie der Lady, was sie möchte«, sagte der Fremde und betrachtete Wandas Gesicht auf ähnliche Weise, wie McDovan vorher seinen Whisky angestarrt hatte. Er legte leutselig den Arm auf McDovan Schulter. »Und dann gehen wir zusammen an den Tisch da drüben, und du erzählst uns beiden deine Geschichte.«

Todd Murphy war ein gutaussehender Junge, einer von denen, die jedes Mädchen herumkriegen könnten, wenn ihnen der Sinn danach steht. Sein Vater besaß eine große Ranch auf der anderen Seite der Berge, etwa einen Tagesritt von hier. Aber sein Vater hatte ihn weggejagt, als er eines Tages dahintergekommen war, dass Todd ihm hin und wieder Rinder stahl und sie verkaufte, wenn er Geld brauchte. Und da Todd Murphy generell dazu neigte, Dinge zu tun, die er nicht sollte, hatte er auch dem Saloonmädchen Wanda Rooney seine Gunst geschenkt. Aber da er nun von seiner bisherigen Geldquelle abgeschnitten war, hatte er keine Möglichkeit, sie aus diesem Job herauszuholen, obgleich er sie allzu gerne nur für sich gehabt hätte.

Wanda Rooney bewohnte eine kleine, bescheidene Hütte am Rande der Stadt, und da Todd Murphy sonst keine Bleibe besaß, hatte er bei ihr Unterschlupf gefunden.

An diesem Morgen schaute Todd ihr wie gewohnt über die Schulter, als sie damit beschäftigt war, das Frühstück zuzubereiten.

»Sag mal«, grinste er anzüglich, »hast du heute solch einen Bärenhunger, oder glaubst du, ich hätte nach dieser Nacht ein besonders reichhaltiges Frühstück verdient?«

Wanda hob den Kopf und ließ sich mit ihrer Antwort eine Sekunde lang Zeit.

»Ich habe den alten McDovan zum Frühstück eingeladen. Er hat dir einen Vorschlag zu machen.«

»Was ist denn in dich gefahren? Warst du gestern betrunken?«

»Du solltest ihn dir wenigstens anhören.«

»Ich kenne McDovans Geschichten.«

»Hast du ihm jemals richtig zugehört?«

»Mach dich nicht lächerlich«, erwiderte Todd beinahe mitleidig. »Kein Mensch, der eine solche Mine kennt, verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Leeren von Spucknäpfen und Saloon ausfegen.«

Wanda unterbrach ihre Tätigkeit und drehte sich zu ihm um.

»Weil niemand ihm glaubt! Weil alle so denken wie du!«

»Und weshalb hat er sich das Gold nicht längst geholt?«

»Wenn du ihm einmal richtig zugehört hättest, so wie ich, dann wüsstest du es«, erklärte Wanda mit einem Vorwurf in der Stimme, den Todd Murphy höchst unpassend fand. »Weil seine Knochen zu alt sind, um in einer Mine zu arbeiten. Das Gold liegt schließlich nicht nur so herum. Aber da war gestern ein Fremder im Saloon, ein Mann namens David Cox. Er ist bereit, mit McDovan loszuziehen. Aber ein Mann ist zu wenig, und McDovan, wie gesagt, ist alt. Und außerdem brauchen wir eine Ausrüstung und …«

»Wanda«, sagte Todd besorgt. »Du hast ja den Verstand verloren.«

»Todd Murphy«, beschwor Wanda ihn eindringlich. »Was haben wir zu verlieren? Du gibst nichts auf und ich einen verhassten Job. Aber was können wir gewinnen, wenn der Alte recht hat!«

Todd Murphy bohrte die Fäuste in seine Hosentaschen.

»Wir reiten in der Gegend herum und machen uns zu Narren, und ganz Moody Creek wird über uns lachen. Aber so weit wird es sicher nicht kommen. Bestimmt ist der alte Schnorrer nur auf ein kostenloses Frühstück aus.«

Ärgerlicher Trotz brachte ein hartes Blau in Wandas Augen.

»Na schön, wenn du Angst davor hast, dich lächerlich zu machen, dann werde ich es eben allein versuchen. Ich habe ein paar Dollar gespart. Und wenn das für eine Ausrüstung nicht reicht, dann finde ich vielleicht noch einen anderen.«

»Wen denn?« fragte Todd spöttisch.

»Roul Romero zum Beispiel.«

»Natürlich«, fuhr Todd hoch. »Dieser verdammte Mexikaner, der dir immer nachstarrt, als wärst du eine Kuh mit zwei Köpfen. Den könntest du vielleicht um den Finger wickeln. Aber Romero steht unmittelbar vor der Pleite. Das solltest du wissen.«

»Dann hat er ja auch nicht viel zu verlieren«, beharrte Wanda eigensinnig.

»Und weshalb hat McDoyan das Gold nicht früher geholt, als er noch jünger war?« bohrte Todd weiter. »Die Geschichte, die er erzählt, ist doch schon uralt.«

»Frag ihn doch selbst. Er kommt gerade.«

Es gab ein kratzendes Geräusch, als Early McDovans Hand über die grauen Bartstoppeln wischte.

»Weil ich zehn Jahre lang im Gefängnis war, junger Mann«, erklärte er ein wenig widerwillig. »Ich hatte schon einmal ein paar Interessenten zusammen. Damals wollten wir ganz groß einsteigen und uns das Kapital dazu auf eine ganz clevere Art beschaffen. Wir haben es bei einer Bank einfach abgehoben, auf der wir natürlich kein Konto hatten. Das heißt, wir wollten es, aber die Sache ging schief. Zwei von uns wurden einfach erschossen. Einer entkam, ohne Geld natürlich, und ich fiel verwundet in die Hände der Gesetzeshüter. Zum Glück war auf der anderen Seite niemand erschossen worden, und so kam ich mit zehn Jahren davon.«

»Alles, was du anfängst, McDovan, scheint irgendwie in die Hose zu gehen, wie?« meinte Todd Murphy hämisch.

Die alten Augen richteten sich einen Moment fest auf ihn.

»Wenn du Angst hast, dass es diesmal wieder schiefgeht, brauchst du ja nicht mitzukommen. Ich für meine Person habe genug davon, anderer Leute Spucknäpfe sauberzumachen. Vom Rest meines Lebens möchte ich noch etwas mehr haben.«

»Ich habe keine Angst«, brauste Todd Murphy auf. »Ich glaube nur nicht an das Gold und diese Mine.«

»Es gibt eine ganz einfache Methode, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Denkst du etwa, ich mache mich aus lauter Tollerei dahin auf den Weg?« Der Alte schüttelte seinen grauen Kopf. »Nein, junger Mann, ich weiß, was mich dort erwartet. Und jeder, der daran teilhaben will, muss schon was riskieren.«

»Denk an deinen Vater«, mischte sich jetzt Wanda ein. »Er hat dich davongejagt und ist überzeugt, dass du es nie zu etwas bringen wirst …«

»Musst du jetzt davon anfangen!« fuhr Todd gereizt dazwischen.

»Ich kenne die Geschichte«, sagte McDovan beschwichtigend.

Wanda stellte gebratene Eier und Brot auf den Tisch.

»Stell dir vor, was er sagen wird, wenn du als reicher Mann zurückkommst.«

Todd Murphy starrte sie eine Weile an. Dieser Gedanke schien eine ganz neue Komponente in seine Überlegungen zu bringen. Die Vorstellung, die Wanda in ihm geweckt hatte, schien ihn mit sich und der Welt auszusöhnen.

»Dafür wäre es schon wert, was Verrücktes zu riskieren«, meinte er. Sein Blick kehrte zu McDovan zurück, und ein drohender Ausdruck schlich sich in seine dunklen Augen. »Aber wenn da kein Gold ist, wo du uns hinführst«, sein Zeigefinger richtete sich wie der Lauf eines Revolvers auf McDovan, »dann wirst du keinen schönen Tag mehr erleben.«

Wanda Rooney sah sich suchend auf dem heruntergekommenen Anwesen von Roul Romero um. Überall lag Gerumpel herum, das kaum noch zu gebrauchen war. Mit .Romeros Mietstall und Handelsstation' ging es unaufhaltsam bergab. Der Besitzer war so gut wie pleite.

Entschlossen ging die junge Frau auf das alte Adobehaus zu und klopfte gegen die Tür, die gleich darauf knurrend aufschwang.

Romero rieb sich verschlafen durch die Augen. Er machte einen ebenso verwahrlosten Eindruck wie sein Anwesen.

»Senorita Rooney«, sagte er etwas verlegen. »Ich hätte nie erwartet, dass Sie mich einmal besuchen.«

»Ich bin nicht gekommen, um Sie zu besuchen«, erwiderte Wanda kühler, als sie eigentlich beabsichtigte. Die Art und Weise, wie dieser Mexikaner sie ansah, machte sie nervös. Nicht, dass es ihr unangenehm war. Viele Männer sahen sie auf diese Weise an, und dieser Roul Romero war ein gutaussehender Bursche. Aber ihr Herz gehörte Todd Murphy, und sie wollte sich und anderen keine Schwierigkeiten machen.

»Nun …«, fuhr Romero fort und knetete den schmutzigen Lappen zwischen seinen Händen, »es ist schön, dass Sie hier sind, aus welchem Grund auch immer.«

Um allen eventuellen Spekulationen gleich entgegenzutreten, sagte Wanda direkt: »Ich brauche eine Schürfausrüstung und einige Mulis.«

Roul Romero starrte sie einen Moment an, ohne etwas zu sagen. Wanda wollte sich schon vergewissern, ob er sie verstanden hatte, als er schließlich herausbrachte: »Sie wollen eine…, habe ich Sie richtig verstanden? Eine Schürfausrüstung?«

»So ist es«, nickte Wanda bestimmt.

»Und was wollen Sie damit?«

»Nach Gold schürfen natürlich. Was sonst!«

Roul Romero zeigte ein verlegenes Lächeln.

»Oh, Sie sind dem alten McDovan auf den Leim gegangen. Am besten, Sie vergessen diese ganze Geschichte wieder.«

»Ich dachte, Sie vermieten Mulis und keine Ratschläge«, sagte Wanda reserviert.

»Nicht an ein so wahnwitziges Unternehmen. Ich würde diese Tiere wahrscheinlich nie wiedersehen.«

Wanda holte tief Atem, und ihre blauen Augen begannen zu funkeln.

»Sie können ja mitkommen und auf sie aufpassen«, schlug sie vor, und ihre Stimme bekam einen überheblichen Klang. »Ich habe dreihundert Dollar gespart. Das wird wohl reichen, um Sie und Ihre verdammten Mulis zu mieten.«

Romero blickte sie nachdenklich an.

»Warum wollen Sie sich auf so etwas einlassen, Senhorita?« fragte er, ohne beleidigt zu sein.

»Weil ich mein Leben verändern will. Wenn ich in diesem Kaff bleibe, weiß ich, dass ich in fünf Jahren noch immer nicht besser dran bin als heute.«

»Das ist immer noch besser als gar nichts«, hielt ihr Romero entgegen.

»Aber wenn wir das Gold finden …«

»Sie werden in diesen Bergen nichts finden, höchstens den Tod. Das ist doch nur das Gefasel eines Säufers. Keinen Cent würde ich darauf geben.«

»Kein Wunder, dass Sie schlechte Geschäfte machen, Mr. Romero«, sagte Wanda leicht verächtlich. »Ihnen fehlt der Mut zum Risiko.«

Romero nickte. Mit schmalen Lippen sagte er: »Kaufen Sie sich für Ihr Geld lieber schöne Kleider.«

Wanda stieß scharf die Luft durch ihre schöne Nase. Dann wandte sie sich wortlos ab und ließ den Mann stehen. Romero starrte hinter ihr her und schüttelte den Kopf. Dann warf er wütend den zusammengepressten Lappen auf den Boden.

»Senhorita!« rief er ihr nach.

Wanda blieb stehen. Ein siegessicheres Lächeln umspielte ihren Mund. Aber das konnte der Mexikaner nicht sehen.

»Senhorita« wiederholte er. »Ich möchte Sie nicht betrügen…« Er stockte. »Aber Sie haben recht. Ich kann es mir nicht leisten, Ihr Angebot auszuschlagen.«

Jetzt drehte Wanda sich zu ihm um.

»Die Hälfte gleich«, sagte sie fest. »Die andere Hälfte, wenn wir zurückkommen. Ob mit oder ohne Gold. Sind Sie einverstanden?«

Roul Romero nickte, aber ihm war nicht wohl dabei.

Todd Murphy zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gegen sein Pferd.

»Dein Partner ist noch immer nicht zur Stelle«, sagte er leicht aggressiv zu Wanda Rooney.

»Er wird schon kommen«, entgegnete sie unbeeindruckt.

»Wenn er nicht schon wieder betrunken ist.«

Wanda warf Todd Murphy einen verärgerten Blick zu. »Es ist früh am Morgen.«

»Kommt drauf an«, meinte Todd gedehnt und mit einem Seitenblick zu David Cox, der gleichmütig und schweigsam auf einem Stein hockte, »wie lange sich gestern Abend wieder jemand für seine Geschichten interessiert hat.«

Cox wandte den Kopf und schaute ruhig zu Todd Murphy hin.

»Falls das ein Seitenhieb auf mich sein soll, es wird niemand gezwungen mitzukommen. Ich jedenfalls habe noch nie in meinem Leben eine Chance bekommen, bei der ich so gut wie nichts einsetzen muss und alles gewinnen kann.«

»Ist das Leben nichts?« fragte Todd.

David Cox lächelte nachsichtig vor sich hin. »Das habe ich bisher immer einsetzen müssen, für viel weniger als jetzt. Es war stets das einzige, was ich zu bieten hatte.«

Cox trug die Kleidung eines Cowboys. Die Absätze seiner Stiefel waren schief abgelaufen, die langen Chaps an seinen Beinen waren abgeschabt und dünn und schlugen beim Laufen um seine Beine wie aufgeschlitzte Hosen. Seine Gestalt war hager und ohne jedes Fettpolster, und die schwieligen Hände erzählten von harter Arbeit.

»Und übrigens«, fuhr er fort, »ist dieser Mexikaner auch noch nicht da.«

»Dort kommt er«, verkündete Wanda mit einer flüchtigen Kopfbewegung in Richtung Stadt, wo ein Reiter gerade über die nächste Bodenwelle kam, der sechs Mulis hinter sich her zog, die mit

hölzernen Packsätteln beladen waren. Einige von ihnen trugen außerdem die Ausrüstung, die sie zum Schürfen benötigen würden.

Als der Mexikaner die kleine Gruppe erreichte, begrüßte er sie mit einem knappen Kopfnicken.

»Buenos Dias, Compadres«, sagte er und schaute in die Runde. »Eines der Mulis war recht bockig. Daher die Verspätung. Aber wenn der alte McDovan nicht kommt, haben wir uns alle wohl umsonst hier versammelt.«

Er blieb auf seinem Pferd sitzen, als rechnete er damit, gleich wieder heimreiten zu müssen.

»Er wird schon kommen«, wiederholte Wanda sich, leicht verärgert. Alle waren hier, aber keiner schien Early McDovan so recht zu trauen.

»Was will der denn hier?« fragte Todd Murphy und sah den Mexikaner dabei wenig freundlich an. »Ich dachte, du wolltest seine Maultiere mieten.«

»Ich habe ihn gleich dazu engagiert«, erklärte Wanda, der Murphys letzter Satz gegolten hatte. »So brauchen wir uns unterwegs nicht um die Mulis zu kümmern.«

»Wir können ebenso gut mit diesen Biestern fertig werden«, maulte Todd unwillig, aber Wanda funkelte ihn an.

»Es ist mein Geld, was ich investiert habe. Du hast nicht einen Cent dazu beigesteuert.« Sie blickte kurz auf David Cox, der immer noch auf seinem Stein saß. »Außerdem ist es gut, noch einen Mann mehr dabei zu haben, dem man trauen kann.«

»Woher willst du wissen, ob du dem trauen kannst?« fragte Todd hitzig.

»Da scheint der Alte zu kommen«, sagte David Cox in diesem Moment, erhob sich und rückte seinen Revolver zurecht, den er an der linken Seite und mit dem Griff schräg nach vorn trug.

Alle schauten gespannt in Richtung Moody Creek. Aber noch bevor ihn jemand über der Bodenwelle auftauchen sah, hörten alle bereits seinen grölenden Gesang. Dann erschien die Silhouette eines Reiters, der im Sattel hin und her schwankte und mit dem rechten Arm in der Luft herumruderte, als würde er ein ganzes Orchester dirigieren.

»Der alte Borracho ist wieder voll, wie 'ne ganze Horde Comanchen«, kommentierte Todd Murphy gereizt. Wanda blickte dem Alten mit schmalen Lippen und Zorn in den blauen Augen entgegen. Der einzige, der gelassen blieb, war David Cox. Er meinte: »Wir werden ziemliche Mühe haben, ihn auszunüchtern. Aber schließlich können wir nicht erwarten, dass uns das Gold nur so in den Schoss fällt.«

»Du glaubst an dieses Gold?« fragte Roul Romero beinahe mitleidig. »Sieh dir doch diesen Hombre an!«

»Wenn du es nicht glaubst, weshalb bist du dann überhaupt hier?«

Der Mexikaner lächelte siegessicher. »Ich bekomme dreihundert Dollar dafür, Senor. Das ist wahrscheinlich mehr, als ihr alle zusammen am Ende haben werdet.«

Early McDovan war inzwischen so weit herangekommen, dass der Gesang seiner schweren Zunge verständlicher wurde.

»Wir zwei sind Freunde, der Whisky und ich. Und so mögen die Leute den Whisky und mich …«

»Wir werden ihm gleich zeigen, wie sehr wir ihn mögen«, knurrte Todd Murphy. »Wahrscheinlich hat Romero recht. Selbst wenn es das Gold wirklich gibt, wird der alte Saufsack die Stelle niemals wiederfinden.«

»Es sei denn, er hat dort ein Fass Whisky versteckt«, meinte Romero.

McDovans Pferd warf schnaubend den Kopf hoch, als es die Witterung der fremden Tiere in die Nüstern bekam, und sein Reiter wäre dabei fast aus dem Sattel gefallen. Aber das schien ihn nicht sonderlich zu stören.

»Und droben im Himmel und hier auf der Welt«, lallte er weiter, »der Whisky ist immer das einzige was zählt …«

»Wir werden ihm gleich zeigen, was besser ist als Whisky.« Todd Murphy lief ihm entgegen und riss ihn vom Pferd.

»Los, Cox, hilf mir!« schnaubte er dabei. »Runter zum Bach mit ihm!«

»He, was soll das!« protestierte McDovan.

»Du hattest mir versprochen, unterwegs keinen Tropfen Alkohol zu trinken«, sagte Wanda zornig.

Die Augen des Alten suchten verunsichert nach ihr.

»Als ich den Whisky getrunken habe, war ich ja noch nicht unterwegs.«

Cox kam hinzu, und zusammen zerrten sie den Alten zum Ufer des nahen Moody Creek hinunter. Der Widerstand war nur gering und beschränkte sich mehr auf lautstarken Protest, der immer wieder durch die Fortsetzung seines Gesanges unterbrochen wurde.

»Was soll das, Freunde! … Wenn ich auch arm bin, das ist mir gleich …«

»Halt's Maul«, schnaufte David Cox. »Wir werden gleich sehen, ob das Wasser nicht stärker ist als dein verdammter Schnaps.«

» … denn habe ich Whisky, dann fühl' ich mich reich«, grölte McDovan unbeirrt weiter. Seine Füße konnten dem Tempo der beiden Männer nicht standhalten, und so wurde er auf den Creek zu geschleift.

»Und wenn ich mal sterbe, dann legt mich zur Ruh' … Verdammt, so schnell kann kein Mensch laufen! … Und gebt mir 'ne Flasche vom Besten dazu …«

»Jetzt bekommst du gleich was vom Besten«, verkündete Todd grimmig, und sie warfen den Alten, am Ufer angelangt, auf den Bauch.

»Wir zwei sind Freunde, der Whisky und ich …«, begann McDovan stur von vorn, so, als würde er nicht recht mitbekommen, was ihm bevorstand.

Cox und Todd Murphy drückten seinen Kopf in das Wasser. McDovan prustete und spuckte. » … den Whisky und …« Sein Gesicht rauschte abermals in den Bach. » … Den …, verdammt, das ist doch Wasser! Was, zum Teufel …«

Seine Stimme erstarb mit einem Blubbern, als er erneut in das nasse Element eintauchte.

Er begann zu strampeln und um sich zu schlagen, aber das half ihm nicht. Die derben Fäuste, die ihn festhielten, drückten seinen Kopf immer wieder unter Wasser, und jedes Mal noch länger, wie ihm schien.

Er bekam keine Luft mehr. Panik erfasste ihn und trieb den Alkoholnebel aus seinem Gehirn, wie kalter Wind den Rauch eines Feuers verweht. Ich ersaufe! dachte er entsetzt. Seine Füße stießen irgendwo ins Leere. Gott im Himmel!

Er tauchte wieder auf, riss den Mund auf und schnappte gierig nach Luft. Dabei drang ihm das Wasser, das er schon darin hatte, noch tiefer in den Hals. Er röchelte, hustete und erbrach sich in wilden Krämpfen. Die Fäuste der Männer hielten ihn unerbittlich fest.

»Los, kotz dich nur aus!« knurrte Todd Murphy mitleidlos. »Raus mit dem Zeug!«

Der Alte hing leblos in ihrem eisernen Griff. Speichel troff in langen Fäden von Lippen und Nase.

»Los, wieder runter!« fauchte Todd Murphy und stieß den Kopf des Alten nochmals ins Wasser. Aber Cox zog ihn rasch wieder heraus.

»Jetzt ist's genug, sonst ertränken wir ihn noch.«

McDovans Husten ging in ein erschöpftes Röcheln über, als sie ihn vom Ufer wegzogen und auf den Rücken legten. Er japste ein paarmal und öffnete dann die Augen.

»Whisky…«, schnaufte er matt, »gebt mir 'nen Whisky.«

David Cox schöpfte mit den hohlen Händen Wasser aus dem Bach und warf es McDovan ins Gesicht.

»Das ist das einzige, was du fortan bekommst, bis wir an Ort und Stelle sind.«

Der Alte hatte die Prozedur überstanden und erwies sich als erstaunlich zäh. Er führte sie zielstrebig durch das wilde Land, das sie ohne größere Zwischenfälle durchstreiften, bis sie nach Tagen am Gooseberry Creek ihr Lager aufschlugen.

Der Tag war noch nicht zu Ende, aber Wanda brauchte, wie sie sagte, dringend Erfrischung, und auch den Tieren würde etwas Ruhe nicht schaden. Während die Männer das Lager einrichteten, verschwand Wanda, um ein Bad zu nehmen.

Als sich Roul Romero beim Holzsammeln etwas vom Lager entfernte, fiel sein Blick plötzlich auf eine seichte Uferbucht. Aber das war es nicht, was seine Aufmerksamkeit erregte, sondern der weiße Körper der Frau, die darin badete.

Er blieb stehen und starrte zu ihr hinab. Die Entfernung betrug etwa fünfzig Meter, und er konnte die Formen ihres schönen Körpers recht gut erkennen. Doch er ging nicht näher heran, auch wenn das Verlangen ihn dazu trieb.

Wanda Rooney war eine Frau, die nur mit einem Auge zwinkern brauchte, wenn sie einen Mann wollte. Aber ihm hatte sie niemals zugezwinkert, und so blieb er lieber, wo er war, und begnügte sich mit ihrem Anblick.

Als er zum Lager zurückkehrte, war McDovan bereits dabei, ein Feuer anzuzünden. Auch David Cox war da. Todd Murphy kam gerade vom Geröllhang herunter, der sich weiter hinten über das übrige Gelände erhob.

»Bist du der Koch?« wollte Romero wissen.

Der Alte hob den Kopf.

»Die Senhorita wird noch 'ne Weile mit ihrem Bad beschäftigt sein«, fuhr Romero fort.

»Von mir aus«, meinte McDovan gleichgültig. »Habe schon oft genug kochen müssen.«

Todd Murphy kam heran, warf einen Armvoll Holz neben das Feuer, und in seinen Augen funkelte es dabei böse. Wortlos ging er zu Romero, riss ihn an der Schulter herum und verpasste ihm einen Faustschlag ans Kinn. Romero, der völlig unvorbereitet war, stolperte und fiel zu Boden. Seine rechte Hand fuhr zum Revolver an seiner Hüfte, aber McDovan war bereits zwischen die beiden gefahren.

»Wenn du das noch mal machst, du verdammter mexikanischer Bastard, dann lege ich dich um!« zischte Todd Murphy wütend.

»Was soll das!« schnaufte McDovan. »Fängt das jetzt schon an?«

»Geh aus dem Weg, Alter!« Murphys Hand lag ebenfalls auf dem Griff seiner Waffe. »Der Bursche will sein Eisen ziehen. Ich bin bereit. Sachen dieser Art soll man nicht aufschieben.«

Roul Romero wischte sich mit dem Handrücken das Blut von den Lippen und stand langsam auf.

»Willst du nicht endlich erklären, was das zu bedeuten hat?« forderte McDovan Murphy auf, dessen Augen den Mexikaner noch immer voller Hass anfunkelten.

»Er weiß schon, was ich meine. Der geile Hund hat Wanda heimlich beim Baden beobachtet.«

»Das war reiner Zufall«, verteidigte sich Romero.

»Halt dich in Zukunft von ihr fern!«

»Du hast mir gar nichts zu befehlen!«

»Ich bin hier der Boss«, fauchte Murphy, »und wenn dir das nicht passt, dann kannst du verschwinden. Von mir aus mitsamt deinen dämlichen Mulis!«

»Darüber haben wir wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden«, sagte David Cox ruhig, aber bestimmt. Er stand in lässiger Haltung da und hatte die Daumen hinter den Revolvergurt gehakt. Trotzdem strömte er den Hauch von Gefahr aus.

»Um das ein für allemal klarzustellen«, sagte Romero aufreizend. »Ich arbeite für Senhorita Wanda. Nur sie hat zu entscheiden, ob ich gehen soll. Nicht dieser Senorito.«

»Was ist denn in euch gefahren!« sagte Wanda vorwurfsvoll, die in diesem Moment dazu kam. »Kann man euch nicht einen Moment allein lassen?«

»Ich gehe noch etwas Holz sammeln«, verkündete Romero, der die Situation nicht noch weiter zuspitzen wollte. »Die Nacht wird kühl.«

»Es gibt nichts mehr zu beobachten«, rief Todd Murphy ihm gehässig nach. Romero blieb stehen und drehte sich halb um. Für einen Moment bohrten sich die Blicke der beiden Männer ineinander, dann ging Romero einfach weiter.

Murphy verfolgte ihn noch ein Stück weit mit seinen Augen, dann wandte er sich an McDovan.

»Du bist doch viel herumgekommen und verstehst sicher etwas auf Spanisch. Was meinte er damit, als er mich Senorito nannte?«

Der Alte grinste vor sich hin.

»Bedeutet soviel wie Muttersöhnchen.«

Murphy holte tief Luft und wollte augenblicklich hinter Romero her. Doch McDovan hielt ihn am Ärmel fest.

»Bleib hier und setz dich hin.«

»Dieser Hund!« keuchte Murphy.

»Du hast ihn schließlich ohne triftigen Grund zu Boden geschlagen.«

»Wenn das kein Grund ist …«

»Nein. Wir werden noch genug Ärger bekommen, auch ohne eure Kindereien.«

»Was für Ärger?« meldete sich Wanda.

Der Alte schaute von einem zum anderen.

»Wisst ihr, ich habe das öfter erlebt. Mit dem Gold ist das wie mit Alkohol. Wenn man einmal damit anfängt, dann geht es ins Blut, und man will immer mehr. Und die Gier ist eine schlimme Krankheit. Sie wird euch befallen, jeden einzelnen von euch.«

»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Wanda entschieden. »Wir sind zivilisierte Menschen. Wir werden gerecht teilen, und es gibt keinen Grund für irgendwelche Streitigkeiten.« Wanda legte Murphy versöhnlich die Hand auf die Schulter. »Und du solltest versuchen, mit ihm auszukommen. Wir brauchen die Mulis.«

»Ich mag nicht, wie er dich ansieht – so … so gierig«, beharrte Murphy eigensinnig.

Wanda lächelte spöttisch.

»Glaubst du etwa, du hast ein Besitzrecht auf mich?« fragte sie.

»Bisher hast du das nie in Zweifel gezogen.«

Murphy legte seinen Arm um Wanda und zog sie zu sich heran.

»Sie hat recht«, bestätigte McDovan aus dem Hintergrund. »Du solltest dich besser unter Kontrolle haben. Gold und Eifersucht, das ist eine gefährliche Mischung.«

Der Morgen zog blass und grau über die Hügel, als Wanda Rooney sich aus ihrer Decke schälte und zum Fluss ging. Dort saß Roul Romero bereits und rauchte.

»Sie gehören wohl zu den Frühaufstehern?« fragte Wanda.

Romero drückte den Rest seiner dünnen schwarzen Zigarre mit dem Daumen in die Erde.

»Ich konnte nicht schlafen. Es war ein Fehler, dass ich mich auf dieses Unternehmen eingelassen habe. Es wird nicht gut ausgehen.«

»Wir brauchen Sie und Ihre Mulis.«

»Ich weiß. Ich habe es nur Ihretwegen getan.«

»Nicht wegen der dreihundert Dollar?«

»Ich will nicht um jeden Preis reich werden, so wie Sie.«

»Werfen Sie mir vor, dass ich versuche, mir meine Träume zu erfüllen? Haben Sie keine Träume?«

Romero erhob sich und schaute ihr fest in die Augen. Ihr wurde unbehaglich unter diesem fordernden Blick.

»Ich habe nur einen Traum, Senhorita, aber jemand steht mir dabei im Wege.«

Wanda ließ den Mann stehen und ging schnurstracks zum Lager zurück. McDovan erhob sich gerade und weckte die anderen.

»Es wird Tag, Leute, und wir sind schließlich nicht zum Schlafen unterwegs.«

»Wie weit ist es eigentlich noch bis zu dieser Mine?« wollte Cox wissen, als sie zum Aufbruch rüsteten,

»Schwer zu sagen.« Der Alte zuckte mit den mageren Schultern. »Kommt drauf an, wie wir vorankommen. Zunächst müssen wir ein Stück nach Süden über die Owl Creek Mountains, dann das Wind-River-Tal hinauf und zum Gros Ventre River hinüber. Bis dahin haben wir kaum Schwierigkeiten zu befürchten. Treiben sich größtenteils nur Crows hier herum, und die verhalten sich meist friedlich. Auf der anderen Seite des Snake River hingegen kommen wir in das Gebiet der Flatheads. Und manchmal kommen auch Blackfeet so weit herunter. Da müssen wir dann die Augen offenhalten.«

»Für diesen Fall habe ich vorgesorgt«, erklärte Todd Murphy und zog eine nagelneue Winchester aus dem Sattelschuh. »Mit diesem Ding hier Bekanntschaft zu machen, dürfte ihnen wohl nicht gefallen. Habe ich meinem Alten abgeluchst.«

»Hast sie ihm geklaut, wie?« fragte Roul Romero provokativ. »Genau wie die Rinder damals.«

Todd Murphys Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Sein wilder Blick sprang zu dem Mexikaner hin, und die Mündung des Gewehres, das er in den Händen hielt, folgte mit einem kurzen, energischen Ruck.

»Ich blase dir den Kopf von den Schultern, du verdammter mexikanischer Hundesohn, wenn du noch einmal dein dreckiges Maul aufmachst, außer um Luft zu holen!«

Wanda stellte sich rasch und mit zornfunkelnden Augen dazwischen.

»Ich hatte euch eigentlich beide für erwachsen genug gehalten, um bei so etwas mitzumachen. Aber es sieht aus, als hätte ich mich geirrt.«

»Wie viel muss ich mir von diesem verdammten Schlangenfresser noch gefallen lassen?« protestierte Murphy. »Erst macht er sich an dich ran, und dann beleidigt er mich. Geh aus dem Weg, damit ich ihm das Maul stopfen kann!«

»Er hat sich nicht an mich herangemacht«, stellte Wanda richtig. »Und du bist auch nicht zimperlich mit deinen Redensarten. Du hast keinen Grund, so zu reagieren.«

»Dass du dich so für ihn einsetzt, zeigt mir, dass seine Bemühungen bereits auf fruchtbaren Boden fallen.«

Wanda wandte sich von Todd Murphy ab, ohne auf diesen Vorwurf einzugehen, und sagte ebenso verweisend zu Romero: »Und Sie, Mr. Romero, haben kein Recht, ihm Dinge aus seiner Vergangenheit vorzuwerfen, die längst erledigt sind.«

Romero hob beschwichtigend die Hände.

»Bueno«, sagte er, »schon gut. Ich muss ja nachher nicht mit einem Mann wie ihm teilen.«

Wandas Lippen wurden schmal, als sie warnend fortfuhr: »Wenn Sie so weitermachen, dann werden wir bald ohne Sie sein. Denn ich habe keine Lust, mich dauernd zwischen euch beide zu stellen.«

»Sie brauchen sich nicht vor mich zu stellen, Senhorita. Ich kann selbst für mich sorgen.«

»Geh aus dem Weg!« forderte Todd Murphy Wanda erneut auf und fuchtelte nervös mit der Waffe. »Will mal sehen, wie er das mit 'nem Stück Blei im Bauch noch tun will.«

»Heb dir dein Blei lieber für andere auf«, fiel David Cox in diesem Moment dazwischen. »Ihr lockt mit eurem Zirkus schon Zuschauer an.«

Die Köpfe der anderen ruckten zu dem Sprecher herum. McDovans kleine Augen suchten wieselflink das umliegende Terrain ab. Dann hatten sie den einzelnen Reiter erspäht, der auf einem Hügel weit jenseits des Flusses hielt; eine dunkle Silhouette, die sich nicht bewegte.

»Ist es ein Crow?« wollte David Cox wissen.

McDovan kniff die Augen etwas zusammen.

»Weiß nicht. Ist zu weit weg.«

»Ist doch nur einer«, meinte Murphy wegwerfend und wollte sich wieder dem Mexikaner zuwenden.

»Ein Späher«, erklärte McDovan knapp. »Und dass er sich so offen zeigt, bedeutet, dass noch genügend andere in der Nähe sind, um sich uns gegenüber sicher zu fühlen.«

»Vielleicht verfolgt er keine kriegerischen Absichten«, hielt David Cox dagegen.

»Dann würde er sich auch nicht sehen lassen. Dahinter steckt irgendeine Absicht. Aber möglicherweise will er uns nur nervös machen. Immerhin hält er sich wohlweislich außerhalb der Reichweite unserer Gewehre. Auf alle Fälle sollten wir uns nicht einschüchtern lassen.« Der Alte blickte prüfend in die Runde. »Oder will jemand umkehren?«

»Wegen eines Indianers?« schnaufte Todd Murphy verächtlich. »Dem werde ich gleich mal zeigen, woran er mit uns ist.«

Er riss sein Gewehr hoch, doch McDovan legte seine Hand auf den Lauf und drückte ihn wieder nach unten.

»Das ist auch für dein Wundergewehr zu weit. Und außerdem schießt man nicht einfach auf jemand, über dessen Absichten man noch nichts weiß, junger Mann.«

Murphy riss das Gewehr zur Seite.

»Ich brauche keine Belehrungen von einem alten Säufer«, entgegnete er heftig.

Die Augen des Alten musterten ihn ruhig und ohne Furcht.

»Du musst dich wohl mit jedem anlegen, wie? Du hättest es natürlich leicht mit einem alten Mann wie mir. Doch was würde dir das wohl einbringen. Du könntest wieder umkehren.«

»Wer sagt dir, dass das nicht vernünftiger wäre, als nach etwas zu suchen, was es vielleicht gar nicht gibt.«

»Ich«, sagte David Cox mit fester Stimme. »Und mit mir hast du es nicht so leicht. Ich lasse mir diese Chance von dir nicht kaputtmachen.«

Einen Moment lang wurde Todd Murphy unsicher, weil er mit der Einmischung von David Cox nicht gerechnet hatte. Dann aber sagte er trotzig: »An einem Stück Blei aus diesem Ding hier stirbst du wie jeder andere.«

Cox nickte einige Male zustimmend. Er wirkte völlig ruhig, doch seine Rechte befand sich dicht neben dem Griff seiner Waffe.

»Das stimmt«, sagte er. »Nur ist die Frage zu stellen, ob du in der Lage bist, mir eine Kugel zu verpassen. Auf Friedhöfen findest du jedenfalls 'ne Menge Leute, die sich bei so was überschätzt haben.«

»Hört endlich auf damit!« schrie Wanda die beiden an. »Ihr benehmt euch wie Straßenlümmel, die beweisen wollen, wer der Stärkere ist.«

Niemand achtete auf sie. Cox hielt seine Augen fest und unverwandt auf Murphy gerichtet. Der wurde von der überlegenen Haltung des Cowboys verunsichert. Sein Blick wanderte von ihm zu der fernen Gestalt des Indianers hin, der noch immer an der gleichen Stelle verharrte. Dann stieß er plötzlich mit einer ärgerlichen Geste sein Gewehr in den Scabbard zurück.

»Also gut, machen wir weiter.«

Der indianische Reiter verschwand, nachdem sie sich in Marsch gesetzt hatten und er die Richtung ausmachen konnte, die sie einschlugen. An diesem Tag sahen sie ihn erst wieder, als sie den Owl Creek erreicht hatten, der mit zahlreichen Stromschnellen und Untiefen aus den Absaroka-Bergen herunterkam.

Sie schickten sich gerade an, nach einer günstigen Stelle für eine Überquerung zu suchen, als Romero zu den Berghängen hinaufdeutete, die sich schräg vor ihnen jenseits des Wasserlaufes emporhoben.

»Da ist er wieder.«

Es war fast das gleiche Bild wie am frühen Morgen. Und die gleiche Entfernung.

»Verdammt, was will der Kerl?« fauchte Todd Murphy nervös. Er riss sich den Hut vom Kopf und winkte damit zu der einsamen Reitergestalt hinauf. »Komm herunter!« brüllte er. »Komm, verdammt noch mal, und sag uns, was du willst!«

Der Reiter auf dem Bergrücken rührte sich nicht.

Murphy schaute die anderen an, die ihre Pferde angehalten hatten.

»Warum, zum Teufel, versuchen wir nicht, ihn zu erwischen?« schnaufte er.

»Weil wir in dieses Land gekommen sind, um Gold zu schürfen, nicht um Indianer zu jagen«, klärte McDovan ihn in aller Ruhe auf. »Und es würde unser Vorhaben ganz gewiss nicht leichter machen.«

»Warum kommt er nicht einfach her und fragt uns, was wir vorhaben?«

»Weil er uns wohl ebenso misstraut wie wir ihm. Also los, weiter!«

Sie setzten sich wieder in Bewegung, und Romero dirigierte seine Mulis den schmalen Uferpfad entlang, als plötzlich Wandas spitzer Schrei das Stampfen und Scharren der Hufe übertönte.

Ihr Pferd war mit dem einen Hinterhuf über den Rand des Pfades geraten und arbeitete sich mit heftigen Bewegungen wieder auf sicheren Grund. Wanda, für die die Panikreaktion ihres Pferdes völlig unerwartet gekommen war, stürzte dabei aus dem Sattel und platschte zwei Meter weiter unten in die rasch vorbeiströmenden Fluten des Owl Creek, die sie mit sich fort rissen. Sie versuchte verzweifelt, irgendwo Halt zu finden, und rief laut um Hilfe. Die starke Strömung riss sie zeitweise unter Wasser.

»Gott im Himmel!« entfuhr es Murphy. Seine Hand griff nach dem Lasso, das am Sattelknauf hing. McDovan war bereits aus dem Sattel, warf Hut und Jacke auf den Boden und sprang ohne zu zögern in den Fluss. Er konnte das Mädchen irgendwo an der Kleidung erwischen, doch es gelang auch ihm nicht, der Strömung zu widerstehen. Er versuchte, Wandas Kopf über Wasser zu halten, deren Kräfte bereits erlahmten.

»Wirf das Lasso herunter!« keuchte der Alte.

Murphy trieb seinen Braunen vorwärts, um gleiche Höhe mit den beiden zu halten, und warf die Leine hinab. Doch der Alte griff daneben, und schon waren sie vorbei. Murphy fluchte und holte die Leine wieder ein.

Cox, der am weitesten vorn ritt, warf sein Lasso vor den beiden in den Fluss. McDovan gelang es diesmal, das Seil zu packen.

»Los«, japste er, »beeilt euch! Ich kann sie nicht mehr lange halten.«

Murphy warf jetzt sein Lasso wieder hinunter.

»Halt dich daran fest, Wanda!« schrie er. Das Mädchen schnappte danach und hielt sich mit letzter Kraft daran fest. Langsam zog Murphy an.

»Lass ja nicht los!« brüllte er.

Romero kam zu Hilfe, und zusammen zogen sie Hand über Hand das Seil zurück. Wanda hatte das Lasso um sich herumgeschlungen und hielt beide Enden vor sich zusammen. David Cox zog McDovan heraus. Beide blieben zunächst nach Atem ringend auf dem Boden liegen.

»Da sind wir wohl gerade noch mal davongekommen«, keuchte der Alte.

»Daran bist nur du schuld!« schnauzte Todd Murphy ihn an. »Du hast sie mit deinem Gefasel von Gold hierher gelockt. Und um ein Haar hätte dein Geschwätz sie das Leben gekostet.«

»Niemand hat sie überreden müssen«, verteidigte sich McDovan schweratmend. Das Wasser lief ihm aus dem schütteren Haar übers Gesicht. »Du willst doch auch das Gold.«

Murphy kam noch näher heran und schaute böse auf McDovan herab. »Und wenn es keins gibt, dann kommst du nicht mehr lebend zurück, alter Mann!«

Sie zogen das Wind-River-Tal hinauf und über die Wasserscheide zum Gros Ventre, dessen Lauf sie bis zum Snake River folgten. Eine Woche waren sie schon unterwegs, und es schien so, als würde ihre Reise noch lange kein Ende nehmen. Die Stimmung wurde immer gereizter.

»Bei allen Teufeln!« schnaufte Romero, als sie an diesem Tag ihr Lager bezogen. »Ich habe nicht gedacht, dass du uns bis zum Pazifik führen willst, Und das alles für dreihundert Dollars. Madre de Dios!«

Todd Murphy spuckte in den Sand, und auch sein Blick richtete sich nicht gerade freundlich auf McDovan.

»Ich gebe diesem räudigen Mexikaner nicht gerne recht«, sagte er mit kratziger Stimme. »Aber so langsam glaube ich, du weißt selbst nicht, wohin du eigentlich willst. Du hast gesagt, vom Snake River wäre es noch etwa eine Tagesreise, und jetzt ziehen wir schon mehr als einen Tag lang an diesem verdammten Fluss entlang.«

Der Alte räusperte sich. Er sah müde aus.

»Von da an, wo wir den Snake verlassen«, erklärte er und schwieg, schien nachzudenken, zuckte dann mit den Schultern. »Kann auch etwas mehr sein. So genau weiß ich das nicht mehr nach all diesen Jahren.«

»Mir scheint, du weißt überhaupt nicht mehr viel«, sagte Murphy drohend.

Der Alte machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Genug, um hinzufinden. Ein Stück durch die Snake River Plains. Ziemlich öde Gegend, wo die Flüsse aus Norden und Westen einfach versickern wie in einem trockenen Schwamm. Flatheads und Blackfeet treiben sich dort herum.« Er schniefte durch die Nase. »Ja, und im Norden über den Moneda-Paß, und von da sehen wir schon den Hogback Mountain, Freunde. So einfach ist das.«

»Ich hoffe nur, dass an der Story mit dem Gold etwas dran ist«, sagte David Cox langsam, aber mit einem harten Klang in der Stimme.

»Glaubst du vielleicht, ich ziehe mit euch nur so aus lauter Spaß hier herum«, entrüstete sich der Alte.

»Für diese Art von Spaß hätte ich auch kein Verständnis«, entgegnete Cox nur. Damit war das Thema für ihn abgehakt.

»Ihr werdet schon sehen.« Die Augen des alten Mannes leuchteten begeistert auf. »Gold im Überfluss. Wir werden alle reich. Jeder einzelne von uns.«

Die Euphorie schien plötzlich zu versiegen, und McDovans Gesicht wurde ernst, ja fast besorgt, als er fortfuhr: »Keiner braucht dem anderen etwas zu missgönnen.«

»Das tun wir auch nicht«, beteuerte Wanda sofort. »Wir werden alles gerecht verteilen.«

Der Alte sagte fast väterlich: »Das sind gute Vorsätze, mein Kind. Hoffentlich bleiben sie recht lange erhalten.« Sein Blick schweifte in die Ferne, die allmählich in der hereinbrechenden Dämmerung verschwamm. »Ich werde mir von meinem Anteil einen Saloon kaufen. Dann laufe ich nur noch in weißen Hemden herum und rauche feine Zigarren, und meinen Whisky lasse ich mir eigens aus Schottland kommen. Und ich werde nie mehr einen Spucknapf oder Besen anfassen. Ja, Freunde, das alles kann sich der alte Early McDovan dann leisten, und noch vieles mehr.«

Wanda legte den Kopf zurück und sah Todd Murphy von der Seite her an.

»Wir werden erst einmal nach San Franzisco reisen, nicht wahr, Todd, und im feinsten Hotel wohnen. Und dann werden wir uns nach einem geeigneten Haus umschauen. Und ich werde mir ein Klavier anschaffen. Ich wollte schon als Kind ein Klavier haben.«

David Cox schwieg. Er starrte nur in die Flammen des kleinen Feuers, die sich flackernd in seinen Augen spiegelten, und er gab nichts preis von den Plänen, die er hatte. Nur Roul Romero sagte nüchtern in die Stille: »Ich spekuliere auf die hundertfünzig Dollar, die ich noch von euch zu bekommen habe. Und ich glaube, das wird mehr sein, als ihr alle am Ende haben werdet.«

Der Aufstieg zum Moneda-Paß in sechseinhalbtausend Fuß Höhe erwies sich als beschwerlich. Jedoch nach der öden Weite der Snake River Plains beflügelten die hohen Berge die Fantasie der Reiter. Gaben sie ihnen doch die Zuversicht, ihrem Ziel langsam nahe zu kommen.

Oben auf der Passhöhe wies McDovan mit der Hand nach vorn zu den Bergmassiven, die erhaben und majestätisch vor ihren Augen lagen, vom Dunst der Ferne umkrönt.

»Da drüben, das ist der Hogback. Und da unten, da irgendwo am Fuß seiner Südflanke, da liegt die Mine, hinter diesen dunklen Waldstreifen. Mein Gott, ist das ein Anblick! Wir sind beinahe schon da, Freunde. Morgen schon können wir mit der Arbeit beginnen.«

»Na, dann viel Spaß«, meinte Roul Romero, ohne die Begeisterung des alten Mannes auch nur im geringsten zu teilen. »Wird 'ne verdammte Schinderei werden. Knochenarbeit, sage ich euch. Es gibt hier weit und breit kein Reduzierwerk, wo ihr das Gestein zerkleinern lassen könnt. Das müsst ihr selbst tun, mit Vorschlaghämmern, um das Erz herauszubekommen.«

McDovan warf dem Mexikaner einen schnellen Blick zu.

»Verstehst was davon, wie?«

»Ein wenig.«

»Was heißt hier, ihr müsst…?« begehrte Murphy auf. »Ich denke, dass wir das zusammen erledigen.«

Romero schenkte ihm ein mildes Lächeln.

»Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich für dreihundert Dollar auch noch in der Mine arbeite, Amigo. Mein Job ist es, das Gold zu transportieren, falls es welches gibt, nicht aber, es aus dem Berg zu holen.«

»Du hast da vielleicht 'nen faulen Hund engagiert«, fauchte Murphy zu Wanda gewandt.

»Es ist ja nicht seine Mine«, gab sie knapp zurück. »Du warst es doch, der meinte, wir brauchten ihn nicht.«

»Es ist 'ne Ader im Berg«, erklärte McDovan und löste damit die aufkommende Spannung ein wenig. »Da kommen wir ziemlich gut ran. Also redet euch deswegen nicht die Köpfe heiß.«

Erst gegen Abend des nächsten Tages erreichten sie ihr Ziel. Innerhalb von fünfzehn Jahren verändert sich die Vegetation eines Landes, und McDovan musste mehrere Stunden lang nach dem richtigen Platz suchen, ehe er ihn gefunden hatte. Der Eingang zur Mine war von Gestrüpp überwuchert, das erst entfernt werden musste. Der Stollen war teilweise eingebrochen, und die noch vorhandenen Stempel morsch und brüchig. Von etwaigen Goldvorkommen war zunächst nichts zu entdecken. Aber die Euphorie des alten Mannes steckte die anderen an.

»Jetzt werden wir alle reich, Männer«, versicherte er gutgelaunt. »Und wenn ich erst meinen Saloon habe, dann besucht ihr mich mal. Das müsst ihr mir versprechen. Selbstverständlich gehen eure Drinks auf Kosten des Hauses.«

»Wie soll er denn heißen, dein Saloon?« wollte Cox wissen.

Der Alte schien einen Moment nachzudenken.

»Ich werde ihn Gold Claim Saloon nennen. Ja, das klingt nicht schlecht.«

»Ich komme ganz bestimmt«, grinste Romero. »Da ich ja nicht reich werde, locken mich die freien Drinks.«

»So viel du vertragen kannst«, prahlte McDovan in Spendierlaune.

Als erstes mussten sie für die Nacht sorgen. Sie stellten die beiden mitgebrachten Zelte auf. Das eine bewohnten Murphy und Wanda, während die übrigen drei Männer in dem zweiten Zelt schliefen.

Am Morgen wurde zuerst der Eingang zum Stollen freigelegt und das meiste des Gerölls aus ihm entfernt und die gebrochenen und morschen Stützbalken erneuert. Dann wurden weitere Bäume gefällt, um daraus eine hölzerne Wasserrinne zu bauen, die vom nahen Bach das Wasser heranführen sollte, mit dessen Hilfe das goldhaltige Geröll hangabwärts gespült werden sollte, um die Goldteilchen herauszuwaschen. Die Männer arbeiteten hart, und auch Wanda packte mit an. Nur Romero hielt sich weitestgehend heraus und übernahm es, die Umgebung ihres Aufenthaltsortes zu sondieren. Er entfernte sich jedoch nie mehr als eine halbe Meile vom Lager.

Als er einmal bis zur Talsohle hinab kam, bemerkte er plötzlich am jenseitigen Hang, dort wo der Baumwuchs wieder begann, einen einzelnen Indianer. Er saß auf einem scheckigen Pferd und hatte zum Schutz gegen die Abendkühle eine dunkelrote Decke um seinen Oberkörper geschlungen, die vorn etwas offen war und mehrere Reihen bunter Perlenschnüre über der nackten Brust sehen ließ. In der deckenverhüllten Armbeuge lag ein Gewehr, und der Reiter schaute stumm zur Mine hinüber.

Roul Romero war nahe genug, um den Indianer mit einem gezielten Schuss zu erwischen. Doch er wusste nicht, ob sich noch weitere von ihnen im Wald befanden. Außerdem wollte nicht er es sein, der irgendwelche Feindseligkeiten eröffnete.

Als der Rote ihn gewahrte, zog er ohne Hast seinen Pinto herum und ritt gemächlich durch den lichten Baumbestand.

Romero kehrte unverzüglich zur Mine zurück und alarmierte die anderen. Gemeinsam suchten sie die Gegend nach Spuren ab, und es stellte sich heraus, dass drüben im Wald noch zwei weitere Reiter gewartet hatten, die zusammen mit dem ersten weggeritten waren.

Plötzlich blieb David Cox, der voranging, stehen und drehte sich zu den anderen um.

»Seht mal da«, sagte er und deutete nach vorn.

Mehrere hölzerne Gestelle wurden sichtbar, die oben Plattformen trugen, an denen indianische Waffen, federgeschmückte Gegenstände und die blanken Schädel von Tieren hingen.

»Was ist das?« fragte Wanda und zog unbehaglich die Schultern hoch.

»Ein Indianerfriedhof«, erklärte McDovan.

Cox nickte bestätigend. »Dachte mir doch gleich, dass irgendein Haken an der Sache ist. Deshalb bist du nicht allein zurückgegangen und hast deine Mine ausgebeutet. Du brauchtest jemand, der dir die Rothäute vom Leibe hält.«

»Bis jetzt haben sie sich noch nicht kriegerisch gezeigt«, wandte Wanda ein.

»Das werden sie aber«, beharrte Cox auf seinem Vorwurf. »Sie schätzen es nämlich überhaupt nicht, wenn jemand in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo sie ihre Toten bestatten, in der Erde herumwühlt. Die Erde ist ihnen allgemein heilig, und hier«, er wies mit der Hand auf die hölzernen Plattformen, »hier ganz besonders.«

»Wollen Sie deshalb vielleicht alles hinschmeißen?« fragte ihn Wanda herausfordernd.

»Natürlich nicht. Aber von jetzt an müssen wir die Augen offenhalten und unsere Waffen ständig in Reichweite.«

»Sind das Flatheads?« wollte Todd Murphy wissen.

McDovan nickte. »Damals jedenfalls waren es welche. Aber ich denke, es wird nicht so schlimm werden.«

»Wenn man deiner Geschichte glauben kann, haben seinerzeit alle ins Gras beißen müssen«, erinnerte David Cox ihn. »Alle, außer dir.«

Da es zu dunkeln begann, kehrten sie zum Lager zurück. Sie machten Feuer, und Wanda kochte die Bohnen, die sie am Morgen eingeweicht hatte.

»Glaubt mir«, versicherte McDovan, »die Rothäute haben heutzutage andere Sorgen, als sich mit uns anzulegen.«

Aber niemand wollte ihm das glauben. Alle hatten sie kein gutes Gefühl dabei und der Alte selber auch nicht.

Trotzdem holten sie in den folgenden Tagen eine Menge Gestein aus der Mine und schütteten es in die Wasserrinne. Die Ausbeute war überdurchschnittlich gut, und von Indianern war nichts zu sehen. Doch an die Ader, die McDovan

versprochen hatte, waren sie bis jetzt noch nicht herangekommen.

Am dritten Tag geschah es dann.

Sie kamen und pflanzten sich jenseits der Senke zwischen der Mine und dem Wald auf, etwa dreißig berittene Krieger mit bemalten Gesichtern und Federschmuck. Sogar ihre Ponys waren bemalt und geschmückt, als wollten sie damit eine Parade abhalten. Auf jeden Fall machten sie Eindruck, das musste Romero feststellen.

Er rannte zum Eingang der Mine und brüllte hinein: »Indianer! Sie kommen, um sich unsere Haare zu holen, Hombres!«

Die Indianer verharrten noch immer auf der gegenüberliegenden Seite. Romero hatte zusammen mit David Cox gleich am Tag nach der Entdeckung des Friedhofes alle Büsche beseitigt, die freie Sicht und freies Schussfeld störten. Auch die Bäume, die irgendwelchen Angreifern hätten Deckung geben können, waren von ihnen gefällt worden. Aus ihren Stämmen hatten sie eine Brustwehr gebaut, hinter der sie gute Deckung fanden.

Romero hörte die anderen hinter sich aus dem Stollen kommen, als er sich hinter ihrer Barrikade verschanzte und das Gewehr auf die Feinde richtete, die allerdings noch immer nicht zum Sturm ansetzten.

»Worauf, zum Teufel, warten die Halunken noch!?«

»Vielleicht hoffen sie darauf, dass wir vor ihnen Reißaus nehmen«, meinte McDovan.

»Sie haben euch doch schon mal massakriert«, schnauzte Todd Murphy nervös.

Der Alte schniefte durch die Nase. »Damals hatten wir nur Vorderlader, aber heute besitzen wir moderne Repetiergewehre. Sie aber haben noch immer diese alten Schießprügel. Ich sage euch, die werden sich nur blutige Köpfe holen.«

Ein Reiter mit einer Federhaube und einem Krummstab in der Hand, dessen Jagdhemd bunt und bemalt und mit Perlen und Hermelinbälgen verziert war, löste sich von den anderen und kam langsam, aber ohne Furcht näher. Etwa fünfzig Meter vor der Verteidigungslinie hielt er wieder an und hob die rechte Hand.

»Talking-to-his-Enemies will zu dem Häuptling der weißen Männer reden«, rief er in leidlichem Englisch.

»Der-mit-seinen-Feinden-redet«, brummte Todd Murphy. »Er will wohl seinem Namen Ehre machen. Nur, wer ist denn unser Häuptling?«

»Ich bin zumindest der Älteste«, sagte McDovan und erhob sich. Er begrüßte den Indianer mit einem flüchtigen Handzeichen. »Also, ich höre.«

»Die weißen Männer werden am Leben bleiben, wenn sie diesen heiligen Grund wieder verlassen.«

»Gut«, nickte McDovan listig, »wir werden ihn verlassen, sobald wir das gelbe Metall aus dem Berg geholt haben.«

Der Indianer saß wie eine Statue auf seinem scheckigen Pony. Weder an dem Pferd noch an ihm bewegte sich etwas.

»Die weißen Männer werden jetzt gleich gehen. Und sie werden kein gelbes Metall mitnehmen. Sonst kommen andere weiße Männer, die noch mehr suchen.«

»Den Teufel werden wir!« fauchte David Cox vor sich hin und spuckte einen Strahl Tabaksaft über die Brüstung.

»Hör mal zu, roter Mann«, sagte McDovan bestimmt. »Wir lassen eure Toten da drüben in Ruhe, und ihr lasst uns dafür in Ruhe. Wenn ihr versucht, uns von hier zu vertreiben, werdet ihr den Gebeinen eurer Väter da drüben bald Gesellschaft leisten. Unsere Medizin ist stärker als eure. Wir fürchten uns nicht vor euch.«

Kein Muskel zuckte im Gesicht des Häuptlings. Er zog ohne ein weiteres Wort sein Pferd herum und ritt zu den anderen zurück. Eine Weile redeten sie und gestikulierten dabei mit den Armen und ihren Waffen. Ein junger Krieger trieb sein Tier einige Längen aus der Reihe und drehte es unter wildem Geschrei und Drohgebärden einige Male im Kreis herum, als wollte er die anderen dadurch animieren. Und tatsächlich erzielte er damit eine gewisse Wirkung.

Das Geschrei der anderen wurde lauter. Die Erregung pflanzte sich fort.

Und dann brach der Angriff los. Sie trieben ihre Ponys scharf an und rasten wild schreiend auf die in der Deckung verharrenden weißen Männer los. Federn, Fransen und Haare flatterten im Wind, und die Reiter kamen erschreckend schnell heran.

Schon die erste Salve riss vier Pferde von den Beinen. Ihre Reiter verschwanden in dem Durcheinander der ungestümen Attacke. Und als sich das Feuer der Verteidiger unvermindert fortsetzte und Pferde sowie Reiter zu Boden riss, machte der anfängliche Kampfeseifer einem um sich greifenden Entsetzen Platz. Der Angriff brach zusammen, die Reiter schwenkten ab und suchten das Weite. Das Feuer der Verteidiger erstarb zögernd.

Es gab keinen weiteren Angriff. Jedenfalls nicht an diesem Tag.

»Meint ihr, sie sind weg?« fragte Romero nach einer Weile.

Todd Murphy stand hinter der Brustwehr auf und lehnte sein Gewehr gegen die Baumstämme.

»Was sonst. Sie haben gemerkt, dass sie uns nicht beikommen können.«

»Wir sollten wieder das tun, weshalb wir hergekommen sind«, schlug McDovan vor. »Je eher wir fertig werden, desto besser für uns.«

Alle, bis auf Roul Romero, verschwanden wieder in der dunklen Öffnung des Stollens. Der Mexikaner beobachtete aufmerksam den Waldsaum auf der anderen Seite. Ihm war alles andere als wohl dabei. Wenn die Rothäute es schafften, unbemerkt heranzukommen, wäre er der erste, den sie erwischten.

In dieser Nacht schliefen sie aus Sicherheitsgründen im Minenschacht. Nahe dem Eingang, wo der Rauch abziehen konnte, zündeten sie am Abend ein Feuer an. Einer von ihnen musste ständig draußen Wache halten. Es war zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass die Flatheads bei Nacht angreifen würden, aber sicher sein konnte man in dieser Situation nicht.

Wanda hatte die erste Wache an diesem Abend, gleich als Cox Feuer machte. Sie hatte darauf bestanden, die gleichen Pflichten wie alle anderen zu übernehmen.

Es war schon beinahe dunkel draußen und der Wald nur noch als schwarzes Etwas zu erkennen, als Romero zu ihr hinaus ging. Alles war ruhig. Eine einsame Eule strich als dunkler Schatten über dem Wald entlang. Sonst war keine Bewegung auszumachen.

Murphy folgte dem Mexikaner misstrauisch mit den Augen, während er einen Stoß Feuerholz von weiter hinten holte und neben dem Feuer platzierte. Er beobachtete, wie Romero von hinten dicht an Wanda herantrat. Weitere Einzelheiten vermochte er nicht mehr zu erkennen, da beide Gestalten in der immer dichter werdenden Dämmerung miteinander verschmolzen. Sein Blick und der Ausdruck seines Gesichtes, alles an ihm verhärtete sich, und er wollte gerade hinter Romero her, als sich McDovans Hand warnend auf seinen Arm legte und ihn zurückhielt.

»Bleib lieber hier. Der Ärger, den wir mit den Rothäuten haben, reicht im Moment.«

Todd Murphy wollte sich ärgerlich losreißen, doch die Hand des Alten hielt ihn wie eine Kralle fest.

»Und was können sie da schon anstellen?! Ein Mann macht sich leicht zum Narren, wenn er eifersüchtig ist.«

Roul Romero legte beide Hände vertraulich auf Wandas Schultern. Deren Haltung versteifte sich leicht, und sie sagte, ohne sich umzudrehen: »Lassen Sie das, Mr. Romero!«

Romero nahm die Hände weg, blieb aber so dicht hinter ihr stehen, dass er noch den Geruch ihres Haares einatmen konnte.

»Woher wussten Sie, dass ich es bin und nicht Ihr Senorito?«

Wanda fuhr mit einer harschen Bewegung herum. »Sie sollen ihn nicht so nennen! Und im übrigen beschränken sich unsere Beziehungen nur auf geschäftliche Dinge.«

Romero zog sich zwei Schritte von ihr zurück.

»Bueno«, sagte er beleidigt und setzte sich auf einen Steinbrocken dicht hinter der Brustwehr. »Bleiben wir also dabei.«

»Das war nicht persönlich gemeint«, schwächte Wanda ihre Zurechtweisung ab. »Aber wir haben genug andere Schwierigkeiten, ohne dass Sie Todd noch unnötig reizen müssen.«

»Er ist nicht der Richtige für Sie. Haben Sie das noch immer nicht bemerkt?«

»Das zu beurteilen steht Ihnen nicht zu, Mr. Romero.«

Der Mexikaner nickte. »Schon vergessen, Senhorita Wanda. Aber etwas anderes steht mir zu.«

»Und das wäre?«

»Ein Anteil an dem Gold.«

»Ausgeschlossen«, sagte Wanda entschieden. »Wir haben in Moody Creek klare Abmachungen getroffen.«

»In diesen Abmachungen war aber vom Kampf gegen Indios keine Rede, Senhorita. Die Sache wird mir zu gefährlich für lausige dreihundert Dollar.«

»Dann können wir über die Höhe der Summe reden, aber nicht über einen Anteil. Da werden die anderen nie zustimmen.«

»Ich bin nicht gierig. Ich verlange ja keinen großen Anteil. Sonst werde ich morgen mit meinen Mulis abziehen.«

Wanda kam einen Schritt näher, und Romero konnte das Funkeln ihrer Augen sogar in der Dunkelheit wahrnehmen.

»Hören Sie zu, Mister Romero! Ich bin nicht der Boss dieses Unternehmens, nur weil ich mein Geld hineingesteckt habe. Ich kann keine solchen Entscheidungen treffen. Aber ich würde Ihnen dringend raten, nicht in einem Hornissennest herumzustochern.«

Nach etwa einer Stunde ging Murphy Wanda ablösen. Er hatte, kein Wort gesagt, als Romero zurückgekommen war, aber seinem Gesicht war anzusehen, wie viel Selbstüberwindung es ihn kostete. Auch jetzt warf er Wanda nur einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß.

»Alles ruhig?« fragte er beiläufig, aber Wanda spürte die unheilvolle Spannung in seinem Innern.

»Ja«, nickte sie, »und ich hoffe, es bleibt so.«

Dann kam sie rasch seiner Frage zuvor: »Romero möchte an der Ausbeute der Mine beteiligt werden.«

»Der Kerl spinnt wohl!?« fuhr Murphy auf.

»Ich finde, er hat es verdient.«

Dieser Ausspruch von Wanda brachte ihn noch mehr in Wut.

»Ich werde ihm gleich eines aufs Maul hauen! Das hat er verdient!«

Wanda hielt Todd Murphy fest.

»Wir brauchen ihn, Todd«, sagte sie eindringlich. »Und wir können nicht verlangen, dass er für 300 Dollar gegen die Indianer kämpft und sein Leben riskiert.«

»Das ist dein Problem. Du hast ihn angeheuert.«

»Richtig. Und wenn er mit seinen Mulis aussteigt, dann können wir das Gold hierlassen.«

»Er kann von mir aus nach Hause reiten«, sagte Murphy kalt, »aber die Mulis bleiben hier!«

»Todd! Sie gehören ihm.«

»Wir könnten ihn ja beerben.«

Der Zynismus seiner Worte erschreckte Wanda. Noch nie hatte sie ihn so reden hören. Hatte die Gier nach den kleinen gelben Körnchen ihn so verändert, oder kam nur etwas von ihm zum Vorschein, was er all die Zeit geschickt verborgen hatte?

»Ich erkenne dich kaum noch wieder«, sagte sie leise.

»Du kannst von mir aus deinen Anteil mit ihm teilen«, schlug Murphy barsch vor. »Von meinem Gold bekommt er nicht eine Unze.«

»Ich dachte immer, wir gehören zusammen«, begehrte Wanda auf.

»Nicht, wenn du Romero mit reinnehmen willst. Ich durchschaue ihn. Er scharwenzelt so lange um dich herum, bis er dir den Kopf verdreht. Er will nicht nur das Gold, er will auch dich. Aber das einzige, was er am Ende bekommen wird, ist ein Stück Blei. Das kannst du ihm sagen, wenn er das nächste Mal an dir rumfummelt!«

»Mir scheint, du hast eine schmutzige Fantasie, Todd Murphy!« fauchte sie ihn bebend vor Zorn an, und Murphy gab ihr eine Ohrfeige, die ihren Kopf zur Seite warf.

Wandas Augen wurden groß, und sie starrte ihn im Licht des Mondes, der knapp über dem Wald stand, eine Sekunde lang ungläubig an. Dann drehte sie sich abrupt von ihm weg und lief ohne ein Wort zum Feuer und zu den anderen zurück.

Mit Tränen in den Augen raffte sie ihre Decke neben Todd Murphys Lager hoch und zog sich damit auf die andere Seite des Stolleneinganges zurück. Die anderen beobachteten sie dabei stumm.

Sie begegnete dem Blick von McDovans alten, wissenden Augen. Aber auch er sagte nichts. Worte konnten in gewissen Situationen wie Funken wirken, die in eine Pulverladung fallen.

Am anderen Tag stießen sie auf die Ader, von der McDovan gesprochen hatte. Sie zog sich armdick durch das Gestein, aber es war ihr mit Werkzeug, das sie besaßen, schwer beizukommen.

»Dazu brauchen wir Dynamit«, sagte David Cox und ließ keuchend die Spitzhacke sinken. »Mit Dynamit hätten wir sie binnen kurzem heraus. So aber schuften wir uns zu Tode.«

»Woher sollen wir Dynamit nehmen?« fragte Murphy gereizt.

»In Virginia City oder Bannack werden wir bestimmt welches bekommen«, sagte McDovan.

»Also reitet jemand dorthin und holt es«, schlug Cox vor.

»Hm.« Der Alte schob sich den Hut nach vorn und kratzte sich am Hinterkopf. »Die Sache hat nur einen Haken: Wir besitzen kein Geld, und ich möchte nicht dahinreiten und mit Gold bezahlen. Vor zehn Jahren noch, zur Zeit des Goldbooms in der Adlerschlucht, wären wir damit nicht aufgefallen. War damals allgemein üblich. Aber heutzutage würden wir damit Aufsehen erregen und hätten bestimmt 'ne Schar von Halsabschneidern auf den Fersen.«

Alle schauten ziemlich ratlos drein, bis Roul Romero sagte: »Ich habe die hundertfünfzig Dollar, die mir Senhorita Wanda als Vorschuss gegeben hat.«

McDovan fasste den Mexikaner kurz ins Auge, dann nickte er. »Gut, wir werden dir den Gegenwert in Gold dafür geben.«

Aber Romero schüttelte abwehrend den Kopf.

»Wenn ich mein Geld investiere, will ich einen Anteil an der Ausbeute. Genau wie alle anderen.«

»Kommt nicht in Frage!« schnauzte Todd Murphy sofort.

McDovan zuckte mit den Schultern und sagte an Romero gewandt: »Ich muss ihm recht geben. Du wärst gar nicht mitgekommen, wenn Miss Rooney dich nicht für Geld verpflichtet hätte. Du warst nicht bereit, das Risiko zu tragen wie die anderen, also kannst du jetzt auch nicht dabei sein.«

Wanda schaute ärgerlich von einem zum anderen. »Dann nehme ich an, dass ihr einen besseren Vorschlag habt.«

»Lieber zahlen wir mit Gold, als den mit reinzunehmen«, schnaufte Murphy gehässig. »Mit irgendwelchem Gesindel werden wir genauso fertig wie mit den Rothäuten.«

»Bueno«, sagte Romero, »ich kann euch nicht zwingen. Aber wenn zu den Flatheads auch noch Bandidos kommen, nehme ich meine Mulis und reite nach Hause. Für die Paar Dollar riskiere ich nicht mein Leben.«

Murphy hielt seinen Revolver auf den Mexikaner gerichtet.

»Du kannst von mir aus gleich verschwinden. Aber die Mulis bleiben hier.«

»Lass den Unsinn!« fuhr McDovan dazwischen. »Es ist so viel Gold vorhanden, dass wir uns nicht darum streiten müssen. Ich finde, dass wir uns unter diesen Umständen sein Angebot überlegen sollten.«

»Ich bin dafür«, stimmte Wanda zu, was Murphy noch wütender machte. Er steckte zwar seine Waffe wieder weg, aber in seinen Augen glitzerte es trotzig.

»Ihr könnt mit eurem Gold ja machen, was ihr wollt. Von meinem Anteil bekommt er nichts!«

Der alte McDovan musterte Murphy aus schmalen Augenschlitzen.

»Jetzt hör mir mal zu, mein junger Freund: Ich habe euch hierher gebracht, und ich entscheide, wer an der Ausbeute beteiligt wird. Und ich sage, es wird nur gleiche Anteile geben.«

Murphys drohender Blick richtete sich auf McDovan.

»Willst du mir Vorschriften machen, Alter?!«

David Cox mischte sich ruhig ein. »Ehe du dich in eine heikle Lage manövrierst, denke daran, dass wir hinter Early McDovan stehen.«

Murphys Augen bewegten sich rasch von einem zum anderen.

»So ist das?« murmelte er mit schmalen Lippen. »Dann könnt ihr ja auch gleich bestimmen, wer reitet und das Dynamit holt.«

»Du wirst reiten«, sagte der Alte. »Von dir wissen wir, dass du ganz bestimmt zurückkommst und nicht mit dem Geld verschwindest.«

»Falls die Roten ihn nicht erwischen«, gab Cox zu bedenken.

Murphy sah Romero an. »Wenn der hierbleibt, reite ich nicht weg.«

»Sei nicht kindisch«, wies Wanda ihn zurecht. McDovan musterte zuerst Romero und dann Todd Murphy. Dann schüttelte er den Kopf.

»Ihr beide könnt nicht zusammen reiten.«

»Dann muss es eben ein anderer tun«, schlug Murphy vor. »Zum Beispiel Romero. Er reitet, und ich bleibe hier.«

»Für einen allein ist der Ritt zu gefährlich«, meinte Wanda.

»Du hast ja 'ne Höllenangst um ihn«, fauchte Murphy sie an. »Als ich reiten sollte, hast du nichts gesagt.«

»Verdammt!« McDovan stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. »Ihr benehmt euch wie die Kinder!«

David Cox behielt als einziger die Ruhe.

»Es bleibt uns nichts weiter übrig, als alle zusammen zu reiten«, erklärte der hagere Cowboy. »Die Rothäute dürften nach den letzten Vorfällen nicht sehr gut auf uns zu sprechen sein. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sie uns belauern und nur auf eine Gelegenheit warten, einen von uns allein zu erwischen, oder auch zwei. Außerdem würden dann nur zwei von uns und die Lady hier zurückbleiben. Zu gefährlich, wenn die Rothäute es erneut versuchen sollten. Ich finde, unsere einzige Chance liegt darin, zusammenzubleiben und die Augen offenzuhalten.«

»Hm«, nickte McDovan, »hört sich einleuchtend an.«

Und sogar Murphy schien sich diesem Vorschlag nicht zu verschließen.

»Vielleicht glauben die Roten dann, wir würden abziehen.«

Sie entschieden sich für Bannack und brachen in aller Frühe auf. Das bislang geförderte Gold sowie die Ausrüstung hatten sie tief im Stollen versteckt, um in der Stadt keinen Argwohn zu erregen. Alles sollte so unauffällig wie möglich ablaufen, da allein schon der Kauf von Dynamit manch einen hellhörig machen konnte.

Es war etwas mehr als ein Tagesritt bis Bannack, und sie erreichten am späten Nachmittag den Beaverhead River, wo sie ihr Lager aufschlugen. Am nächsten Tag zogen sie weiter und erreichten um die Mittagszeit ohne Zwischenfälle Bannack.

Die Ausdehnung der Stadt zeugte noch von einstiger Größe während der Zeit des Goldbooms in dieser Gegend. Jedoch war heute ein Großteil der Häuser leer und dem Verfall preisgegeben. Die Geschäftigkeit beschränkte sich auf die Mainstreet mit ihren Saloons, Spielhallen und Läden. In einem Store, der einem bärtigen Juden gehörte, erstanden sie das Dynamit, das sie benötigten, ohne dass der Mann irgendwelche Fragen stellte. Er schaute nur abschätzend über die kleinen runden Gläser seiner Nickelbrille und war erfahren genug, sich nicht durch Neugier und Geschwätzigkeit das Geschäft zu verderben.

McDovan schlug vor, die Gelegenheit zu nützen, um sich einen Drink zu genehmigen. So stellten sie die Tiere im Mietstall unter und suchten einen der Saloons auf, der seriös genug wirkte, um auch Wanda mitzunehmen.

David Cox bestaunte die von geschliffenem Glas nur so funkelnden Kerzenlüster, die von der Decke herabhingen, die schon etwas verschossenen roten Samtvorhänge und die Spiegel hinter der Bar, die den Raum größer erscheinen ließen, als er tatsächlich war. Die Theke aus einstmals poliertem Holz war bereits arg verschrammt und von Flecken übersät. Die Stiefelstange aus Messing war schon dunkel und nur noch an jenen Stellen hellschimmernd, wo die Stiefelsohlen der Gäste sie abwetzten. Über allem lag eine Aura längst verblichener Eleganz.

»So einen wie diesen hier könnte ich bald kaufen«, sagte McDovan mit leuchtenden Augen zu Wanda. Sie traten an die Bar, und der Alte legte gutgelaunt ein paar Münzen auf den Tresen.

»Whisky für mich und meine Freunde. Und für die Lady hier Champagner, falls ihr so was habt.«

Der Barkeeper, ein Mittvierziger mit Schnurrbart und sorgfältig in der Mitte gescheiteltem Haar, beäugte sie neugierig und schielte auf das Geld.

»Nur keine Angst, wir haben noch mehr davon«, prahlte der Alte. »Und wir sind verdammt durstig, Mister.«

Der Barmann stellte die Gläser hin.

»Von weit her?« fragte er beiläufig.

»Ein Stückchen schon«, wich McDovan aus. »Auf jeden Fall sind wir nur auf der Durchreise.« Er schaute sich um und wechselte rasch das Thema. »Schöner Laden das. Gefällt mir. Wirft aber nicht mehr allzu viel ab, wie? Gibt nicht mehr viel Gold in den Bergen.«

»Hier und da mal ein bisschen«, meinte der Keeper und füllte McDovan Glas zum zweiten Mal. Dieser stürzte dessen Inhalt gleich wieder durch die Kehle und seufzte erleichtert. »Schmeckt gut, das Zeug, verdammt gut, wenn man länger nichts gehabt hat. Wir zwei sind Freunde, der Whisky und ich«, begann er gutgelaunt zu singen, »und so mögen die Leute den Whisky und mich …«

Murphy stieß David Cox in die Seite. »Pass ein bisschen auf, dass er sich nicht volllaufen lässt und dann wieder seine Geschichte erzählt.«

»Keine Sorge«, beteuerte McDovan, der ihn gehört hatte, »diese Geschichte ist passe. Werde sie von jetzt an nie wieder erzählen.« Er stellte sein Glas auf die Bar, wo der Keeper es erneut vollgoss.

»Und wenn ich mal sterbe, dann legt mich zur Ruh', und gebt mir 'ne Flasche vom Besten dazu …«

Es waren noch andere Gäste anwesend, welche die neuen Gäste anfänglich neugierig gemustert hatten, deren Interesse jedoch bald wieder nachließ.

Am Ende der langen Bar unterhielt sich ein Saloonmädchen mit einem großen Mann, der offenbar sehr freigiebig war und dessen Hände immer wieder unter die Federboa des Mädchens fuhren.

Der Ton, mit dem Murphy seinen nächsten Whisky forderte, war etwas scharf. Sein harter Blick beobachtete dabei Wanda und Romero, die sich an einen der Tische zurückgezogen hatten und sich angeregt unterhielten. Todd Murphy kippte seinen Whisky in einem Zug und verlangte den nächsten. Man konnte seinem Gesicht ansehen, wie es in ihm brodelte.

Wanda wusste, dass Murphy sie beobachtete, aber sie achtete nicht auf ihn, sondern schenkte ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem Gesprächspartner. Sie hatte Murphy die Ohrfeige noch lange nicht verziehen. Vielleicht würde sie es nicht einmal tun, wenn er sie um Verzeihung bäte.

Aber Todd Murphy dachte nicht daran, etwas Derartiges zu tun. Mochte sie doch mit diesem verdammten Mexikaner da sitzen, so lange sie wollte. Er, Todd Murphy, hatte es nicht nötig, ihr nachzulaufen. Bald würde er reich sein, und dann würde er es ihr schon zeigen. Es gab noch eine Menge anderer Mädchen. Allen würde er es zeigen. Ihr und seinem Vater. Einfach allen!

Er griff nach seinem Glas und trank es abermals in einem Zug leer. Er wusste nicht mehr, wie viel er eigentlich inzwischen getrunken hatte, und es spielte für ihn auch keine Rolle. Er konnte noch mehr Whisky vertragen und auch bezahlen.

Er drehte sich um und schob sich ein Stück an der Bar entlang, packte das Mädchen, das dort stand, rücksichtslos am Arm und zog es zu sich herum.

»Komm, Lady, trink ein Glas mit mir!«

»Lassen Sie mich los!« piepste das Saloonmädchen erschrocken, das seinen spendablen Freier nicht gern aufgeben wollte.

Murphy sah sich plötzlich einem ziemlich massiven Kerl gegenüber, der sofort zuschlug, ohne zu reden. Die Faust des Mannes traf ihn am Kinn und ließ ihn gegen die Bar krachen, und ehe er sich's versah, fand er sich am Boden wieder.

Teufel noch mal…! Er schüttelte seinen umnebelten Kopf, aber der Kerl packte ihn bereits am Hemd, um ihn wieder hochzuziehen. Und ganz bestimmt wollte er sich nicht bei ihm entschuldigen. Aber da war plötzlich Wanda zwischen ihnen und fiel dem großen Mann in den Arm.

»Bitte, lassen Sie ihn! Er ist betrunken.«

Der finstere Blick des Mannes heftete sich eine Sekunde lang auf Wanda. Dann ließ er Murphy los und zog sich ebenso schweigend zu seinem Saloonmädchen zurück.

Todd Murphy zog sich an der Theke hoch und fuhr herum. Sie hatte bitte gesagt zu diesem Mistkerl …! Blindwütig wollte er wieder auf diesen Fremden los, aber Wanda hielt ihn fest.

»Ich brauche deine Hilfe nicht!« fauchte er sie an und versuchte, sich von ihr loszureißen. Wanda zog ihn erneut zurück und zu sich herum.

»Komm, lass das doch, und trink was mit mir«, flehte sie, um ihn abzulenken. Murphy griff nach ihren Hüften und wollte sie an sich ziehen. Als er ihr Sträuben bemerkte, beteuerte er: »Mir liegt nichts an anderen. Ich will doch nur dich, Wanda!«

»Aber nicht auf diese Weise, Todd. Komm, lass uns gehen!«

»Nein. Jetzt trinken wir erst noch was.« Er packte sie am Arm und zog sie zur Bar.

»Whisky!« rief er aufgedreht und wandte sich dann wieder zu ihr um. »Komm wieder zu mir und lass diesen verlausten Chilifresser. Du wirst sehen, wenn wir erst das Gold haben, dann kaufe ich dir, was du willst.«

Alle Anwesenden drehten ihre Köpfe zu ihm hin, und Cox und McDovan sahen sich betreten an.

»Nicht so laut!« zischte Wanda ihm zu. »Außerdem habe ich dann genauso viel davon wie du.«

»Aber ich bin der Boss von uns beiden«, triumphierte Murphy, ohne sich um die anderen und Wandas Warnung zu kümmern, »und ich verwalte unser Gold. He, Keeper, eine Runde für alle!«

Er zog einen kleinen Beutel aus der Tasche und schüttete daraus ein Häufchen Goldkörner auf die Bar, wie sie sie bisher aus der Mine gewaschen hatten. Dann zeigte er auf den Mann, der ihn niedergeschlagen hatte.

»Auch für meinen Freund da drüben. Er soll mit mir trinken. Er ist mein Freund, hört ihr. Wenn ich erst reich bin, werde ich 'ne Menge Freunde haben. Ich bin Todd Murphy, hört ihr?! Ihr werdet noch mehr von mir hören oder in den Zeitungen lesen. Ich werde es euch allen zeigen, und meinem Alten auch. Er wird schon sehen, wie er sich in mir getäuscht hat! Ihr alle habt noch nicht gemerkt, was in Todd Murphy steckt. Du auch nicht.«

Er wandte sich wieder Wanda zu und versuchte, sie zu küssen. Aber Wanda sträubte sich energisch dagegen.

»Du bist betrunken, Todd!« stieß sie ärgerlich hervor.

Plötzlich war Romero neben ihr.

»Lass sie los!« keuchte er, packte Murphys Arm und riss ihn von Wanda weg. Seine Faust krachte in Murphys Gesicht.

Todd Murphy wich zurück, bis er mit dem Rücken an die Bar stieß. Dann warf er sich Romero mit einem wütenden Knurren entgegen.

Beide landeten auf einem der Tische, der dem Anprall nicht standhielt und umstürzte. Sie wälzten sich zwischen Stühlen und zerbrochenen Gläsern, bis Romero die Oberhand gewann und als erster hochkam.

Murphy trat noch mit dem Fuß nach ihm und rappelte sich dann ebenfalls hoch. Blut sickerte aus seinem Mundwinkel, und seine Augen stierten hasserfüllt. Er taumelte in Romeros Faust hinein und ging erneut zu Boden, wo er sich stöhnend und halb bewusstlos herumwälzte.

»Wenn du sie noch mal gegen ihren Willen anfasst«, keuchte der Mexikaner mit harter Stimme, »dann bringe ich dich um!«

Er legte Wanda den Arm um die Schultern und zog sie mit sich fort zum Ausgang. »Es ist besser, wir verschwinden jetzt.«

»Und was sollen wir jetzt mit ihm machen?« rief McDovan ihnen ziemlich ratlos nach. »Wir können ihn doch nicht hier zurücklassen.« Seine kleinen Augen musterten sorgenvoll die gespannten Gesichter ringsherum.

Roul Romero wandte sich noch einmal um.

»Bringt diesen Idioten erst mal wieder zu Verstand! Am besten mit einem Eimer Wasser.«

Mit einem Fußtritt ließ er die beiden Flügel der Pendeltür auseinanderfliegen und schob die verstörte Wanda hinaus. Erst im Dämmerlicht des Mietstalles blieben beide keuchend stehen.

»Tut mir leid, was passiert ist«, sagte Romero bedauernd. »Ich wollte nicht, dass Sie das miterleben, Wanda. Wir hätten nicht in diesen Saloon gehen sollen.«

Mit Tränen in den Augen lehnte Wanda sich gegen ihn und legte ihre Stirn auf seine Schulter.

»Der alte Mann hat recht, Roul«, sagte sie mit leiser Stimme, so, dass er sie kaum noch verstehen konnte. »Das Gold verändert uns und zerstört unsere Beziehungen zueinander.«

»Nein.« Romero schüttelte leicht den Kopf. »Es reißt nur jedem die Maske vom Gesicht und zeigt ihn so, wie er wirklich ist.«

»Todd kommt aus einer reichen Familie. Ich habe die meine nie gekannt. Wir beide haben uns verstanden, solange wir nichts hatten. Er war mein bester Freund. Der einzige, den ich je hatte.«

»Das stimmt nicht. Von dem anderen hast du nur nichts gesehen, weil du nur Augen für Todd Murphy hattest. Ich weiß noch genau, wie ich dich das erste Mal sah. Du standst im Saloon an der Bar und langweiltest dich. Und ich fragte mich, wie sich ein so schönes Mädchen langweilen kann. Aber es währte nicht lange, und dann war jemand bei dir, und ich sagte zu mir: lass sie! Ein so schönes Mädchen muss wohl für alle da sein. Einem allein bringt sie nur Verdruss und Schwierigkeiten.«

Romero schlang die Arme um sie und drückte sie sanft an sich.

»Du hattest wohl recht mit allem, was du über ihn gesagt hast«, hauchte sie leise. Er wartete, bis sie den Kopf hob, und presste dann seine Lippen hart und ungestüm auf ihren tränenfeuchten, salzig schmeckenden Mund …

Als David Cox und McDovan den betrunkenen Murphy endlich aus dem Saloon geschleppt hatten und mit ihm in Richtung Pferdetränke verschwunden waren, schien das Interesse jenes großen Burschen an dem Saloonmädchen schlagartig zu schwinden. Er winkte einen der anderen Gäste zu sich und raunte ihm zu: »Hast du das mitbekommen, Jeff?«

Der Gefragte nickte. »Bin doch nicht blind oder taub. Und ich denke, das war nicht bloß leeres Geprahle.«

Der Blick des Großen huschte über den Bartresen, wo der Keeper das Gold längst heruntergewischt und sicher verwahrt hatte.

»Er hatte 'n ganzen Beutel voll von dem Zeug in der Tasche.«

»Mort sagt, sie haben bei dem Juden Dynamit gekauft.«

Der Große pfiff leise durch die Zähne.

»Sag Brady Bescheid. Wir sollten da 'n bisschen dranbleiben.«

Sie hatten Todd Murphy so weit nüchtern bekommen, dass er wieder einigermaßen klar denken konnte, als Wanda und Romero mit den Tieren die Straße entlang kamen. Als er die beiden zusammen sah, verhärteten sich jedoch seine Gesichtszüge sofort, und eine aggressive Spannung kam über ihn.

»Mach dich ihretwegen nicht verrückt«, mahnte McDovan beruhigend. »Gibt wichtigere Dinge im Leben als Weiber. Denk an das schöne Gold, das auf uns wartet.«

David Cox' Worte klangen dagegen nicht so beruhigend, als er warnend sagte: »Wir haben deinen Schädel schließlich nicht umsonst in dieses Wasser da gesteckt, bis du fast ersoffen warst. Ich würde sagen, für heute hast du schon genug Unheil angerichtet.«

Murphy streifte den Cowboy mit einem harten Blick, gab sich jedoch zufrieden und sagte nichts weiter.

Sie zogen ab und schafften es gerade vor Einbruch der Dunkelheit bis zum Beaverhead River und nahmen ihren letzten Lagerplatz wieder in Besitz. McDovan beobachtete den Weg, den sie gekommen waren, so lange, bis es zu dunkel war, um noch etwas zu erkennen. Erst dann schwand sein Argwohn. Vielleicht hatten sie Glück und es folgte ihnen doch niemand.

Die Nacht verlief ruhig und ebenso der größte Teil des Rückweges. Erst als sie in die Nähe der Hogback Mountains kamen, wurden sie von einigen indianischen Reitern bedrängt, die sich jedoch mit einigen Schüssen vertreiben ließen.

»Mit unseren Repetiergewehren haben wir uns bei ihnen gehörigen Respekt verschafft«, meinte Murphy zufrieden.

Als sie bei der Mine ankamen, stellte sich heraus, dass sich während ihrer Abwesenheit nichts Erkennbares verändert hatte. Ob Indianer hier gewesen waren, ließ sich schwer feststellen. Alle Gerätschaften waren im Stollen der Mine untergebracht worden, und Indianer scheuten sich, dort einzudringen. Alles war unversehrt geblieben, auch die hölzerne Wasserrinne draußen war unbeschädigt.

Gleich am nächsten Tag ging man daran, mit kleinen Ladungen die Gesteinspartien herauszusprengen, durch welche die Goldader verlief.

Nun aber begann erst die eigentliche Arbeit. Mit einem schweren Hammer mussten die Gesteinsbrocken zerkleinert werden. Die größeren Goldteile konnten auf diese Weise pur gewonnen werden. Aber es zeigte sich bald, dass sich die zuerst dicke Ader in zahlreiche dünne Abzweigungen verästelte, so dass das zerkleinerte Gestein in der langen Holzrinne ausgewaschen werden musste, indem man es über quergenagelte Riffles spülte, an denen das schwerere Gold hängenblieb, während Geröll und Sand weggespült wurden.

Das Zerschlagen des Gesteins erwies sich jedoch bald als zu kraftaufwendig, besonders als die Adern dünner und verästelter wurden. So machte McDovan, der sich mit der Ausbeute einer solchen Mine besser auskannte, den Vorschlag, eine Arrastre zu bauen. So konnten die Mulis diese Arbeit übernehmen, indem sie an einem im Boden versenkten Baumstamm und einer darüber befestigten Querstrebe hängende Felsbrocken im Kreis herum schleiften und auf diese Weise das erzhaltige Gestein zermahlten, das dann nur noch ausgeschwemmt zu werden brauchte.

Die Ausbeute der folgenden Tage war beachtlich, so dass es bald zur ersten Bestandsaufnahme kam. McDovan baute die Lederbeutel, in die sie das ausgewaschene Gold gefüllt hatten, auf ihrem primitiv gezimmerten Brettertisch auf, der davon fast gänzlich bedeckt wurde.

Er hielt einen der Beutel in die Höhe und rief begeistert: »Dein Klavier, Wanda. Das allerbeste, was du kriegen kannst. Nicht so ein billiger Klimperkasten.«

Er griff nach weiteren Beuteln, so viel wie seine Hände fassen konnten, bis die ersten wieder herunterfielen. »Und dies und dies … und dies … und der hier, das ist vielleicht schon mein Saloon. Fehlen vielleicht noch die Tische und Stühle und der große Spiegel hinter der Bar. Aber das alles ist noch da drin.« Er wies mit dem Kopf zu der schwarzen Öffnung des Stollens. »Das und noch viel, viel mehr, Freunde.«

»Ein Haus in San Francisco«, schwärmte Wanda verträumt. Aber sie sah Todd Murphy nicht an dabei. Dieser strich mit den Händen über die Goldsäckchen, als wären sie der Körper einer Frau. Seine Augen glänzten.

»Ich wünschte nur, mein Vater könnte mich so sehen. Er hat gesagt, dass ich es nie zu was bringen würde. Jetzt kann ich mir 'ne Ranch kaufen, die größer ist als seine.« Der Zug um seinen Mund wurde plötzlich hart. »Dann werde ich ihm seine dämlichen Rinder zurückbringen, um die er solch ein Theater gemacht hat.«

McDovan legte die Beutel wieder auf den Tisch.

»Ich weiß noch nicht, was ich mit meinem Gold anfangen werde«, sagte Romero nachdenklich, und sein Blick wanderte zu dem Mädchen hin.

»Sehr vernünftig«, meinte Murphy sarkastisch. »Erst mal lebend wieder nach Hause kommen, wie!?«

David Cox nickte bedächtig. »Ist 'n weiter Weg zurück. Kein Grund also, jetzt schon zu triumphieren.«

McDovan schaute wie ein Habicht von einem zum anderen.

»Was seid ihr bloß für Kerle!« schnaufte er verächtlich. »Kaum liegt ein Haufen Gold auf dem Tisch, da fangt ihr schon an herumzuunken. Dabei ist das erst der Anfang.«

Er nahm in jede Hand ein Goldsäckchen und begann damit um den Tisch herumzuspringen.

»Wir werden reich, reich, reich …, unermesslich reich!« grölte er. Er hielt kurz inne. »Na, was ist? Wollt ihr nicht mittanzen? Hätte ich aus Bannack nur ne Flasche Whisky mitgenommen zur Feier des Tages.«

Er setzte seinen Tanz fort und sprang singend um den Tisch herum, bis ihm der Atem ausging. »Und droben im Himmel und hier auf der Welt, sind Gold und Whisky das einzige, was zählt …«

Er blieb schließlich stehen, keuchend und mit hängenden Armen. Schweiß lief ihm über das gerötete Gesicht, und er starrte die anderen an, die sich von seiner Stimmung nicht anstecken ließen.

»Ihr seid ein Haufen armseliger Schlappschwänze«, stieß er hervor. Er warf die beiden Goldbeutel auf den Tisch zurück und brüllte aus Leibeskräften: »Was ist denn für euch Grund zum Feiern, wenn nicht das hier!?«

»Uns ist im Moment nur nicht danach zumute«, sagte Wanda besänftigend und legte dem alten Mann die Hand auf die magere Schulter. »Es gibt da noch zu viele Probleme, weißt du.«

Plötzlich sackte McDovan unter ihrem Arm weg und fiel zu Boden. Erschrocken stand Wanda einen Moment stocksteif da. Dann bückte sie sich rasch zu ihm hinunter.

Der Alte wollte sich hochstützen, und schwankte hin und her. Wanda und David Cox fassten ihn unter die Arme und drehten ihn herum, so dass er sitzen konnte. Mit weitaufgerissenen Augen schaute er verwirrt um sich.

»Mir ist nur 'n bisschen schwarz vor den Augen geworden«, erklärte er.

»War wohl 'n bisschen viel heute«, meinte Cox.

McDovan stierte von einem zum anderen.

»Habt wohl gedacht, ich würde abkratzen, wie? Habt geglaubt, das ganze Gold gehört jetzt euch. Aber so schnell kommt der alte Early McDovan nicht in die Grube. Zu lange habe ich gewartet und wie ein Hund gelebt, um jetzt, wo ich reich bin, ins Gras zu beißen.«

Alle schauten sich betreten an, und keiner sagte etwas.

David Cox und Wanda hoben den Alten hoch, und er schien den Schwächeanfall auch überwunden zu haben.

»Du solltest dich etwas hinlegen«, riet Wanda.

McDovan machte sich von ihnen los.

»Unsinn. Ist alles schon wieder vorbei.«

»Ist wohl für uns alle besser, wir machen Schluss für heute«, schlug Romero vor. Er zündete sich eine seiner dünnen mexikanischen Zigarren an und blies den Rauch in die Luft. »Morgen ist auch noch ein Tag.«

Cox und Murphy räumten das Gold weg. Murphy sagte mit einem Blick zu Romero: »Ich habe sie gezählt, damit keiner dieser Beutel abhandenkommt.«

Romero hielt die Zigarre zwischen den Zähnen und erwiderte Murphys Blick.

»Gute Idee. Hoffentlich verzählst du dich nicht, wenn jeden Tag was dazukommt.«

Am nächsten Morgen war Wanda mit der Zubereitung des Frühstücks beschäftigt, als Romero zu ihr kam.

»Der Alte ist schon wieder obenauf«, erklärte er. »Ich war gerade bei ihm. Aber ich denke, es ist besser, wenn er heute nicht mit in der Mine arbeitet. Wir brauchen ohnehin jemand, der hier draußen Wache hält. In den letzten Tagen war es zwar friedlich, aber das muss ja nicht so bleiben.«

Wanda schürte das Feuer und rückte den Kaffeekessel über der Glut zurecht.

»Wie lange werden wir noch hierbleiben müssen?« fragte sie.

Romero zuckte mit den Schultern. »Kommt darauf an, wie ergiebig die Mine noch ist.«

Sie schaute aus ihrer hockenden Stellung zu ihm hoch.

»Weißt du, ich habe kein gutes Gefühl. Je länger wir hier sind, desto stärker wird es. Der ungewohnte Reichtum macht mich nervös. Ich kann einfach nicht glauben, dass alles so glattgehen soll.«

»Wenn du weg willst, brauchst du es nur zu sagen.«

»Das ist es ja gerade. Solange noch Gold im Berg ist, hält es mich hier fest wie ein Magnet.«

Romero grinste. »Goldfieber?«

Wanda lächelte schwach. »Ein bisschen wird man wohl davon befallen. Du etwa nicht?«

»Natürlich reizt es mich«, gab Romero zu. »Aber das, was ich mir am meisten wünsche, bist du. Und das meine ich ernst.«

»Ich weiß.« Wanda erhob sich aus ihrer hockenden Stellung, als er näher an sie herantrat. Er nahm sie in die Arme, und er spürte ihre innere Abwehr. Sie schickte einen ängstlichen Blick zum Stolleneingang.

»Wir sollten Todd nicht unnötig reizen.«

»Bedeutet er dir noch etwas?«

Wanda schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Roul. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe nie die Geborgenheit einer Familie kennengelernt. Er war der einzige Mensch, der mir jemals nahegestanden hat. Das kann man nicht einfach so hinter sich lassen.«

»Aber er behandelt dich, als wärst du eine Zugabe zu dem Gold, das wir aus dem Berg holen. Er ist ein Nichts, innerlich hohl. Für ihn zählt nur Prestige. Vorher warst du es, jetzt zählt das Gold mehr für ihn. Es gibt ihm die Illusion, jemand zu sein.«

»Ja, bestimmt hast du recht. Aber trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Ich habe einfach Angst - Angst, dass etwas Schlimmes passieren wird.«

»Ich habe keine Angst vor ihm.« Romero ließ Wanda los, und sie nickte.

»Das ist ja das Gefährliche.«

»Lasst euch nur nicht stören«, sagte Todd Murphy vom Eingang der Mine her. Er kam ins Freie, die Hände in den Hosentaschen vergraben, schlenderte er zum Feuer, als berühre ihn die Intimität zwischen Wanda und Romero in keiner Weise. Aber seine Augen verrieten ihn. Sie quollen beinahe über vor Eifersucht.

Er nahm die Hände aus den Taschen und hielt sie gegen die Flammen.

»Ziemlich kühl heute Morgen«, meinte er gleichgültig.

»Wie geht es dem Alten?« fragte Romero, um die Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

»Ist schon wieder voll da. Ich glaube, ihm fehlt nur der Whisky.« Er lachte hart vor sich hin. »Ist schon 'ne seltsame Situation. Er sitzt auf 'nem Haufen Gold und kann sich nicht mal 'n Whisky kaufen.«

Romero sagte: »Man kann eben nicht immer alles haben, was man will.«

Murphys Augen hefteten sich' mit einem bohrenden Blick auf den Mexikaner.

»Ein weiser Spruch«, meinte er zustimmend. »Hoffentlich vergisst du ihn nicht, wenn die Zeit der Abrechnung kommt.«

Das Frühstück verlief recht einsilbig. Irgendeine bedrückende Spannung breitete sich aus. Später ging man wieder an die Arbeit. Heute musste wieder im Stollen gearbeitet werden, um Gestein für die Zerkleinerung loszusprengen. Jedes Mal, wenn eine Ladung hochgegangen war, musste eine Weile pausiert werden, bis der Staub sich wieder gesetzt hatte. Danach ging es an die Bergung des erzhaltigen Gesteins.

McDovan hatte die Wache außerhalb der Mine übernommen. Alle anderen befanden sich im Schacht. Wanda versorgte die Mulis. Von Zeit zu Zeit tauchten außerhalb der Reichweite ihrer Gewehre Indianer auf und verhielten beobachtend auf ihren Pferden.

Sie kamen niemals näher, und McDovan regte das nicht weiter auf. Diese Manöver sollten nur beunruhigen. Wenn sie einen Überraschungsangriff planten, hätten sie sich nicht sehen lassen. Es galt nur, wachsam zu bleiben, um sie nicht doch irgendwann zu einer Attacke zu ermutigen.

So griff er doch zum Gewehr, als er etwa hundert Meter von seinem Standort plötzlich ein Pferd schnauben hörte und gleich darauf den Hufschlag eines näherkommenden Pferdes.

McDovan blieb hinter der Brustwehr aus Baumstämmen und hielt das Gewehr schussbereit. Und so dauerte es noch einige Sekunden, bis er den fremden Reiter sah. Es war ein Weißer, aber das beruhigte ihn überhaupt nicht. Im Gegenteil …

Als der Reiter näher kam, erkannte McDovan ihn. Es war jener große Kerl, mit dem Todd Murphy in Bannack aneinandergeraten war. Weitere Männer konnte er nicht ausmachen.

Er blickte schnell und prüfend hinter sich. Von der Ausbeute der letzten Tage war zum Glück nichts mehr zu sehen. Aber die anderen konnten jeden Moment mit dem losgesprengten Erz auftauchen, und die besonders ergiebigen Stücke schafften sie gewöhnlich zuerst heraus.

McDovan ließ sich hinter der Brustwehr sehen, und der Ankömmling schwenkte seinen Hut hin und her.

»Hallo!« rief er. »Darf man näher kommen?«

»Nichts dagegen, wenn man in friedlicher Absicht kommt«, rief McDovan zurück und fügte leise für sich selbst hinzu: »Das strengt die Augen nicht so an.«

Der Rappe kletterte den Hang zur Mine herauf, und sein Reiter beäugte das Gestell mit der Wasserrinne und die Geröllhaufen an ihrem Ende.

»Alten Freunden gegenüber hegt man keine Feindseligkeiten«, grinste der Mann. »Wusste nicht, dass ihr es seid. Bin unterwegs ins Snake-River-Gebiet und dann weiter nach Süden. Habe Geschäfte dort zu erledigen. Unterwegs hörte ich ein paar Detonationen, und da dachte ich mir: Schaust mal nach, was es gibt.«

McDovan glaubte ihm kein Wort. Dieser Kerl, dessen Blicke hier lauernd und aufmerksam umherglitten, war ganz bestimmt nicht allein von Bannack hierher gekommen, und auch nicht erst jetzt. Wahrscheinlich hatten sie schon länger heimlich auf der Lauer gelegen und nun einen vorgeschickt, um näher zu erkunden.

»Nun ja«, meinte McDovan gelassen und behielt das Gewehr in den Händen. »Wenn Sie dort unten so dringende Geschäfte zu erledigen haben, dann will ich Sie auch nicht aufhalten.«

»Ich sagte nichts davon, dass sie dringend seien«, gab der Reiter zurück und machte keine Anstalt, seinen Weg fortzusetzen. Sein Blick heftete sich auf die Feuerstelle hinter McDovan. »Ihr habt wohl nicht zufällig noch 'n Schluck Kaffee in der Kanne, wie?«

McDovan schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit längst nicht mehr. Wenn man was erreichen will, muss man zeitig an die Arbeit gehen.«

Der Blick des Reiters ruhte neugierig auf dem dunkel gähnenden Eingang zur Mine.

»Übrigens, mein Name ist Anderson, Scott Anderson«, sagte er dabei, ohne McDovan anzusehen. »Ist die Mine ergiebig?«

McDovan legte das Gewehr auf die Baumstämme und lehnte sich mit den Unterarmen darauf.

»Wer nach Gold sucht, lebt meist von der Hoffnung«, sagte er ausweichend und lächelte verschmitzt. »Sollten wir auf 'ne dicke Ader stoßen, sagen wir. Ihnen Bescheid, Mister.«

Scott Andersons Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Er schien sich aber nicht recht schlüssig zu sein, ob der Alte ihn mit dieser Bemerkung auf den Arm nehmen wollte oder ob es nur ein harmloser Scherz sein sollte.

Hau endlich ab! dachte McDovan bei sich und war bereit, das Gewehr sofort wieder hochzureißen, wenn es nötig werden sollte.

In diesem Augenblick kam Wanda von dem Pferch herüber, in dem sie die Tiere untergebracht hatten, und die Miene des Reiters lockerte sich wieder.

»Hallo, Lady«, sagte er leutselig und griff kurz an die Krempe seines Hutes, »wünsche einen angenehmen Tag.«

»Danke.« Wanda lächelte unverbindlich. »Aber ob Ihr Wunsch in Erfüllung geht, wird sich erst am Abend herausstellen. Zu dumm, dass Sie dann nicht mehr hier sind.«

Wieder wurde Anderson unsicher. Aber den Beleidigten zu spielen würde seinem Vorhaben ganz bestimmt nicht dienlich sein. So sagte er diplomatisch: »Das bedaure ich ebenfalls sehr. Ihre Gesellschaft würde ich einem Ritt durch die Einsamkeit jederzeit vorziehen.«

»Nun«, erwiderte Wanda ein wenig reserviert, »mit der Einsamkeit zu konkurrieren ist für keine Frau besonders schmeichelhaft.«

»So meinte ich das nicht«, versuchte Anderson das Missverständnis wieder hinzubiegen. Aber die verschlossenen Gesichter von Wanda und McDovan ließen ihm nicht viele Chancen. Er druckste noch etwas herum und sagte dann:

»Nun ja, dann will ich mal wieder los.«

Sein Blick überflog noch einmal das Terrain und die Brustwehr. »Hübsche Festung, nur um Hoffnungen zu verteidigen«, fügte er leicht ironisch hinzu.

McDovan schaute zur anderen Seite des Tales hinüber, wo bereits seit einigen Minuten zwei Indianer regungslos auf ihren Pferden saßen.

»Ist für die da gedacht«, meinte er beiläufig. »Die sind mehr an unseren Skalps als an Gold interessiert.«

Scott Anderson drehte den Kopf in die bezeichnete Richtung und rutschte ungemütlich im Sattel hin und her.

»Nicht gerade 'n beruhigender Anblick«, meinte er. »Vielleicht sollte ich unter diesen Umständen doch lieber bleiben, bis die Gefahr vorüber ist. Für 'nen einzelnen Reiter ein ziemlich unangenehmer Gedanke, Rothäute in der Nähe zu haben. Und für Sie könnte ein zusätzliches Gewehr auch von Nutzen sein.«

McDovan grinste sorglos und hob seine Waffe an.

»Wir kommen schon zurecht. Repetiergewehre sind 'ne gute Medizin gegen Angreifer jeder Art. Und was Sie betrifft, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Die Roten sind nur auf uns sauer, weil wir in ihren heiligen Gründen in der Erde rumwühlen. Wenn Sie jedoch schnurstracks nach Süden reiten, haben Sie von denen nichts zu befürchten.« Der Alte blinzelte listig zu dem Reiter hin. »Schließlich sind Sie ja auch unbeschadet bis hierher gekommen.«

»Nun denn«, sagte Scott Anderson resignierend. »Besonders gastfreundlich scheinen Sie nicht zu sein. Aber das wäre ich wohl auch nicht, wenn ich auf 'nem Haufen Gold säße.« Er tippte an seinen Hut. »Wünsche noch 'ne gute Ausbeute, und das meine ich ehrlich.«

Dann zog er den Schwarzen herum und ritt davon.

»Glaube ich dir aufs Wort«, murmelte McDovan hinter ihm her.

Nur Sekunden später tauchte Murphy mit der ersten Schubkarre goldhaltigem Geröll auf, und er blickte aus zusammengekniffenen Augen dem davontrabenden Reiter nach.

»Was wollte der denn?«

McDovan lehnte sein Gewehr an die Brustwehr und schniefte durch die Nase. »Rumschnüffeln. Was sonst?!«

Murphy kippte die stark gelblich schimmernden Gesteinsbrocken bei der Arrastre aus und blickte prüfend um sich.

»Von dem Gold hat er jedenfalls nichts mitbekommen.«

McDovan stapfte zu ihm hinüber.

»Sicher nicht«, bestätigte er. »Aber dass wir hier keinen Acker umpflügen, sieht wohl ein Blinder.«

Todd Murphy wies mit der Hand auf das Gestein. »Sieh dir das an! Und davon kommt noch 'ne ganze Menge.«

Wanda fragte besorgt: »Glaubst du, sie werden wiederkommen?«

»Ganz bestimmt«, nickte McDovan. »Aber sie werden wohl noch warten, um sicher zu sein, dass es sich auch lohnt.« Sein vorwurfsvoller Blick traf auf Murphy. »Das geht auf dein Konto, weil du in Bannack diese blöde Schau abgezogen hast.«

Murphy drehte mit einem heftigen Ruck die Karre wieder um.

»Mein Gott, ich hatte 'n bisschen getrunken. Hätte dir ebenso gut passieren können.«

»Ist es aber nicht«, rief McDovan ihm nach, als er mit seiner Schubkarre wieder verschwand.

Murphy war wütend und knallte die Schubkarre auf den Boden des spärlich von Pechfackeln und einer Laterne erleuchteten Stollens. Romero kam gerade von weiter hinten. Er hustete, und Staub klebte an seinem verschwitzten Gesicht. Er und Cox sahen Murphy verwundert an.

»Was glotzt ihr so?« fauchte er.

»Scheinst 'n bisschen wütend zu sein.« David Cox zuckte mit den Schultern.

»Hier drinnen schuftet man sich die Knochen wund, und da draußen geht einem dieser alte Narr mit seinem Geschwätz auf die Nerven.«

»Die nächste Fuhre bringe ich nach draußen«, bot Romero sich an. »Brauche mal wieder 'n bisschen frische Luft in die Lunge.«

Er und Cox füllten die Karre mit großen Gesteinsbrocken, während Todd Murphy tiefer in den Stollen eindrang.

»Morgen müssen wir Holz schlagen«, sagte Cox dabei. »Der Schacht wird immer tiefer, und wir brauchen neue Stempel zum Abstützen.«

»Wird 'ne Erholung werden, mal wieder draußen zu arbeiten«, nickte Romero und stemmte sich gegen die Karre.

Als er nach draußen kam, kniff er die Augen gegen das helle Licht zusammen, das ihn blendete. Tief sog er die klare, staubfreie Luft in seine Lunge. War eine Höllenschinderei in diesem dunklen Loch, und er wäre froh, wieder von hier wegzukommen. Aber als sein Blick 'auf das Gestein fiel, das er gerade herauskarrte, verschlug es ihm fast den Atem. Erst hier draußen im hellen Tageslicht offenbarte sich der hohe Goldanteil. Es war eine Schinderei, die sich lohnte.

McDovans Gesicht strahlte vor Begeisterung.

»Wanda holt ein paar von den Mulis«, erklärte er. »Und dann fangen wir schon mal an, das Zeug zu zerkleinern. Je schneller wir vorankommen, desto besser.«

Romero schüttete das grobe Geröll auf die Mahlfläche ihrer primitiven Gesteinsmühle. Es lag in ihrer aller Interesse, wenn es zügig voranging.

Wanda kam mit zwei Mulis.

»Hilf mir mal, die Biester einzuspannen«, forderte McDovan ihn auf.

Eines der Tiere erwies sich als ziemlich bockig.

»Soll ich ein anderes holen?« fragte Wanda, aber McDovan wollte davon nichts wissen.

»Diese Viecher sind schlauer, als die meisten denken. Und wenn wir es erst mal durchgehen lassen, versucht er es immer wieder.«

Sie waren gerade fertig mit dem Anspannen des zweiten Mulis, als ein dumpfes Rumoren aus dem Minenstollen drang. McDovan hob den Kopf und machte die Augen schmal.

»Sprengen die schon wieder?« fragte er ungläubig.

»Dann würden sie doch nicht drin bleiben.«

Romero drehte sich um und spähte zu dem dunklen Loch hin. Ein weiteres dumpfes Grollen wurde hörbar. Er stand einen Moment wie versteinert und sah, wie Staub aus dem Innern des Berges ins Freie quoll.

»Um Gottes willen!« entfuhr es ihm, und er rannte los. Er hörte Early McDovan hinter sich her keuchen. Und dann vernahmen beide Wandas spitzen Aufschrei, dem der trommelnde Hufschlag zahlreicher Pferde folgte. Von Entsetzen gepackt blieben sie stehen und fuhren herum. Das Geknatter von Schüssen wehte zu ihnen hin, und Kugeln klatschten gegen die Steine und heulten mit hässlich singenden Tönen um sie herum. Eines der Mulis begann zu schreien und wie wild auszukeilen. Wanda hatte das Gewehr aufgehoben, das McDovan hatte fallen lassen, als sie zum Minenschacht hetzten, und feuerte damit auf die heranpreschenden Reiter.

»Gott im Himmel, ausgerechnet jetzt!« keuchte Romero verzweifelt und hetzte zu seinem Gewehr, das an einem Stein lehnte. Ein wildes Geschrei gellte an der Flanke des Berges hinauf.

McDovan hatte Wanda die Waffe entrissen, die Frau zu Boden gestoßen und sich selbst hinter die Brustwehr geduckt, als Romero endlich seine Waffe erreichte. Der Alte feuerte bereits, als Romero seine Waffe durchlud. Einer der angreifenden Reiter wurde im vollen Galopp nach hinten gerissen und rollte mit einem Aufschrei über die Kruppe seines Pintos.

Romero kniete nieder und schoss auf einen Reiter, der gerade im Sprung über die Brustwehr hinwegsetzte. Pferd und Reiter landeten auf der Seite, Hufe keilten wild in der Luft herum. Dicht vor Romero klatschte eine Kugel in den Schotter der Gesteinsmühle und jaulte an seinem rechten Ohr vorbei. Hastig warf er sich in die Deckung eines größeren Steinblockes, auf den er sein Gewehr auflegte, um ruhiger zielen zu können. McDovan feuerte so rasch er konnte.

Die Flatheads hatten den Moment der Unachtsamkeit geschickt ausgenutzt, als sich McDovan und Romero mit den Mulis beschäftigten. Und jetzt waren die Verteidiger nur zu dritt und in arger Bedrängnis.

Wanda kam, dicht an den Boden gepresst, zu Romero herangekrochen. Angst stand in ihren Augen. Romero schoss und blickte dann rasch über die Schulter.

Der Staub, der aus dem Stolleneingang zog, war schwächer geworden. Was war da drin passiert? War der Schacht zusammengebrochen und hatte die beiden da drin verschüttet?

Und sie konnten im Moment nicht das geringste tun, um zu helfen!

Die Indianer hatten ihre einschüssigen Gewehre längst leergeschossen und versuchten nun die Stellung der weißen Männer zu überrennen.

Eine Lanze bohrte sich zwei Meter von Romero entfernt in den Boden. McDovan jagte einem über die Brustwehr hinwegsetzenden Pferd von unten her eine Kugel in den Leib. Dann tauchte er wieder empor und trieb weitere Angreifer mit seinen Schüssen zurück.

Gerade kam der Reiter des hinter ihm zusammengebrochenen Mustangs wieder auf die Beine. Seinen Steintomahawk in der Faust, rannte er von hinten auf McDovan zu.

Romero visierte seinen Rücken an und drückte ab, aber seine Waffe war leer. Fluchend ließ er das Gewehr fallen und griff nach der Lanze, die noch im Boden steckte. Mit der Kraft der Verzweiflung schleuderte er sie und traf den Krieger zwischen die Schulterblätter, gerade als er den Tomahawk hochschwang. Er brach über McDovan zusammen, der sich erschrocken unter ihm wegdrehte.

»Murphys Gewehr!« rief Romero Wanda zu. »Schnell! Es liegt gleich vorn im Stolleneingang.«

Er hob seine Henry wieder auf und schob mit hastigen Fingern neue Patronen in das Röhrenmagazin unter dem Lauf. Ehe er damit fertig war, hatte ein weiterer Indianer die Brustwehr seitlich umritten. Er preschte auf den am Boden knienden Mexikaner zu.

Romero fuhr herum und kam auf die Füße. Die Spitze der Lanze, welche der Reiter hielt, zielte genau auf ihn. In allerletzter Sekunde wich er dem tödlichen Stoß aus und schlug den Indianer mit dem Gewehr vom Rücken des Pferdes. Aber der Krieger schien nicht ernsthaft verletzt zu sein und kam sofort wieder auf die Beine. Die Lanze hatte er bei dem Sturz zwar verloren, aber er riss ein großes, zweischneidiges Messer aus einer mit Perlenstickerei verzierten Scheide und griff sofort wieder an.

Romero versuchte zu schießen, aber jetzt hatte sich eine Patrone verklemmt. Er sprang zur Seite und versuchte abermals, das Henry-Gewehr als Hiebwaffe zu benutzen. Doch diesmal hatte der Flathead aufgepasst, und Romeros Schlag ging ins Leere, wodurch ihn der eigene Schwung straucheln ließ und zu Fall brachte. Das war die Chance des Roten, und der sichere Coup entlockte ihm einen triumphierenden Schrei.

Dieser Schrei jedoch erstarb jäh im Krachen eines Gewehrschusses, und die Wucht des Bleis riss den nach vorn springenden Körper hoch und drehte ihn in der Luft halb herum, so dass er neben Romeros Gestalt schwer auf den Rücken fiel.

Romero starrte erleichtert zum Mineneingang, wo Wanda von nebelartigem Staub umhüllt mit dem Gewehr im Anschlag stand.

Das Muli keilte noch immer wild um sich und steckte das andere an, das ebenfalls zu bocken anfing und in das gellende Geschrei mit einfiel.

Romero sah keinen weiteren Angreifer in seiner Nähe und rannte zu McDovan hinüber.

»Bist du in Ordnung?« fragte er und duckte sich neben dem Alten in die Deckung.

»So in Ordnung wie man nur sein kann, wenn man den Rothäuten 'ne Abfuhr erteilt«, antwortete McDovan ergrimmt und wies mit dem Gewehrlauf über die Deckung hinweg nach unten. »Frag mal die da, wie es ihnen geht.«

Der Rest der Kriegerhorde strebte rasch dem nahen Wald auf der anderen Seite des Tales zu. Mehrere Reiter schwankten auf ihren Pferden hin und her und hatten Mühe, sich dort zu halten.

Romero drückte mit dem Daumen die verklemmte Patrone in ihre richtige Lage.

»Sie sind noch immer in der Reichweite unserer Gewehre«, sagte er dabei.

»Lass es gut sein«, meinte McDovan, Romeros Kampfeseifer beschwichtigend. »Sie kämpfen für das, woran sie glauben - wir hingegen nur, um reich zu werden.«

Romero riss sich den Hut vom Kopf und griff sich in das dichte schwarze Haar.

»Ich habe soeben für das hier gekämpft, damit mein Skalp dort bleibt, wo er hingehört«, schrie er aufgeregt. Aber er erzeugte damit nur ein grimmiges Lächeln im Gesicht des alten Mannes.

»Jetzt ist er allerdings nicht mehr in Gefahr. Also setz deinen Hut wieder auf und sieh nach, was da im Stollen passiert ist«. Romero knallte sich den Hut auf den Kopf und fuhr in die Höhe.

Verdammt, das hatte er in der Aufregung ganz vergessen!

David Cox hörte zunächst ein Poltern vom Ende des Schachtes und dann Murphys Schrei. Die Pechfackel, die Todd mitgenommen hatte, erlosch und ließ eine schwarze, undurchdringliche Dunkelheit zurück. Steine polterten übereinander, und dann hörte er wieder, wie Murphy in panischer Angst seinen Namen rief.

Allmächtiger! dachte Cox, und die Panik sprang auf ihn über. Der Drang, einfach wegzurennen, wurde übermächtig. Er war Wind und Helligkeit und einen weiten Horizont gewöhnt, und die Bewegungen eines Pferdes unter sich zu spüren. Hier jedoch wie eine Ratte in einem finsteren Loch herumzukriechen, hatte ihn von Anfang an mit Widerwillen erfüllt. Das hier war nicht seine Welt - würde es nie sein. Und nur der magische Zauber, den Gold zu verbreiten imstande war, hatte ihn dazu gebracht, diese enge Höhle zu betreten. Und nun das!

»Um Himmels willen, hilf mir, Cox …!« hörte er Murphy verzweifelt rufen. Erneutes Gepolter ließ ihn verstummen.

Noch kämpfte das Ehrgefühl eines Mannes in David Cox mit dem panischen Drang, ins Freie zu stürzen. Dann riss er sich zusammen, griff nach einer Lampe, die neben ihm stand, und stürmte weiter in den Schacht hinein. Staub quoll ihm in einer dichten Wolke entgegen, und er schraubte hastig den Docht der Lampe höher. Aber der Staub hüllte alles unbarmherzig in einen dichtgewobenen Mantel ein.

Cox musste husten. Er zerrte sein Halstuch nach oben und schob es über Mund und Nase. Neben ihm schien etwas zusammenzubrechen. Mit lautem Krachen fielen Steinblöcke irgendwo herab, polterten über den Boden und schlugen ihm die Beine weg. Gerade als er in dem schwachen Licht Murphys Kopf und Oberkörper sah, schlug er lang hin. Die Lampe zerbarst mit einem scharfen Klirren und verlöschte. Es war plötzlich so schwarz, so hoffnungslos dunkel um ihn, als hätte die Hölle ihn verschluckt.

Wieder griff panisches Entsetzen mit eiskalten Fingern nach ihm. Die Welt da draußen war mit einem Male unendlich weit weg - die Sonne, die frische Luft, die einem der Wind ins Gesicht wehte, ein weiter Horizont. Ob er all das jemals wiedersehen würde?

Er kroch auf die Stelle zu, wo er Murphy zuletzt gesehen hatte. Das Poltern um ihn nahm kein Ende. Staub drang ihm in die Atemwege, und er bemerkte, dass sein Halstuch heruntergerutscht war. Während er es wieder über Mund und Nase zerrte, traf ihn etwas mit fürchterlicher Wucht in die Rippen und warf ihn auf die Seite, presste ihm mit einem Winselton die Luft aus der Lunge.

Eine Steinlawine drohte ihn unter sich zu begraben. Verzweifelt zerrte er seine zerschundenen Beine unter dem herabfallenden Gestein weg.

Raus! Dieser Gedanke trieb ihn wieder auf. Weg hier, ehe der Weg nach draußen versperrt sein würde und er lebendig begraben war!

Da packte eine Hand nach seinem Arm und klammerte sich verzweifelt daran fest.

Teufel, Todd Murphy lebte immer noch!

Im ersten Impuls wollte David Cox sich losreißen. Ihm war plötzlich, als griffe diese Hand aus dem Jenseits nach ihm und wollte ihn dorthin zerren. Aber dann hörte er Murphys Stimme, kratzend und heiser: »Zieh mich heraus, Cox! Um Himmels willen, zieh mich raus. Da liegt was auf meinen Beinen, und ich komme nicht hoch.«

David Cox tastete mit der anderen Hand nach Murphy, spürte dessen Schulter, dann den Arm. Murphy klammerte sich nun auch mit der zweiten Hand an ihm fest wie ein Ertrinkender.

Cox stemmte seine Stiefel gegen das unregelmäßige Geröll und zerrte aus Leibeskräften. Steine polterten übereinander. Er spürte, wie er Todd Murphy zu sich heran zog. Hinter sich hörte er das Ächzen und Brechen von Holz.

»Die Stempel geben nach!« keuchte er unter der Anstrengung. »Wir müssen hier raus!«

Murphy konnte sich jetzt wieder bewegen und ließ Cox los. Er hustete und fluchte.

»Wo bist du?«

»Hier!« Murphy tastete wieder mit der Hand nach David Cox. »Warum kommt von den anderen keiner?«

»Kannst du laufen?«

Murphy stieß gegen ihn. »Frag nicht so viel! Weg von hier!«

Er stolperte an ihm vorbei. Neben ihm brach ein dicker Stempel weg, und er warf sich nach vorn, stolperte über irgendwelche Steintrümmer und schlug hin. Er schürfte sich die Handflächen und einen Ellenbogen auf, aber das beachtete er nicht.

Die Furcht, wie ein Wurm unter Gesteinsmassen zerquetscht zu werden, trieb ihn in Sekundenschnelle wieder hoch. Murphy war dicht vor ihm, und hinter ihm schien grollend die Erde zu vibrieren.

Er stolperte erneut, stieß mit der Schulter gegen die unebene Wand des Stollens und fing sich wieder. Dann sah er plötzlich Helligkeit vor sich schimmern, als er die leichte Schachtkrümmung passierte.

Licht! Unwirklich noch, hinter wallenden Staubwolken, aber dennoch Licht …!

Es war ihm, als ob seine Beine dadurch leichter wurden. Dicht vor sich konnte er jetzt auch Murphys humpelnde Gestalt ausmachen, die ebenfalls dem hellen Fleck des Eingangs zustrebte, der immer näher kam.

Eine dichte Wolke aus Staub schoss von hinten heran, wie der Atem aus dem Rachen eines riesigen Untieres. Das dumpfe Grollen und Poltern fiel hinter ihnen zusammen, als hätte der Berg sein Vorhaben aufgegeben, die beiden Männer zu verschlingen.

Dann war plötzlich gleißende Helle um sie, die den Staub flirren ließ, als bestünde er aus winzigen Goldpartikeln. Und irgendwo schrien die Mulis …

Roul Romero erreichte die Staubwolke, die aus dem Innern des Berges herauswehte, wie der Atem eines Büffels an einem kalten Wintertag, und prallte mit Murphy zusammen, der sich hustend und keuchend gegen ihn warf.

Dicht hinter ihm tauchte David Cox aus dem wallenden Nebel.

»Großer Gott, was ist passiert?« fragte er, das Geschehen noch immer nicht ganz begreifend.

»Frag nicht so blöd!« Murphy riss sich von ihm los, torkelte mit unsicheren Schritten zur Wasserrinne, schöpfte mit der Hand Wasser und warf es sich in das staubverkrustete Gesicht. Seine Hose war zerrissen, schmutzig, und Blut sickerte aus Schürfwunden an den Beinen. Aber sonst schien er ohne ernsthafte Verletzungen davongekommen zu sein.

»Auf euch kann man sich verlassen!« schnauzte er und wies mit der ausgestreckten Hand auf den Stolleneingang. »Wir wären beinahe verreckt da drin, und ihr rührt nicht einen Finger, um uns zu helfen.«

»Wir konnten nichts tun«, rief Wanda erregt.

David Cox wusch sich ebenfalls das Gesicht, um wieder frei atmen zu können. Die Mulis hatten sich noch immer nicht beruhigt.

»Was ist mit den verdammten Biestern los!« fauchte er gereizt.

»Die Rothäute«, erklärte Romero, ebenfalls zornig werdend. »Verdammt, wir hatten alle Hände voll zu tun, um unsere Haare zu behalten.«

Der Blick des langen Cowboys fiel auf einen toten Flathead in seiner Nähe, und er wischte sich mit dem Ärmel das Wasser aus dem Gesicht.

»Scheint heute 'n mächtig guter Tag für uns zu sein«, grollte er. Aber Murphy ließ sich von dieser Erklärung nicht beruhigen.«

»Kam dir vermutlich sehr gelegen«, rief er aggressiv.

Romeros Lippen wurden schmal.

»Was willst du damit sagen?!«

Murphys Augen funkelten kalt. »Dass es dir verdammt recht gewesen wäre, wenn wir da drinnen krepiert wären.«

»Ich glaube, du hast da drinnen den Verstand verloren«, wies Romero ihn zurecht.

»Oh, nein. Der funktioniert besser, als für dich gut ist. Ich durchschaue dich immer mehr. Du willst alles.« Er wies mit der Hand auf Wanda. »Sie hast du mir schon gestohlen, und jetzt willst du auch noch mein Gold.«

»Todd Murphy!« rief Wanda warnend. »Jetzt bist du wirklich übergeschnappt.«

»Nein, nein!« schrie Murphy mit von fanatischem Eifer schriller Stimme. »Lass mich nur ausreden. Er hat einen teuflischen Plan ausgeheckt, um mich loszuwerden. Und ich werde ihn dir auch erklären.«

»Du gehst wirklich zu weit, Murphy«, mahnte David Cox. »Romero hat nichts damit zu tun. Er war draußen, als das passierte.«

»Ja, ja, eben. Er war draußen«, bestätigte Murphy eifrig. »Und vorher war er hinten im Stollen. Ich weiß nicht, was er dort gemacht hat, aber er wusste, dass der Stollen einstürzen würde.«

»Jeder hier weiß, dass das absurd ist«, warf Romero verächtlich dazwischen. Aber Todd Murphy funkelte ihn wild an.

»Du hast dich regelrecht aufgedrängt, die nächste Schubkarre nach draußen zu bringen. War es nicht so?«

»Gut«, nickte Romero kalt, »wenn du das glaubst, dann hol dein Schießeisen, und wir tragen die Sache aus. Ich habe es langsam satt, mir deine blöden Verdächtigungen weiter anzuhören,«

David Cox trat zwischen die beiden Kontrahenten.

»Das fehlte uns gerade noch. Haben wir nicht schon genug Schwierigkeiten, dass ihr euch noch gegenseitig an den Kragen müsst?! Wir packen unsere Sachen und hauen ab. Und wenn wir dann in Sicherheit sind, könnt ihr euch meinetwegen Kugeln in eure dämlichen Schädel schießen. Aber nicht jetzt!«

»Du willst weg?« fauchte Murphy ihn an.

Cox wies mit dem Kopf zum Schacht hin. »Da hinein gehe ich jedenfalls nicht mehr.

»Wer vorzeitig aussteigt, bekommt keinen Anteil«, keifte Murphy. Der Cowboy musterte ihn mit einem kalten Blick.

»Ich kannte mal einen, der hatte sich überall genauso unbeliebt gemacht wie du.«

»Und? Was war mit ihm?« fragte Murphy aufreizend.

»Er wurde nicht alt. Und niemand weinte ihm eine Träne nach.«

»Sehr spaßig. Ich könnte fast darüber lachen.«

McDovan kam heran.

»Ist wirklich besser, wenn wir zurückreiten«, meinte er bedächtig. »Wir gehen damit 'ner Menge Verdruss aus dem Weg, glaube ich. Und wir haben genug Gold, um sorgenfrei über die Runden zu kommen.«

»Für die paar Jährchen, die du noch hast, reicht es vielleicht«, gab Murphy hart zurück. »Ich aber habe noch mehr vor. Und ich lasse dieses ganze schöne Gold nicht hier zurück.«

Die kleinen, alten Augen McDovans betrachteten Murphy ohne jeden Groll, aber mit tiefer Verachtung.

»Wenn du so weitermachst, wirst du bestimmt noch vor mir dran sein, junger Freund.«

Murphy schenkte ihm einen spöttischen Blick.

»Wovor hast du Angst, alter Mann? Du brauchst nicht in den Schacht.«

»Das Unheil wird auch nicht aus der Mine kommen«, erklärte McDovan ruhig. »Das da war nur unsere Schuld. Wir hätten den Schacht beizeiten abstützen - und nicht nur daran denken sollen, das Gold raus zu schaffen.«

»Das ist wahr«, nickte Romero. »Wir haben einfach zu wenig an unsere Sicherheit gedacht.«

»Ich bin dafür, es noch mal zu versuchen«, schlug Wanda vor. »Wir sollten wenigstens das lose Gestein herausschaffen und nachsehen, wie es dann aussieht. Aufgeben können wir immer noch.«

David Cox drückte die Lippen fest aufeinander und schaute unschlüssig zum Mineneingang hin, der ihnen jetzt wieder dunkel und geheimnisvoll entgegengähnte wie eh und je.

»Gut«, nickte er schließlich. »Aber wenn es zu riskant wird, hören wir auf. Ich möchte von diesem Gold leben und nicht dafür sterben.«

Todd Murphy lächelte triumphierend vor sich hin. »Dann sind wir uns also einig. Aber ich will, dass wir das Gold jetzt gleich aufteilen. Jeder bekommt seinen Anteil und ist selbst dafür verantwortlich. So werden wir es am Ende jeden Tages machen.«

»Und was für Vorteile siehst du darin?« wollte Wanda wissen.

»Ich werde mein Gold verstecken, so, dass nur ich allein weiß, wo es ist. So fühle ich mich sicherer.« Murphy schaute Romero an. »Es könnte sonst jemand auf die Idee kommen, dass mein Tod seinen Anteil vergrößert.«

McDovan blickte von einem zum anderen.

»Ich finde die Idee nicht schlecht. So weiß jeder, wie viel er hat.«

»Und einer belauert den anderen«, wandte Wanda ein.

»Das tun wir doch sowieso schon. Aber es ist besser, jeder passt auf sein Gold auf.«

Abseits vom Feuer lehnte Romero an der Brustwehr und blies den Rauch seiner dünnen schwarzen Zigarre zum gestirnten Nachthimmel hinauf. Er dachte über McDovans Worte nach, dass das Unheil nicht aus der Mine über sie käme, und er musste ihm recht geben.

Das Land um sie herum war voller Gefahren, das hatte dieser Tag gezeigt. Nur ein Moment der Unachtsamkeit konnte das Verhängnis über sie bringen.

Aber die Hauptgefahr kam wohl von ihnen selbst - aus dem Misstrauen gegeneinander und aus der Gier, immer mehr zu bekommen. Gier - nur aus diesem Grunde hatte er Cox nicht zugestimmt, hier Schluss zu machen. Und Todd Murphy würde sich bestimmt nicht mit seinem Anteil zufriedengeben.

Romero hörte Wandas leichten Schritt herankommen, aber er wandte nicht den Kopf. Den Blick in die stille, undurchdringliche Nacht gerichtet, fragte er: »Alles in Ordnung?«

»Ja, alles.« Das klang sarkastisch. »Todd Murphy macht kein Auge zu und passt auf, dass niemand seinem Gold zu nahe kommt.«

»Hat er noch kein geeignetes Versteck gefunden?«

»Interessiert mich nicht.«

»Und wo wirst du deins verstecken?«

»Glaubst du, das würde ich dir erzählen?«

Erst jetzt wandte der Mexikaner den Kopf und sah die Frau neben sich an.

»Misstraust du mir etwa?«

Wanda lächelte schwach. »Ich traue niemandem mehr.«

Roul Romero legte ihr behutsam beide Hände auf die Schultern und glitt mit der einen zärtlich an ihrem Hals hinauf.

»Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, dass ich nur dich will. Und ich würde dir niemals etwas wegnehmen.«

»Ich würde dir ja gern trauen, Roul, aber ich kann es nicht. Ich hatte auch geglaubt, Todd Murphy zu kennen. Aber nun hat sich herausgestellt, dass ich nichts von ihm wusste. Was ist nur an diesem Gold, das uns alle so verändert? Wir sind nervös und können nicht mehr schlafen, weil wir angst haben, dass jemand uns bestiehlt, der ja eigentlich unser Freund ist.«

Romero versuchte, Wanda zu sich heranzuziehen, aber sie machte sich von seinen Händen los.

»Bitte, lass uns das verschieben, bis wir von hier weg sind und unser Verstand wieder klar ist.«

»Meiner ist klar«, sagte Romero. »Jedenfalls, was dich betrifft. Aber wenn du es so willst …« Er zuckte mit den Schultern. »Du sollt nur wissen, dass ich immer für dich da sein werde.«

»Das weiß ich, Roul. Und jetzt werde ich versuchen, ein wenig zu schlafen. Wer löst dich ab?«

»Ich glaube, Murphy.«

»Der schläft sowieso nicht. Lass dich von ihm nicht provozieren.«

»Nein. Sei ganz ruhig. Wenn der seinen Anteil in Sicherheit weiß, wird er sich beruhigen.

Der Sommer neigte sich bereits langsam seinem Ende entgegen, und die Nächte begannen kühl und neblig zu werden.

»Wenn die Nebel höher steigen«, hätte McDovan gesagt, »so hoch, dass die Rothäute in ihrem Schutz herankommen können, dann müssen wir hier fertig sein.«

Es war kühl an diesem Morgen, und die Luft war feucht, und es würde noch eine Weile dauern, bis die wärmenden Sonnenstrahlen diese Stelle hier erreichten.

Mehr als die halbe Nacht war Todd Murphy wach gewesen, ehe er sehr spät in einen unruhigen und wenig erholsamen Schlaf gefallen war. Jetzt war er bereits wieder wach, jedoch nicht als erster, wie ihm schien. Denn als sein Blick auf Romeros Lager fiel, sah er, dass der Mexikaner fehlte. Auch McDovan war nicht da. Aber der Alte hatte die letzte Wache.

Murphy griff nach seiner Winchester, die neben ihm lag, und warf seine Decke beiseite. Zum Glück war das Gewehr noch da, und solange er die Waffe hatte, würde keiner sich an seinem Gold vergreifen.

Ohne seine Stiefel anzuziehen, lief er ins Freie. McDovan stand drüben auf die Brüstung gestützt und wandte ihm den Rücken zu. Aber wo steckte dieser gottverdammte Mexikaner?

Murphy lief noch weiter und automatisch in die Richtung, wo er seinen Goldanteil wusste. Suchend glitt sein Blick über das Gelände. Und plötzlich erspähte er das, was er eigentlich erwartet hatte.

Dort neben der Lodgepol-Kiefer hockte Romero und fummelte an jenen Holzscheiten herum, die er zur Tarnung über das Erdloch gelegt hatte.

Murphy repetierte sein Gewehr mit hartem Schnappen und feuerte in Richtung Romero. Die Kugel riss ein Stück Rinde vom Stamm der Kiefer, und der Mexikaner warf sich erschrocken zur Seite.

»Hände weg vom Schießeisen!« warnte Todd Murphy. »Die nächste Kugel trifft nicht den Baum.«

»Bist du übergeschnappt, oder was ist mit dir los!?« protestierte Romero aufgebracht und kam auf die Füße.

»Hab' ja gewusst, dass man dir nicht trauen kann, du mexikanischer Hundesohn!« Murphys erregter Atem dampfte in der kühlen Morgenluft. »Was hast du da zu suchen, eh?«

Der Schuss hatte die anderen augenblicklich auf die Beine gebracht.

»Was soll das?« fauchte McDovan verärgert, der als erster heran war.

Eine plötzliche Erkenntnis brachte ein verächtliches Grinsen auf Romeros Gesicht.

»Ah«, machte er aufmerkend. »Hast wohl hier deine Reichtümer versteckt?«

»Ich habe einen Dieb erwischt«, triumphierte Murphy aufgeregt und hielt seine Waffe noch immer auf Romero gerichtet. »Was machen wir mit diesem verdammten Bastard? Hängen wir ihn auf, oder soll ich ihn auf der Stelle niederschießen, wie er es verdient hat?«

»Das ist doch alles Unsinn!« rief Wanda erschrocken. »Jeder von uns hat genug. Und Roul würde sich nie am Anteil eines anderen vergreifen. Genauso wenig wie ich oder Mister Cox …«

»Aber mir würdest du es zutrauen, wie?!« fauchte Murphy, ohne den Blick auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von Romero zu nehmen, und fügte hämisch hinzu: »Dann frag doch mal deinen lieben Freund, was er dort zu suchen hatte.«

»Wir alle haben das Recht, uns frei zu bewegen«, begehrte Wanda auf. »Du hast keine Rechenschaft von einem anderen zu fordern, warum er sich irgendwo aufhält.«

Murphy stieß mit seinem Gewehr in Richtung Romero.

»Er hockte dort am Boden und wollte das Knüppelholz beiseite räumen, unter dem ich mein Gold versteckt habe.«

»Das stimmt«, pflichtete McDovan bei. »Ich sah, wie er sich von dort zur Seite warf, als ich mich umdrehte.«

»Zufall!« schrie Murphy. »Alles Zufall, wie?«

Der Mexikaner zuckte mit den Schultern und machte eine hilflose Geste.

»Ich bin hier herumgegangen und ...«

»Mit 'ner Wünschelrute, wie?« unterbrach Murphy ihn siegessicher.

»Lass ihn gefälligst ausreden«, ermahnte Wanda ihn ungeduldig, nun selbst neugierig geworden.

»Ich wollte mir 'ne Zigarre anzünden«, verteidigte sich Romero. »Meine Finger waren in der Morgenkälte wohl noch 'n bisschen klamm. Sie fiel herunter.« Er deutete auf jene Stelle neben dem Baum. »Genau zwischen diese Knüppel.«

»Räum sie zur Seite!« forderte Murphy ihn drohend auf und hob das Gewehr bis in Brusthöhe. »Und wenn da keine Zigarre liegt, dann wirst du sehr schnell tot sein.«

Romero bückte sich und warf einen Holzscheit nach dem anderen zur Seite. Murphy sagte selbstsicher: »Bevor du den letzten wegnimmst, greif lieber gleich zur Waffe. Du schaffst es zwar nicht, aber ich an deiner Stelle würde es versuchen,«

Der Mexikaner ließ sich dadurch nicht beirren. Noch drei dieser armdicken Holzscheite räumte er weg, dann hielt er mit spitzen Fingern eine seiner dünnen mexikanischen Zigarren in die Höhe und holte mit der anderen Hand ein Zündholz aus der Tasche.

»Tut mir leid«, sagte er ironisch, »dass du dir meinetwegen ein anderes Versteck suchen musst.« Dann setzte er seine Zigarre in Brand.

Mit zorniger Enttäuschung ließ Murphy seine Winchester sinken.

»Ein zweites Mal kommst du nicht so davon«, drohte er.

»Du hattest unrecht«, wies Wanda ihn zurecht.

»Halt den Mund!« fauchte Murphy sie an. Er trat ein paar Schritte zurück und hob das Gewehr wieder an. »Los, in den Minenschacht mit euch! Alle! Ich will nicht, dass ihr hier draußen herumschnüffelt und mir nachspioniert.«

»Jetzt hat's dich wohl völlig erwischt, wie?« fragte David Cox, und seine Hand kroch langsam in die Nähe seines Revolvers, dessen Gurt er vorhin in der Eile über die Schulter gehängt hatte. »Auf wen willst du denn zuerst schießen? Auf die Lady vielleicht?«

»Auf dich, du Großmaul, wenn au deine Hand nicht von dem verdammten Schießeisen lässt.«

Cox wusste, dass er keine Chance hatte, solange Murphy mit seinem Gewehr auf ihn zielte. Aber der Schuss kam von einer ganz anderen Stelle.

Auf dem Felshang über ihnen krachte ein Gewehr, und McDovan knickte mit einem heiseren Schmerzenslaut ein und fiel hin. Weiter rechts knallte ein zweites Gewehr, und am Waldrand seitlich der Mine fiel ein anderes ein, und ein viertes ganz in der Nähe.

David Cox wurde herumgerissen und gegen Wanda geschleudert, die er mit sich zu Boden riss. Romero hatte den Revolver heraus, ehe er auf dem Bauch hinter der Lodgepol-Kiefer lag. Aber die Entfernung zum Gegner war für eine solche Waffe zu groß, und er beschränkte sich aufs Fluchen.

Todd Murphy, der sein Gewehr bereits im Anschlag hatte, feuerte sofort nach oben. Ob er etwas getroffen hatte, blieb jedoch im Verborgenen. Er sprang hin und her und schoss noch einige Male, ehe er sich hinter einen Steinblock in Deckung warf.

»Mort, pass auf den Kerl mit dem Gewehr auf!« brüllte jemand. Weitere Schüsse fielen und hieben Steinsplitter von dem Block ab, hinter dem Murphy hockte. Dieser fluchte und rannte geduckt zu einer anderen Stelle.

»Das sind diese verdammten Bastarde aus Bannack«, keuchte McDovan und kroch auf sein Gewehr zu, das drei Schritte von ihm entfernt lag.

Romero feuerte mit seinem Revolver, um von ihm abzulenken. Er hatte keine Chance, etwas zu treffen. Kugeln zirpten über ihn hinweg. Da die heimtückischen Schützen sie von verschiedenen Seiten unter Feuer nahmen, gab es kaum eine Deckung, die ausreichend war.

David Cox rannte mit Wanda zum Minenschacht. Das war der einzige Ort, wo man halbwegs vor den Kugeln in Sicherheit war. Cox' linker Arm hing dabei schlaff herunter, und Blut tropfte von seiner Hand. Kugeln ließen hinter und neben ihnen die Steine in die Höhe spritzen.

Romero presste die Lippen hart aufeinander. Diese Burschen schossen sogar auf eine Frau. Offenbar hatten sie die Absicht, niemanden am Leben zu lassen.

Er schob neue Patronen in die Trommel seines Peacemakers, als eine Kugel dicht neben seinem Ohr in das Holz des Stammes schlug. Mit einem Fluch warf er sich wieder flach hin.

Dieses Erdloch, in dem Murphy sein verdammtes Gold versteckt hatte, hätte ihm besser als Deckung gedient. Zudem befand sich sein Gewehr bei seinem Schlafplatz, und er konnte hier wenig ausrichten. Es sei denn, er käme näher an die Gegner heran. Aber das war angesichts des Feuers von verschiedenen Seiten nur schwer vorstellbar.

Wanda und Cox hatten den Stolleneingang unbeschadet erreicht, und jemand, es war nicht auszumachen, ob er oder sie, eröffnete das Feuer. Cox hätte nur mit einer Hand schießen können, aber Wanda konnte recht gut mit einem Gewehr umgehen. Doch von dieser Stelle aus waren die beiden Heckenschützen oben im Berg nicht zu erreichen.

Romero musste hier weg. Immer wieder schlugen Kugeln dicht bei ihm ein, und es war nur eine Frage der Zeit, bis eine ihn erwischte.

Er hielt nach Murphy Ausschau und entdeckte ihn nicht allzu weit weg zwischen einem der Geröllhaufen, die sie aufgeschüttet hatten, auf der einen Seite und einem Stützbalken für das Gestell der Wasserrinne auf der anderen hockend, wo er einigermaßen Deckung nach zwei Seiten hatte.

»Nimm die Schufte am Wald unter Feuer!« rief er ihm zu, und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, dass er versuchen wollte, am Berg hochzukommen.

Murphy nickte und gab Schuss auf Schuss zum Wald hin ab und erreichte dadurch, dass die dort postierten Gegner nicht ungehindert auf Romero schießen konnten, der eilig bergauf rannte.

Von oben kamen hastige Schüsse herunter. Eine Kugel schlug neben ihm auf einen Stein, eine andere zupfte irgendwo an seiner Jacke. Dann hatte er den toten Winkel erreicht, wo er von oben nicht mehr gesehen werden konnte. Aber vor den Kugeln, die vom Wald her kamen, musste er auf der Hut sein. Sie schlugen immer wieder in gefährlicher Nähe ein.

Vorerst brachte Romero sich im Schutze einer dichten Gebüschinsel in eine zweifelhafte Sicherheit. Zumindest konnte er hier als Ziel nicht mehr ausgemacht werden, und er verschaffte sich so eine Atempause.

Von hier aus konnte er das Terrain besser überblicken als von ganz unten, und er fragte sich, wo die Gegner ihre Pferde gelassen haben mochten. Er spähte suchend durch die dichten Zweige. Da drüben, wo der Mischwald in ein lichtes Birkengehölz überging, bewegte sich etwas. Aber er konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Pferde handelte. Doch auch wenn er sich dessen sicher gewesen wäre, es hätte ihnen nichts geholfen. Keiner von ihnen hätte auch nur die leiseste Chance gehabt, dahin zu kommen. Sie konnten sich vorläufig nur darauf beschränken, ihre Haut zu retten.

Die Männer aus Bannack hatten ihre Positionen gut gewählt und ihren Opfern wenig Chancen gelassen. Und ihr Plan hätte wohl auch funktioniert, wenn sie ihre eigene Treffsicherheit nicht überschätzt hätten. So hatten sie nur Cox und McDovan getroffen, und diese nicht einmal so, dass sie außer Gefecht gesetzt waren.

Ihr Glück, dass die Burschen keine Profis waren.

Romero wartete, bis unten wieder heftiger geschossen wurde, und arbeitete sich dann, so schnell er konnte, weiter den Berg hinauf. Dabei musste er natürlich riskieren, getroffen zu werden, und das war ein verdammt unangenehmes Gefühl. Vor allem musste er ständig in Bewegung bleiben.

Er sprang über Steine und zwängte sich durch dornige Sträucher, die ihm Hände und Gesicht zerkratzten. Sein Ziel war eine einzeln stehende Ponderosafichte, die ihre Wurzeln in das kärgliche Erdreich krallte. Als er sie erreicht hatte, drückte er sich eng an ihren Stamm und wartete.

Er spähte nach oben» Deutlich hörte er, wie von dort aus noch immer geschossen wurde, und er war dieser Stelle schon beträchtlich näher gekommen. Er selbst konnte von da nicht gesehen werden. Es bestand für ihn durchaus die Möglichkeit, an die Schützen heranzukommen, falls ihn nicht vorher von unten eine Kugel erwischte.

Einen dieser Kerle konnte er drüben zwischen den Bäumen ausmachen, wie er an seinem Gewehr hantierte. Aber mit dem Revolver von hier aus zu schießen wäre reine Bleiverschwendung. Außerdem verriete er denen da oben seinen Standort.

Der Mann beschäftigte sich noch immer mit seiner Waffe. Offenbar hatte er Schwierigkeiten mit dem Schloss oder keine Patronen mehr.

Romero beschloss, diese Chance zu nützen, und von da an ging alles recht schnell. Er hetzte weiter nach oben und hatte die Stelle, wo einer der Schützen hocken musste, fast erreicht, als der Mann am Waldrand aus seiner Deckung kam, mit den Armen wedelte und etwas nach oben brüllte.

»He, Brady, pass auf!« Er deutete mit hastigen Bewegungen auf die Stelle, wo sich der Mexikaner aufhielt. »Pass auf, unter dir!«

Es war sein Fehler, so unbedacht aus der Deckung zu kommen, denn Murphy streckte ihn mit einem Schuss nieder.

Daraufhin kam dieser Brady über Romero aus seiner Stellung, spähte suchend mit schussbereiter Waffe nach unten.

Roul Romero hielt keuchend inne. Der Mann über ihm hatte ihn erspäht und feuerte sofort. Die Kugel streifte die Steine irgendwo neben Romeros Kopf. Irgend etwas riss ihm das Ohr blutig.

Er schoss zweimal kurz hintereinander, und noch ehe der Pulverrauch sich verzog, warf er sich nach vorn. Er hörte ein Gewehr über den felsigen Hang scheppern und hob den Kopf. Die Pulverwolke hatte sich aufgelöst, und die Stelle, an der er eben noch diesen Brady gesehen hatte, war leer.

Ohne zu Zögern, hetzte Romero über die Steine nach oben. Er sah Brady in seine Deckung zurückgesunken, die blutige Hand auf die Brust gepresst. Er atmete kurz und flach.

Als er Romero bemerkte, riss er den Revolver heraus. Der Mexikaner feuerte sofort. Im selben Moment erschien etwa zehn Yards weiter hinten der zweite Mann. Er fluchte, und sein Gewehr zeigte auf Romero. Dieser warf sich nach vorn auf den Toten. Die Kugel pfiff haarscharf über ihn hinweg.

Der Mann mit dem Gewehr wurde noch ein Stück nach oben gerissen, als ihn eine Kugel aus Murphys Gewehr traf. Er machte einen unkontrollierten Schritt zur Seite, trat ins Leere und stürzte mit einem gellenden Schrei nach unten. Sein Körper wurde über eine abschüssige Stelle gewirbelt und blieb zwanzig Meter weiter unten in einem Buschgürtel hängen wie eine zerbrochene Puppe.

Romero erhob sich und lehnte sich schweratmend gegen den Fels.

Unten rannte der letzte der Männer in kopfloser Flucht zwischen den Bäumen hindurch auf die Pferde zu. McDovan hatte sich gerade mühsam an einem Stützbalken der Wasserrinne hochgezogen. Das Blut lief an seinem Bein herunter und tränkte die Hose.

Er erkannte Scott Anderson in dem Fliehenden und murmelte unter Schmerzen: »Der letzte Schuft nimmt Reißaus.«

Todd Murphy bemerkte ihn ebenfalls und hob das Gewehr.

Anderson hetzte zwischen den hellschimmernden Stämmen der Birken hindurch und war mit einem Satz im Sattel eines der Pferde. Mit kalter Entschlossenheit visierte Murphy den Mann an.

»Was, zum Teufel, soll das!?« keuchte McDovan gepresst. »Der Bursche flieht doch.«

Anderson trieb mit einem verzweifelten Schrei sein Pferd vorwärts, als Murphy ruhig wie auf einem Schießstand abzog. Der Schlag der Kugel warf den Mann nach vorn auf den Hals des Tieres, wo er noch eine Strecke weit hängen blieb, ehe er herunterfiel. Das Pferd entschwand ihren Blicken.

»Er hat es jedenfalls versucht«, kommentierte Murphy sein Handeln ohne jede Emotion und setzte das Gewehr wieder ab. »Vor dem brauchen wir uns jedenfalls nicht mehr in acht zu nehmen.« Er strich beinahe liebevoll über den Schaft seiner Waffe. »Es geht doch nichts über ein gutes Gewehr. Darauf kann man sich wenigstens verlassen.«

»Ja, und es passt zu dir«, nickte der Alte mit schmalen Lippen. »Ihr seid gleichermaßen kalt und gefühllos. Du und die Waffe.«

»Du hast wohl immer was zu meckern«, knurrte Murphy böse und wies auf McDovans blutendes Bein. »Vielleicht war er es, der dir dieses Ding verpasst hat. Du kannst ja rüber humpeln und dich noch bei ihm entschuldigen.«

McDovan klammerte sich mit letzter Kraft an dem Holzstamm fest, an dem er sich einigermaßen aufrecht hielt, und beobachtete den jungen Mann mit seinem Gewehr abschätzend.

»Hat wohl keinen Sinn, mit einem Kerl wie dir über solche Dinge zu reden.«

Murphy spuckte auf den Boden.

»Weißt du, Alter, wenn du 'ne Flasche Whisky gesoffen hast, gefällst du mir besser. Du redest dann nämlich nicht so viel hohles Zeug.«

Wanda kam von der Mine herübergehastet und starrte betroffen auf McDovans Bein.

»Ist es sehr schlimm?« fragte sie besorgt und fasste nach dem Arm des alten Mannes. »Komm, stütz dich auf mich.«

McDovan versuchte ein Grinsen, das aber eher eine Grimasse wurde.

»Wenn ich dieses verdammte Bein nicht hätte, wäre die Kugel glatt ins Leere geflogen.«

»Beim nächsten Mal tut sie's vielleicht«, sagte Murphy mit bösartigem Humor.

»Steh da nicht rum, sondern hilf mir!« fauchte Wanda ihn an. »Wir müssen ihn zur Mine rüberbringen, damit er sich hinlegen kann.«

Widerwillig kam Murphy heran. Sie nahmen den alten Mann in die Mitte und bugsierten ihn zu seinem Lager. Dort schnitten sie ihm das Hosenbein auf und besahen die Wunde.

Romero war inzwischen heruntergekommen. Er machte ein bedenkliches Gesicht.

»Sieht nicht gut aus. Blutet verdammt stark.«

David Cox untersuchte das Bein näher.

»Die Kugel steckt noch drin«, meinte er dann. »Hat wohl eine Hauptader verletzt. Wir müssen das Bein abbinden, sonst verblutet er.«

»Holt das verdammte Ding doch raus«, krächzte McDovan heiser.

David Cox schüttelte den Kopf. »Das traue ich mir nicht zu.«

Er sah die anderen der Reihe nach an, aber alle schwiegen betroffen.

»Wir haben außer unseren Messern nichts, und keiner kennt sich in derlei Dingen genügend aus. Wir würden dich umbringen. Du musst zu einem Arzt.«

»Was redest du da!?« schnappte der Alte ungeduldig. »Du weißt, dass es hier keinen Quacksalber gibt … So tut doch endlich was! Scheiße …, nicht mal 'n Whisky ist da.«

»Binde ihm erst mal das Bein ab«, sagte Cox zu Romero und deutete auf seinen verletzten Arm. »Wanda kann mir inzwischen die Wunde verbinden. Dann sehen wir weiter.«

Er ging nach draußen, und Wanda folgte ihm.

»Ist vielleicht nicht so schlimm, wie es aussieht«, meinte David Cox, »aber das Blei muss raus. Wenn der Brand hineinkommt, ist es aus mit ihm.«

»Dann muss es eben einer von uns versuchen«, schnauzte Murphy ärgerlich. »Mehr als schiefgehen kann es nicht. Wir haben nun mal keinen verdammten Doc hier.«

»In Virginia City soll es einen geben«, sagte Romero.

Murphy funkelte ihn gereizt an. »Mit all dem Gold hier reite ich in keine Stadt wie Virginia City. Und hier zurücklassen tue ich es nicht.«

»Wenn der Alte nicht gewesen wäre, hättest du nicht eine Unze von all dem Gold«, hielt David Cox ihm entgegen.

»Dann reite du doch und hol den Doc«, ereiferte Murphy sich. »Ich bleibe hier und bewache das Gold.«

»Wie aufopferungsvoll.« Wanda schenkte ihm einen wütenden Blick. »Dann werde ich eben reiten.«

»Kommt nicht in Frage«, schaltete sich Romero ein.

»Wir müssen ihn zum Doc bringen«, gab Cox zu bedenken, »sonst kann es zu spät sein. Dann kann ich auch gleich meinen Arm verarzten lassen.«

Wanda streifte Murphy mit einem unwilligen Seitenblick.

»Ich lasse ihn jedenfalls nicht allein hier mit dem ganzen Gold zurück.« Sie sah Romero an. »Du bist der einzige, der auf ihn aufpassen kann.« Sie machte eine kleine Pause und fügte ironisch hinzu: »Damit die Rothäute ihm nichts tun.«

Romero nickte, und Murphy rief beinahe heiter: »Reitet nur! Wir werden die Stellung hier schon halten. Und wir holen in der Zwischenzeit noch 'ne Menge Gold aus dem Berg, das dann natürlich uns gehört.«

Wanda gab ihm darauf keine Antwort. Sie kehrte zu McDovan zurück, der stumm unter seiner Decke lag. Sein Gesicht war blass, wirkte alt und kraftlos. Wanda hockte sich neben ihn auf den Boden und strich ihm über die Stirn. Seine Augen suchten dankbar nach ihr.

»Fühle mich miserabel«, sagte er leise, »so, als ob ich sterben müsste. In meinem Alter übersteht man so was nicht mehr so leicht.«

»Wir bringen dich nach Virginia City zu einem Arzt«, versprach Wanda.

»Ich weiß nicht, ob ich noch bis dahin komme.«

Wanda legte ihm ihre Hand beruhigend auf die magere Schulter. »Das schaffst du schon. Der Blutverlust hat dich nur geschwächt.«

»Und das Gold?«

»Murphy und Romero bleiben hier.«

»Hoffentlich sind sie noch da, wenn wir zurückkommen.«

Wanda nickte. »Ich werde dafür sorgen, dass sie es tun.«

»Ich habe Angst«, sagte der alte Mann. »Irgendwie habe ich geahnt, dass es so kommt. Immer wenn ich mir im Leben etwas schaffen wollte, kam was dazwischen. Das war schon damals so, als wir das Ding mit der Bank drehen wollten. Und später ist es mir nie gelungen, jemanden zu finden, mit dem ich die Mine hätte ausbeuten können. Entweder waren sie nicht vertrauenswürdig, oder sie haben mich nicht für voll genommen. Sie haben immer gedacht, dieser alte, versoffene Kerl faselt von Gold und hat keinen Cent in der Tasche. So war es ja auch.«

Seine Hand klammerte sich an Wandas Arm fest. »Aber das Gold war tatsächlich da. Ihr habt es alle gesehen. Und der alte, versoffene McDovan hat es gefunden.«

Er tat einen tiefen Atemzug und nickte einige Male vor sich hin. »Das ganze Leben war ich ein armer Hund, und nun sieht es, verdammt noch mal, so aus, als ob ich als reicher Mann sterbe. Die Ironie des Schicksals - eine unbarmherzige Ironie.«

»Du wirst noch nicht sterben«, sagte Wanda und erhob sich. »Wir werden keine Zeit verlieren.« Sie lächelte flüchtig auf ihn herab. »Du kannst dich in Virginia City gleich nach einem Saloon umsehen.«

Draußen hatte Roul Romero die Pferde gesattelt und war zusammen mit Murphy dabei, aus ein paar langen Stangen und einer Decke einen Travois zu bauen. Denn McDovan konnte mit seiner Verletzung nicht reiten. Als sie, fertig waren, betteten sie der» Verletzten auf den Travois, der nach Indianerart von Wandas Pferd gezogen wurde. David Cox holte die Mulis an einer langen Führungsleine aus dem Pferch und befestigte diese an seinem Sattelhorn.

»Was soll das?« fragte Murphy barsch. »Was hast du mit den Mulis vor?«

Wanda antwortete an seiner Stelle lakonisch: »Falls du auf die komische Idee kommen solltest, mit dem Gold zu verschwinden, musst du es schon selbst tragen.«

»Verdammt!« begehrte Murphy auf, und seine rechte Hand fiel herab, bis in die Nähe seines Revolvers. »Wozu lässt du dann deinen Aufpasser hier? Traust du ihm etwa auch nicht?«

Während Wanda sprach, hatte sich David Cox zu seinem Pferd umgedreht und das Gewehr aus dem Scabbard gezogen, das er jetzt wie spielerisch in der linken Armbeuge hielt. Es schien reiner Zufall zu sein, dass die Mündung in Murphys Richtung wies.

»Ihr braucht die Mulis ja nicht«, grinste er, »und wir wollen euch die Sorge abnehmen, auf sie aufpassen zu müssen.«

Todd Murphy achtete darauf, dass seine Hand den Revolver nicht berührte, und das fiel ihm bei der Wut, die in ihm brodelte, höllisch schwer. Aber er würde es diesem verdammten Cowboy schon noch heimzahlen. Wenn er glaubte, Todd Murphy austricksen zu können, hatte er sich geirrt.

»Pass lieber auf, dass sie euch die Rothäute nicht abnehmen«, sagte er bissig, »sonst könnt ihr euren Anteil ebenfalls tragen.«

Während Cox und Wanda aufsaßen, holte der Alte sein Gewehr unter der «Decke hervor.

»Nur keine Sorge«, krächzte er grimmig. »Wenn ich auch nicht laufen kann, aber schießen kann ich ja noch.«

Romero trat an Wandas Pferd heran.

»Ich war noch nie 'n großer Redner«, sagte er zu ihr. »Aber du weißt, was ich für dich empfinde. Pass auf dich auf.«

Wanda nickte stumm und trieb rasch ihr Tier an, folgte Cox und den Mulis. Romero blickte ihr nach, bis sie sich noch einmal umwandte und zurückwinkte.

Es war das letzte Mal, dass er sie sah.

In der Nacht hatten sie abwechselnd geschlafen, während der andere Wache hielt. Todd Murphy war in gereizter Stimmung. Romero traute ihm nicht so recht, und ihm wurde klar, weshalb Wanda die Mulis mitgenommen hatte.

Es war ein leichtes, den anderen im Schlaf zu überrumpeln, aber ohne die Tiere konnte man das Gold nicht wegschaffen. Also war die Versuchung nicht so groß. Und bestimmt fürchtete Murphy die Indianer, wenn er allein war. Kein Mann konnte länger als eine Nacht wach bleiben und dann noch kämpfen, falls er angegriffen wurde. So fühlte sich Romero denn doch ziemlich sicher. Jeder von ihnen brauchte den anderen.

Am späten Vormittag saß Murphy im Stolleneingang der Mine und reinigte sein Gewehr.

»Sie sind bestimmt längst da«, sagte Romero.,

Murphy schaute von seiner Tätigkeit nicht auf, nickte nur knapp vor sich hin.

»Vielleicht ist der Alte schon abgekratzt, und sie sind inzwischen auf dem Rückweg,«

»So schnell stirbt man nicht«, wandte Romero ein.

Murphy spuckte auf den Boden.

»In seinem Alter kann das schnell gehen.«

»Das würde dir überhaupt nichts ausmachen, wie ?!«

»Dir vielleicht?«

»Ja.«

Murphy grinste hämisch zu ihm hoch.

»Hast wohl Angst, dass du sein Gold nicht findest?«

»Du denkst immer nur an das Gold«, warf Romero ihm vor.

»Und an was denkst du? An Wanda«, beantwortete Murphy sich selbst seine Frage. »Ich habe schon lange gemerkt, was mit dir los ist.«

»Ich habe keinen Grund, etwas zu verheimlichen.«

»Du bist ein Narr.« Murphy schob die letzte Patrone in das Magazin seiner Winchester und hebelte eine davon in den Lauf.

»Hast du's darauf angelegt, dich mit mir zu streiten?« fragte Romero warnend.

»Nein. Ich will dir nur die Augen öffnen. Du kennst Wanda noch lange nicht. Sie benutzt dich genauso, wie sie es mit mir getan hat.«

»Behalte deine Ansichten gefälligst für dich!«

Das Grinsen in Murphys Gesicht verstärkte sich.

»Hast wohl Angst vor der Wahrheit, wie?« fuhr er unbeirrt fort. »Was glaubst du denn, weshalb sie die Mulis mitgenommen hat?«

Romero schwieg. Sein Gesicht war hart und verschlossen.

»Weil sie dir genauso misstraut wie mir. Sie braucht dich nur, um ihr Gold zu bewachen. Und sie hat auch allen Grund dazu, denn ich weiß, wo sie es versteckt hat. Ich habe es gesehen.«

»Falls du daran denkst, damit zu verschwinden …«

»Müsste ich dich erst umlegen, wie?« grinste Murphy und richtete seine Waffe auf Romero. »Ein Kinderspiel, wie du sehen kannst.«

»Du kannst es nicht wegschaffen«, sagte Romero mit Genugtuung.

»Ich würde mir schon was einfallen lassen. Ich will nur wissen, ob du mitmachst.«

»Nein!«

»Für uns beide würde es einen gehörigen Batzen geben. Wir hätten ausgesorgt für alle Zeiten …«

»Gib dir keine Mühe«, sagte Romero verächtlich.

»Mann!« fauchte Murphy. »Gebrauche doch endlich mal dein Gehirn. Glaubst du wirklich, dass du bei ihr noch eine Chance hast, wenn sie ihr Gold erst in Sicherheit weiß? Meinst du wirklich, sie würde sich dann noch mit 'nem verdammten Mexikaner wie dir abgeben?!«

Romeros südländisches Temperament konnte Worte wie diese nicht ertragen, und er griff zur Waffe. Aber schon während er es tat, erkannte er den verhängnisvollen Fehler und warf sich zur Seite. Murphys Winchester spie ihm Feuer und Rauch entgegen, und er spürte den dumpfen, harten Schlag gegen seine Rippen. Der Schock traf ihn wie eine Keule, und noch während er seinen Revolver herausriss, stolperte er nach draußen und rannte Hals über Kopf vom Minenschacht weg.

»Lauf nur, du blöder Hammelfresser!« schrie Murphy und schoss hinter ihm her. Aber zum Glück für Romero traf er diesmal nicht. Der Mexikaner trieb ihn mit zwei Revolverschüssen in Deckung und warf sich hinter einen Abraumhaufen aus zermahlenem Gestein. Er presste seine Hand gegen die Rippen, und das Blut sickerte durch seine Finger. Angst griff mit spitzen Fingern nach ihm.

»Du hast mich angeschossen!« rief er hinter seiner Deckung hervor.

»Das weiß ich«, rief Murphy siegessicher zurück. »Immerhin wolltest du mich erschießen.«

Romero hob den Kopf und spähte zu Murphy hinüber.

»Hör auf zu schießen! Ich verblute.«

Murphy feuerte, und die Kugel spritzte dicht vor Romeros Gesicht von den Steintrümmern hoch. Der Mexikaner warf sich flach in seine Deckung zurück. Fluchend kroch er zum Rand des Haufens und schoss von dort aus zum Mineneingang.

Murphy zuckte erschrocken zurück und flüchtete in den Schutz des Stollens. Die Kugel des Mexikaners war ihm über die Rippen geschrammt, hatte sein Hemd zerrissen und eine blutige Schramme auf seiner Haut hinterlassen.

»Dieser Hund«, murmelte er mit schmalen Lippen vor sich hin. Dann hob er wieder den Kopf, und ein böses Lächeln kerbte sich um seine Mundwinkel, ohne die Augen zu erreichen.

Er hatte Zeit. Er konnte hier in aller Ruhe warten, bis dieser verdammte Mexikaner da draußen ausgelaufen war wie ein zerschossenes Wasserfass.

Er presste den Unterarm gegen die blutende Schramme an seiner Seite und rief triumphierend nach draußen: »Na, wie geht's dir, Mex? Blutest du schön?«

Romero drückte seinerseits die linke Hand auf die Schusswunde, aber er konnte das Blut auf diese Weise nicht zurückhalten. Die Kugel hatte schräg die Rippen durchschlagen und eine riesige Wunde gerissen. Es tat weh wie die Hölle. Aber das schlimmste war, dass er hier verbluten musste, wenn niemand diese Wunde verband.

»He, Murphy!« rief er drängend. »So mach doch kein Drama aus 'ner Meinungsverschiedenheit. Wir können uns doch einigen.«

»So, wie denn?« höhnte Murphy. »Ich kann dich jetzt nicht mehr gebrauchen.«

»Du kannst das Gold nehmen und verschwinden. Ich bleibe hier.«

»Natürlich bleibst du hier, du Narr. Aber als Leiche. Ich kann nicht verschwinden ohne die gottverdammten Maultiere. Und du passt absolut nicht mehr in meine Pläne.«

Dieser verdammte Gringo war zu keinem Kompromiss bereit. Romero feuerte zum Stolleneingang hinüber, bis seine Waffe leer war. Mit blutverschmierten Händen lud er sie neu. Überall war dieses Blut, wohin er mit seinen Händen auch griff. Die Patronen waren davon besudelt, seine ganze linke Seite, bis hinab zum Knie. Und es war sein Blut!

Panik durchgellte ihn wie ein stummer Aufschrei. Wenn der Gringo ihm nicht half, musste er es selbst tun, egal wie. Und bei allen Heiligen, er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Schon begann er diese hohle Mattigkeit zu spüren, mit der sich der Tod auf leisen Sohlen anschlich.

Grimmig entschlossen, presste er die Lippen aufeinander und zog den Hammer seines Revolver in die Feuerraste, der glitschig in seiner blutverschmierten Hand lag. Er würde jedenfalls nicht tatenlos hier liegen bleiben und auf den Tod warten.

Er feuerte und sprang hoch, rannte schießend auf die Mine zu.

Murphy zuckte mit einem lautlosen Fluch auf den Lippen zurück, als ihm die Querschläger um die Ohren schrillten. Aber rasch fasste er sich wieder und erkannte in Romeros Aktion das, was es war: ein aus Verzweiflung geborener, hilfloser Versuch.

»Ja, komm nur!« schrie er heiser und sprang hinter seiner Deckung hervor. Geduckt und breitbeinig stand er mitten im Eingang der Mine, das Gewehr in Brusthöhe, und schoss, repetierte und schoss wieder.

Schon die erste Kugel traf Romero in die Brust und stoppte ihn schlagartig. Die zweite riss ihn nach hinten herum und warf ihn auf das Gesicht. Er keuchte schwer und versuchte noch einmal hochzukommen, rollte mit einem Seufzer auf den Rücken, und seine blicklosen Augen starrten zur Sonne hinauf.

Todd Murphy hörte sie kommen, ehe er sie sehen konnte, und ein angespannter Ausdruck trat in sein Gesicht. Er hörte das Trappeln der Hufe, Steine klapperten gegeneinander. Jetzt galt es. keinen Fehler mehr zu machen.

Er lockerte den Revolver im Holster, um ihn schneller herausziehen zu können, falls es notwendig war. Dann zögerte er. Er war kein Revolvermann, und dieser Cowboy machte den Eindruck, als ob er mit seiner Waffe umzugehen verstand. Es war vielleicht besser, das Gewehr zu nehmen.

Er rannte zum Minenschacht und holte die Winchester, hebelte eine Patrone in den Lauf und ließ den Hahn gespannt. So legte er die Waffe schussbereit in die linke Armbeuge - nur für alle Fälle.

Sie tauchten an der Bergflanke auf, genau an der Stelle, wo sie vor gut zwei Tagen verschwunden waren. Cox ritt wieder an der Spitze und hatte die Mulis im Schlepptau. Dann tauchte Wanda auf und, zu Murphys Überraschung, auch McDovan. Der Alte saß sogar auf dem Rücken eines Mulis.

»He!« Wanda winkte mit der Hand. »Wir sind wieder da!«

»Das sehe ich«, murmelte Murphy vor sich hin und rührte keinen Finger, während die Reiter herankamen.

»Wir haben sogar Early wieder dabei«, erklärte Wanda euphorisch. »Da staunst du, was? War gar nicht so schlimm, nachdem die Kugel erst heraus war. Und er wollte um nichts in der Welt in Virginia City bleiben. Es war wohl anfangs nur der Schock und der Blutverlust, was ihm so zugesetzt hatte.« Sie sprang von ihrem Pferd und schaute Murphy an. »He, du freust dich ja gar nicht.«

Murphy sagte kein Wort, und Wanda sah sich suchend um.

»Wo ist Roul?« fragte sie, und als Murphy noch immer nichts sagte, wiederholte sie eindringlich: »He, wo ist Roul Romero?«

Murphy zuckte mit den Schultern.

»Die Rothäute haben ihn erwischt. Ich konnte nichts machen.«

Fassungslosigkeit machte sich in Wandas Gesicht breit. Ihre Augen starrten Murphy groß und ungläubig an.

»Die Rothäute…?« wiederholte sie zweifelnd. »Ihn ganz allein?«

»Ich habe ihm gesagt, er solle es sein lassen. Nicht nur einmal habe ich …«

»Was?« unterbrach Wanda ihn. »Was sollte er lassen?«

Cox und McDovan stiegen von ihren Tieren. Das Gesicht des Alten war eingefallen und ohne Farbe. Er sah bei weitem nicht so fit aus, wie er vorgeben wollte. Die Züge von David Cox drückten Misstrauen aus, und er hielt sich im Hintergrund. Murphy beobachtete ihn wachsam, während er zu Wanda sagte.

»Er wollte sich mit dem Gold davonmachen, dein feiner Freund. Und dazu wollte er 'n paar Gäule von den Flatheads erbeuten.« Er wies mit der Hand zur anderen Seite des Tales hinüber. »Da drüben am Wald, genau bei der vorgeschobenen Lodgepol-Kiefer haben sie ihn erwischt. Ich habe es gesehen, aber ich konnte es nicht verhindern. Bin doch kein Narr, dass ich bei so was mitmache.«

Wandas Gesicht war eine einzige Anklage.

»Du lügst!« schrie sie Murphy an. »Sag mir, was du mit ihm gemacht hast!« Sie ging auf ihn los, und ihre Finger krallten sich in der Jacke fest, die er über sein blutiges, zerrissenes Hemd gezogen hatte. »Los, säg es…, sag es!«

David Cox zog sie schließlich von Murphy weg, der darüber heilfroh war.

»Das bringt uns doch nicht weiter«, versuchte er sie zu beruhigen. Aber

Wanda riss sich von ihm los und lief weg. Verzweifelt rannte sie umher, schaute suchend hinter jeden Stützbalken der Wasserrinne und rief Romeros Namen.

McDovan humpelte auf einer hölzernen Krücke ein paar Schritte und blieb dann ratlos stehen.

»Das klingt in der Tat nicht sehr glaubwürdig«, sagte Cox zu Murphy und betrachtete nachdenklich das Gewehr, das noch immer in der Armbeuge des anderen ruhte.

»Ist mir doch scheißegal, wie es klingt. So war es jedenfalls.« Murphys Stimme wurde drohend. »Oder willst du behaupten, dass ich lüge?«

»Das wird sich noch rausstellen, denke ich«, erwiderte Cox.

Wanda war im Minenschacht verschwunden, von wo man sie noch immer nach Romero rufen hörte.

»Sein Gaul steht noch im Pferch«, sagte McDovan zweifelnd. »Ist er zu Fuß zum Pferdestehlen ausgezogen?«

»Es kam zurückgelaufen, nachdem sie ihn heruntergeschossen hatten«, erklärte Murphy.

In diesem Augenblick hörten sie Wandas spitzen, verzweifelten Aufschrei. Danach war es unangenehm still.

»Wenn sie ihn da drin gefunden hat…«, sagte McDovan drohend und humpelte ein paar Schritte auf ihn zu.

»Was ist dann?« fragte Murphy trotzig. »Willst du mich mit deiner Krücke erschlagen, alter Mann?« Und er zielte mit seinem Gewehr auf ihn. McDovan blieb, wo er war, und er schaute Murphy nur verächtlich an.

Wanda kam aus dem Minenstollen, langsam, so als ob jeder Schritt ihr Schmerzen bereitete. Tränen liefen stumm über ihr Gesicht, während sie ihre blutverschmierten Hände betrachtete. Dann richtete sich ihr Blick auf Murphy, und sie begann plötzlich zu rennen. Dabei schrie sie wie wild: »Er hat ihn umgebracht. Zusammengeschossen wie ein Tier hat er ihn. Roul ist tot, und überall ist Blut an ihm. Seht meine Hände …«

Aus den Augenwinkeln sah Murphy, wie David Cox zum Revolver griff. Er fuhr herum und feuerte sofort. Die Kugel schleuderte den Cowboy gegen sein Pferd, und der Revolver fiel zu Boden. Das Tier wich erschreckt wiehernd seitlich aus. Murphy schoss ein zweites Mal, noch ehe Cox auf dem Boden lag.

Wanda ließ sich von diesen Schüssen nicht zurückhalten. Sie versuchte, Murphy das Gewehr zu entreißen, und schrie immer weiter: »Warum schießt du nicht weiter? Warum bringst du uns nicht alle um …?«

Murphy schlug ihr seinen Handrücken so hart ins Gesicht, dass sie zu Boden stürzte, und richtete dann sofort seine Waffe auf McDovan.

»Willst du auch 'ne Kugel?« fragte er kaltschnäuzig. »Ist dir die im Bein noch nicht genug?«

Wanda wischte sich mit der Hand das Blut von ihren aufgeplatzten Lippen und starrte Murphy nur stumm an.

»Na schön, ich habe ihn umgebracht«, schnauzte dieser. »Aber er hat zuerst auf mich geschossen.« Er riss seine Jacke auseinander. »Da, sieh es dir an! Sollte ich mich vielleicht von ihm umlegen lassen!?«

Niemand erwiderte etwas darauf, und Todd Murphy wusste genau, dass sie ihm nicht glaubten. Aber das war ihm auch egal. Er war ohnehin zu weit gegangen, als dass es noch ein Zurück hätte geben können.

Er fesselte beiden die Hände, die das widerstandslos über sich ergehen ließen. Dann holte er Wandas Goldanteil aus dem Versteck und lud es zusammen mit seinem und dem von Romero auf die Mulis. Danach suchte er so lange, bis er auch das Versteck von David Cox gefunden hatte. Dann kam er zu McDovan und blieb dicht vor ihm stehen.

»Fehlt nur noch das von dir.''

»Das bekommst du nicht«, sagte der Alte fest entschlossen. »Ich bin schon alt, weißt du. Mein Gedächtnis funktioniert nicht mehr so gut. Ich habe es vergessen.«

»Wenn du tot bist, brauchst du es nicht mehr«, sagte Murphy hart. Aber McDovans alte Augen schauten ihn ohne Furcht an.

»Dann tu's doch, und red nicht so lange drum herum!«

Ein bösartiges Grinsen stahl sich in Murphys Züge, und er richtete seine Waffe auf Wanda.

»Ich werde sie erschießen«, verkündete er.

»Sag es ihm trotzdem nicht«, sagte Wanda schnell und sah Murphy in die Augen. »Er wird nicht schießen. Er ist zwar ein Schwein, aber dazu fehlt ihm der Mut.«

Todd Murphy holte tief Luft, und die Mündung seiner Winchester kam bis dicht vor Wandas Nasenspitze. Sein Gesicht spiegelte den Kampf wider, den er in sich austrug. Dann senkte sich schließlich der Lauf der Waffe.

»Wir haben uns einmal geliebt, Wanda«, erklärte er mit belegter Stimme.

»Erinnere mich nur nicht daran«, warf Wanda dazwischen.

»Das allein ist der Grund, weshalb ich es nicht tue.«

Wanda sagte mit tiefer Verachtung: »Fang bloß nicht noch an zu heulen.«

Murphy richtete sich ruckartig aus seiner vornüber geneigten Haltung auf.

»Erstickt von mir aus an eurem Gold!« Er blickte sich um. »Die Mulis haben ohnehin schon schwer genug zu tragen. Ich muss noch ein Teil auf eure Gäule verteilen.«

Er holte die restlichen Pferde und band alle zusammen mit den Mulis an eine lange Leine, die er hinter seinem Reittier herzog.

»Grüß deinen Vater von mir«, rief Wanda ihm noch nach. »Und sag ihm, er könne stolz auf dich sein.«

Murphy fuhr herum, und der Hass leuchtete in seinen Augen wie ein helles Licht.

»Ich hoffe, dass ihr beide verreckt!« brüllte er. Dann ritt er mit dem Gold und sämtlichen Tieren davon.

»Er ist nicht nur ein Narr, sondern ein Psychopath, oder wie man so was nennt«, murmelte McDovan vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Wenn ich damals nicht zu betrunken gewesen wäre, hätte ich es doch von Anfang an merken müssen.«

Wanda lächelte zu ihm hinüber. »Ich glaube, in puncto Menschenkenntnis haben wir einander nichts vorzuwerfen. Aber lassen wir das. Versuchen wir lieber, gegenseitig unsere Fesseln zu lösen. Ist ziemlich unbequem, so zu sitzen.«

»Glaubst du, dass es Indianer sind?« fragte Wanda besorgt und lauschte mit schiefgehaltenem Kopf auf den klappernden Tritt mehrerer Pferde.

McDovan schüttelte den Kopf. »Die kämen nicht so gemächlich heran.«

»Vielleicht kommt Todd Murphy zurück.«

McDovan spuckte den allerletzten Kautabak aus, den er noch gehabt hatte. »Meinst du, die Reue hätte ihn gepackt?« Er hob den Kopf und blickte aus zusammengekniffenen Augen den Reitern entgegen, die gerade um den Berghang herumkamen. »Aber wer es auch sein mag, es hilft uns aus einer verdammt belämmerten Lage.«

Beim Näherkommen wurde ein blinkender Stern an der Jacke des vordersten Reiters sichtbar, der seinen Hut tief in die Stirn gezogen hatte.

»Wenn mich nicht alles täuscht«, meinte McDovan verwundert, »dann ist das doch dieser Sheriff aus Bannack. Wie hieß er doch gleich …?«

»Russel«, stellte der Reiter sich vor und fasste mit den Fingerspitzen nach seiner Hutkrempe. »Sheriff Mel Russel mit einem Aufgebot, Ma'am.« Steifbeinig vom langen Ritt stieg der Mann vom Pferd. »Wir vermissten ein paar Männer aus unserer Stadt. Und dann kam eines ihrer Pferde mit blutverschmiertem Sattel zurück. Da mussten wir der Sache auf den Grund gehen.« Er schaute um sich und dann auf den verdreckten Verband an McDovans Bein. »Sieht wohl so aus, als könnten Sie uns in der Sache weiterhelfen.«

»Ja, das denke ich auch«, seufzte McDovan und setzte sich leicht stöhnend auf den Stumpf einer der Bäume, die sie kurz nach ihrer Ankunft hier gefällt hatten. Und dann begann er mit seiner Schilderung, während auch die übrigen Reiter, fünf an der Zahl, von ihren Pferden kletterten.

Mel Russel unterbrach ihn nur ein einziges Mal, als McDovan den Abgang von Todd Murphy schilderte, indem er verstehend vor sich hin nickte und sagte: »Das war vermutlich der Tote, den wir unterwegs fanden.«

»Er ist tot?« fragte Wanda schnell, und sie spürte, wie bei dieser Frage das Blut aus ihrem Gesicht wich. Obwohl sie doch mit etwas Ähnlichem gerechnet hatte, berührte sie natürlich der Tod eines Menschen, dem sie einmal nahegestanden hatte.

Russel nickte. »Die Rothäute hatten ihn offensichtlich erwischt, und sie müssen verdammt aufgebracht gewesen sein. Er war völlig entkleidet, und es steckte beinahe ein Dutzend Pfeile in seinem Körper, die sie erst nach seinem Tode in ihn hineingeschossen haben mussten.«

Wanda sah mit einem Male sehr blass aus, und Sheriff Russel verzichtete deshalb auf die Schilderung weiterer Einzelheiten.

»Und die Mulis?« fragte McDovan atemlos.

»Wir haben nichts bei ihm gefunden. Nur seinen Leichnam, der von einer Menge Hufspuren umgeben war.«

»Nichts von der Last der Tiere?«

Mel Russel schüttelte den Kopf. »Nichts. Die Indianer müssen alles mitgenommen haben.«

»Na denn«, sagte McDovan nach einem tiefen Atemzug und erhob sich auf seine Krücke gestützt. »Habt ihr wenigstens 'ne Flasche dabei? Ist nur wegen der verdammten Schmerzen in meinem Bein, wisst ihr.«

Russel grinste vor sich hin und wandte sich zu einem seiner Männer um.

»He, Pitcain, du hast doch immer so was bei dir. Ich glaube, unser Freund hier hat es nötig, in seinem Zustand.«

Der mit Pitcain Angeredete holte eine Flasche aus seiner Satteltasche, die noch fast voll war, und reichte sie dem Alten mit den Worten: »Aber nicht alles auf einmal. Der Weg nach Bannack ist für einen Verwundeten noch lang und beschwerlich.«

»Yeah«, meinte Russel, »werden Sie wohl auf unseren Gäulen mitnehmen müssen. Glück für Sie, dass wenigstens Andersons Gaul zurückgekommen ist. Die Flatheads hätten wohl sonst von Ihnen nicht viel mehr übriggelassen als von diesem armen Teufel, den wir unterwegs begraben haben.«

McDovan nahm ein paar kräftige Züge aus der Flasche und sagte: »Ein Teufel war er, aber kein armer. Jedenfalls bis zu seinem Tode nicht.«

Die Flasche in seiner Hand war schon zur Hälfte leer, als er zu Wanda humpelte.

»Tja, dann wollen wir mal. Unser Gold können wir leider jetzt nicht mitnehmen.«

»Es ist dein Gold«, erwiderte Wanda. »Das, was mir gehörte«, sie zuckte mit den Schultern, »ist längst irgendwo, wo niemand es mehr findet.«

»Wir werden es teilen«, erklärte McDovan kopfschüttelnd. »Ein alter Mann wie ich hat nicht mehr so große Ansprüche an das Leben.«

»Aber der Saloon, den du haben wolltest …«

Der Alte lächelte schwach, und seine Augen hatten bereits wieder jenen Glanz, wie Wanda ihn von Moody Creek her kannte, wenn er eine gewisse Menge Whisky in sich hatte und seine Geschichte erzählte.

»Weißt du, es scheint sich alles zu wiederholen. Schon einmal bin ich ohne Gold von hier weggeritten. Und wer weiß, ob ich es noch einmal schaffen werde zurückzukommen.«

Wanda legte ihm die Hand auf die magere Schulter und sagte fest entschlossen: »Wir werden es schaffen! Ganz gewiss werden wir das!«

Der Inhalt der Flasche in McDovans Hand neigte sich bereits langsam seinem Ende zu, als man ihn hinter Pitcain auf dessen Pferd hob, und er war bereits wieder in recht gelöster Stimmung. Wanda war hinter Mel Russel aufgesessen. Und als sie losritten, warf sie noch einen letzten Blick auf die Mine mit der Wasserrinne, dem Schotterhaufen an ihrem Ende und auf den einsam stehenden Pfahl, wo sie das Gestein zerkleinert hatten.

Wie würde wohl alles aussehen, wenn sie jemals wieder zurückkäme?

McDovan hatte für all das bereits nichts mehr übrig. Er befand sich schon wieder jenseits aller Alltagssorgen, und seine etwas heisere Stimme durchdrang das Geklapper der Hufe auf dem steinigen Boden.

»Wir zwei sind Freunde, der Whisky und ich, so mögen die Leute den Whisky und mich …«

Der Reitertrupp ritt um den Berghang herum. Ein paar dunkle Wolken schoben sich am Horizont herauf, und Wind kam auf, der zischend durch das Geäst der mächtigen Lodgepol-Kiefern fuhr. Der Hufschlag wurde leiser, und Ruhe legte sich wieder über das Land am Hogback Mountain. Nur ein Fetzen von McDovans Gesang wehte als letztes durch das einsame Tal.

»Wenn ich auch arm bin, das ist mir gleich. Denn habe ich Whisky, so fühl' ich mich reich …«

ENDE

Mit dem Blizzard kam das Grauen

So kämpfte der Boss der Montana-Ranch

Jedes Mal wenn Cort Ransom aus seiner Einsamkeit droben in Montana in die Zivilisation kam, gab es irgendwelchen Ärger. Diese Tatsache wunderte ihn nicht besonders. Das war nun mal so, wenn man da draußen in den Bergen lebte und mit Leuten in Kontakt kam, die man nicht kannte. Diesmal fing der Ärger bereits auf dem Missouri-Dampfschiff an, das ihn nach St. Louis bringen sollte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte Ransom nicht, dass vor ihm der blutigste, grausamste Kampf seines Lebens lag. Aber er spürte den Ärger, bevor die anderen etwas merkten …

Die anderen, das waren zum Beispiel ein Mann, der sich als Hansley vorgestellt hatte. Mehr brauchte man über ihn nicht zu wissen, denn es gab nichts Interessantes an ihm. Man hatte sein Gesicht schon wieder vergessen, ehe man es aus den Augen verlor. Der zweite Mann am Tisch war Jonathan Dewell, der den Steamer erst in Omaha bestiegen hatte und – wie er verlauten ließ – recht häufig die Strecke zwischen diesem Ort und St. Louis befuhr. Er war ein besessener Spieler, der wahrscheinlich nur aus diesem Grunde auf dem Fluss hin und her fuhr. Er hatte ein feistes Gesicht, das unten breiter war als oben. Sein schütteres Haar war in der Mitte gescheitelt, mit Pomade eingeschmiert und wirkte, als wäre es auf dem Schädel festgeklebt. Sein kurzer Hals quoll aus dem steifen angeknöpften Kragen seines Hemdes heraus wie überkochender Brei. Ihm genau gegenüber saß ein Bursche namens Hiram Dobbs, der nicht wie ein Spieler, sondern eher wie ein etwas heruntergekommener Handlungsreisender aussah, aber dennoch in der letzten Stunde dauernd gewann.

Das war nichts Außergewöhnliches. Auch Ransom hatte an diesem Abend bereits mehr als hundert Dollar gewonnen. Aber angesichts der massiven Glückssträhne vom Mr. Dobbs hielt er sich in letzter Zeit sehr zurück. Nicht so Jonathan Dewell, der immer wieder versuchte, sein Gegenüber mit großen Summen aus dem Spiel zu treiben. Dobbs hingegen schienen diese Bluffs eher zu amüsieren als zu beunruhigen. Ransom war mit einem Paar bereits nach der ersten Runde weg, und auch Hansley stieg jetzt mit einem kläglichen Seufzer aus.

Dewell ging noch weiter. Er konnte seine Erregung nicht verbergen, sosehr er sich auch bemühte, gelassen zu erscheinen. Also musste er etwas in der Hand haben. Dobbs beobachtete ihn mit lauernden dunklen Augen, und seine Zähne schimmerten unter dem Geflecht seines Schnurrbartes hindurch. Er erhöhte noch weiter, und das Schimmern seiner Zähne verstärkte sich, als Dewell zu schwitzen begann.

»So viel Glück kann man nicht haben«, stieß Dewell hervor, und es klang wie das Keuchen unter einer schweren Anstrengung, als er das Geld In die Mitte des Tisches schob. »Ich will sehen. Legen Sie Ihre Karten auf den Tisch, aber ohne die im Ärmel.«

Dobbs schickte einen warnenden Blick über den Tisch, und Cort Ransom tastete mit der Hand vorsichtig nach seinem Army Colt an der Hüfte. Er war zwar nicht mehr mit im Spiel, aber es war dennoch besser, sich zu vergewissern, dass sich die Waffe an der richtigen Stelle befand.

»Sie sind ein schlechter Verlierer«, sagte Dobbs zu Dewell, und es war ein Hauch von Kälte in seiner Stimme. »Ich habe keine Karte im Ärmel nötig.«

Er legte vier Könige auf den Tisch. »Genügt das?«

Dewells Gesicht lief puterrot an.

»Verdammt!« keuchte er und warf seine Karten hin, die zusammen ein Full House ergaben. »Lassen Sie die Hände von dem Geld! Ich verlange, dass vorher die Karten nachgezählt werden.«

»Jetzt ist's aber genug!« fauchte Dobbs erregt und fuhr in die Höhe. Der Stuhl krachte hinter ihm zu Boden.

»Betrüger!« bellte Dewell, und seine Hand glitt unter die dunkelgraue Jacke. Aber Hiram Dobbs war offensichtlich geübter im Umgang mit der Waffe. Sein Revolver donnerte bereits über den Tisch hinweg, als Dewell eine kurzläufige Perkussionspistole zum Vorschein brachte. Dewell wurde nach hinten gerissen, krachte auf den Stuhl zurück, von dem hochzuspringen er gerade im Begriff war, und kippte mit ihm nach der Seite um. Die nicht abgefeuerte Waffe, die ihm dabei aus der Hand fiel, schlitterte etwa zwei Meter über den hölzernen Dielenboden.

Hiram Dobbs' dunkle Gestalt stand drohend mit dem Revolver in der Hand am Rande des Lampenscheins, durch den der Pulverrauch wie wallender Nebel über den Tisch zog. Hansley musste husten. Sein Gesicht war bleich und erschrocken. Irgendwo schrie eine Frau, gellend und schrill.

Ransom hatte sich zurückgelehnt und seine Hand um den Griff des Colts gelegt. Aber er ließ die Waffe stecken. Er hatte selbst vermutet, dass Dobbs falschspielte, aber er konnte Dewell nicht mehr zu Hilfe kommen, und aus Erfahrung wusste er, wie schnell man den Verdruss anderer zu seinem eigenen machen konnte. Also beschränkte er sich darauf, den Zuschauer zu spielen.

Irgend jemand rief laut nach dem Captain des Schiffes, während der Verletzte sich stöhnend auf dem Boden herumwälzte und sein Blut auf die Planken des Fußbodens floss. Dobbs steckte seinen Revolver ein, und das Stimmengewirr ringsum schwoll zu einem hektischen Brodeln an.

Ransom beobachtete Dobbs, der gelassen zusah, wie sich jemand, der sich offenbar mit der Behandlung von Wunden auskannte, um den Verletzten kümmerte.

Ein anderer Mann, den Ransom vorher noch nicht gesehen hatte, schob sich von hinten an Dobbs heran.

»Ich habe dir doch gesagt, dass wir keinen Ärger gebrauchen können«, zischte er unwillig. »Konntest du nicht einmal die Finger von den Karten lassen?«

Der Mann trug einen steifen Hut mit schmaler, gleichmäßig nach oben gerollter Krempe und einen Prince-Albert-Rock über einem Rüschenhemd. Aber sein Gesicht passte nicht zu dieser dandyhaften Aufmachung. Es war von derben Zügen geprägt mit einer großen, fleischigen Nase und kleinen, grausamen Augen.

»Wenn du uns den Job bei Jellison vermasselst, dann mache ich dir die Hölle heiß.«

Bisher hatte sich Ransom nicht besonders für Dobbs und diesen anderen interessiert. Aber die Erwähnung dieses Namens ließ ihn aufhorchen. Jellison? Der gleiche Jellison, zu dem er selbst unterwegs war?

Endlich erschien der Captain, ein dünner, vertrocknet aussehender Mann mit einem schmalen, knochigen Gesicht und scharfen, herrischen Augen. Er schob sich forsch durch die Neugierigen, die überall herumstanden, und ihm dichtauf folgte ein bärtiger Riese mit einem gestreiften Hemd, das an Schultern und Oberarmen aus den Nähten zu platzen drohte.

»Macht Platz, Leute!« schnarrte der Captain mit befehlsgewohnter Stimme, die trotz des Tumultes nicht zu überhören war. »Wenn ihr nicht verschwindet, lasse ich den Saal räumen.«

Er kam unter rücksichtsloser Zuhilfenahme seiner Ellenbogen in dem freien Raum an, der sich um jenen Spieltisch gebildet hatte, und erfasste mit einem raschen Blick die Lage.

»Sind Sie Arzt?« fragte er den Mann, der neben dem Verletzten am Boden hockte.

»Nein«, schüttelte der Gefragte den Kopf.

»Aber Sie kennen sich mit Wunden dieser Art aus?«

»Ich war Sanitäter bei Gettysburg«, erklärte der Mann mit einem gewissen Stolz in der Stimme. »Da ist mehr Blut geflossen als auf 'nem Schlachthof, sage ich euch.«

»Dann bringen Sie seine Blutung gefälligst zum Stillstand«, ordnete der Captain schroff an. »Wir haben keinen Arzt an Bord.«

Über den Tisch hinweg schaute er Ransom an.

»Wie hat sich das abgespielt?«

Ransom deutete mit einer knappen Kopfbewegung zu Dobbs hin.

»Es hatte wohl den Anschein, als ob dieser Gentleman seinem Glück ein wenig nachhalf.«

Der scharfe Blick des Captains sprang einige Male schnell zwischen Dobbs und Ransom hin und her.

»Hat er, oder hatte es nur den Anschein?«

»So weit waren wir noch nicht.« Ransom deutete auf den Mann am Boden. »Er da, Mr. Dewell …«

»Ich weiß, wer er ist«, unterbrach der Captain ihn ungeduldig.

»Er wollte das Kartenspiel nachzählen, aber das machte Mister Glückssträhne mächtig wütend, und da zogen beide ihre Waffen.«

Der Captain musterte Dobbs mit einem bohrenden Blick. Für Falschspieler schien er nicht viel übrig zu haben.

»Na, dann zählen wir sie eben nach«, sagte er gedehnt.

»Die Mühe können wir uns sparen«, meinte Ransom und wusste, dass es besser gewesen wäre, den Mund zu halten. »Wenn wir die dazu nehmen, die sich unter dem Stiefel dieses Gentleman befinden, wird es wohl eine zu viel sein, denke ich.«

Dobbs warf ihm einen Blick zu, den man nicht gerade als wohlwollend bezeichnen konnte. Dann trat er einen Schritt zurück und schaute überrascht nach unten.

»Die muss wohl heruntergefallen sein, als ich aufsprang«, meinte er bedauernd.

Der Captain nickte. »Vermutlich aus Ihrem Ärmel. Sie bleiben unter Arrest, bis wir in St. Louis anlegen. Ich will keine weiteren Schießereien an Bord haben.« Er gab dem Riesen hinter sich einen Wink und streckte dann die Hand aus. »Ihre Waffe, Mister!«

Dobbs presste die Lippen zusammen, und seine Haltung spannte sich etwas. Aber der Mann hinter Dobbs mit dem Prince-Albert-Rock raunte diesem zu: »Fang hier keinen Krieg an, und tu, was er sagt.«

Dobbs gab widerwillig seine Waffe ab. Die Pranke des Riesen grapschte ihn am Kragen seiner Jacke und schob, ihn durch die noch immer herumstehenden Schaulustigen. Und Hiram Dobbs schien dabei Mühe zu haben, mit seinen Füßen noch den Boden zu erreichen.

Der Captain wandte sich noch einmal an den Sanitäter von Gettysburg.

»Ich lasse ihn in seine Kabine bringen. Morgen früh werden wir in St. Louis sein.«

Das Spiel war zu Ende. Ransom nahm das Geld vom Tisch, steckte das ein, was ihm gehörte, und das andere in Dewells Jackentasche. Dann verließ er den Spielraum und trat auf das obere Deck hinaus, stützte die Hände auf die Reling und schaute über den Fluss zu dem flachen Ufer hin, das undeutlich in der Dunkelheit vorbeiglitt. Er dachte an den Zwischenfall zurück und an den Namen, den der Prince-Albert-Rock erwähnt hatte.

Brewster Jellison betrieb ein Vergnügungsetablissement in St. Louis, aber außerdem hatte er seine Finger noch in allerhand anderen Geschäften, und alles, was er anfasste, wurde zu Geld.

In früherer Zeit hatte Ransom mit Brewster Jellison zusammen versucht, einen Handel aufzuziehen. Sie rüsteten Siedlertrecks aus, die von Independence aus auf den langen Treck nach Oregon gingen. Aber die Konkurrenz war damals sehr groß und der Profit gering. Jellison zog sich bald aus dem Geschäft zurück, und Ransom fand keinen Gefallen mehr an dieser Art des Gelderwerbs. Immerhin hatte er genug damit verdient, um es mit Pferdezucht oben in Montana zu versuchen. Es war harte Arbeit, die nicht viel abwarf, aber sie machte ihm Spaß.

Brewster Jellison war inzwischen ein reicher Mann geworden. Ransom war ihm zuletzt 1860 begegnet, etwa ein knappes Jahr vor Ausbruch des Krieges. Seither war er nicht mehr in St. Louis gewesen.

Er starrte auf die glitzernden Lichter, die der Raddampfer über das schwarze Wasser tanzen ließ. Immerhin hatte er es in der Zwischenzeit so weit gebracht, sich eine Frau leisten zu können. Und da es in der Gegend, in der er lebte, außer indianischen Squaws so gut wie keine Frauen gab, hatte er sich an Brewster Jellisons Geschick auch in etwas pikanten Geschäften erinnert.

Jellison hatte ihm eine kleine Broschüre mit den Bildern der verschiedensten Frauen nach Fort Benton hinaufgeschickt, die gewillt waren, nach dem Westen zu gehen, um dort ihr Glück zu versuchen.

Ransom hatte sich eine ausgesucht, die ehrlich und kräftig genug aussah, um die harten Winter in Montana überstehen zu können. Es war keine Liebe oder so etwas im Spiel, und Ransom verstand auch nicht viel von derlei Gefühlen. Aber er war fest davon überzeugt, dass zu einem Mann auch eine Frau gehörte, und alles Weitere würde sich dann schön von selbst einstellen. Auch wenn sein Partner Jeffrey Elder ihn für verrückt hielt, er hatte es getan. Er hatte diese Reise von mehr als tausend Meilen angetreten, mit dem zerknitterten Bild einer Frau in der Tasche, die er nicht einmal kannte. Und er war entschlossen, sie zu heiraten.

Es war noch recht früh am Tage, als die »Spread Eagle« in St. Louis anlegte. Trotzdem herrschte hier bereits ein reges Treiben. Leute der verschiedensten Typen und Rassen liefen hin und her, schleppten irgendwelche Waren oder Gepäckstücke. Es war verdammt lange her, seit Ransom so viele Menschen auf einem Haufen gesehen hatte, aber niemand schien hier zu Hause zu sein. Alle kamen irgendwoher und wollten irgendwohin, genau wie er selbst.

Das Bild der Stadt hatte sich verändert in den Jahren, seit er nicht hier gewesen war, und es bereitete ihm einige Mühe, den »Lucky Palace« wiederzufinden, der Brewster Jellison gehörte.

Vom Balkon eines zweistöckigen Hauses winkten ihm ein paar herausgeputzte Ladys zu, die in ihren bunten, flirrenden Kleidern und ihren Federboas aussahen wie exotische Vögel, die er einmal auf einem Bild gesehen hatte, das in der Halle irgendeines Hotels hing.

Ransom blieb stehen und lächelte zu ihnen hinauf. Dabei stellte er sich vor, was wohl Jeff Elder für Augen machen würde, wenn er eine solche Lady nach Montana brächte. Sicher wusste der alte Weibermuffel nicht einmal, dass es so schöne Frauen gab.

Die Schönen auf dem Balkon kicherten und riefen ihm etwas zu, was ihn veranlasste, schleunigst weiterzugehen. Die Idee von eben war wohl doch nicht so gut.

Brewster Jellison empfing Ransom in seiner leutseligen Art, die er in den letzten Jahren noch erheblich weiterentwickelt hatte, was in Ransom eine innere Abwehr entstehen ließ. Es erschien ihm ratsam, diesem Mann mit ein wenig gesundem Argwohn zu begegnen. Mit Leuten seines Schlages hatte er in früheren Jahren bereits schlechte Erfahrungen gemacht.

»Du musst dich noch ein paar Tage gedulden«, sagte Jellison leichthin. »Deine Angebetete kommt frühestens übermorgen aus dem Osten hier an.« Er zuckte mit den breiten Schultern, was vorübergehend ein paar Falten in seinen tadellos sitzenden, maßgeschneiderten Anzug brachte. »Die Transportmöglichkeiten sind jetzt nach dem Krieg noch ein wenig erholungsbedürftig.« Ein unverbindliches Lächeln zog über sein gutaussehendes, glattrasiertes Gesicht. »Aber du hast sicher nicht den weiten Weg gemacht, um St. Louis morgen schon wieder zu verlassen. Übrigens …« Er unterbrach sich und schaute anerkennend in Ransoms Gesicht. »Ich muss dich beglückwünschen. Du hast dir wieder mal das beste Pferd im Stall ausgesucht, wie man so schön sagt. Fast könnte ich dich beneiden.«

»Hör endlich auf mit diesem Gequatsche«, hielt Ransom ihm entgegen. »Ich bin kein unentschlossener Kunde, dem du eine faule Ware aufschwatzen musst.«

Einen Moment lang war so etwas wie lauerndes Abtasten zwischen den beiden Männern, die sich in Jellisons Büro gegenüberstanden. Jellison war genauso groß wie Ransom und hatte die gleichen breiten, kräftigen Schultern wie er. Nur hatte Jellisons Gestalt infolge des komfortablen Lebens, das er führte, bereits einiges Fett angesetzt, was ihn ein paar Kilo schwerer machte, während das harte Leben, das die Bergwildnis Ransom tagtäglich abforderte, diesen härter und widerstandsfähiger erscheinen ließ.

»Sie kommt in ein paar Tagen, und ich werde warten«, sagte Ransom mit einem leicht verlegenen Lächeln, das die Spannung zwischen ihnen beendete. »Schließlich erwarte ich von dieser lasterhaften Stadt noch etwas, bevor ich unter die Haube komme.«

Jellison zwinkerte ihm zu. »Du wirst auf deine Kosten kommen. Vielleicht schon heute Abend. Ich habe eine vortreffliche Tanztruppe engagiert, und ich sage dir, es sind ein paar ganz süße Mädchen darunter.«

»Du machst mich neugierig«, grinste Ransom, »aber bis dahin würde ich mich gern noch etwas aufs Ohr legen … einmal ohne die Schaukelei auf diesem verdammten Kahn.«

Die Eleganz des »Lucky Palace« versetzte Cort Ransom in Erstaunen. Teppiche bedeckten den Fußboden, die wohl ein Vermögen gekostet hatten. Die lange Mahagonibar glänzte von dunklem Holz und blankpoliertem Messing. Hinter ihr glitzerten große Spiegel, und eine Unmenge Flaschen standen in den Regalen davor. Vor den Fenstern hingen dicke rote Plüschvorhänge, und große Kristalllüster schickten ein seltsam flirrendes Licht durch den Raum.

Auf einer kleinen Bühne weiter im Hintergrund sang eine Lady in einem enganliegenden Kleid aus grüner Seide. Ihr rotblondes Haar war zu einer kunstvollen Frisur hinten zusammengefasst, und ihre Locken sprangen leicht über den Nacken bis auf die Schultern herab. Dieser grüne Engel sang mit einer Stimme, die Ransom eine leichte Gänsehaut über Arme und Rücken trieb. Noch nie hatte er eine Frau mit so klarer und doch warmer Stimme singen hören. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern. Was musste das für ein Mann sein, der eine solche Frau besaß?

Ransom starrte eine ganze Weile zur Bühne hin und vergaß, seinen Whisky zu trinken. Erst als er schluckte und bemerkte, wie trocken sein Hals plötzlich war, griff er zum Glas.

»Der erste Drink geht natürlich auf Kosten des Hauses.« Jellisons Stimme riss Ransom aus den beginnenden Träumereien, die der Anblick dieses grünen Engels zwangsläufig entstehen ließ, und er wandte sich um.

Jellison stellte sich neben Ransom an den Tresen und winkte dem Barmann.

»Gib mir auch 'nen Whisky, Carl.«

Jellison lehnte sich mit dem Rücken an die Bar, stützte beide Ellenbogen auf und ließ seinen Blick zufrieden in die Runde schweifen.

»Na, wie findest du den Laden?«

Ransom nickte anerkennend und stellte sein Glas wieder hin.

»Da, wo ich herkomme, könnte man nichts damit anfangen«, meinte er vorsichtig. »Aber hier ist es wohl 'ne Menge wert, denke ich.«

Jellison lachte. »Zur Überschwänglichkeit hast du ja nie geneigt. Aber glaubst du nicht, dass auch da, wo du lebst, einmal andere Zeiten anbrechen könnten?«

»Ich hoffe es nicht.«

Jellison sah seinen Gesprächspartner einen Moment lang schweigend an. Dann sagte er: »Du bist dabei, eine Frau dorthin zu bringen. Meinst du nicht, dass euch ein bisschen Zivilisation auch guttun würde?«

»Nein«, war die direkte Antwort. Dann fügte Ransom hinzu: »Weißt du, es würde das Ende so vieler schöner Dinge bedeuten.«

»Du wirst es dennoch nicht verhindern können«, meinte Jellison. »Die Zivilisation ist unaufhaltsam im Vormarsch, und nur wer sich rechtzeitig darauf einstellt, wird seinen Nutzen daraus ziehen. Ich habe da eine Idee im Kopf.« Er drehte sich halb um und schaute zur Bühne hin. »Aber lass uns morgen darüber reden, nicht jetzt.«

Der grüne Engel hatte sein Lied unter johlendem Beifall beendet, und Jellison winkte mit einladender Geste zu ihr hin. Die Lady verließ die Bühne und kam, begleitet von begeisterten Zurufen, zur Bar. Ihr Kleid erzeugte bei jeder ihrer Bewegungen ein seltsames Rascheln.

»Trinken Sie ein Glas mit uns, meine Liebe«, lud Jellison sie ein. »Singen macht durstig.« Er schnippte mit den Fingern. »Carl, ein Glas Champagner für die Lady!«

Sein Lächeln war sehr einnehmend, wie Ransom feststellte, und Brewster Jellison musste gewiss eine ziemliche Wirkung auf Frauen ausüben.

»Darf ich Ihnen einen alten Freund vorstellen? Das ist Cort Ransom. Er haust irgendwo in der Wildnis von Montana unter Indianern und wilden Tieren. Ich habe ein bisschen versucht, ihn mit dieser Welt hier zu beeindrucken, aber ich fürchte, es ist mir nicht gelungen.«

Die Lady neben Ransom lächelte, aber es war mehr ein Ausdruck von Höflichkeit. Ihre großen graugrünen Augen hefteten sich auf Ransoms Gesicht, und da war plötzlich wieder diese Gänsehaut.

»Ich bin Jill Devraine«, stellte sie sich selbst vor und reichte Ransom die Hand hin. Ihre Stimme klang schlicht und irdisch, ohne dieses engelhafte Flair, wenn sie sang. Ransom ergriff ihre Hand und drückte sie, bemerkte das leichte Zucken ihrer Lider und ließ rasch wieder los.

»Für gewöhnlich schütteln Sie wohl nur Grizzlybären die Hand«, vermutete sie leicht spöttisch. Ransom murmelte eine unverständliche Entschuldigung und überließ lieber Jellison das Wort. Es gab da wohl noch vieles, das er über den Umgang mit einer Frau lernen musste.

»Miss Devraine ist die Hauptattraktion dieser Tanztruppe, die ich schon erwähnte«, erklärte Jellison wohlwollend. »Am liebsten würde ich Miss Devraine natürlich für ganz hierbehalten … nun, sagen wir, als …«

»Als Ihr persönliches Eigentum?« fragte Jill Devraine.

Jill Devraine lächelte ein wenig distanziert, und ihre Worte hatten wie eine Zurechtweisung geklungen.

»Das habe ich nicht gesagt«, verteidigte sich Jellison.

»Aber gemeint«, stieß Jill Devraine abermals zu.

Ransom lächelte unsichtbar in sich hinein. Die Art, wie diese Frau mit einem Mann wie Brewster Jellison verfuhr, gefiel ihm und versetzte ihn gleichzeitig in Erstaunen.

»Sie könnten alles haben, was Sie wollten.« Jellison war kein Mann, der so leicht aufgab.

»Ich habe alles, was ich will«, sagte Jill Devraine trotzig.

Jellison lächelte nachsichtig. »Niemand hat das. Außer unserem Freund hier«, sagte er und wies mit dem Zeigefinger über den Rand seines Glases hinweg auf Ransom. »Das einzige, was ihm noch fehlt, ist eine Frau, dann ist er wunschlos glücklich in seinen Bergen. Doch vielleicht gelingt es mir, noch ein paar Wünsche in ihm zu wecken.«

Ransom fand diese Bemerkung reichlich geschmacklos, und er hatte schon eine dementsprechende Entgegnung auf der Zunge, als Jill Devraine ihm zuvorkam.

»Bleiben Sie länger hier in St. Louis?« fragte sie schnell.

Ransoms Augen lösten sich nur zögernd von Jellison.

»Ein paar Tage wahrscheinlich.« »Sie müssen mir gelegentlich von diesem Land erzählen«, bat sie. »Interessiert es Sie denn?«

»Mich interessiert so ziemlich alles, was ich nicht kenne.«

»Das ist mit wenigen Worten gesagt«, meinte Jellison leicht überheblich. »Im Winter ist es so kalt, dass einem das Mark in den Knochen gefriert, und im Sommer wird man von den Rothäuten skalpiert, sofern man noch am Leben ist. Es gibt dort keinen Friseur, keinen Laden, in dem man etwas kaufen kann, keine Gesellschaft und vor allem kein Lokal wie dieses hier.«

»Dann braucht man dort auch kein Geld, für das man sich immer wieder erniedrigen muss«, konterte Jill Devraine mit spitzer Zunge. Sie schien Brewster Jellison nicht sehr zu mögen, und das versetzte Ransom neuerlich in Erstaunen. War Jellison doch ein Mann, der alles zu haben schien, was Frauen anzog.

Jellison schaute sie einen Moment an.

»Eine seltsame Einstellung für eine Lady wie Sie.«

»Woher wollen Sie wissen, was für eine Lady ich bin?«

»Ich werde es noch herausfinden«, lächelte Jellison.

»Das bezweifle ich«, entgegnete Jill Devraine spitz. »Der Vertrag, den Sie mit Madame Duval abgeschlossen haben, läuft in wenigen Tagen aus, und dann ziehen wir weiter.«

Das Lächeln in Jellisons Gesicht wurde siegessicher.

»Nun, ich bekomme immer, was ich will.« Dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. Er trank seinen Whisky aus, entschuldigte sich. »Wir sehen uns morgen in meinem Büro«, sagte er zu Ransom gewandt und entfernte sich.

»Wollen wir uns nicht an einen der Tische setzen?« schlug Ransom vor. Sie nahmen ihre Gläser und ließen sich an einem der runden Tische nieder.

»Sie mögen Brewster Jellison nicht besonders«, bemerkte Ransom beiläufig.

Die grünen Augen sahen ihn gerade an.

»Ich mag seine besitzergreifende Art nicht. Er gehört zu jener Sorte von Männern, die in jeder unverheirateten Frau ' eine leichte Beute sehen. Ich habe bei ihm immer das Gefühl, als etwas eingestuft zu werden, das ich nicht bin und auch nicht sein möchte.«

Ransom schaute sie über den Tisch hinweg an. Er konnte Jellison verstehen. Was konnte ein Mann sich Besseres wünschen als einen solchen Engel? Er sagte: »Jellison ist immerhin ein Mann, der sich eine Frau wie Sie leisten kann.«

Jill Devraine schien einen Moment nicht sicher zu sein, ob sie über Ransoms Worte lachen oder sich beleidigt fühlen sollte. Dann entschloss sie sich für das erstere.

»Sie halten mich wohl für etwas Besonderes? Ich bin auf einer Farm aufgewachsen, Mr. Ransom, zwischen Hühnern, Gänsen und Schweinen, bis meine Eltern kurz nacheinander starben. Dann ging es mir sehr schlecht, und ich musste eine Menge Dinge tun, für die sich anständige Frauen normalerweise schämen. Dann entdeckte jemand, dass ich eine ganz gute Stimme habe, und stellte mich auf eine Bühne, und da stehe ich heute noch. Aber glücklicher war ich bei meinen Hühnern und Gänsen, denn ich habe Männer wie Jellison kennengelernt, wie sie wirklich sind hinter ihrer glänzenden Fassade. Und glauben Sie mir, das war keine angenehme Erfahrung.«

Ransom schaute etwas betreten auf das Glas, das er verlegen zwischen seinen großen, harten Händen hin und her drehte. Er hatte sich nie um derlei Dinge gekümmert und wusste daher nichts darüber. Da, woher er kam, spielten sie auch keine Rolle.

»Erzählen Sie mir etwas über das Land, in dem Sie zu Hause sind«, wechselte Jill schnell das Thema. »Ist es wirklich so schlimm, wie Jellison sagte?«

Ransom war froh, von diesen unerfreulichen Dingen wegzukommen.

»Nur wenn man es nicht mag«, sagte er und wagte es wieder, sein Gegenüber anzusehen. »Die Winter sind hart, und man braucht ein festes Haus und ein warmes Feuer, um sie zu überstehen. Und es gibt eine Menge Arbeit den ganzen Sommer über. Aber es gibt auch Bäume, die schon zweihundert Jahre und länger dort stehen und die keine Axt je fällen wird, und Berge, die bis in den Himmel reichen und an sonnigen Tagen aus reinem Silber zu sein scheinen. Und es gibt genügend Wild in den Wäldern, dass man nie zu hungern braucht.«

»Und die Indianer?«

»Ich komme mit ihnen aus, weil ich nicht versuche, ihnen etwas wegzunehmen.«

»Und was ist mit dem Land, auf dem Sie leben?«

»Ich habe einen Vertrag mit den Flatheads geschlossen. Bear Chief ist ein weiser Mann. Er hat mir dieses Land überlassen, und als Gegenleistung muss ich alle anderen weißen Männer daraus fernhalten. Und falls ich es eines Tages wieder verlasse, muss ich es so zurücklassen, wie ich es vorgefunden habe.«

»Und was tun Sie dort? Ich meine, wovon leben Sie?«

»Ich züchte Pferde. Hin und wieder verkaufe ich eine kleine Herde davon. Meistens an die Armee weiter im Osten.«

Jill Devraine taxierte diesen Mann mit verstohlener Neugier, sein schmales, wettergebräuntes Gesicht mit der geraden, kräftigen Nase und den ruhig blickenden grauen Augen. Ein tiefbrauner Schnurrbart verdeckte den oberen Teil des Mundes. Seine Gestalt wirkte, obgleich sie eigentlich Ruhe ausstrahlte, ständig wie eine gespannte Feder, und auf dem Tisch lagen zwei große, harte und gebräunte Hände.

Dieser Mann kam aus der Wildnis und konnte in ihr bestehen. Irgendwie passte er nicht in die Welt, die sie bisher gewöhnt war, aber er machte sie neugierig auf dieses Land da irgendwo weit im Westen, von dem sie bisher immer nur gehört hatte – ein Land, das solche Menschen formte.

»Ich muss wieder auf die Bühne«, sagte sie schließlich und erhob sich. Ransom schaute ihr nach, und er dachte an das zerknitterte Bild in seiner Tasche und zuckte resignierend mit den Schultern. Jeder Topf musste den Deckel nehmen, der auf ihn passte.

Als er sich umwandte, hielt er erstaunt inne. Er sah Brewster Jellison neben Hiram Dobbs stehen. Derselbe Dobbs, der auf der »Spread Eagle« einen Mann niedergeschossen hatte. Der Bursche mit dem Prince-Albert-Rock war auch da, und alle drei unterhielten sich angeregt.

Ransom verbrachte den Rest des Abends an der Bar, sah zu, wie die Mädchen aus Madame Duvals Tanztruppe ihre zierlichen Beine schwangen, und lauschte den gelegentlichen Liedern des grünen Engels. Jellison gesellte sich während des Abends noch einmal für kurze Zeit zu ihm und versuchte, ihm eines der Tanzgirls nach dem anderen schmackhaft zu machen, aber irgendwie war Ransom die Stimmung dafür abhanden gekommen. Auch Jellisons Bemerkung, dass sie im Bett noch besser als auf der Bühne seien, konnte daran nichts ändern. Auf Ransoms Frage, was Jellison mit den beiden Mitreisenden auf der »Spread Eagle« zu tun habe, sah dieser ihn erstaunt an.

»Dobbs und Clancy. Du kennst die beiden?«

Ransom erzählte ihm den Vorfall auf dem Schiff, und Jellison zuckte mit den Schultern. Ein Geschäftsmann wie er müsse sich dieser und jener Leute einmal bedienen, erklärte er ausweichend.

Spät am Abend, als das Programm auf der kleinen Bühne des »Lucky Palace« zu Ende war, beschloss Ransom, sich zurückzuziehen. Irgendwie hatte er sich von dem Nachtleben in St. Louis mehr versprochen, aber das lag wohl an ihm selbst. Er hatte eine Menge Whisky getrunken und Vertröstete sich selbst auf morgen. Morgen würde er in einer anderen Stimmung sein.

Jellison hatte ihm eines der Zimmer zur Verfügung gestellt, die im Gebäudeteil hinter der Bühne lagen und eigentlich für die gastierenden Akteure seines Etablissements bestimmt waren.

Noch bevor er den schlecht beleuchteten Gang betrat, der zu diesem Teil des Hauses führte, hörte er ein klatschendes Geräusch, so als würde jemand einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht erhalten. Danach Stiefelscharren und die keuchende Stimme einer Frau, die sich gegen jemand zur Wehr setzen muss.

Ransom bog um die Ecke. Er sah Jill Devraine in ihrem grünen Satinkleid, die sich mit dem Rücken zur Wand gegen einen Burschen in einem Prince-Albert-Rock zur Wehr setzte, der sie zu umarmen versuchte. Dieser Clancy war offensichtlich angetrunken, aber dennoch dürfte Jill Devraine kaum eine Chance gegen ihn haben. Nun, Ransom hatte selbst einiges getrunken, und so mochten die Chancen etwa gleichmäßig verteilt sein. Was diesen Abend betraf, so war er in keiner Hinsicht auf seine Kosten gekommen, und eine kleine Prügelei wäre wenigstens ein interessanter Abschluss dieses Tages.

»Sie sind betrunken«, keuchte Jill Devraine ziemlich hilflos.

Clancy versuchte die grüne Seide von der Schulter der Lady zu reißen, vermutlich, um danach ihre Schulter zu küssen oder in ihren Hals zu beißen. So genau konnte Ransom dessen Vorhaben nicht vorausahnen. Er packte Clancy mit der rechten Hand an der Schulter und riss ihn herum. Er sah Jills geweitete Augen, und der Zorn flammte erst richtig in ihm hoch. Seine linke Faust schleuderte Clancy an die gegenüberliegende Wand des Flures, an der er vergeblich mit den Händen Halt suchte. Er landete schließlich auf dem Boden und stierte mit verschwommenen Augen zu Ransom hoch. Ob das von der Wirkung des Alkohols oder des Schlages herrührte, war nicht auszumachen.

»Steh auf!« fauchte Ransom, der gerade erst in Fahrt kam. »Oder willst du schon aufgeben? Du hast dich doch gerade noch so stark gefühlt.«

Clancy betastete mit der Hand seine zerschlagenen Lippen und verschmierte dabei das Blut im Gesicht. Er murmelte etwas, was wohl niemand außer ihm selbst verstehen konnte. Dann fuhr seine Hand unter den Prince-Albert-Rock, wo er vermutlich eine Waffe verbarg.

Ransom setzte ihm seinen Stiefel auf den Unterarm und presste diesen gegen Clancys Körper, dass diesem keuchend die Luft entwich.

»So habe ich das nicht gemeint.«

Clancy versuchte verzweifelt, seinen Arm unter Ransoms Stiefel wegzuziehen, doch dieser stellte sein ganzes Gewicht darauf und presste ein schmerzvolles Stöhnen aus dem Mann am Boden heraus.

Jill Devraines erschrockener Warnruf wollte Ransom gerade veranlassen, den Kopf herumzureißen, doch etwas Hartes und Kaltes, das sich genau hinter sein Ohr presste, kam diesem Versuch zuvor. Er blieb unverändert in der Haltung stehen, die er gerade einnahm, denn er hatte genügend Fantasie, sich vorzustellen, was da gegen seinen Schädel gepresst wurde.

»Du hast dich schon auf dem Steamer recht unfreundlich verhalten«, tadelte die Stimme von Hiram Dobbs. »Und wenn Jellison nicht noch ein Geschäft mit dir vorhätte, dann würde ich dir jetzt glatt das Gehirn an die Tapete blasen.«

Ransom ließ erleichtert die Luft aus seiner Lunge entweichen, die er im Augenblick der tödlichen Gefahr angehalten hatte. Der Kerl hinter ihm würde also nicht schießen, es sei denn, er lieferte ihm einen triftigen Grund dafür.

»Nimm deinen verdammten Fuß weg!« keuchte Clancy am Boden. Ransom rührte sich noch immer nicht.

»Tu, was er sagt!« Der Druck der Revolvermündung hinter Ransoms Ohr verstärkte sich, um den Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen. Recht so, dachte er, drehte blitzschnell den Kopf herum, so dass der Lauf der Waffe an seinem Genick vorbeistieß, und trieb seine Faust in den Magen von Hiram Dobbs. Der sackte nach vorn, und Ransom hatte Zeit, ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Dann versetzte er dem Navy Colt einen Tritt, der ihn den Gang entlangscheppern ließ, und stieß Dobbs auf den am Boden liegenden Clancy.

Ransom zog seine eigene Waffe und richtete sie auf die beiden Gestalten, die sich vom Boden hochzurappeln versuchten.

»Ich kümmere mich einen Dreck darum, ob Jellison Geschäfte mit euch abwickeln will oder nicht«, erklärte er.

Clancy war immerhin nicht betrunken genug, um auch noch in dieser Situation seine Waffe hervorzuholen, und Dobbs sagte schnell: »Ist ja schon gut, Mann. Wir haben dieses Spiel verloren. Aber nur das letzte zählt wirklich, und das werden wir gewinnen.«

»Hellseher, wie?« meinte Ransom spöttisch.

Dobbs half seinem Kumpan auf die Füße, der damit einige Schwierigkeiten hatte, und beide drückten sich an der Wand entlang an Ransom vorbei und verschwanden. Ransom steckte seinen Colt erst weg, als nichts mehr von ihnen zu hören war.

»Scheint so, als müsste ich mein ganzes Leben mit Schweinen verbringen«, sagte Jill Devraine bitter. »Und ich dachte damals, als ich in die Stadt kam, es würde damit vorbei sein.«

Ransom zuckte mit den breiten Schultern.

»Jede Medaille hat zwei Seiten. Sehen Sie zu, dass Sie auf die richtige kommen.«

Jill Devraine zwang sich zu einem Lächeln, das ihr noch nicht so ganz gelingen wollte.

»Sind Sie auf der richtigen?«

Einen winzigen Moment lang war Ransom unsicher, was er darauf antworten sollte. Dann sagte er: »Ich habe mich auf meiner Seite zumindest bis jetzt behaupten können.«

Sie strich sich mit nervösen Händen ihr Kleid glatt.

»Ich werde froh sein, wenn die Zeit hier vorbei ist.«

»Und wo Sie dann hingehen, wird es dort anders sein?«

»Nein!« stieß sie in plötzlicher Erregung hervor. »Aber das einzige, was man hat, ist, darauf zu hoffen.«

»Das führt doch zu nichts.«

Jill sah zu ihm hoch. »Ich lebe davon. Oder haben Sie einen besseren Vorschlag?«

Ransom fand es sehr dumm, was er jetzt gerade dachte. Dennoch sprach er es aus, und er wusste selbst nicht, weshalb.

»Vielleicht sollten Sie es einmal in einer völlig anderen Welt versuchen.«

Sie blickte noch immer zu ihm hoch, und ihr Gesicht war ganz ernst dabei. Sie sagte eine ganze Weile nichts, fragte nicht einmal, welche Welt er denn meinte. Es schien Ransom, als warte sie, dass er noch etwas hinzufügte.

Schließlich sagte sie leise: »In meinem Job würde es dort wohl nicht viel zu tun geben.«

Ransom schaute in diese grünen Augen, und da war wieder diese Gänsehaut, die ihm über den Nacken kroch. Er hatte das Gefühl, dass er etwas sagen sollte, aber sie hatte wohl ganz recht. Das war keine Welt für einen Engel mit grünen Augen.

»Wenn Sie mal irgendwelche Hilfe brauchen«, hörte er sich ausweichend sagen, und es war ihm dabei, als sei es die Stimme eines anderen, »dann werde ich für Sie da sein.«

Er hob rasch den Hut auf, der ihm bei dem kurzen Kampf heruntergefallen war, und murmelte einen Gutenachtgruß vor sich hin. Jill Devraine zog sich in ihr Zimmer zurück, und Ransom holte tief Luft.

Verdammt, das war schlimmer, als sich mit einer Horde von Flatheads anzulegen. Da wusste man wenigstens, woran man war und was man zu tun hatte. Aber Frauen … Zur Hölle, das war ein Kapitel für sich!

Er zog ab und war in einer Stimmung, in der er sich selbst verprügeln könnte.

Cort Ransom befand sich in einem Stadium wachsender Ungeduld, als er tags darauf Jellisons Büro betrat. Am liebsten hätte er diesem verdammten St. Louis so schnell wie möglich den Rücken gekehrt. Er war hierher gekommen, um eine Frau abzuholen, die er zwar nicht kannte, die aber dennoch gewillt war, fortan ihr Leben mit ihm zu teilen, und um sich vorher vielleicht noch etwas zu amüsieren.

Statt dessen hatte er das warnende Gefühl, dass hier nur Verdruss auf ihn wartete, und das war wohl kein Wunder, wenn eine Frau wie Jill Devraine einem über den Weg lief. Frauen, die wie Engel aussahen, zogen gewöhnlich den Ärger an wie das Licht die Motten.

Die Unterredung mit Jellison war unerfreulich gewesen. Jellison hatte ihm den Vorschlag gemacht, auf Ransoms Ranch eine Rinderzucht größeren Stils aufzuziehen und den Indianern kurzerhand das Land wegzunehmen. Ransom hatte darauf sehr heftig reagiert, und als Jellison ihm kaltschnäuzig erklärte, er könne mit seinem albernen Indianervertrag den Vormarsch der Zivilisation nicht aufhalten, hatte Ransom gekontert, dass es leider Schurken wie Jellison seien, die den Westen erobern würden.

Im Zorn verließ er Jellisons Büro und schlug wütend die Tür seines Zimmers hinter sich zu. Sein Blick fiel auf die geöffnete Reisetasche, die auf dem einzigen Stuhl neben dem Bett stand. Er hatte nicht übel Lust, die paar Sachen, die er bei sich hatte, dort hineinzuwerfen und zu verschwinden. Wenn er es gleich tat, hatte er eine gute Chance, die »Spread Eagle« noch zu erwischen. Aber dann hätte er, verdammt noch mal, diese Reise von mehr als tausend Meilen umsonst gemacht, und schließlich war er in einem Alter, wo ein Mann eine Frau haben und eine Familie gründen sollte.

Dieser Gedanke beruhigte Ransom etwas. Er stellte sich im Geiste Jeff Elders breites Grinsen vor, wenn er ohne Frau zurückkäme, und er hörte ihn sagen: »Habe es dir doch immer gesagt; die einzigen Frauen, die hier draußen etwas taugen, sind indianische Squaws.«

Das Klopfen an der Tür hinter ihm schreckte Ransom aus seinen Gedanken, und seine Hand bewegte sich instinktiv zur Waffe an der rechten Hüfte.

»Die Tür ist offen«, sagte er nicht gerade freundlich und drehte sich um. Er nahm die Hand vom Griff des Sechsschüssers, als er sah, wer zu ihm hereinkam.

»Sie?« fragte er verwundert.

»Ihr Kommen war nicht zu überhören.« Es sollte wie eine Entschuldigung klingen, aber die Unruhe, die in diesen Worten mitschwang, sagte Ransom, dass etwas geschehen sein musste.

Jill Devraine trug nicht ihr grünes Kleid, sondern eine weiße Bluse mit Rüschen und einen weiten rostbraunen Samtrock, der bis zu den Knöcheln reichte. Nur ihr Gesicht erinnerte noch an den Engel der letzten Nacht, auch wenn es jetzt eher verstört wirkte.

»Ich …« Sie brach ihre angefangene Erklärung wieder ab, als wüsste sie nicht, wie sie beginnen sollte.

»Ich weiß zwar nicht viel von Ihnen, Mr. Ransom, nicht, weshalb Sie hier sind und wie Sie zu Jellison stehen, aber ich weiß auch nicht, zu wem ich sonst gehen könnte, jetzt, wo …«

»Was ist denn passiert?«

Ransom schloss die Tür hinter ihr und schaute sie abwartend an. Jill Devraine knetete mit nervösen Fingern auf einem kleinen weißen Taschentuch herum.

»Jellison hat meinen Vertrag übernommen, den ich mit Madame Duval geschlossen hatte. Dieser Schuft hat mich einfach aus der Truppe herausgekauft, und ich weiß genau, weshalb ihm das so viel wert ist. Das bedeutet, dass ich mindestens für ein Jahr hierbleiben muss. Während dieser Zeit soll ich einem Mann wie Brewster Jellison ausgeliefert sein …«

Ihre Stimme versagte für einen Moment, und sie griff hilfesuchend nach Ransoms Arm.

»Sie haben mir gestern Ihre Hilfe angeboten, und Sie sind der einzige Mann, bei dem ich jemals das Gefühl hatte, dass er meint, was er sagt.«

Das Gehörte überrumpelte Ransom für einen Moment, und er schaute Jill Devraine unsicher an.

»Ich werde mit Jellison reden«, sagte er im ersten Impuls und wollte zur Tür.

»Nein!« stieß sie hastig hervor, und ihre Hand hielt ihn energisch zurück. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf.

»Das würde nichts nützen. Es könnte nur alles verderben.«

Ransom begriff noch immer nicht ganz. Das alles war so schnell gekommen und die Situation für ihn so gänzlich ungewohnt.

»Ich … ich weiß nicht, wie ich Ihnen sonst helfen kann.«

Er schaute in ihre klaren grünlichen Augen, und plötzlich dämmerte ihm, was diese Frau von ihm wollte. Flucht. Das war das einzige, was ihr aus dieser Situation heraushelfen konnte. Der Gedanke erregte ihn plötzlich auf unerklärliche Weise. Er dachte an die »Spread Eagle«, die bestimmt schon unter Dampf stand, und eine wahnwitzige Idee schoss ihm plötzlich durch den Kopf – ein Einfall, der so verrückt war, dass er nicht wagte, weiter darüber nachzudenken. Deshalb fragte er schnell und entgegen jeglicher Vernunft:

, »Würden Sie mit zu mir in die Bitterroot Mountains kommen …?« Er zögerte, etwas verlegen über seine Kühnheit. »… das ist oben in Montana.«

Ihre Augen schienen noch einen Stich grüner zu werden.

»Es ist mir egal, wo das ist, wenn es nur weit genug von hier entfernt liegt.«

Ransom kniff beinahe ungläubig die Augen zusammen. Sie hatte nicht abgelehnt – hatte ihn nicht einen Verrückten genannt. Ein Gefühl überwältigte ihn plötzlich wie damals, als er als halbwüchsiger Junge sein erstes Pferd bekam. Er packte Jill Devraine mit beiden Händen an den Schultern und zog sie um sich herum in dem Bedürfnis, einen lauten Jubelschrei auszustoßen, was er jedoch in Anbetracht der besonderen Situation unterließ.

»Dann haben wir keine Zeit zu verlieren«, drängte er mit der Euphorie eines Jungen, den ein großes Abenteuer erwartete. »Die ,Spread Eagle' wird nicht mehr lange warten.«

Er merkte plötzlich, wie sich Jills Körper versteifte und ihre Augen groß und starr wurden.

»Das meine ich auch«, sagte Brewster Jellison von der Tür her. »Und ganz bestimmt wartet sie nicht auf Miss Devraine.«

Verdammt. Ransom hätte sich ohrfeigen können. Er war sorglos gewesen wie ein kleines Mädchen beim sonntäglichen Kirchgang. Das war ein unverzeihlicher Fehler, wenn man es mit einem Mann wie Jellison zu tun hatte.

Ransom fuhr herum, als hätte ihn jemand von hinten mit einem glühenden Eisen berührt, und starrte auf den nickelglänzenden, kurzläufigen Colt Police Revolver in Jellisons Faust.

»Nur keine Panik«, sagte er mit einem kalten Lächeln in seinem gepflegten, glattrasierten Gesicht. »Alles halb so schlimm. Ich muss nur deine Pläne ein wenig durchkreuzen. Du hättest erkennen müssen, wo deine Grenzen liegen, dann wäre dir diese Enttäuschung erspart geblieben.«

»Hör auf mit deinem Gerede!« stieß Ransom zerknirscht hervor. Seine Hand befand sich nur wenige Zoll vom Griff des Revolvers an seiner Hüfte entfernt – aber dennoch eine todbringend weite Strecke.

»Du hast keinen Grund, mich mit einer Waffe zu bedrohen.«

»Wie würdest du denn einen Dieb stellen, der dabei ist, dir etwas wegzunehmen, was dir gehört?«

»Hören Sie endlich auf, Menschen als Ihr Eigentum zu betrachten«, wies Jill ihn zurecht. »Sind vier Jahre Krieg deswegen nicht genug gewesen?«

Jellison überging Jills Einwand mit der Bemerkung: »Es gibt darüber nichts zu diskutieren.« Der Revolver in seiner Hand machte eine kurze, auffordernde Bewegung zu Ransom hin. »Pack deine Sachen zusammen und verschwinde! Diesmal trennen wir uns nicht als Freunde.«

»Darauf könnte ich auch nicht stolz sein«, entgegnete Ransom verächtlich. Er ging um sein Bett herum und nahm die Reisetasche vom Stuhl, kam damit zurück und hielt sie weit geöffnet zu Jellison hin.

»Überzeuge dich, dass nichts von dir darin ist.«

»Lass diesen Quatsch!« fuhr Jellison ihn an.

Ransom warf die geöffnete Tasche über die Hand mit dem Revolver. Die Kugel vom Kaliber achtunddreißig durchschlug den Boden der Tasche, prallte scheppernd von dem Bettgestell aus Messing hinter Ransom ab und klatschte irgendwo in die Wand. Das Blei, das Ransom zugedacht gewesen war, hatte diesen nur deshalb um eine Handbreit verfehlt, weil der Anprall der Tasche Jellisons Waffe aus der Schussposition gebracht hatte.

Er hätte mich tatsächlich niedergeschossen, fuhr es durch Ransoms Kopf, und seine Faust krachte mit der Wucht explodierenden Zorns gegen Jellisons Schädel. Die Tasche polterte mitsamt Revolver auf den Fußboden, und Jellisons Kopf schlug gegen die Wand neben der Tür. Mit verdrehten Augen, in denen man fast nur noch das Weiße sah, landete er auf dem Boden.

Ransom drehte sich zu Jill Devraine um.

»Packen Sie ein, was Sie mitzunehmen haben, aber tun Sie es schnell!« Er wies mit der Hand auf die Gestalt am Boden neben der Tür. »Sehr lange, fürchte ich, wird der da nicht so liegenbleiben. Und der verdammte Kahn wartet auch nicht ewig«, rief er ihr noch nach, als sie schon draußen war.

Schnell warf Ransom seine wenigen Kleidungsstücke in die Tasche und ließ den Bügel zuschnappen. Nach einem prüfenden Blick auf den Bewusstlosen am Boden schob er diesen ein Stück zur Seite, damit er die Tür schließen konnte, und verließ den Raum.

Er lauschte nervös auf einen Ton, den er vom Fluss her erwartete. Noch war das laute Signalhorn nicht zu hören gewesen, mit dem jeder Flussdampfer den Beginn seiner Fahrt verkündete, doch mit jeder Minute, die verstrich, wuchs Ransoms Unruhe. Wenn sie das Schiff von hinten sahen, würde es verdammt unangenehm für sie werden.

Es schien ihm eine Ewigkeit zu dauern, ehe Jill Devraine schließlich wieder auftauchte. Sie hatte ihre Kleidung durch eine Jacke von gleicher Farbe, und gleichem Stoff des Rockes zu einem Reisekostüm ergänzt. Und auf dem Kopf trug sie einen Hut mit Netzschleier und einer bunten, flauschigen Feder. Ein nutzloses Ding, das weder die Sonne abschirmte, noch würde man damit ein Feuer anfachen oder den Staub aus den Kleidern klopfen können.

Ransom holte schon tief Luft, um sein Missfallen über dieses Kleidungsstück kundzutun, aber er überlegte es sich anders. Unterwegs würde noch genug Zeit dafür bleiben.

Er nahm ihr die Tasche aus der Hand, eine ähnliche wie seine eigene, nur etwas größer, und klemmte seine eigene unter den Arm. Als sie die Straße erreichten, nahm er Jill bei der Hand und eilte mit großen Schritten in Richtung Flussufer davon.

»Jill … Jill Devraine!« keifte Madame Duvals erregte Stimme hinter ihnen her. »Komm sofort zurück, du undankbares Frauenzimmer!« Aber die so Gerufene hatte keine Zeit, auch nur einen einzigen Blick zurück zu werfen. Ihre hohen Schnürstiefel pochten laut und hastig auf dem hölzernen Gehsteig, als Ransom sie unbarmherzig hinter sich herzog. Und sie war überzeugt davon, dass dieser Mann sie, ohne anzuhalten, bis zur Anlegestelle des Dampfers hinter sich her schleifen würde, falls sie das Pech hätte hinzufallen.

Noch immer war die Sirene der »Spread Eagle« nicht zu hören gewesen, aber das beruhigte Ransom in keiner Weise. Vielleicht war sie bereits am frühen Morgen abgefahren, und er hatte das Signal überhört, oder das verdammte Hörn war kaputt. Es konnten eine Menge Dinge passiert sein, die ihre Flucht kläglich misslingen ließen.

Endlich kam die Anlegestelle in Sicht, und Ransom blieb einen Moment stehen. Jill prallte gegen ihn und hielt keuchend ihren Hut fest. Ihre Wangen waren gerötet, und in ihren Augen lag ein Ausdruck, als hätte sie etwas Schreckliches hinter sich.

Ein tiefer Atemzug füllte Ransoms mächtigen Brustkorb.

»Sie ist noch da«, sagte er erleichtert. Jill war zu atemlos, um darauf etwas zu erwidern.

Der große Raddampfer lag noch an der gleichen Stelle, wo Ransom ihn verlassen hatte. Der flache Rumpf ragte nur wenig über die Wasserlinie hinaus, doch das aufragende Kabinendeck erreichte die Höhe eines mehrstöckigen Hauses. Dichter Rauch quoll aus den beiden hohen nebeneinanderstehenden Schloten auf der vorderen Hälfte des Schiffes. Zwei Männer bückten sich gerade, um die Planken wegzunehmen, die das Betreten des Steamers ermöglichten.

»Heh, ihr da!« brüllte Ransom, so laut er konnte. »Wartet noch eine Sekunde!«

Einer der Männer blickte kurz über die Schulter und richtete sich wieder auf.

»Aber dann müsst ihr euch verdammt beeilen, Sir.«

»Das tun wir ja schon.« Ransom eilte auf die Anlegestelle zu, und Jill Devraine hatte bei den gewaltigen Sprüngen, zu denen sie gezwungen wurde, Mühe, dass ihre Füße den Kontakt zum Boden nicht verloren.

Das große Schaufelrad am Heck des Schiffes begann sich langsam zu drehen.

»Jetzt können wir nicht mehr länger warten, Sir«, sagte der Mann neben dem Plankensteg.

Mein Gott, dachte Jill Devraine verzweifelt, lass meine Beine nicht versagen!

»Wir sind ja schon da.« Ransom rannte mit schnellen Schritten über die knarrenden Planken, während das Schiff sich bereits in Bewegung setzte, und zerrte Jill hinter sich her.

»Das war, weiß Gott, im letzten Augenblick«, keuchte er und fing seine Begleiterin auf, die restlos erschöpft gegen ihn stolperte, während die Männer hastig den Plankensteg in Sicherheit brachten.

Ein Revolverschuss donnerte über den Platz, der leicht zum Flussufer hin abfiel. Zwei Männer rannten in höchster Eile auf den Anlegeplatz zu.

»Anhalten!« brüllte der eine. »Verdammt, ihr sollt warten …!«

Der gewaltige Ton der Sirene übertönte das Geschrei der beiden, die Ransom als Dobbs und Clancy identifizierte. Sie versuchten, dem Steamer am Ufer zu folgen, um noch aufspringen zu können, doch der Zwischenraum zwischen Bordwand und Liegeplatz wurde zunehmend breiter und war schließlich so groß, dass kein Mensch ihn mehr überspringen konnte. In hilflosem Zorn blieben Clancy und Dobbs am Ufer zurück, und Ransom winkte ihnen lachend zu. Die »Spread Eagle« erreichte die Mitte des Flusses und kämpfte energisch gegen die Strömung an.

Ransom stellte die Gepäckstücke ab und fischte das Foto aus der Tasche, das er noch immer bei sich trug. Nach einem verstohlenen Blick darauf zerriss er es und warf die Schnipsel ins Wasser, wo sie rasch und endgültig davonglitten.

»Was war das?« wollte Jill wissen.

»Etwas, was ich hinter mir zurücklassen muss.«

»Es tut mir leid.«

Ransom wandte ihr sein Gesicht zu.

»Was tut Ihnen leid?«

»Dass ich Ihre Pläne durchkreuzt habe. Was immer Sie nach St. Louis geführt haben mag, Sie konnten es nicht zu Ende bringen, weil Sie mir geholfen haben. Das werde ich nie vergessen.«

»Dann ist ja alles in Ordnung«, stellte Ransom zufrieden fest. Er bemerkte den fragenden Ausdruck in Jills Gesicht und sagte erklärend: »Ich bin nach St. Louis gekommen, weil ich den Wunsch hatte, eine Frau zu haben wie andere Männer auch. Ich war fest entschlossen, nicht ohne sie zurückzukehren.«

Jill legte die Hand auf Ransoms Arm und sagte mitfühlend: »Dann tut es mir um so mehr leid für …« Sie verstummte plötzlich, als sein Lächeln ihr erst den Sinn seiner Worte verständlich machte und ihr klar wurde, dass sie selbst gemeint war.

»Oh …!« sagte sie nur und zog überrascht die Brauen hoch.

In Fort Benton, der letzten Station, die der Steamer auf dem oberen Missouri anlief, hatte Cort Ransom seinen einspännigen Wagen zurückgelassen. Von hier aus mussten sie ihren Weg auf dem Land fortsetzen, denn kein Flussdampfer konnte den Fluss weiter als bis Fort Benton hinauffahren.

Während der langen Reise hatten er und Jill genügend Zeit gefunden, sich näherzukommen. Und so empfand er ein tiefes Glücksgefühl, als er allmählich seinem Zuhause näher kam. Er brachte eine Frau mit – und was für eine Frau. Jeff Elder, diesem alten Weiberfeind, würden die Augen herausfallen, wenn er Jill sah.

Zugegeben, die Kleider, die sie noch immer trug, nahmen sich ein wenig seltsam aus, hier im Angesicht der wild aufragenden Berge der Sapphire Mountains. Ransom hatte ihr in Fort Benton schon wärmere Kleidung besorgt, denn der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Oben am Mullan Pass war es verflixt kalt und windig gewesen. Doch Eider sollte Jill erst einmal so sehen, wie Ransom sie aus St. Louis mitbrachte. Auch das grüne Kleid befand sich noch im Gepäck.

Sie waren gerade zum Clark Fork River hinunter gefahren und verließen ein lichtes Gehölz, durch das Ransom den leichten Wagen in ständigem Zickzackkurs zwischen den Bäumen hindurchgesteuert hatte, als er plötzlich die Zügel straffzog. Das Pferd blieb sofort stehen, und Ransom schaute gespannt flussabwärts, wo ein Rehbock aus dem Wald heraussprang und mit langen Sätzen über das gelblich gefärbte Gras hetzte. Sie selbst konnten ihn nicht aufgeschreckt haben, denn sie waren noch viel zu weit weg. Außerdem lief das Tier in ihre Richtung, drehte dann plötzlich ab, als es den Wagen bemerkte, und durchquerte den Fluss, der an dieser Stelle sehr seicht war.

»Schau mal!« rief Jill erfreut und verfolgte das Reh mit arglosen Blicken. Sie hatte noch nicht das Gespür für Gefahren, das die Grundlage für das Überleben in diesem Lande war.

Ein Grizzly konnte den Rehbock aufgeschreckt haben oder ein Puma. Aber es konnte auch etwas viel Schlimmeres sein. In der Wildnis war Vorsicht geboten, solange man etwas nicht sehen konnte.

Sie kamen langsam und ohne Hast aus dem Wald, genau an der Stelle, wo kurz zuvor der Rehbock aufgetaucht war. Sie saßen auf scheckigen Pferden, und der schwach fächelnde Wind ließ die Federn an Lanzen und Gewehrläufen flattern. Es waren sechs Reiter, und der vorderste von ihnen trug ein Jagdhemd, das mit langen Skalphaaren verziert und mit ockergelber und brauner Erdfarbe bemalt war. Um Hüfte und Oberschenkel hatte er eine bunte Decke geschlungen.

»Indianer«, sagte Jill aufgeregt, aber ohne eine Spur von Angst in der Stimme, und winkte mit dem Arm.

Ransom riss ihr den Arm herunter und zischte sie an: »Verdammt, willst du uns unter die Erde bringen?«

Aber es war bereits zu spät. Die Indianer hatten sie entdeckt, hielten ihre Pferde an und spähten abschätzend herüber.

»Ich denke, es sind deine Freunde«, protestierte Jill verwundert.

»Nicht diese«, erklärte Ransom knapp. »Das sind Blackfeet, und denen möchte ich lieber nicht begegnen. Der Teufel mag wissen, was sie bis hierher getrieben hat. Im Allgemeinen kommen sie nicht bis über den Kamm der Bitterroots. Aber vielleicht steht ein besonders strenger Winter bevor, und da wildern sie ein bisschen im Gebiet der Flatheads, um ihre Vorräte zu vergrößern. Diese. Burschen merken so etwas vorher.«

»Dann habe ich wohl etwas falsch gemacht?« fragte Jill erschrocken.

»Ich fürchte, das hast du.«

Ransom ließ die Zügel locker und griff nach der Peitsche neben sich. Er hatte keine Lust zu warten, bis die Blackfeet die Initiative ergriffen. Es gab für sie keine Chance, den Indianern mit dem Wagen zu entrinnen, aber wenn es ihnen gelang, rechtzeitig über den Fluss zu kommen, dann konnte Ransom sie mit dem Gewehr am Überqueren desselben hindern.

Der vorderste der Reiter stieß einen schrillen Schrei aus, hieb seinem Tier die Fersen in die Seiten und schwang die Peitsche, die an seinem Oberarm gehangen hatte.

»Festhalten!« schrie Ransom. Der Wagen ratterte in halsbrecherischer Fahrt über das unebene Gelände zum Fluss hin. Jill Devraine klammerte sich mit beiden Händen erschrocken an die Seitenlehne neben ihrem Sitz.

Ransom hielt auf die Stelle zu, an der zuvor der Rehbock den Fluss überquert hatte, denn er hatte keine Zeit, um nach einer anderen seichten Stelle Ausschau zu halten. Aber bereits auf halbem Wege musste er erkennen, dass es äußerst knapp werden würde.

Er zog den Revolver und feuerte auf die heranstürmenden Indianer, während er die Zügel in der linken Hand behielt. Bei der wilden Fahrt des Wagens hatte er natürlich keine Chance, etwas zu treffen, aber da die Indianer großen Respekt vor Feuerwaffen hatten, gerieten sie etwas ins Stocken. Ihre Pferde stießen gegeneinander, und sie hatten einige Mühe, diese unter Kontrolle zu halten. Diese kleine Verzögerung genügte Ransom, um vor ihnen den Fluss zu erreichen.

In riskanter Fahrt trieb er das leichte Gefährt ins Wasser, das hoch aufspritzte und beide Insassen mit einem Sprühregen überschüttete. Zum Glück war die Strömung nicht sehr stark und das Flussbett fest genug. Das Wasser erreichte kaum die Radnaben, und wenige Augenblicke später raste der Einspänner die flache Uferböschung hinauf.

Ransom hielt das schnaubende Pferd zurück und warf Jill die Zügel zu.

»Versuch ihn zu halten!« keuchte er und langte nach dem Gewehr, das auf dem Bodenbrett lag. Aber er brauchte es nicht zu benutzen. Die Blackfeet waren keine Dummköpfe und konnten sehr wohl ihre Chancen abschätzen, die ihnen bei einer Flussüberquerung unter dem Feuer des weißen Mannes blieben. Sie drehten schreiend ab, ritten ein Stück am Ufer entlang und verschwanden bald darauf zwischen den Bäumen.

»Da haben wir ja noch mal Glück gehabt«, atmete Jill hörbar auf. Ransom nickte.

»Sieht im Moment so aus.«

Genau würden sie das erst wissen, wenn sie lebend am Ziel ihrer Reise waren. Die Blackfeet hatten gesehen, dass es sich um einen Mann und eine Frau handelte, und ein Wagen war relativ leicht zu verfolgen. Ransom glaubte nicht, dass sie so schnell aufgeben würden. Aber davon sagte er Jill natürlich nichts.

Jill schaute ihn an.

»Glaubst du, sie kommen wieder?«

Er nahm die Zügel wieder an sich und ließ das Pferd antraben, »Wir müssen jedenfalls die Augen offenhalten«, sagte er ausweichend, aber er hatte ein verdammt ungutes Gefühl im Magen. Zwei Skalps, ein Gewehr und ein Pferd und dazu ein verhältnismäßig kleines Risiko. Das war etwas, was sich sechs Blackfoot-Krieger ganz bestimmt nicht entgehen ließen.

»Mir scheint, ich bin vom Regen in die Traufe gekommen«, sagte Jill Devraine. Es sollte scherzhaft klingen, aber das leichte Zittern in ihrer Stimme verriet ernste Sorge.

»Wie ich schon erwähnte«, versuchte Ransom sie zu beruhigen, »sie kommen äußerst selten bis in diese Gegend. In so kleinen Gruppen haben sie höllischen Respekt vor den Flatheads, die nicht mit sich spaßen lassen.«

»Willst du mir damit Mut machen?« fragte Jill seufzend.

»Von den Flatheads haben wir nichts zu befürchten. Ich habe sogar eine Zeitlang bei ihnen gelebt, was gewiss nur Sehr wenige Weiße bisher von sich behaupten können.«

Ransom verschwieg natürlich, dass er schon mit einer Flathead-Squaw zusammengelebt hatte und dass Fighting Woman von den Blackfeet getötet worden war.

Der Weg war uneben, und sie kamen nicht so schnell voran, wie Ransom es wünschte. Außerdem waren sie gezwungen, dem Lauf des Flusses bis nahe seiner Mündung in den Bitterroot River zu folgen, da es für einen Wagen keinen Weg über die Berge gab. Ransom fragte sich die ganze Zeit, wo sie es wohl versuchen würden, aber als es dann soweit war, geschah es völlig überraschend.

Sie kamen, als das Gelände ziemlich offen war, mit furchterregendem Geschrei hinter einer Bodenwelle hervorgeprescht, die sich knapp dreißig Yards entfernt auf der linken Seite hinzog. An Flucht war jetzt nicht mehr zu denken. Sie würde nur jegliche Gegenwehr wirkungslos machen. So zog Ransom die Zügel straff, um ein Durchgehen des Pferdes zu verhindern, schlang die Enden rasch um die Seitenlehne neben sich und langte nach dem Gewehr.

Den ersten der Angreifer schoss er vom Pferd, aber zum Nachladen des einschüssigen Sharps-Gewehres blieb keine Zeit mehr. Die Reiter, deren lange Haare und Fransen wild im Winde flatterten, waren bereits zu nahe. Ransom drehte das Gewehr um und schwang es wie eine riesige Keule über dem Kopf. Aber der nächste Indianer, dem dieser Schlag bestimmt den Schädel zerschmettert hätte, duckte sich gewandt, und Ransom schlug ins Leere. Durch den eigenen Schwung wurde er vom Bock des Wagens gerissen und rollte Über den steinigen Boden.

Der dritte der Blackfeet warf sich aus dem Sattel und landete direkt auf ihm, ehe Ransom sich wieder erheben konnte. Der Schlag mit dem Tomahawk verfehlte seinen Kopf nur um Haaresbreite und hieb knirschend in den Boden. Ransom wälzte sich auf die Waffe, um einen erneuten Schlag zu verhindern, der diesmal hätte tödlich sein können. Sein Gegner ließ die Waffe sofort los, riss sein Messer heraus und stieß mit einer Schnelligkeit zu, die Ransom überraschte. Die Klinge traf ihn seitlich an der Brust, wurde durch die Drehung seines Körpers abgelenkt, glitt dadurch auf seinen Rippen ab und riss ihm eine üble Fleischwunde.

Ransom zog die Beine an und stemmte den Krieger mit den Füßen von sich. Gleichzeitig riss er den Revolver heraus und feuerte auf seinen Gegner. Dieser ließ das Messer fallen und griff sich mit beiden Händen an die Brust. Blut sickerte durch seine verkrampften Finger, und er kippte mit weitaufgerissenen Augen hintenüber.

Währenddessen warf sich ein anderer vom Pferd. Ransoms nächste Kugel verfehlte ihn nur knapp. Ein harter Schlag mit einer Keule prellte Ransom die Waffe aus der Hand und machte seine Finger taub. Er hörte Jill Devraine schreien, aber er konnte sich im Moment nicht um sie kümmern. Der Indianer prallte gegen ihn, und Ransom rollte ihn mit einem Schwung über sich hinweg. Er tastete verzweifelt nach seinem Revolver, bekam aber stattdessen den Tomahawk in die Finger. Der Krieger kam neben ihm gerade auf die Beine, und der Arm mit der Keule schwang hoch, holte zu einem todbringenden Schlag aus. Hinter ihm schrie Jill zum zweiten Mal schrill in panischer Angst.

Ransom riss den Tomahawk hoch und warf sich in einem Aufbäumen von Wut und Verzweiflung dem Blackfoot tollkühn entgegen. Er hieb die Streitaxt mitten in das verzerrte bronzefarbene Gesicht. Der Schlag der Keule streifte dumpf seine linke Schulter und rutschte am Rücken hinab. Der Indianer fiel blutüberströmt nach hinten. In einem Rausch wilder Raserei fuhr Ransom herum, stieß gellend und laut den Kriegsruf der Flatheads aus und stürzte auf den Krieger zu, der Jill Devraine an den Haaren vom Sitz des Wagens herunterzerrte. Dabei schwang er laut schreiend den blutigen Tomahawk.

Der Kriegsruf des Stammes, in dessen Jagdgründen sie sich befanden, ließ den anderen einen Moment innehalten. Dieser Augenblick genügte Ransom, um Jill zu Hilfe zu kommen.

Der Krieger, es war jener mit dem skalphaarverzierten Jagdhemd, ließ von der Frau ab, als Ransom mit hocherhobenem Tomahawk auf ihn zustürmte, und wandte sich seinem neuen Gegner zu. Nur dieser plötzlichen Drehung seines Körpers verdankte er, dass ihm die Streitaxt nicht den Schädel spaltete.

So zerfetzte die scharfe Schneide nur den hirschledernen Ärmel seines Hemdes. Blut sickerte darunter hervor, und der Krieger taumelte zurück, prallte gegen den Wagen, der von dem erschreckt wiehernden Pferd ein paar Meter weitergezogen wurde. Der Blackfoot wurde dadurch umgerissen, rollte ein Stück weit über den Boden und kam wieder auf die Füße. Aber anstatt wieder anzugreifen, rannte er zu seinem Pferd, das er nach wenigen Schritten erreichte, und schwang sich auf dessen Rücken.

Ransom blieb stehen, denn just in diesem Moment brandete ein heftiger Schmerz aus seiner Wunde in ihm hoch. Er krümmte sich leicht zusammen, presste den linken Arm gegen die verletzte Seite und fühlte, wie das Blut über seine Rippen lief.

Völlig verstört taumelte Jill Devraine vom Boden hoch und hielt sich an der Seite des Wagens fest. Ransom stolperte, den Arm noch immer an seine Seite gepresst, auf die Stelle Zu, wo er seinen Revolver verloren hatte. Die Schmerzen fraßen sich durch seinen Körper, und Schwäche und Übelkeit drohten ihn plötzlich zu übermannen. Er musste während des kurzen Kampfes eine ganze Menge Blut verloren haben.

Er fand die Waffe und hob sie auf. Der verletzte Krieger schrie den anderen etwas zu, was Ransom nicht verstand. Aber was es auch immer war, die anderen beiden zogen es ebenfalls vor, angesichts der Verluste, die sie bereits erlitten hatten, und des besessenen Widerstandes des weißen Mannes, das Weite zu suchen.

Ransom war heilfroh darüber, nicht weiterkämpfen zu müssen, denn zweifellos wäre es den Blackfeet doch noch gelungen, ihn zu überwinden, wenn sie die Disziplin weißer Männer gehabt hätten. Aber Indianer verloren sehr rasch die Lust am Kämpfen, wenn ihr Angriff anders verlief, als sie erwartet hatten, oder wenn sie glaubten, dass der Gegner eine bessere Medizin habe als sie selbst.

Zu seinem Glück.

Ransom sandte ihnen noch eine Kugel nach, um den Eindruck zu erwecken, er sei noch immer Herr der Lage. Dann lief er auf etwas unsicheren Beinen und mit zusammengepressten Lippen zurück zum Wagen. Jill schaute ihm dabei zu. Noch immer standen die Spuren des Entsetzens in ihrem Gesicht. Ihre Frisur hatte sich gelöst, und die Haare hingen ihr wirr um den Kopf.

»Du bist verletzt«, sagte sie leise und erschöpft. »Schwer?«

Ransom überging ihre Frage, steckte den Revolver weg und zog sich mit der rechten Hand mühsam auf den Sitz des leichten Wagens hinauf. Dann deutete er mit einer knappen Bewegung seines Kopfes zu der Stelle hin, wo die drei Indianer in einiger Entfernung am Ufer des Flusses angehalten hatten und unschlüssig herüberschauten.

»Die haben das wohl noch nicht so recht mitbekommen. Darum lass uns erst mal von hier verschwinden, ehe sich bei denen die Erkenntnis durchsetzt, dass drei von ihnen eigentlich mit einem verletzten weißen Mann fertig werden müssten.«

Dann hob Ransom demonstrativ und deutlich sichtbar das Gewehr hoch und schob eine frische Patrone in das Schloss.

»Kannst du solch einen Wagen lenken?« fragte er gepresst, unter ständigen Schmerzen und der Anstrengung, den Blutverlust durch stetiges Anpressen des Armes an die Wunde in Grenzen zu halten.

Jill nahm wortlos die Zügel in die Hände und dachte kurz an die Zeit zurück, die jetzt weit jenseits all dieser Dinge lag und in der sie sich all das hier anders vorgestellt hatte. Aber was soll's, es führte nun mal kein Weg mehr zurück, und sie war kein Mensch, der so leicht verzagte. Dafür war die Schule, durch die sie gegangen war, zu hart gewesen.

Mit bleichem Gesicht, aber entschlossen, ließ sie die Zügel auf die Kruppe des Pferdes klatschen und lenkte den Wagen über den holprigen Boden. Von Zeit zu Zeit warf sie aus den Augenwinkeln einen Blick auf den Mann neben sich, der zusammengekrümmt, mit verkrampftem Gesicht dahockte und dem jede Unebenheit des Weges höllische Schmerzen zu bereiten schien. Und plötzlich stieg leise und unaufhaltsam Angst in ihr auf – Angst vor dem wilden und grausamen Land, in dem sie künftig zu leben hatte.

Nach etwa zwei Meilen hielt Jill den Wagen an und warf einen besorgten Blick auf das bleiche Gesicht des Mannes neben sich und dann einen nach rückwärts. Sie waren weit genug weg, um von den Rothäuten nicht mehr gesehen zu werden.

»Lass mich nach deiner Verletzung sehen.«

Ransom zögerte. Wenn die verdammten Blackfeet jetzt hinter ihnen herkamen und sie überraschten, während Jill seine Wunde versorgte, dann war es um sie beide geschehen. Aber es blieb ihnen wohl keine andere Wahl. Er blutete noch immer wie ein abgestochenes Tier, und das Gerumpel dieses verfluchten Wagens brachte ihn noch um. Er musste zunehmend gegen die Schwäche ankämpfen, gegen das Gefühl, einfach die Augen zu schließen und sich treiben zu lassen. Und von seinen Beinen her kroch bereits die Kälte hoch.

So ließ er es zu, dass Jill seinen Arm anhob und die Jacke zur Seite schlug.

»Gott im Himmel!« entfuhr es ihr, als sie das viele Blut sah, das bereits Hemd und Hose durchtränkt hatte. Hastig riss sie das Hemd auseinander und fühlte angesichts der grässlichen Wunde Übelkeit in sich aufsteigen. Am liebsten hätte sie augenblicklich die Flucht ergriffen. Aber sie befand sich nicht mehr in St. Louis. Hier draußen blieb einem nichts weiter übrig, als sich seinen Problemen zu stellen. Es gab hier keine anderen, die das für einen erledigen konnten.

Also holte sie mit zitternden Fingern eine weiße Bluse aus ihrer Reisetasche. Ein wenig ratlos schaute sie wieder auf die klaffende Wunde. Sie hatte nichts bei sich, womit sie dieselbe reinigen konnte, aber in Anbetracht des heftigen Blutens erschien ihr das auch nicht nötig. So faltete sie das Kleidungsstück zu einer Art Kompresse zusammen und drückte es fest auf die Wunde. Dann löste sie Ransoms Gürtel und zog ihn unter seinem Körper hervor. Sie musste mit Ransoms Messer noch ein zusätzliches Loch in das äußerste Ende des Leders bohren, damit er um seinen breiten Brustkorb reichte.

Ransom fühlte sich eingeschnürt und konnte kaum noch atmen, aber die Blutung der Wunde musste gestoppt werden, wenn er lebend zu Hause ankommen wollte.

»Wirst du es aushalten können?« fragte Jill ihn, und er nickte nur wortlos. Sie griff nach den Zügeln und warf einen forschenden Blick zu den Bergen hinauf.

Gewaltige Felsmassive hoben sich aus dichtem Fichtenbestand heraus, als wollten sie den Himmel erstürmen. An ihren Schroffen krallte sich hier und da verkrüppeltes Buschwerk fest, wo auch nur die kleinste Spalte oder Furche eine Voraussetzung dafür bot. In diesem Land schien alles auf den Kampf ums Überleben ausgerichtet zu sein, und nur wer dazu in der Lage war, hatte hier eine Chance.

Langsam nahm der Wagen seine Fahrt wieder auf, und Jill lenkte ihn so vorsichtig wie möglich durch das Tal nach Westen. Und immer wieder glitt ihr besorgter Blick zu dem Mann hin, der neben ihr zurückgelehnt auf der Bank saß und mit den Bewegungen des Gefährtes hin und her schwankte.

»Allmächtiger«, seufzte Jill erleichtert, als sie endlich das Tal des Bitterroot Rivers erreicht hatten, »das ist wirklich am Ende der Welt. Ich hatte schon befürchtet, wir kämen niemals irgendwo an.«

»Ist es nicht herrlich?« Ransom blinzelte mit den Augen zu den gewaltigen Massiven der Bitterroots hin, die sich weißgekrönt aus dem schon herbstlichen Gelb des Tales bis in das strahlende Blau des unendlichen Himmels emporhoben. Seine Stimme hatte schwach geklungen, aber seine Worte zeigten Jill, dass er bei vollem Bewusstsein war.

»Im Moment bin ich zu müde, um die Aussicht zu genießen«, entgegnete sie und zog fröstelnd die Schultern hoch. »Da oben ist es schon Winter.«

»Ja«, nickte Ransom und deutete auf eine seichte Stelle im Fluss, durch die sie auf die andere Seite hinübergelangen konnten, wo sich in der Ferne eine langgestreckte Hütte vor einer steilaufragenden Felswand duckte. »Und er wird auch hier unten nicht mehr lange auf sich warten lassen.«

Von weitem sah die Hütte aus, als wäre sie aus armdickem Knüppelholz erbaut, was sich beim Näherkommen als knorrige Baumstämme entpuppte, die von Sonne und Frost gebleicht waren und an die Knochen gewaltiger Tiere erinnerten.

Das Geräusch des sich nähernden Wagens lockte eine Gestalt aus dem Haus, die ihnen abwartend entgegenblickte.

Jill hielt plötzlich den Wagen an und griff nach dem Gewehr zu ihren Füßen. Mit dem Daumen zog sie entschlossen den Schlagbolzen zurück und richtete die Waffe auf den alten Mann, der ihnen entgegenschritt.

»Hier sind sie auch schon«, stieß sie hervor, und Ransom konnte sie gerade noch daran hindern, den Schuss abzufeuern.

»Um Gottes willen, das ist Oshoah!« rief er aus. »Er ist ein Freund und hilft mir bei der Arbeit. Oshoah lebt hier mit uns.«

Immer noch misstrauisch, ließ Jill ihren Blick über das zu dicken grauen Zöpfen gebundene Haar gleiten, das zu beiden Seiten des braunen Gesichts unter einem zerbeulten Zylinderhut herabhing, und über das mit Fransen verzierte Hirschlederhemd, auf dem noch die schäbigen Reste von Stickereien aus Stachelschweinsborsten zu sehen waren.

»Ich werde es wohl nie lernen«, seufzte sie erleichtert und ließ das Gewehr sinken.

Die alten klugen Augen des Indianers schwenkten von der Frau zu Ransom, und sein Gesicht hellte sich auf.

»Meine Augen haben lange auf die Freude, dich wiederzusehen, warten müssen, Ransom«, sagte der alte Mann und streckte die Arme nach vorn. »Steig herunter, damit ich dich begrüßen kann. Und eine Squaw hast du auch mitgebracht. Ich werde sie Fighting Woman nennen.«

»Du darfst es ihr nicht verübeln, Oshoah«, klärte Ransom ihn auf. »Wir hatten unterwegs einen Zusammenstoß mit den verdammten Blackfeet. Und die Lady weiß noch nicht zu unterscheiden zwischen Freunden und Feinden.«

Oshoah machte ein grimmiges Gesicht.

»Blackfeet, Hunde«, sagte er. »Meine Augen sehen, du bist verletzt. Deine Squaw hat dir geholfen. Sie ist eine gute Squaw. Sie wird meine neue Tochter sein.« Er hielt Jill, die vom Wagen geklettert war, seine Hand hin.

»Es tut mir leid«, sagte Jill bedauernd, »ich konnte nicht wissen …«

»Ja«, sagte der Alte, »gut«, und schüttelte heftig Jills Hand. »Ein Mann braucht Squaw. Ohne Squaws ist ein Mann ein armer Mann.«

»Ich hoffe, er begnügt sich mit mir«, lächelte Jill und versuchte verzweifelt, ihre Hand wieder freizubekommen. Dies gelang ihr erst, als Ransom ebenfalls mühsam vom Sitz des Wagens kletterte und Oshoah ihm helfen wollte.

»Bin zwar ein bisschen angekratzt, aber nicht so schwer, dass du mich herunterheben musst«, wehrte Ransom den Indianer ab. »Wo ist Jeff?«

Oshoah deutete mit einer flüchtigen Armbewegung zu den Bergen hinauf.

»Da hinauf geritten. Wollte nach den Tieren sehen. Blackfeet haben sich auch hier herumgetrieben. Oshoah hat ihre Spuren gesehen. Feige Hunde, haben sich hier nicht sehen lassen.«

»Wann war das?« wollte Ransom wissen.

»Schon vor mehreren Sonnen«, erklärte Oshoah.

Ransom machte ein besorgtes Gesicht. Jeff Elder hätte nach dieser Zeit eigentlich wieder zurück sein müssen. Aber Ransom ließ nichts von seinen Bedenken laut werden. Eider war kein Anfänger, er würde sich nicht so leicht von den Rothäuten erwischen lassen. Schon gar nicht, wenn er von deren Anwesenheit wusste.

Der alte Indianer schirrte das Pferd aus und brachte es in den Stall, während Ransom die junge Frau in die Hütte führte.

Jill betrachtete mit distanzierter Neugier das primitive Mobiliar und die Gegenstände des täglichen Bedarfs, die überall herumlagen und offensichtlich der ordnenden Hand einer Frau entbehrten.

»Ich habe dir gesagt, dass es hier keinen Komfort gibt«, sagte Ransom, der ihren Blick bemerkte. »Und es wird auch in Zukunft keinen geben«, fügte er hinzu.

Jill schaute ihn leicht befremdet an.

»Was hast du gegen ein bisschen Gemütlichkeit einzuwenden?«

»Wir haben hier weder Geld noch Zeit für so etwas«, erklärte er barsch.

Er muss wieder Schmerzen haben, dachte Jill und schwieg. Als erstes würde sie seine Wunde ordentlich verbinden müssen. Sie sah sich nach einem Herd um, auf dem sie Wasser heißmachen konnte.

»Wo kocht ihr euer Essen?« fragte sie.

Ransom deutete wortlos zum offenen Kamin hin, wo ein rußgeschwärzter Topf an einem eisernen Gestell hing.

Jill seufzte. Sie würde wohl noch mit vielen Überraschungen rechnen müssen.

»Hältst du einen Herd auch für Luxus?« fragte sie nüchtern, ohne darauf eine Antwort zu erwarten.

»Wir sind jedenfalls bisher ohne einen ausgekommen«, knurrte Ransom.

»Ohne Frau auch«, gab Jill spitz zurück, »und dennoch hast du eine haben wollen.«

Ransom presste die Lippen zusammen und schaute Jill gereizt an. Sie war keine Fighting Woman. Daran würde er sich erst gewöhnen müssen. Und vielleicht war das gut so.

Fighting Woman – das lag weit hinter ihm, und er wollte sie nicht durch eine andere Squaw ersetzen. Er wollte keine Vergleiche zwischen Fighting Woman und einer anderen anstellen müssen. Deshalb hatte er sich eine weiße Frau hergeholt. Zwischen ihr und einer Indianerin gab es keine Vergleiche. Aber, zum Teufel, genau das begann er schon insgeheim zu tun, und das ärgerte ihn.

In diesem Moment kam Oshoah vom Stall herüber.

»Eider kommt«, sagte er laut.

Ransom fühlte, wie die Gereiztheit von ihm abfiel und sich seine Stimmung schlagartig änderte. In seinem Unterbewusstsein hatte er sich mehr Sorgen gemacht, als er sich eingestehen wollte.

Trotz der Schwäche in seinen Beinen ging er zur Tür und schaute dem Reiter zwischen zusammengezogenen Augenlidern entgegen. Eider bemerkte den Wagen und trieb sein Pferd zu schnellerer Gangart an. Als er schließlich vom Pferd sprang, ging Ransom ihm entgegen.

»Hallo, Jeff. Wir sind gerade erst angekommen.«

Jeff Elder schüttelte ihm die Hand, und Ransom verzog das Gesicht, als dieser ihm auf die Schulter schlug. Jetzt erst bemerkte Eider Ransoms Verletzung, und der Ausdruck der Freude verschwand aus seinem hageren Gesicht.

»Was ist passiert?« fragte er schnell.

»Einer dieser nichtsnutzigen Blackfeet hat mich mit seinem Messer angebohrt. Aber ist halb so schlimm.« Ransom packte seinen Partner am Arm und zog ihn in Richtung Haus. »Etwas ganz anderes solltest du dir anschauen. Mann, wirst du Augen machen!«

Jeff Elder machte ein verdrießliches Gesicht.

»Es ist nicht die, die ich eigentlich wollte«, fuhr Ransom erklärend fort und lächelte wie ein Junge. »Es hat sich so ergeben, aber das erzähle ich dir ein andermal. Sie ist in Jellisons Lokal aufgetreten.«

»O Gott«, seufzte Eider, »dann ist es ja noch schlimmer, als ich befürchtet hatte.«

»Du solltest mal ihre Stimme hören, wenn sie singt«, schwärmte Ransom ungetrübt weiter.

Jeff Elder blieb stehen und sah zum Haus hin.

»Mein Gott, Junge, das ist hier draußen so nutzlos wie die Kleider, die sie anhat.«

Jill war mit dem schwarzen Topf in der Hand aus der Tür getreten und musterte die beiden Männer abschätzend. Der Ankömmling war älter als Ransom. Jill schätzte ihn um die Fünfzig. Er hatte eine hochgewachsene, drahtige Gestalt, trug eine Jacke aus derbem Wollstoff und abgewetzte Lederchaps über der Hose, wie ein Cowboy. Jill hatte auf den ersten Blick den Eindruck, dass man diesem Mann vertrauen konnte, auch wenn dessen Augen ihr signalisierten, dass er sie nicht zu mögen schien.

»Das ist Jeffrey Elder«, sagte Ransom, und er schien von seinen Schmerzen nichts mehr zu spüren, »aber wir alle nennen ihn nur Jeff.« Er deutete auf Jill und erklärte stolz, als würde er einen Star ankündigen: »Und das ist Miss Jill Devraine.«

»Ma'am«, grüßte Eider knapp und fasste mit zwei Fingern an die Krempe seines zerbeulten Hutes. »Sie werden sich die Finger schmutzig machen.«

Jill spürte deutlich die Geringschätzung, die dieser Mann für sie empfand, aber wenigstens verstellte er sich nicht.

»Nun, Wasser wird es doch wohl geben«, erwiderte sie mit spitzer Zunge und wandte sich an Ransom: »Ich nehme an, ihr müsst nicht warten, bis es mal regnet.«

Ransom deutete zur einen Seite des Stalles. Es gab einen Brunnen mit einer richtigen Pumpe und einer Pferdetränke. So viel Luxus hatte Jill nicht erwartet. Sie füllte den Topf und kehrte damit ins Haus zurück, machte Feuer und hängte den Topf an das eiserne Gestell.

»Sie haben sich das alles anders vorgestellt, nicht wahr«, sagte Eider hinter ihr.

Jill wandte den Kopf und schaute aus ihrer hockenden Stellung zu ihm hoch.

»Ich habe mir gar nichts. vorgestellt, und Sie werden nicht hören, dass ich mich beklage.«

»Dann muss Ihnen das Wasser bis zum Hals gestanden haben, da, wo Sie herkommen.«

Jill erhob sich und drehte sich zu ihm um. Ransom saß auf einem Stuhl am Tisch. Seine Haltung wirkte gespannt.

»Das hat es auch, Mr. Eider«, erwiderte Jill trotzig. »Und ich bin es gewöhnt, mit Schwierigkeiten fertig zu werden.«

»Mit diesen hier nicht«, hielt Eider ihr ruhig entgegen. »Schon nach ein paar Wochen werden Sie sich wünschen, Sie wären nie hierher gekommen.«

Jill blitzte ihn mit zornigen Augen an.

»Sie wissen wohl immer alles schon vorher, wie?«

»Sagen wir mal, ich kenne das Leben hier draußen besser als Sie. Cort kennt es auch, und er hätte Sie nie hierher bringen dürfen. Das ist nichts für Frauen von Ihrer Art.«

Jill stemmte die geballten Fäuste gegen die Hüften.

»Und von was für einer Art bin ich?«

»Das ist genug, Jeff!« mahnte Ransom. »Du hast kein Recht, Jill zu beleidigen.«

»Er hat mich nicht beleidigt«, sagte Jill stolz. »Er hat sich schlicht und einfach geirrt. Das kann doch mal vorkommen.«

Eider schaute sie mit einem seltsamen Blick an, und Jill wusste, dass sie den ersten Pluspunkt eingesammelt hatte.

»Na schön, dann habe ich mich eben geirrt«, schnaufte Jeff Elder, an Ransom gewandt. »Jedenfalls für heute. Aber wie stellst du dir alles Weitere vor? Du kannst keiner weißen Lady zumuten, mit drei Männern in einer Hütte zu hausen, in der es nicht mal einen Herd gibt. Oder sollen wir anderen in den Stall umziehen?«

»Dann werden wir eben eine zweite Hütte bauen«, fuhr/ Ransom seinen Partner gereizt an.

Eider nickte.

»Du meinst, Oshoah und ich werden sie bauen, denn du bist momentan nicht in der Lage dazu. Und der Winter steht vor der Tür.«

»Ich brauche nur ein paar Tage Ruhe, nicht mehr«, grollte Ransom unwillig, und Jeff Elder verließ wortlos die Hütte.

»Ich bringe eine Menge Probleme hierher«, seufzte Jill. »Es tut mir leid, aber ich komme mir vor wie ein Eindringling.«

»Du kannst nichts dafür. Jeff wird sich schon beruhigen.«

»Warum hasst er mich?«

»Er hasst dich nicht. Vor mehr als zwanzig Jahren war er mit einer Tänzerin verheiratet. Aber sie hat es bei ihm nicht lange ausgehalten und ging eines Tages mit einem Spieler durch, der ihr mehr bieten oder mehr versprechen konnte.«

Jill sah Ransom betreten an.

»Und nun glaubt er, alles wird sich wiederholen.«

»Er hat für weiße Frauen allgemein nicht mehr viel übrig. Er hält sie für zu schwach und zu verwöhnt, um in der Wildnis zu bestehen.«

»Er tut mir leid«, sagte Jill leise.

Nachdem Jill die Wunde gesäubert und richtig verbunden hatte, ging Ransom ebenfalls nach draußen. Jeff Elder stand an der Ecke der Hütte und rauchte.

»Mit den Tieren alles in Ordnung?« fragte Ransom, als er sich zu ihm gesellte.

Eider nickte, nahm seine Pfeife aus dem Mund und sagte: »Hielt es nur für besser, mal nach dem Rechten zu sehen. Painted Shirt trieb sich mit einigen seiner Stammesgenossen hier herum. Aber sie hatten es wohl nicht auf Rinder oder Pferde abgesehen.«

Painted Shirt. Ransom hatte diesen Namen schon öfters gehört. Meistens war dies bei der Schilderung von Überfällen geschehen, bei denen es Tote gegeben hatte. Painted Shirt hasste alle Weißen und tötete sie, wo er ihrer habhaft werden konnte, nachdem vor Jahren weiße Büffeljäger sein Dorf überfallen und fast seine ganze Sippe ausgerottet hatten. Und selbst die Flatheads sprachen seinen Namen mit einer gewissen Ehrfurcht aus. Es war nicht gerade ein beruhigender Gedanke, dass sich dieser Krieger hier in der Nähe herumtrieb.

»Painted Shirt also«, murmelte Ransom. »Dann habe ich ihn kennengelernt, doch ich habe ihn mir nicht gerade zum Freund gemacht.«

»Du kannst froh sein, dass du deine Haare noch hast«, meinte Eider und klopfte seine Pfeife an der Hütten wand aus. »Aber hier werden sie uns nicht angreifen. Dazu ist Painted Shirt zu schlau. Eine so spektakuläre Aktion würde die Flatheads erzürnen. Oshoah ist bei seinen Stammesbrüdern immer noch sehr geschätzt, und Painted Shirt ist wohl nicht scharf darauf, sie gegen sich aufzubringen.«

Ransom hoffte, dass Eider recht hatte. Aber wer konnte schon wissen, was im Kopf eines Blackfoot-Kriegers vorgeht.

Sie bauten die neue Hütte einige Schritte abseits der alten im rechten Winkel zu dieser, so dass sie dem Stall gegenüber stand. Jill half bei der Einrichtung des Hauses tatkräftig mit. Jeff Elder redete sehr wenig mit ihr, schien sie aber zu akzeptieren. Vielleicht war das bessere Essen schuld daran, das die Männer seit Jills Ankunft hier bekamen. Ransoms Verletzung war in den Wochen völlig geheilt, so dass er an der harten Arbeit mehr und mehr teilnehmen konnte. Auch wenn sie von irgendwelchen Blackfoot-Kriegern nie etwas zu sehen bekamen, blieben sie doch wachsam. Und so bemerkten sie auch den einzelnen Reiter sehr früh, der sich eines Tages ihrem Anwesen näherte.«

Ransom kniff die Augen zusammen und schaute dem Ankömmling entgegen. Dann legte er den Hammer beiseite und wischte sich die Handflächen an der Hose ab.

Es handelte sich um einen Weißen, das sah er schon an der Art, wie der Mann im Sattel saß, lange bevor er Kleidung und Gesicht erkennen konnte. Und es war zumindest ungewöhnlich, dass sich ein einzelner weißer Mann in diesem Land herumtrieb.

»Wir bekommen Besuch«, verkündete Ransom den anderen. Oshoah nickte und nützte die Pause, um sich auf dem Boden niederzulassen.

»Schon gesehen«, sagte er, nicht besonders interessiert. »Weißer Mann.« Oshoah holte seine Pfeife hervor und schaute mit besorgtem Gesicht in den kleinen Lederbeutel. »Vielleicht hat er Tabak.« Ransom ging ins Haus und holte sein Gewehr. Als er wieder herauskam, war auch Jeff Elder da, und auch er trug eine Waffe. Jill war Ransom nach draußen gefolgt und sagte: »Ihr wollte doch keinen Krieg mit ihm anfangen, wer immer das auch sein mag.«

»Hier draußen«, erwiderte Ransom beiläufig, »ist jeder so lange ein Feind, bis man sich vom Gegenteil überzeugt hat.«

Der fremde Reiter kam langsam und ohne Hast herangeritten und hielt unweit von ihnen sein rauchgraues Pferd an. Er musterte die Anwesenden der Reihe nach, so als suche er jemand, und sagte dann erleichtert grinsend: »Mein Gott, bin ich froh, endlich auf Menschen zu stoßen.«

Er hatte unstete Augen und abstehende Ohren, die trotz des strähnigen Haares zu sehen waren, das unter seinem Hut hervorspross. Seine Zähne standen etwas vor und verliehen seinem Gesicht einen einfältigen Ausdruck. An seiner Kleidung war nichts Besonderes, nur der Revolver fiel Ransom auf. Es war eine kurzläufige Waffe, deren Holster am Oberschenkel festgebunden war.

»Meine beiden Gefährten sind ein paar Meilen hinter mir zurückgeblieben«, erklärte der Mann. »Bin vorausgeritten, um zu sehen, ob ich hier auf Menschen treffe, und ich hatte Glück.«

»Das kann man sagen«, nickte Ransom. »Es hätten viel eher Blackfeet oder Flatheads sein können.« Er musterte das Pferd des Fremden, das einen ziemlich erschöpften Eindruck machte. »Steigen Sie ab, Mister, und versorgen Sie den Gaul. Er hat einiges hinter sich, wie mir scheint Und Sie selbst werden hungrig sein.«

»O ja«, nickte der Mann, »sogar verdammt hungrig, Mister. Übrigens, mein Name ist McCloud, Cyran McCloud.« Er ließ sich vom Pferd gleiten, und sein Blick verweilte einen Moment lang auf Jill, so als wundere er sich, hier eine Frau anzutreffen. Dann nickte er ihr zu und tippte kurz an seinen Hut.

»Ma'am.«

»Ziemlich ungewöhnliche Reiseroute haben Sie«, ließ' sich Jeff Elder vernehmen. Seine Stimme klang argwöhnisch. »Hierher verirrt sich nur ganz selten jemand.«

McCloud grinste entwaffnend einfältig. »Ja, verirren, das ist das richtige Wort, Mister. Eigentlich wollten wir nach Alder Gulch zu den Goldfeldern, aber am Madison River wurden wir von einer Bande Crows angegriffen und nach Westen abgedrängt. Und dann haben wir den verdammten Weg verloren. Wir haben eine ziemliche Strecke hinter uns und wären froh, wenn wir uns hier ein paar Tage ausruhen könnten.«

»Hast du Tabak?« wollte Oshoah wissen.

McCloud schaute ihn einen Moment an, als wüsste er nicht recht, wo er den alten Indianer einzustufen hatte. Dann grinste er, holte einen kleinen Beutel aus der Tasche und warf ihn dem Alten zu.

»Hier«, sagte er dabei, »für die Friedenspfeife.«

Ransom überlegte, wo er diesen Mann mit den abstehenden Ohren schon mal gesehen hatte, aber es wollte ihm nicht einfallen. Vielleicht erinnerte er ihn auch nur an jemand.

Er ging mit Jill ins Haus und trug ihr auf, eine Mahlzeit für ihre Gäste zuzubereiten, während McCloud sein Pferd absattelte. Jill schien froh zu sein, einmal wieder andere Menschen um sich zu haben. Ransom sah ihr zu, wie sie die Pfanne auf den Herd stellte. Sie hatten bis jetzt wenig Zeit füreinander gehabt. Aber das würde sich nun ändern. Jetzt war die neue Hütte fertig, und sie würden für sich sein.

Es dauerte mehr als eine Stunde, bis McClouds Gefährten zur Stelle waren. Niemand hatte ihrer Annäherung besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und so erkannte Ransom erst ziemlich spät, um wen es sich handelte.

»Hallo, Ransom«, grinste Bill Clancy von seinem Pferd herunter. »Was für ein Zufall.«

Der andere war Hiram Dobbs. Seine dunklen Augen betrachteten ihn mit satter Genugtuung, und Ransom glaubte keine Sekunde an einen Zufall. Diese Burschen waren auch nicht vom Wege abgekommen. Sie hatten genau gewusst, wohin sie wollten.

Ransoms Hand schob sich langsam zum Revolver, was Bill Clancy mit einem vorwurfsvollen Lächeln quittierte.

»Aber, aber«, sagte er, »begrüßt man so alte Freunde?«

Ransom gab den Gedanken an seine Waffe auf. Jeff Elder hatte sein Gewehr nicht dabei, und Cyran McCloud stand irgendwo hinter ihm herum. Wo Oshoah sich im Moment herumtrieb, wusste er nicht, und es war wohl besser, wenn er nicht auf ihn zählte. Clancy hatte seinen eleganten Prince-Albert-Rock gegen eine dicke Jacke aus Schaffell eingetauscht, die ihn bullig erscheinen ließ, und er hatte sein Gewehr quer über dem Sattel liegen, so dass die Mündung wie zufällig auf Ransom gerichtet war.

Ransom erwiderte Clancys Grinsen und zuckte beschwichtigend mit den Schultern. »Ist nur so 'ne Reaktion, wenn jemand auf mich zielt.«

»Ihr kennt euch?« fragte Jeff Elder.

Ransom nickte erklärend. »Wir hatten in St. Louis 'ne kleine Auseinandersetzung.«

Clancy winkte lässig ab.

»Ach, nicht der Rede wert. Alles längst vergeben und vergessen.« Er nahm das Gewehr weg und stieg vom Pferd. »Wir gönnen den Tieren eine Nacht Ruhe und reiten dann weiter.«

Ransom glaubte ihm kein Wort, und auch Clancys zur Schau gestellte Freundlichkeit konnte ihn nicht täuschen. Doch so, wie die Karten im Augenblick verteilt waren, war es vernünftiger, zum sicherlich bösen Spiel eine gute Miene zu machen.

»Das Essen muss längst fertig sein«, sagte er deshalb. »Gehen wir ins Haus.«

Jill erschrak, als sie die neuen Besucher erkannte, aber sie hatte sich erstaunlich in der Gewalt, und Ransom kam nicht umhin, sie dafür zu bewundern.

»Brewster Jellison muss den Weg ziemlich genau beschrieben haben«, bemerkte sie herausfordernd.

Clancy ließ sich lachend am Tisch nieder.

»Mit Jellison haben wir schon lange nichts mehr zu tun. Der Kerl ist ein Halsabschneider.«

Als Jill Devraine das Essen auftrug, beobachtete Clancy sie mit lauernden Augen, wie ein Wolf seine Beute.

»Hätte ich gewusst, dass sie auch noch kochen kann, hätte ich damals nicht so schnell aufgegeben«, sagte er dabei, und er schaute Ransom genüsslich lächelnd an. »Kann verstehen, dass du so verdammt rasch zugegriffen und sie Jellison weggeschnappt hast. Er hat geschäumt wie ein wütender Bison und beinahe jede Summe geboten für den, der euch zurückbringt.«

»Tut mir leid, dass ihr es nicht geschafft habt«, zuckte Ransom mit den Schultern und fragte sich insgeheim, ob die drei Kerle deshalb den weiten Weg gemacht hatten. Aber er verwarf diesen Gedanken sogleich. So groß würde die Summe, die Jellison auszuspucken bereit war, nicht sein, dass sich dafür eine solche Reise lohnte. Außerdem konnte niemand eine Frau wie Jill Devraine gegen ihren Willen eine so weite Strecke mit sich schleppen, ohne aufzufallen.

Clancy schaute Ransom noch immer mit einem amüsierten Lächeln an, so als könne er dessen Gedanken lesen.

»Mit dem nächsten Dampfer aus dem Osten kam eine Frau an«, sagte er, als würde er jedes Wort auf der Zunge zergehen lassen. »Brewster Jellison hat sie erst mal für sich behalten. Wohl als Entschädigung. Aber du kennst ihn ja, lange fesselt ihn keine Frau.«

Wenn Clancy geglaubt hatte, in Ransom so etwas wie ein schlechtes Gewissen wachzurufen, so hatte er auf die falsche Karte gesetzt. Das Bild, das Ransom einmal in seiner Tasche herumgetragen hatte, war längst in seiner Erinnerung verblichen. Und eine Frau, die sich mit Jellison einließ, wäre gewiss nicht der große Wurf für ihn gewesen.

Nach dem Essen fragte Hiram Dobbs: »Vielleicht ein Spielchen gefällig?«

Ransom schüttelte den Kopf. »Das letzte Mal hätte es dabei fast einen Toten gegeben. Also lassen wir es lieber.«

»Ach ja«, bestätigte Dobbs, »die Sache auf dem verdammten Kahn.« Seine dunklen Augen zwangen Ransoms Blick auf sich, und er pulte mit dem Nagel seines rechten Zeigefingers zwischen seinen Zähnen herum. »Du hast dich damals ziemlich unfreundlich verhalten, Freund Ransom. Aber wie Bill schon sagte: Vergeben und vergessen.«

»Befassen wir uns lieber mit der Gegenwart«, warf Bill Clancy ein und lehnte sich behaglich zurück. »Wir haben seit Tagen das erste Mal wieder richtig gegessen, und wir wissen das zu schätzen«, lobte er scheinheilig. »Wenn ihr uns jetzt noch ein Obdach gewährt, dann werden wir als Freunde scheiden.«

»Im Stall ist Platz genug für euch und die Gäule«, sagte Ransom nicht übermäßig freundlich.

Clancy wechselte mit seinen Begleitern einen kurzen Blick und nickte dann zögernd.

»Nun ja«, meinte er, »ein Stall ist immerhin besser als draußen. Nicht wahr, Freunde? Die Nächte sind schon verteufelt kalt, und wir nehmen das Angebot gerne an.«

Ransom hatte eigentlich Protest erwartet, und er fragte sich, was die Burschen im Schilde führten. Was es auch war, den Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung hielten sie derzeit wohl nicht für günstig.

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, und der Himmel begann zu verblassen. Clancy und seine Begleiter beschlossen, sich zurückzuziehen, und Ransom glaubte ihnen die vorgeschobene Müdigkeit. Immerhin hatten sie eine lange Reise hinter sich.

Er begleitete sie nach draußen, denn es schien ihm ratsam, sie nicht unbeobachtet sich selbst zu überlassen, solange sie nicht im Stall waren.

Jeff Elder blieb mit Jill und Oshoah zurück. Eider schaute zu Jill hin, und sein Blick war alles andere als freundlich.

»Die sind wegen Ihnen hier«, sagte er unverblümt.

»Warum fragen Sie das die drei nicht selber«, entgegnete Jill ärgerlich.

»Ich habe gewusst, dass es Ärger geben würde. Frauen wie Sie bringen immer nur Ärger. Cort hätte auf mich hören sollen.«

»Dann wäre er so einsam und verbittert geworden wie Sie«, konterte Jill heftig.

Oshoah mischte sich ein. »Fighting Woman ist gute Squaw. Gute Squaw wird immer von mehreren begehrt, und man muss um sie kämpfen. Wollte mein Bruder Jeff eine Squaw haben, die außer ihm niemand haben will?«

Jeff Elder machte ein ärgerliches Gesicht.

»Von weißen Frauen verstehst du nichts, Oshoah.«

Der alte Indianer erhob sich und schaute auf den sitzenden Jeff Elder hinunter.

»Oshoah hat Augen zum Sehen und Verstand, um zu begreifen. Das genügt auch bei weißen Squaws. Oshoah hat Fighting Woman als seine Tochter angenommen, und wenn Jeff sie schmäht, dann schmäht er auch Oshoah.«

Der alte Mann verließ nach diesen Worten die Hütte, und Jill sah ihm nach. Der Hauch eines Lächelns ließ ihre Züge gelöst wirken. Was der alte Mann soeben gesagt hatte, entschädigte sie für Eiders Worte.

»Alte Männer machen sich leicht zum Narren, wenn sie einer schönen Frau begegnen«, sagte Jeff Elder resignierend.

»Vielen Dank für das Kompliment«, erwiderte Jill spitz. Jeff Elder erhob sich. Er trat dicht vor Jill hin und betrachtete sie mit geblähten Nasenflügeln und schmalen Lippen.

»Ja, schön sind Sie, und darauf ist Cort hereingefallen. Aber ich nicht. Ich sehe auch, was sich dahinter befindet.«

Jill funkelte ihn mit blitzenden Augen an.

»Es wäre gut, Mr. Eider, wenn Sie sich einmal so kritisch mit sich selbst beschäftigten.«

»Wenn Sie für Cort etwas übrig haben, dann packen Sie Ihre Sachen und gehen mit diesen drei Männern, die so scharf auf Sie sind. Einmal muss Cort Ransom diese Erfahrung machen, und er wird damit fertig werden.«

»Wieso glauben Sie das?« fragte Jill hart. »Wo Sie es doch bis heute nicht geschafft haben.«

Dieser Schlag saß. Jeff Elder wich einen Schritt zurück, und seine Lippen pressten sich zu einem dünnen, blassen Strich zusammen.

In diesem Moment kam Ransom herein. Sein Gesicht verriet deutlich, dass er Eiders letzte beiden Sätze gehört haben musste.

»Wenn wir Freunde bleiben wollen, dann sag so etwas nie wieder, Jeff.«

Eider fuhr herum. Er holte tief Luft, sagte aber nichts, grapschte seinen Hut von der Stuhllehne und stürmte nach draußen. An der Tür holte Ransoms Stimme ihn ein.

»Jeff?«

Eider stoppte kurz.

»Besser, du hältst deine Waffen in Reichweite, als Unsinn zu reden.«

Jeff Elder war bereits draußen, ehe Ransom zu Ende geredet hatte.

»Ich glaube, ich habe ihn ziemlich hart getroffen.« Jill legte ihre Hand auf Ransoms Arm. »Cort, ich will nicht, dass ihr meinetwegen zu Feinden werdet. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich …«

Ransom verschloss ihr rasch mit seiner Hand den Mund und sagte: »Nun fang du nicht auch noch an, diesen Unsinn zu reden.«

Jill begann das Geschirr vom Tisch zu räumen.

»Wer ist eigentlich Oshoah?« fragte sie unvermittelt.

Ransom starrte sie verwundert an.

»Ein alter Indianer«, sagte er, leicht den Kopf schüttelnd.

»Ich meine, was ist er für dich, und warum bezeichnet er mich als seine Tochter?«

»Nun …, weil du gewissermaßen meine Frau bist«, versuchte Ransom etwas hilflos zu erklären.

Jill wandte ihm ihr Gesicht zu.

»Das verstehe ich nicht ganz.«

»Ja …, dann werde ich es dir wohl erklären müssen«, druckste Ransom herum.

»Ich bitte darum«, kam es fordernd.

»Also, das ist so …«

»Ja?«

»Gewissermaßen war er mein Schwiegervater.«

»Gewissermaßen?«

Ransom zuckte mit den Schultern. »Lange Zeit, bevor ich den Wunsch hatte, eine weiße Frau zu haben, lebte ich bei den Flatheads und heiratete dort nach indianischem Ritus ein Mädchen. Ich nahm meine Squaw damals mit, als ich mit Jeff Elder diese Ranch hier gründete, und Oshoah war ihr Vater, Er kam auch mit.«

»Deshalb kommst du so gut mit den Flatheads aus. Und was ist aus deiner … deiner Squaw geworden?«

»Die Blackfeet haben sie umgebracht.«

»Hm«, murmelte Jill betroffen, »nette Aussichten. Und warum hast du mir das nicht schon viel früher erzählt?«

Ransom machte eine hilflose Geste.

»Als wir uns kennenlernten, ging alles viel zu schnell, um dir meine Lebensgeschichte zu schildern. Und außerdem, du weißt ja, wie die Leute im Osten über solche Männer denken, die sich indianische Frauen nehmen.«

»Und das macht dir etwas aus?«

»Bei dir schon.«

Jill räumte die letzten Teller weg und hielt noch einmal damit inne.

»Wie war ihr Name?« fragte sie interessiert.

»Fighting Woman.«

Jetzt war sie mit dem Staunen an der Reihe. Sie schaute Ransom entgeistert an und seufzte: »Mein Gott, lauter Männer, die nicht vergessen können!«

Die Verfluchten der Blizzard-Hölle

Mörder, Rächer und 1000 Gefahren

Es war die schlimme Zeit des Hasses zwischen Weißen und Roten. Es waren die bitteren Jahre der unerbittlichen Indianerkriege, in denen von beiden Seiten die entsetzlichsten Gräueltaten begangen wurden. Viele unschuldige Menschen wurden Opfer des sinnlosen Mordens, so auch Elk Woman, die Indianersquaw des Mountain Man Jake Stone. Als er vor ihrer verstümmelten Leiche stand, schwor er gnadenlose Rache. Und sein rauer Trail trieb ihn nicht nur zwischen seine Feinde, sondern auch in die mörderische Hölle eines tobenden, alles vernichtenden Blizzards …

Als Jakob Stone den Schuss hörte, beschlich ihn ein unangenehmes Gefühl. In diesem Gebiet jagte sonst niemand außer ihm. Die Blackfeet kamen nicht selten bis hierher, und es gab nur sehr wenige Weiße, die mit ihnen zusammenkommen konnten, ohne ihren Skalp zu verlieren. Aber die Blackfeet jagten nicht mit Gewehren. Die wenigen Flinten, die einige von ihnen besaßen, benützten sie nur zum Kampf. Doch gegen wen, zum Teufel, sollten sie hier kämpfen? Sie wussten, dass es sein Gebiet war, und kein anderer Weißer hatte sich seit Jahren hier blicken lassen.

Trotzdem dieser Schuss!

Jakob Stone hatte den Kopf gehoben und gelauscht, aber es blieb ruhig. Hatte jemand unbeabsichtigt einen Schuss ausgelöst oder nur zum Spaß geschossen? So etwas passierte höchstens einem Greenhorn, und so einer würde nie lebend bis hierher kommen. Und, verdammt noch mal, wer außer ihm und den Blackfeet hatte hier etwas zu suchen? Jake hasste diese verdammten Gegenden, wo man alle paar Tage einem anderen Menschen begegnet, und er war froh, dass es hier in seinen Bergen nicht so war.

Er verließ das seichte Wasser des Flusses und stieg die mit Schilfgras bewachsene Uferböschung hinauf, wo seine alte Mountain-Büchse an einem Baum lehnte. Er nahm das Gewehr in die Hand und spähte unschlüssig zu den Berghängen hinauf, von denen der Knall des Schusses gekommen war.

Er war noch nicht damit fertig, seine Fallen abzugehen, aber wenn in einer so menschenleeren Gegend wie dieser ein Schuss fiel, konnte man nicht einfach weitermachen und so tun, als ob nichts geschehen sei. Man musste stets wissen, was um einen herum vorging, es sei denn, man hatte die Absicht, bald irgendwo unter der Erde zu liegen.

Er würde mehr als zwei Stunden brauchen bis dort hinauf, aber es half nichts, er musste es tun.

So warf er sich die frischen Biberfelle über die Schulter, die er bis jetzt erbeutet hatte, nahm sein Gewehr in die Rechte und marschierte los.

Obwohl die Nächte schon empfindlich kalt waren und sich morgens das erste zaghafte Eis an den Flussufern zeigte, schien ihm jetzt am Tage die Sonne warm auf den Rücken, und er hatte seinen dicken Mantel bis jetzt noch nicht gebraucht. So trug er nur seine leichtere Hirschlederkleidung, in der er gut vorankam.

Er wusste, wie gut man hier unten von dort oben aus zu erkennen war, und wählte für seinen Weg Stellen, an denen Bäume standen, auch wenn es weiter war. Es war ohnehin niemals gut, auf das Geräusch eines Schusses direkt loszugehen. Deshalb schlug er nicht diese Richtung ein, sondern versuchte den Eindruck zu erwecken, als kehre er zu seiner Hütte zurück.

Erst als er den Wald erreichte, änderte er seinen Weg und stieg die dicht bewachsenen Hänge empor.

Es dauerte etwas mehr als zwei Stunden, bis er jene Stelle erreicht hatte, wo nach seiner Meinung der Schuss gefallen war. Die Sonne war bereits ein beträchtliches Stück weiter nach Westen gewandert.

Jakob Stone blieb stehen und schaute um sich. Es war nichts zu sehen. Der Wind zischte leise in den Bäumen über ihm. Nichts deutete auf die Anwesenheit von Menschen hin.

War es vielleicht doch woanders gewesen?

Er bewegte sich vorsichtig am Rande einer kleinen Schlucht entlang. Ein paar bunte Blätter des Bergahorn segelten vor der leichten Brise in die Tiefe. Sonst gab es keine Bewegung. Jakob suchte mit den Augen den jenseitigen Rand ab, wo zahlreiche Felsklippen das dunkle Grün des Waldes unterbrachen. Dort drüben konnte sich eine ganze Kriegsschar Blackfeet verstecken, ohne dass er sie bemerkte. Zwar hatten sie ihm noch nie etwas getan, und die Tatsache, dass er mit einer Blackfeet-Squaw zusammenlebte, war eine ganz gute Rückversicherung. Aber Indianer waren immer unberechenbar, und niemand konnte voraussehen, was in ihren Köpfen vorging. Wie bei allen Menschen, so gab es auch bei ihnen Quertreiber, die sich nicht an übliche Normen hielten. Deshalb hatte Jakob Stone beim Umgang mit ihnen Vorsicht zum Leitfaden seines Handelns gemacht. Ein Bruder Leichtfuß konnte in dieser Wildnis nicht lange überleben.

Besonders einen gab es unter den Blackfeet, vor dem sich der Trapper in acht nehmen musste. Wenn Big Knife ihn irgendwo hier draußen unvorbereitet erwischte, würde Jakob keinen Schuss Pulver für sein Leben geben.

Big Knife hatte lange um Elk Woman geworben, aber das Mädchen hatte sich schließlich für den weißen Jäger entschieden, der einen Winter lang bei ihnen gelebt hatte, und war mit ihm gegangen. Seit dieser Zeit hasste Big Knife ihn mehr als einen Crow.

Jakob Stone hatte immer befürchtet, dass Big Knife einmal bei ihm auftauchen würde, um sich Elk Woman einfach zu holen. Aber bis jetzt hatte er es nicht getan. Doch das sollte nicht heißen, dass die Gefahr vorüber war. Jake wusste, wie lange Indianer ihren Hass mit sich herumtragen konnten.

Er blieb plötzlich stehen, als er einen Fußabdruck an einer sandigen Stelle am Boden entdeckte. Es war der Abdruck eines Mokassins, nur ein einziger, dann war die Spur wieder auf dem steinigen Grund verschwunden.

Also doch Blackfeet!

Der Trapper hob den Kopf und suchte mit seinen Blicken jeden Strauch, jeden Baum und Felsen in seiner Umgebung ab. Wenn es sich um Blackfeet handelte, konnte man nicht wachsam genug sein, egal ob Freund oder Feind.

Vielleicht hielt Big Knife seine Stunde doch jetzt für gekommen, und der Schuss hatte nur dazu gedient, ihn hierher zu locken. Er verwarf diesen Gedanken wieder, denn auch Big Knife wusste, dass ein Schuss das Wild warnte.

Der Trapper überzeugte sich noch einmal, dass sein Gewehr schussbereit war und das Zündhütchen sicher auf dem Piston saß. Dann schlich er im Schutz der Büsche weiter am Rand der Schlucht entlang. Von Zeit zu Zeit schickte er einen forschenden Blick zur anderen Seite hinüber. Aber sein Hauptaugenmerk richtete sich auf seine nähere Umgebung, denn von jenseits der Schlucht konnte man nicht so schnell an ihn heran.

Dann sah er den Blackfoot, oder wenigstens dessen Beine, die in fransenbesetzten Leggins und geschwärzten Mokassins steckten und hinter einem Felsblock hervorschauten. Der Krieger lag am Boden und musste entweder tot oder verwundet sein.

Er musste allein gewesen sein, sonst hätte er nach so langer Zeit nicht mehr dort gelegen. Aber es war durchaus denkbar, dass noch weitere in der Gegend waren und, genau so wie er, den Schuss gehört hatten.

Aber wer, zum Teufel, hatte da geschossen?

Vorsichtig ging Jakob Stone, die Büchse im Anschlag, um den Felsblock herum. Er stellte mit einem raschen Blick an der seltsam verkrümmten Lage des Indianers fest, dass dieser tatsächlich tot war, und musterte schon wieder wachsam seine Umgebung. Aber er blieb allein.

Langsam trat er an den Toten heran und drehte ihn auf den Rücken. Er kannte ihn. Es war Painted Face, unverkennbar, mit dem dunklen Muttermal auf der Wange. Die Kugel musste ihn mitten im Sprung erwischt haben, als er hinter jenem Felsblock Deckung suchte. Sie war ihm von der Seite unter dem linken Arm in die Brust gedrungen und musste ihn auf der Stelle getötet haben.

Painted Face war ein verschlossener junger Mann gewesen, der zum Wolfs-Clan von Big Knife gehörte.

Jakob Stone suchte die nähere Umgebung ab, fand jedoch außer der Fährte des Toten keine andere. So kam er zu dem Schluss, dass der Schütze sich auf der anderen Seite der Schlucht befunden haben musste.

Wer konnte es gewesen sein? Diese Frage beunruhigte den Trapper, aber er fand keine Antwort.

Er hatte kein Pferd bei sich und der Indianer offenbar auch nicht, oder er hatte es irgendwo versteckt, weil er jagen wollte. So konnte Jake ihn nicht mitnehmen und beschloss, zunächst nach Hause zurückzukehren und ihn später zu holen, wenn ihn nicht bis dahin schon seine Stammesgenossen gefunden hatten. Und wenn er mit seinem Pferd und dem Muli zurückkam, konnte er auf der anderen Seite der Schlucht nach Spuren suchen.

Der Trapper beeilte sich. Der Gedanke, dass sich in diesen Bergen jemand herumtrieb, der wahllos tötete, erfüllte ihn mit Sorge.

In der Nähe seiner Behausung fand er Pferdelosung, die erst einige Stunden alt war. Misstrauisch suchte Jake den Boden ab und fand Spuren von beschlagenen Hufen. Es waren drei Pferde gewesen, von denen eines deutlich abgelaufene Hufeisen getragen hatte.

Weiße!

Jakob Stone richtete sich auf und schaute dorthin, wo sich hinter einem Waldgürtel seiner Hütte befand. Sehen konnte er sie noch nicht, aber die Unruhe in ihm wuchs, wurde beinahe unerträglich.

Vermutlich handelte es sich um die Mörder von Painted Face, und Elk Woman war allein zu Hause …!

Mit schnellen Schritten strebte der Trapper dem Waldgürtel zu. Erst als sich vor ihm die Bäume lichteten, blieb er wieder stehen und spähte aus zusammengekniffenen Augen zu der Hütte hinüber, die sich an eine graue verwitterte Felswand anlehnte. Die Tür stand offen, und kein Rauch stieg aus dem Kamin. Pferde waren nirgends zu entdecken.

Trotzdem, und trotz der nagenden Ungewissheit, blieb der Trapper vorsichtig und überquerte nicht die freie Fläche bis zu seiner Behausung. Falls die Fremden Elk Woman etwas angetan hatten, würde es niemandem nützen, wenn sie ihn auch noch erwischen. In Gefahrenmomenten wie diesem hier nüchtern zu bleiben und sich nicht irgendwelchen Emotionen hinzugeben, war eines der wichtigsten Dinge, die man lernen musste, denn die Wildnis verzeiht keine Fehler.

Rasch, aber ohne aufzufallen, huschte er im Schutz der Bäume entlang und schlug einen Bogen um seine Hütte, bis er auf die Fährte der Reiter stieß, die von seiner Heimstatt wegführte.

Er zählte drei Pferde, und es sah so aus, als hätten die Reiter es eilig gehabt.

Seine beiden Biberfelle hatte er am Waldsaum fallen lassen. Jetzt nahm er die Büchse in beide Hände und zog den Hahn in die Feuerraste. Geduckt rannte er auf die Blockhütte zu.

In der offenen Tür blieb er stehen, und der Lauf seines Gewehres sank langsam und still herab.

Elk Woman lag mit seltsam verrenkten Gliedmaßen auf dem Boden hinter dem groben, aus rohen Stangen zusammengebauten Tisch. Sie hatten ihr das Kleid mit Messerschnitten zerfetzt. Sie hatten sie entehrt und sie dann mit Messerstichen umgebracht. Diese Kerle mussten wie reißende Bestien über sie hergefallen sein, wie wilde, blutdürstende Tiere, die ohne jeden Sinn mordeten. Jake war solchen Menschen schon wiederholt begegnet, und meistens waren sie weiß gewesen.

Er legte das Gewehr auf den Boden, hob mit zitternden Fingern die Fetzen ihres blutigen Kleides hoch und starrte auf den skalpierten Schädel von Elk Woman herab.

Nicht einmal das hatten sie ausgelassen. Sie gehörten offenbar zu jener Sorte, die sich mit Indianerskalpe brüsteten, auch wenn sie Frauen gehörten.

Das im Tode erstarrte Gesicht und die weit aufgerissenen Augen spiegelten noch das Entsetzen wider, mit dem sie gestorben war.

Jake musste sich eingestehen, dass Elk Woman ihm nicht alles bedeutet hatte. Er hatte sich zwar mit ihr verständigen, aber nie richtig unterhalten können. Dennoch hatte sie eine gewisse Wärme in sein Leben gebracht. Sie war ihm eine gute, ruhige Frau gewesen, aber er hatte sie nicht beschützen können.

Langsam erhob er sich und spürte den heißen Schmerz, der sich unter seinen dumpfen Groll mischte. Der Schrei, mit dem seine aufgestauten Gefühle plötzlich explodierten, brandete zur offenen Tür hinaus und wurde von der dunklen Front des Waldes zurückgeworfen. Dabei schleuderte er den schweren Tisch mit einer einzigen ungestümen Bewegung krachend gegen die Wand. Er zerschlug einen Schemel am Boden und versetzte einem Topf einen wuchtigen Tritt, der ihn nach draußen beförderte. Wild blickten seine Augen aus dem bärtigen, von zottigem Haar umrahmten Gesicht heraus. Schwer atmend lehnte er sich gegen den Pfosten der offenen Tür und schaute in den sterbenden Tag hinaus. Die Sonne versank in einem See aus Blut jenseits der dunklen bizarren Gipfel.

Ebenso schnell wie seine Gefühle emporgeschäumt waren, wurde er auch wieder ruhig. Er hob seine Mountain-Büchse auf, ließ den Hahn behutsam auf das Zündhütchen zurückgleiten und lehnte sie gegen die Wand. Dann machte er Feuer, denn von draußen strömte kalte Luft herein. Im flackernden Flammenschein wusch er den Körper von Elk Woman, legte ihn danach auf sein Lager und bedeckte ihn mit einem Bärenfell. Dabei sprach er mit ihr, so wie er es getan hatte, als sie noch am Leben war.

Die Mörder waren nach ihrer Tat eilig fortgeritten und hatten sich nicht die Zeit genommen, nach Fellen und anderen Habseligkeiten des Trappers zu suchen. So hatten sie auch nicht den Stall gefunden, der seitlich hinter der Blockhütte in eine Aushöhlung des Felsens hineingebaut worden war.

Jakob Stone aß an diesem Abend nichts mehr. Noch ehe das Feuer ausgegangen war, nahm er seine Decke und ging in den Stall. Er war ein abergläubischer Mensch und wollte bei lebenden Wesen schlafen. Die Nähe des Todes war ihm unbehaglich.

Aber ehe er sich schlafen legte, wollte er noch die beiden Felle holen, die er am Waldsaum hatte fallen lassen. Das Licht würde gerade noch ausreichen, um sie finden zu können. Ihm war kalt, und er beeilte sich. Der Atem stand als kleine, dampfende Wolke vor seinem Gesicht. Eine einzelne Krähe gaukelte über den verlöschenden Himmel. Ihr krächzender Ruf verhallte in der dämmrigen Weite. Von Nordosten schoben sich dunkle Wolken heran. Vielleicht brachten sie den ersten Schnee.

Zehn Schritte vor dem Wald stockte plötzlich Jakes Fuß, und er blieb stehen.

Die Krähe, die gerade auf die Wipfel der Bäume herunterging, um sich einen Schlafplatz zu suchen, war hastig wieder aufgeflattert und zog davon, als wäre sie durch etwas erschreckt worden. Er selbst konnte es nicht gewesen sein, denn der Vogel hätte ihn zweifellos schon viel früher bemerkt.

Vielleicht hatte der Geruch der frischen Felle einen Wolf angelockt? Aber Wölfe waren scheu und um diese Jahreszeit noch nicht so ausgehungert, dass sie den Geruch des Menschen einfach nicht beachteten.

Zu dumm, dass er sein Gewehr in der Hütte zurückgelassen hatte, ein beinahe unverzeihlicher Fehler. So hatte er jetzt als einzige Waffen eine alte Kentucky-Pistole und sein Messer bei sich.

Während er noch dastand, durch das Verhalten der Krähe misstrauisch gemacht, und fieberhaft überlegte, brachen sie urplötzlich aus dem Wald heraus. Jake zählte vier, fünf, sechs Blackfeet, die auf ihn zustürzten. Aber vielleicht waren noch mehr zwischen den Bäumen. Auf alle Fälle waren es genug für ihn, und sie waren sich ihrer Sache sehr sicher, denn sie schössen nicht auf ihn, sondern versuchten, ihn im Zweikampf zu töten. Und wenn sie ihm den Weg zurück verlegten, war er tatsächlich verloren.

Jake riss die Kentucky-Pistole aus dem Gürtel und schoss dem vordersten der Angreifer in die Brust. Aber das hielt die anderen nicht auf. Noch ehe der Schuss verhallt war, machte Jake kehrt und rannte zurück. Dicht hinter sich hörte er die Schreie der Blackfeet und lief um sein Leben.

In all den Jahren, die er hier gehaust hatte, war ihm nie zum Bewusstsein gekommen, wie weit seine Hütte von dem verdammten Wald entfernt war. Jetzt erst wurde es ihm mit keuchender Lunge gewahr. Mit langen Sätzen rannte er wie ein aufgescheuchtes Wild über den steinigen, mit welkem Gras spärlich bedeckten Boden.

Er war ziemlich sicher, dass es ihm gelingen würde, vor ihnen seine Hütte zu erreichen. Im Laufen hatte er es stets mit den schnellsten der Blackfeet aufgenommen, aber kein Mann konnte so schnell laufen, wie ein Tomahawk oder gar eine Kugel flog.

Der Trapper hörte an ihren Rufen, dass sie zurückblieben. Sie mochten erkannt haben, dass sie ihn auf diese Weise nicht erwischen konnten, doch bis zu seiner Hütte musste er noch fast fünfzig Yards zurücklegen. Genug Zeit also, um zielen und treffen zu können.

Er lief mit wilden Sprüngen im Zickzack hin und her. Ein Tomahawk flog mit leisem Fauchen an ihm vorbei und landete knirschend einige Schritte vor ihm.

Noch dreißig Yards bis zur Hütte … noch zwanzig. Etwas fetzte durch sein ledernes Hemd und riss ihm die Haut an den Rippen auf, der scharfe Knall einer Büchse holte ihn ein.

Jake Stone fluchte und presste im Laufen die Hand auf die brennende Stelle an seiner Seite. Hoffentlich haben sie nur das eine Gewehr, dachte er dabei.

Dann prallte er gegen die schwere Tür und stolperte in seine Behausung hinein. Fürs erste war er ihnen entwischt. Er warf die Tür zu und hängte den Querriegel in die Halterung. Dann griff er nach seiner Mountain Rifle und stellte sich an das Fenster, stieß den hölzernen Laden auf.

Die Blackfeet waren weit zurückgeblieben und vor dem Hintergrund des Waldes schlecht auszumachen. Auch war das Licht zu schwach für einen gezielten Schuss. Trotzdem schob Jake den Lauf durch das Fenster und gab einen Schuss auf sie ab, um ihnen klarzumachen, was sie riskierten, wenn sie näherkamen.

Wie erwartet traf er nichts, aber die Blackfeet hielten sich in respektvoller Entfernung.

Jake glaubte in dem hochgewachsenen Krieger mit dem Gewehr Big Knife zu erkennen. Er war überzeugt, dass dieser es war. Wer sonst sollte ihm in dieser rüden Art auf den Pelz rücken?

»Du hast dir einen schlechten Tag ausgesucht, Big Knife«, schrie der Trapper nach draußen. »Ich habe schon lange auf dich gewartet, aber ich dachte, du hättest den Mut, allein zu kommen, du Sohn einer räudigen Hündin.« Er lachte laut und gehässig. »Du wirst dir 'nen kalten Hintern holen da draußen.«

Einen Moment blieb es ruhig. Dann hörte Jake Stone Big Knifes kehlige Stimme herüberschallen.

»Wir werden warten, bis der weiße Kojote wieder aus seinem Bau kommt, und wenn es zwei Monde dauert, wir werden da sein.«

»Viel Spaß!« höhnte der Trapper nach draußen. »Die Nächte werden immer kälter, und wir sitzen hier drinnen und lachen über dich.«

In Wahrheit war ihm nicht zum Lachen zumute. Die Indianer konnten zwar nicht herein, aber er auch nicht hinaus. Einige Tage konnte er sich hier drinnen halten, und er hoffte, dass bis dahin der Winter kam und Schnee und Kälte die Blackfeet vertrieben. Indianer kämpften nicht gern im Winter und zogen sich lieber in ihre Tipis zurück. Notfalls konnte er auch das Muli im Stall schlachten und verzehren, doch vorher würden ihm Wasser und Brennmaterial ausgehen.

»Dir wird das Lachen noch vergehen, du Hund!« hörte er die Stimme des Indianers wieder. Dieser Blackfeet war tatsächlich mächtig wütend, wie es schien. Vielleicht weil er einsehen mochte, dass er vor dem Frühling nichts gegen den weißen Mann ausrichten konnte.

Aber schon die nächsten Worte belehrten Jake eines anderen.

»Blut gegen Blut! Du hast Painted Face getötet, und dafür wollen wir dein Leben. Komm heraus und kämpfe! Oder hast du nur Mut, mit deinem Feuerrohr aus dem Hinterhalt zu töten?«

»Du bist ein Lügner!« rief der Trapper. »Du weißt genau, dass ich es nicht war. Du erzählst das nur den anderen, damit sie für dich kämpfen. In Wahrheit willst du dir nur Elk Woman holen, aber du bist zu feige, es allein zu tun.«

Jake schüttete Pulver in die Mündung seines Gewehres, setzte die Kugel hinein und stieß sie in den Lauf hinunter, während Big Knife draußen rief: »Wir haben deine Fährte bis hierher verfolgt. Alle haben es gesehen. Es hat keinen Zweck, die Tat abzustreiten. Du wirst dafür bezahlen. Und Elk Woman nehme ich mir, wenn du tot bist und die Wölfe deinen stinkenden Kadaver fressen.«

Jake fluchte leise vor sich hin. Diese verdammten Kerle waren wirklich fest entschlossen, ihm ans Leder zu gehen. Nun, solange sie glaubten, Elk Woman sei noch am Leben, würden sie ihm die Hütte nicht anzünden. Aber wenn sie morgen früh die Spuren der drei Reiter fänden, würde es in ihren roten Schädeln zu arbeiten beginnen. Und irgendwann kämen sie dahinter, und Jakes Leben wäre keinen Schuss Pulver mehr wert.

»Dann komm doch und hol dir, was du willst!« schrie er und lachte grimmig hinterdrein.

Eine Stunde verging, ohne dass sich draußen etwas regte. Der Trapper hockte in seiner Hütte im Dunkeln und lauschte, aber nichts war zu hören. Trotzdem war er überzeugt, dass die Blackfeet noch da waren, und sie würden auch nicht so schnell verschwinden.

Er hatte auch die Pistole wieder nachgeladen und hinter den Gürtel gesteckt. Das Gewehr lehnte neben der Tür an der Wand, und er konnte es jederzeit im Dunkeln finden.

Schließlich stand er auf, öffnete den Fensterladen einen Spaltbreit und spähte hinaus. Drüben vor dem Wald bemerkte er den leuchtenden Punkt eines Feuers. Sie hatten sich also für die Nacht eingerichtet. Der Himmel hatte sich bezogen, aber es war ungewiss, ob es in dieser Nacht bereits Schnee geben würde. Kalt genug war es jedenfalls.

Jake fluchte leise in sich hinein. Zu gern wäre er mit dem Tagesanbruch hinter diesen drei Kerlen her geritten. In Verbindung der Interessen hätte er sich dazu mit den Blackfeet da draußen zusammentun können. Aber diese Hohlköpfe hatten sich nun mal vorgenommen, ihm für etwas den Skalp über die Ohren zu ziehen, was er nicht getan hatte.

Wieder spähte er vorsichtig zum Wald hinüber. Das Feuer brannte noch immer und würde wohl die ganze Nacht brennen. Ohne ein wärmendes Feuer war es verdammt ungemütlich dort draußen. Der kalte Wind strich zischend durch die Zweige der Fichten.

Es war zu weit weg, um die Gestalten in dem ungewissen Licht zu erkennen, geschweige denn zu zählen. Er war aber überzeugt, dass mindestens zwei von ihnen sich in der Nähe der Hütte aufhielten, um zu verhindern, dass er sich im Schutz der Dunkelheit davonmachte.

Nach dem, was Jake gehört hatte, war wohl kaum noch damit zu rechnen, dass sie abzögen, um im Frühjahr wiederzukommen, obwohl ihnen dieser weiße Mann ja nicht davonlief. Aber ehe sie die Geduld verlören, zündeten sie ihm schließlich doch noch die Hütte an. Und dann war es um ihn geschehen.

Verdammt, er musste raus hier! Aber wie? Sobald er auch nur den Kopf zur Tür herausstreckte, würden sie ihn mit ihren Pfeilen spicken. Mit dem Feuer da hinten wollten sie ihn nur in trügerische Sicherheit wiegen. Doch er kannte sie zu gut, um darauf hereinzufallen.

Mit unruhigen, aber leisen Schritten lief er in der pechschwarzen Finsternis hin und her. Nur von der Feuerstelle schimmerte noch ein rotes Glühen herüber, das keine Helligkeit verbreitete. Er saß wie ein gefangenes Tier in der Falle, und die Wände drohten ihn zu ersticken. Der Wunsch, hier auszubrechen, wurde immer stärker in ihm. Vielleicht rechneten sie noch nicht damit, dass er es in dieser Nacht schon versuchte. Außerdem wussten sei ja nicht, dass Elk Woman tot war.

Schließlich kam ihm eine Idee. Wenn es ihm gelang, sie mit einem Bluff abzulenken, dann hatte er eine winzig kleine Chance. Wenn sie sich aber nicht hereinlegen ließen …

Er verfolgte diesen Gedanken nicht weiter. Mit Wenn und Aber konnte man jeden Plan in Frage stellen.

Er öffnete die kleine Tür in der Rückwand der Hütte und gelangte durch einen Durchlass, den er selbst mit Dynamit in den Fels gesprengt hatte, in jene Felsenhöhlung, die er als Stall ausgebaut hatte. Ohne Licht anzuzünden, sattelte er sein Pferd und belud es mit seiner zusammengerollten Decke und Proviant. Seine Schneeschuhe hängte er an den Sattel. Danach nahm er den Querbalken von der Außentür weg. Er tat das sehr langsam und ohne ein Geräusch, denn er wusste ja nicht, ob nicht gerade auf der anderen Seite ein Blackfeet lauerte.

Jake war sich im Klaren, wie riskant das alles war, denn wenn es doch bemerkt worden war und die Gegner in den Stall eindrangen, während er zurückging, dann war es um ihn geschehen.

Vorsichtig kehrte er in seinen Wohnraum zurück, nahm einige Bärenfelle und schnürte daraus ein Bündel zusammen, das etwa seiner Körpergröße entsprach. Noch einmal lauschte er nach draußen. Dann zog er seinen Blanket-Mantel an, den er selbst aus einer dicken, warmen Decke gemacht hatte, und stülpte sich die zottige Mütze aus Wolfsfell über den Kopf, die bis über die Ohren und Nacken reichte.

Er war bereit.

Langsam, nicht zu laut, aber doch hörbar, öffnete er die Fensterklappe und wartete einen Moment, währenddessen er ein leises wischendes Geräusch erzeugte, um die Aufmerksamkeit der Wächter auf sich zu lenken. Glücklicherweise war es ziemlich dunkel, und kein Mond stand am Himmel.

Allmählich schob er das Bündel durch die Fensteröffnung und ließ es dann mit einem Schwung nach draußen fliegen. Er hörte ein dünnes Zischen in der Nacht, und noch ehe das Bündel auf dem Boden landete, hörte er die dumpfen Schläge, mit denen sich mehrere Pfeile in die Felle bohrten.

Jetzt kam es auf Sekunden an. Die Schützen würden hinlaufen und sehen, was sie da getroffen hatten. Bis dahin musste er im Sattel seines Braunen sitzen, sonst empfingen sie ihn mit der gleichen netten Begrüßung.

Er schnappte im Vorbeihuschen sein Gewehr und schlüpfte so schnell er konnte in den Stall. Ohne zu zögern, tastete er nach dem Sattel, zog sich mit einem Ruck hinauf und trieb das Pferd an. Das Muli musste er als Kriegsbeute für die Blackfeet zurücklassen.

Der Braune schnaubte erregt und drängte mit der Brust die Tür auf. Der Trapper stieß ihn die Fersen in die Weichen, und Pferd und Reiter schössen in die Nacht hinaus. Er hörte die wütenden Schreie der Indianer vor der Hütte, ein Pfeil zischte giftig durch die Dunkelheit, dann war Jakob Stone weg. Die schwarze, windige Nacht hatte ihn verschluckt.

Vorerst hatte er es geschafft. Wenn die Blackfeet Pferde besaßen, dann hatten sie diese irgendwo im Wald. Und bis sie dieselben erreicht hatten, war Jakes Vorsprung groß genüg, dass sie ihn in der Dunkelheit nicht mehr aufstöbern konnten. Sie mussten auf das Tageslicht warten, um seiner Fährte zu folgen. Vielleicht fiel Schnee bis dahin und deckte die Spuren zu, aber das wäre mehr Glück, als man haben konnte.

Der Morgen war frostig kalt. Trotz der schmutziggrauen Wolken war die Temperatur stetig gefallen. Schnee lag in der Luft.

Zwei Stunden vor Tagesanbruch hatte Jake sich zu seiner Rast niedergelegt und das Pferd geführt, denn es war sehr dunkel und gefährlich zum Reiten gewesen.

Jetzt, mit dem ersten trüben Licht, brach er wieder auf. Der Braune war noch ausgeruht und griff zügig aus. Jake hatte die Richtung eingeschlagen, die auch jene drei Reiter genommen hatten, und nach etwa zwei Stunden stieß er auf deren Fährte. Sie war recht deutlich zu erkennen, da sich die Männer keine Mühe gegeben hatten, sie zu verbergen. Sie mussten sich sehr sicher fühlen.

Jake beeilte sich. Er hatte allen Grund dazu, denn hinter ihm war Big Knife mit seinen Kriegern her, und wenn es Schnee gab, dann deckte er auch die Spuren der drei Mörder zu und machte eine weitere Verfolgung unmöglich.

Aber auch diese drei Männer hatten sich nicht aufgehalten, und er kam ihnen trotz aller Anstrengungen nicht näher.

Am Nachmittag blies ihm der eisige Wind die ersten Flocken ins Gesicht, und eine Stunde später war das Land bereits weiß. Nur im Windschatten von Steilwänden und an Waldrändern war die Fährte noch schwach zu erkennen. Doch auch das würde bald nicht mehr der Fall sein.

Jake hielt den Braunen an und presste grimmig die Lippen aufeinander. Schnee klebte an seiner in dem dicken Mantel wuchtig wirkenden Gestalt, und der Wind wühlte in dem grauen Wolfsfell auf seinem Kopf.

Er hatte sich den ganzen Tag über nicht die Zeit genommen, etwas zu essen, doch jetzt konnte er die Verfolgung bald vergessen. Dann konnte er sich ein windgeschütztes Plätzchen suchen und etwas von seinem Proviant verzehren. Aber ausruhen konnte er noch nicht. Er musste auch an die Rothäute denken, die ihm bestimmt schon auf den Fersen waren. Er musste noch ein gutes Stück zwischen sich und sie bringen, solange es schneite, denn sobald es aufgehört hatte, konnte jedes Kind seiner Spur folgen.

Das Schneetreiben wurde immer dichter, und zudem setzte auch die Dunkelheit bereits ein. Spätestens in einer Stunde würde er keine zwanzig Schritte weit mehr sehen können.

Auf einem vom Wind kahlgefegten Erdrücken hielt er an und saß ab. Schwach erkennbare Hufabdrücke verschwanden irgendwo im Schnee. Er ließ das Pferd stehen und ging auf der Fährte entlang, so weit diese zu erkennen war. Die Richtung wies schräg auf den Wald zu, der in einer Entfernung von etwa hundert Yards rauschend seine Wipfel hin- und herschwanken ließ.

Der Trapper blieb stehen und schaute zum Wald hinüber, während der Wind an seinen Kleidern zerrte. Wenn es ihm gelang, die Spur im Wald wiederzufinden, konnte er ihr vielleicht noch ein Stück weit folgen, denn der Waldboden war bestimmt noch nicht mit Schnee bedeckt. Irgendwann mussten diese drei Männer ja auch einmal ausruhen. Und wenn er Glück hatte, konnte er in der Nacht irgendwo ihr Feuer entdecken.

Er musste sich beeilen, denn es wurde zusehends dunkler.

Gerade als er sein Pferd erreichte, fiel ein Schuss. Die Kugel verfehlte den Trapper um etwa einen Yard und schlug klatschend irgendwo in den Sattel. Der Braune machte einen erschreckten Sprung. Jake versuchte noch, ihn zu halten, doch vergebens. Von Panik ergriffen rannte das Tier davon. Der Trapper riss fluchend das Lederfutteral von seinem Gewehr, aber es war nichts zu sehen. Der Schuss war von einigen Felsklippen gekommen, wohl ebenso weit entfernt wie der Wald. Vielleicht konnte er diesen erreichen. Man brauchte eine gewisse Zeit, um einen Vorderlader wieder schussbereit zu machen, und die Sicht war schlecht. Er hatte immerhin eine Chance.

Ohne länger zu zögern, rannte er los. Das Gelände war uneben und schlecht zu überblicken. Er konnte nicht erkennen, wo überall sich der Gegner befand und ob er ihm folgte.

Als das Gewehr hinter ihm zum zweiten Mal krachte, sprang er in einen Graben hinab, knickte mit dem rechten Fuß um und rieb sich fluchend den schmerzenden Knöchel. Die Kugel hatte wieder weit gefehlt; bei dem schlechten Büchsenlicht konnte ihm nur der Zufall zum Verhängnis werden.

Vorsichtig trat er mit dem Bein auf, um festzustellen, ob er noch laufen konnte. Da hörte er rechts von sich ein Geräusch.

Sofort brachte er sein Gewehr in Anschlag und legte den Daumen auf den Hahn. Dort war etwas, aber erkennen konnte er nichts hinter dem Vorhang aus wirbelnden Flocken und rasch herabsinkender Dämmerung. Einen Schuss ins Ungewisse wollte er nicht riskieren, denn er konnte nicht weiterlaufen und gleichzeitig sein Gewehr wieder laden. So entschloss er sich, weiter in Richtung Wald davonzulaufen.

Sein Knöchel tat weh, aber die Gefahr ließ ihn den Schmerz vergessen. Er erklomm den Rand der Rinne und schlüpfte zwischen einigen Felsklötzen hindurch.

Undeutlich sah er den Braunen. Das Tier war am Waldrand stehengeblieben und äugte herüber. Wenig später war es wieder hinter den ziehenden Schneeschauern verschwunden.

Jakob Stone schöpfte neue Hoffnung. Wenn er es bis zu dem Pferd schaffte, dann müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn die Blackfeet ihn noch erwischten. Er zweifelte keinen Moment daran, dass Big Knife es war, der auf ihn geschossen hatte. Er musste es ganz einfach schaffen, denn sonst …

Ein Schlag traf seinen Oberschenkel mit einem schmerzhaften Stich, und er knickte ein und fiel auf die Knie.

Verdammt, was war geschehen?

Stöhnend tastete er nach der Stelle des Schmerzes und fühlte den Pfeilschaft, der aus seinem Bein herausragte. Diese Halunken hatten ihn getroffen. Wo steckten sie jetzt? Weshalb kamen sie nicht, um ihm den Garaus zu machen? Seine vor Kälte tauben Hände umklammerten das Gewehr, und er versuchte, zwischen den tobenden Schneeflocken etwas zu erkennen, eine huschende Gestalt, ein Ziel, in das er seine Kugel hineinschießen konnte.

Nichts.

Hatten sie ihn nicht fallen sehen? Glaubten sie, er sei weitergelaufen? Kein Mensch konnte annehmen, bei diesem Wetter etwas zu treffen, am wenigsten mit Pfeil und Bogen. Nur einem dummen Zufall war der weiße Jäger zum Opfer gefallen.

Jake versuchte, wieder hochzukommen, und er hätte beinahe vor Schmerzen laut aufgeschrien, als der durchbohrte Mantelstoff an dem Pfeilschaft zerrte. Schweiß trat ihm kalt auf die Stirn, und sein scharfer Atem dampfte als graue Wolke in die dämmrige Luft. Er gab sein Vorhaben auf und fiel zurück.

Aus! dachte er. Aber dann sah er das dunkel Etwas durch Schneegestöber und heraufziehender Nacht auf sich zukommen, und der alte Instinkt des Überlebens erwachte erneut in ihm. Vergessen waren Schmerzen und die ausweglose Lage, in der er sich befand. Nur eins beherrschte ihn noch, die alte Regel der Wildnis, die da hieß: töten oder getötet werden!

Er riss das Gewehr hoch, und der Schuss fetzte brüllend durch den Wind. Die Gestalt war augenblicklich verschwunden, aber der Trapper konnte nicht feststellen, ob er getroffen hatte oder der Rote nur in Deckung gegangen war.

Wie dem auch war, hier konnte er nicht bleiben, wenn er weiterleben wollte. Es war unmöglich, liegend ein Vorderladergewehr zu laden. Und wenn sie jetzt kamen, dann blieb ihm nur noch die Pistole; ein einziger Schuss gegen mehr Gegner, als er verkraften konnte.

Er brach den Pfeil eine Handbreit über der Wunde ab, um den Mantel freizubekommen. Dann stemmte er sich, die Mountain Rifle als Krücke benützend, auf dem gesunden Bein hoch. Langsam humpelte er dem Wald entgegen. Jedes Mal, wenn er das verletzte Bein belastete, brachten die Schmerzen ihn fast zum Wahnsinn. Und mehrmals drohte er der Versuchung zu erliegen, sich einfach der erlösenden Ohnmacht hinzugeben. Aber er wollte weiterleben, und wenn er das verdammte Bein hier zurücklassen müsste.

Jeden Moment rechnete er damit, eine Kugel abzubekommen, die ihn erneut in den Schnee warf. Verzweifelt hetzte er weiter. Er musste den Wald erreichen, und selbst wenn das Pferd nicht mehr da war, konnte er sich wie ein angeschossener Puma im Unterholz verkriechen. Und für den, der ihn zuerst aufstöberte, würde es den sicheren Tod bedeuten.

Undeutlich zeichnete sich die schwarze Wand des Waldes hinter dem Gewimmel windgetriebener Flocken ab, aber es war unmöglich, die Entfernung zu schätzen. Mein Gott, dachte er, läuft dieser verdammte Wald auch vor mir davon? Er keuchte und unterdrückte jedes Mal ein lautes Stöhnen, wenn der schwere Mantelstoff an dem abgebrochenen Pfeilschaft hängenblieb.

Er versuchte, den Mantel hochzuhalten, aber das ging schlecht. Er besaß nur zwei Hände, und mit diesen musste er sich auf das Gewehr stützen. Er musste es einfach durchstehen, selbst wenn es ihn fast umbrachte.

Als er mit dem verletzten Bein an einer Wurzel hängenblieb und stolperte,, konnte er den Schmerzensschrei nicht mehr zurückhalten. Er rollte sich auf den Rücken und tastete nach der Pistole unter seinem Mantel. Aber sie kamen noch nicht.

Es war mittlerweile fast völlig dunkel, und wenn der Wind einen Schrei heranwehte, konnte man sich über dessen Ursprung leicht täuschen.

Stöhnend und alle bösen Geister verfluchend, raffte er sich wieder auf. Seine Zähne knirschten bei jedem seiner holpernden Schritte hart aufeinander. Der Wald! Verdammt, wo blieb nur dieser Wald! Er brauchte diesen Wald! Er musste …

Hatte er bei dem Sturz etwa die Orientierung verloren und lief nun in die falsche Richtung?

Gott im Himmel!

Er blieb stehen und versuchte im Wirbeln der Flocken etwas zu erkennen, aber außer dem dampfenden Atem vor seinem Gesicht, sah er fast nichts mehr.

Panik erfasste ihn. Zum ersten Mal kam ihm ernsthaft die Befürchtung, den nächsten Morgen vielleicht nicht mehr zu erleben.

Da hörte er plötzlich durch das Zischen des Windes ein Pferd schnauben, und eine ungeheure Erleichterung überkam ihn. Er hatte sich nicht in der Richtung geirrt.

Zwanzig Yards noch! Oder dreißig?

Oder hatte vielleicht eines der Indianerponys geschnaubt?

Nun, es blieb ihm nichts weiter übrig, als darauf zuzugehen.

Wieder krachte irgendwo das fremde Gewehr, aber er konnte nicht einmal feststellen, ob der Schuss überhaupt ihm gegolten hatte, so weit fehlte die Kugel. Sicherlich hatte Big Knife nur auf Geratewohl geschossen oder auf ein unbestimmtes Geräusch … oder auf das Pferd, das geschnaubt hatte.

Es wurde ihm noch heißer unter seinem dicken Mantel. Anstrengung und Schmerzen ließen ihm den Schweiß ausbrechen. Er wusste, wie gefährlich es war, bei dieser Temperatur zu schwitzen, aber er konnte es nicht verhindern.

Die dunkle Mauer des Waldes schob sich plötzlich unmittelbar vor ihm empor.

Wo war der Gaul? Jakes Augen sprangen wieselflink hin und her, aber die Sicht war zu schlecht. Rechts von sich am Waldrand hörte er ein Geräusch, aber dort konnte das Pferd nicht sein … Oder doch?

Seine Hand kroch unter den Mantel, und er fühlte den harten Griff der Kentucky-Pistole. Er entschloss sich, nach links zu gehen, und humpelte weiter dem Wald entgegen. Schneeflocken klatschten in sein Gesicht, und er musste die Augen zusammenkneifen.

Da war das Pferd plötzlich, es tauchte aus der Dunkelheit auf. Das Tier hatte seinen Herrn gewittert und kam ihm entgegen. Der Trapper fühlte unsägliche Erleichterung in sich. Er hatte sein Pferd wieder, seine Decke und Vorräte. Ohne alle diese Dinge hätte es für ihn kein Durchkommen gegeben.

Da war wieder ein Geräusch, jetzt hinter ihm. Er wandte sich um, konnte jedoch in Nacht und Schneetreiben nichts erkennen. Aber die Blackfeet schlichen um ihn herum wie ein Rudel Wölfe.

Rasch setzte Jakob Stone seinen gesunden Fuß in den Bügel und zog sich in den Sattel. Der Braune schnaubte, und der Trapper duckte sich instinktiv und trieb das Tier vorwärts. Wohin, wusste er im Augenblick nicht. Nur weg von hier!

Er lenkte den Braunen vom Wald weg, weil er nicht wusste, was dort noch für Überraschungen auf ihn lauern mochten. Außerdem konnte er im offenen Gelände noch mehr von seiner Umgebung erkennen.

Er hatte etwa vier, fünf Meilen zurückgelegt, als es aufhörte zu schneien. Der Wind zerfetzte die Wolken und trieb sie auseinander. Sterne blinkten funkelnd durch die schwarzen Löcher, die dazwischen entstanden.

Jake lenkte den Braunen unter einigen Bäumen, die am Ufer eines ausgetrockneten Bachbettes dicht unterhalb eines Steilhanges standen. Dort gab es kaum Schnee, und er rutschte stöhnend aus dem Sattel. Der Ritt war eine Höllenqual gewesen, und er musste zusehen, dass er die verdammte Pfeilspitze loswurde.

Die Blackfeet konnten ihm unmöglich gefolgt sein. Wind und Schnee hatten seine Fährte binnen kurzer Zeit unkenntlich gemacht. Trotzdem wagte er nicht, ein wärmendes Feuer anzuzünden. Jetzt, da es aufgehört hatte zu schneien, würden sie die Suche nach ihm wieder aufnehmen. Normalerweise wären Indianer bei solchem Wetter in ihre Dörfer zurückgekehrt und hätten ihre Feindseligkeiten bis zum Frühjahr auf Eis gelegt. Aber bei Big Knife war er vorsichtig mit derartigen Schlussfolgerungen.

Als erstes lud er sein Gewehr wieder.

Dann setzte er sich so hin, dass er sich mit dem Rücken an einen Baumstamm lehnen konnte, und versuchte, die Pfeilspitze herauszuziehen. Die Schmerzen trieben ihm den Schweiß in dicken Tropfen auf die Stirn, und erst nach dem dritten Versuch schaffte er es. Die tiefe Wunde begann heftig zu bluten. Er schnitt ein Stück von seiner Decke ab, schob es unter die Hose, dass es auf die Wunde drückte, wickelte einen Stoffstreifen als Verband fest über die Hose um den Oberschenkel. Der Stoff, der Decke war zu dick, um darunter zu passen, und Jake wollte wegen der Kälte nicht die Hose aufschneiden. Auf jeden Fall hatte er vorerst die Blutung eingedämmt.

Er lehnte sich zurück, holte tief Atem und schloss einen Moment die Augen. Er sehnte sich nach einem Schluck Whisky und nach dem Lager in seiner Hütte, nach einem wärmenden Feuer und nach Elk Woman. Stattdessen kaute er nur eine Handvoll von dem Pemmican, den sie ihm noch gemacht hatte, und erhob sich wieder. Er durfte sich jetzt keine Ruhe gönnen. Mochte es sein, dass Big Knife doch noch aufgegeben hatte. Aber wenn er es nicht getan hatte – und Jake neigte eher zu dieser Annahme – dann mussten er und die Krieger seines Clans irgendwann hier auftauchen. Und in diesem Fall war es gut für den Trapper, wenn er schon ein gutes Stück weiter war.

Die Mörder von Elk Woman konnte er nun nicht mehr einholen. Ihre Spuren waren für immer getilgt. Außerdem war er verletzt und wurde von einem Krieger verfolgt, der durch zahlreiche Kämpfe gegangen war und noch immer lebte, der mehr als zwanzig Skalpe an seinem Gürtel hatte. Und Jake wollte nach Möglichkeit vermeiden, dass sein Skalp der nächste in dieser Sammlung wurde.

Also beschloss er, das Winterlager von Bear Chief aufzusuchen, das sich um diese Zeit am Unterlauf des Wood River befinden musste. Bear Chief schätzte den weißen Trapper und würde ihm glauben, wenn er ihm die ganze Geschichte erzählte. Denn er kannte Big Knife als streitsüchtigen Aufwiegler. Dort würde Big Knife nichts anderes übrigbleiben, als ihn zum Zweikampf zu fordern. Und dann wollte er dieser verdammten Rothaut schon zeigen, dass auch sie zu besiegen war. Er würde sich ihren Skalp an den Gewehrlauf binden, damit jeder ihn sehen konnte.

Er zog sich auf sein Pferd und presste die Zähne hart aufeinander. In zwei Tagen konnte er es bequem schaffen, das Lager am Rande der Snake River Plains zu erreichen, wo der Winter nicht ganz so grimmig war wie in den Bergen.

Am übernächsten Morgen erreichte Jakob Stone den Wood River. Die Ufer des Flusses waren steinig und eisverkrustet. Spärliche Weiden reckten ihre kahlen geraden Zweige in die kalte Winterluft. Es hatte nicht mehr geschneit, der Wind hatte sich gelegt, und die Luft war ruhig und kalt.

Jake ritt am Fluss entlang und suchte nach Spuren, die die Nähe eines Indianerdorfes verrieten, und nach aufsteigendem Rauch oder nach den üblichen Geräuschen wie Hundegebell oder das Geschrei von spielenden Kindern.

Nichts.

Er wurde unruhig. Waren sie in diesem Jahr woanders hingezogen?

Jake war müde und erschöpft, seine Augen gerötet. Er hatte nur wenig geschlafen während der kurzen Ruhepausen, die er dem Pferd gegönnt hatte. Er hatte gehofft, sich in Bear Chiefs Tipi ausruhen zu können. Alles schien schiefzugehen in diesem Winter. Ein Unglück kam selten allein. Wo sollte er sie suchen, wenn sie nicht hier waren?

Von Big Knife und seiner Sippschaft hatte er glücklicherweise nichts mehr zu sehen bekommen. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sie los war.

Jake fluchte leise vor sich hin und schaute auf das träge vorbeifließende, schwarze Wasser hinunter. Wenn er Bear Chiefs Winterlager nicht fand, dann gab es im Umkreis von mindestens fünfzig Meilen keine menschliche Niederlassung mehr. Das einzige, was ihm dann noch blieb, war, nach Fort Hall hinaufzureiten oder in seine Hütte zurückzukehren, wenn diese verteufelten Blackfeet sie nicht niedergebrannt hatten.

Plötzlich stutzte Jakob Stone, zog die Zügel leicht an und reckte den Hals.

Da lugten doch die Spitzen von Tipis hinter dem Buschgürtel hervor. Aber nirgendwo stieg Rauch auf, und die Stille war gespenstisch.

Jake trieb den Braunen vorwärts, und er spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Die Büsche glitten vorbei, und der Blick auf die verschneite Wiese neben dem Ufer des Flusses wurde frei. Der grausige Anblick jagte dem Trapper einen eiskalten Schauer über den Körper.

Die Tipis standen starr mit einem Hauch von Frost überzogen, ihre Häutebahnen teilweise aufgeschlitzt, und einige halb niedergerissen, wie stumme Mahnmale. Nichts regte sich. Kein lebendes Wesen war zu sehen. Nur hier und da der Kadaver eines toten Pferdes von Reif überzogen.

Jake ritt langsam näher. Die Schritte seines Pferdes klangen dumpf und seltsam laut. Sogar der Atem des Tieres schien die tödliche Ruhe zu stören.

Zahlreiche kleine Hügel fielen dem Trapper auf – die steifgefrorenen, verstümmelten Leichen der Krieger, Frauen und Kinder, von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, so, als hätte die Natur gnädig ihr Leichentuch über sie gebreitet. Gespenstisch, so als käme er aus einer anderen Welt, ritt Jake zwischen den Toten umher. Die meisten waren skalpiert. Einige waren bereits von Wölfen angefressen worden. Der Schnee war zertrampelt von Stiefeln und beschlagenen Pferdehufen.

Der Überfall musste an jenem späten Nachmittag während des Schneetreibens stattgefunden haben, als die Blackfeet des Wolfs-Clans ihn eingeholt hatten. Der Schnee hatte die Opfer des Massakers noch mit einer dünnen Schicht überzogen, während die Soldaten noch hier verweilt haben mussten, bis es aufgehört hatte zu schneien. Ihre Spuren waren noch deutlich auszumachen.

Jake ließ sich wie benommen vom Pferd rutschen. Seine dicken Fellmokassins verursachten kein Geräusch im Schnee, während er von Tipi zu Tipi ging und hineinschaute, in der Hoffnung, doch noch Überlebende zu finden, die sich hier versteckt hatten.

Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Tipis waren kalt und leer. Die feuchte Luft, die vom Fluss herüberzog, wehte unbehaglich durch die zerfetzten Zeltwände.

Den Spuren zufolge, die Jake genau untersuchte, hatten etliche der Blackfeet versucht zu fliehen, waren aber schon nach kurzen Strecken von den berittenen Soldaten eingeholt und niedergemacht worden.

Was nun? Jake blieb stehen und schaute sich ratlos um.

Hier konnte er nicht mehr bleiben, und zwischen ihm und Fort Hall trieben sich Big Knife und seine Spießgesellen herum.

Plötzlich stutzte der Trapper und bückte sich rasch. Er legte sein Gewehr in dem fransenbesetzten Lederfutteral neben sich in den Schnee und starrte auf den Abdruck eines Pferdehufes vor sich. Das Eisen war stark abgelaufen, und ein kleines Stück fehlte schon ganz. Den gleichen Abdruck hatte er vor Tagen bei seiner Hütte gesehen. Dieses Pferd gehörte zu den Männern, die Elk Woman und vermutlich auch Painted Face getötet hatten. Der Tod schien diese Männer zu begleiten, wo immer sie auftauchten.

Jake presste unter dem Bart die Lippen fest aufeinander, und seine Nasenflügel blähten sich weit, während er tief die kalte Luft einzog.

»Ich werde euch töten, ihr Halunken«, murmelte er vor sich hin, »und wenn sich eine ganze Armee um euch versammelt hat.«

Er ging zu seinem Pferd zurück, dessen Atem dampfend aus den Nüstern schoss. Er zog sich in den Sattel und ließ noch einmal seinen Blick über den Ort des grausigen Geschehens wandern.

Jahrelang hatte er in seinen Bergen gelebt, ohne von den Leuten seiner eigenen Rasse belästigt zu werden. Nur hin und wieder waren einige Wagen mit diesen Verrückten über die Oregon Route gezogen, die Zäune durch das freie Land zogen und die Erde umwühlten, damit etwas auf ihr wachsen sollte, was von der Natur dort nicht vorgesehen war. Aber sie hatten Jake Stone nicht sehr gestört, sie hatten nur kurz mit ihrem Gebrüll und den knarrenden Ochsenkarren die Ruhe der Wildnis unterbrochen und waren wieder verschwunden.

Jetzt aber war der Krieg in seine Berge gekommen, mit all dem Leid und dem Blutgeruch, den er an sich hatte. Der unnütze Krieg zwischen Weiß und Rot um ein Land, auf dem sie alle nur zu Gast waren. Ein Land, in dem die einen lebten und das die anderen besitzen wollten, um es zu zivilisieren, wie sie es anmaßend nannten.

»Pfui Teufel!« Der Trapper spuckte in den Schnee.

Er trieb den Braunen vorwärts und folgte der Fährte, die sich noch breiter und deutlicher als der Trampelpfad eines Hirschrudels durch den Schnee zog.

Das Lager der Soldaten befand sich in einem langgestreckten verschneiten Tal, von dem etliche Seitentäler abzweigten. Schon von weitem war der Rauch ihrer Feuer zu riechen und zu sehen.

Jake hatte das Lager umrundet und festgestellt, dass jene drei Reiter, denen sein Interesse galt, dasselbe wieder verlassen hatten. Das musste vor vielen Stunden gewesen sein. Aber nun wurde es dunkel, und es hatte keinen Sinn mehr, dieser Fährte jetzt zu folgen. So beschloss er, sich an den Feuern der Soldaten zu wärmen und zu versuchen, etwas über diese drei Männer zu erfahren.

Bei seiner Annäherung entstand Bewegung im Lager. Männer fuhren in die Höhe, Gewehre wurden durchgeladen. Jemand brüllte ein paar scharfe Kommandos. Bei dem schlechten Licht war wohl nicht klar zu erkennen, ob es sich um einen Weißen oder einen Indianer handelte, der da aus der Wildnis herangeritten kam.

Narren, dachte Jake geringschätzig, ich hätte schon ein paar von euch töten können, ohne dass ihr mich zu Gesicht bekommen hättet.

»Halt, wer da!« rief ihn jemand nervös an.

»Nimm den verdammten Schießprügel runter, Junge, sonst triffst du mich womöglich noch mit diesem Ding«, knurrte Jake zurück. »Was gafft ihr so, zum Teufel, habt ihr noch nie einen richtigen Menschen gesehen?«

»Einer von diesen weißen Indianern, Sir«, rief ein Sergeant nach hinten. »Sie sollen sich in diesen Bergen auskennen wie die verdammten Rothäute selber, aber niemand weiß so recht, ob man ihnen trauen kann.«

Jake musterte den Mann mit einem langen Blick.

»Was ist, habt ihr Angst, ein einzelner Mann könnte euch überrumpeln?« schnaufte er verächtlich.

»Es ist wegen der verdammten Rothäute, Mister. Niemand weiß genau, wo sie überall herumschleichen.«

Der Befehlshaber der Truppe war ein Captain, ein hagerer Bursche mit einem grauen Schnurrbart und arrogant blickenden, ebenso grauen Augen.

»Wo kommen Sie her?« fragte er in einem Ton wie ein Schulmeister einen zu spät kommenden Schüler.

Jake saß ab, behielt die Zügel des Braunen in der Hand und schenkte dem Offizier einen kalten Blick. Er ließ sich absichtlich Zeit, ehe er antwortete: »Ich lebe seit ein paar Jahren in diesen Bergen und kam sogar mit den Blackfeet zurecht, bis Sie hierher kamen und dieses Gemetzel am Wood River veranstalteten.«

In den grauen Augen blitzte es zornig auf. »Dieses Gemetzel, von dem Sie reden, war ein Gefecht mit unseren Feinden, bei dem meine Männer ihr Leben riskierten.«

»Ist mir egal, wie Sie es nennen. Es wird die Blackfeet aufscheuchen wie einen Hornissenschwarm, und sie werden mir genauso den Skalp über die Ohren ziehen, wenn sie mich erwischen. Wissen Sie eigentlich, was Sie da alles kaputtmachen?«

In die Stimme des Captains kam beißender Zynismus. »Tut mir leid, wenn wir Ihre Idylle zerstört haben, aber der Fortschritt kennt keinen Stillstand. Wir sind nur seine Werkzeuge.« Er zeigte mit dem behandschuhten Finger auf den Trapper. »Und noch eins, Mister. Wenn Sie sich unter unseren Schutz stellen wollen, sollten Sie etwas andere Reden führen. Schließlich sorgen wir für die Sicherheit aller Weißen in diesem Land, auch für Ihre.«

In Jakob Stone quoll eine dumpfe Wut hoch. »Schutz? Sicherheit? Pah, ich kann auf mich selbst aufpassen! Ich habe es schon gekonnt, als Leute wie Sie noch irgendwo im Osten hinter ihrem Ofen saßen.«

Das Gesicht des Offiziers wurde hart, und einige der Soldaten nahmen eine drohende Haltung an. Der Captain hielt sie jedoch mit einer Handbewegung zurück.

»Und weshalb kommen Sie dann hierher?«

Der Trapper schaute fest in das Gesicht mit dem grauen Schnurrbart.

»Drei Männer sind in meine Hütte eingedrungen und haben die Frau, mit der ich lebte, vergewaltigt und umgebracht.«

»Und was haben wir damit zu tun?«

»Ich bin den Spuren dieser Männer gefolgt. Die Burschen waren hier in Ihrem Lager und sind heute Mittag wieder weggeritten. Wer waren sie?«

Der Captain lächelte maliziös. »Drei meiner Scouts, Mister. Aber Sie glauben doch nicht …«

»Ich glaube, was ich gesehen habe!« schnitt der Trapper ihm das Wort ab.

»Wie Sie meinen.« Der Captain rief über die Schulter: »Dakota! Da behauptet einer, Ihre Jungens hätten eine Frau umgebracht.«

Ein Mann mit einer dicken Felljacke und einem dunklen Dragonerbart kam herangeschlendert. Er hatte sich gegen die Kälte einen Schal über Kopf und Ohren gehängt und seinen Hut darübergestülpt. Unter der offenen Jacke sah Jake eine Waffe, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Es musste einer dieser neumodischen Revolver sein, von denen er gehört hatte, dass man sechsmal damit schießen könne, ohne nachzuladen.

»Was höre ich da, Mister?« fragte er mit drohendem Unterton.

»Sie haben schon richtig gehört.«

»Meine drei Söhne und ich, wir entstammen einer ordentlichen Familie, Mister. Und wir lassen solche Anschuldigungen nicht auf uns sitzen. Sie sind jetzt gerade unterwegs, um ihre Pflicht zu tun, und wenn sie zurückkommen, dann können Sie Ihre Beschuldigung wiederholen, falls Sie dann noch den Mut dazu haben.«

»Ich werde ihnen morgen früh nachreiten und es ihnen sagen.«

Die dunklen Augen des Mannes in der Felljacke maßen den Trapper tückisch und lauernd. »Ich werde mitkommen. Solche Dinge regeln wir bei uns in der Familie stets gemeinsam.«

»Sie können die Nacht über bei uns campieren«, sagte der Captain kühl und ließ den Trapper stehen. Dieser kümmerte sich nicht weiter um Dakota oder die Soldaten und nahm seine Deckenrolle vom Rücken des Braunen. Er zog sich in die Nähe eines der großen Feuer zurück und ließ sich etwas abseits von den Soldaten nieder. Er wollte mit diesen Hohlköpfen nichts zu tun haben und für sich bleiben. Morgen musste er früh auf den Beinen sein. Wenn das erste Licht über die Hänge kam, wollte er losreiten. Und er musste sich diesen Dakota irgendwie vom Halse schaffen. Das war einer von der Sorte, die andere in den Rücken schießen, wenn sie am wenigsten damit rechnen.

Am nächsten Morgen war es seltsam still im Tal. Kein noch so sachter Hauch bewegte die Luft.

Jakob Stones Pferd war unruhig, es warf mehrmals schnaubend den Kopf hoch und spielte nervös mit den Lauschern, als er ihm den Sattel auflegte.

»Was hast du denn, du alter Ziegenbock«, brummte Jake vor sich hin. »Steigt dir der Gestank dieser Lackaffen in die Nüstern? Keine Angst, wir werden sie bald hinter uns haben, und dann kannst du wieder die reine Bergluft atmen ohne diesen Blut- und Schweißgestank, den diese Burschen hier an sich haben.« Aber der Trapper wusste sehr gut, dass es nicht die Gerüche des Lagers waren, die den Braunen in Unruhe versetzten, und seine Augen suchten besorgt den Himmel ab. Doch die aufsteigenden Berge seitlich des Tales engten den Horizont ein, und man konnte nicht weit genug sehen.

Er zog den Sattelgurt fest, ließ den Bügel herunter und erkletterte den Pferderücken, als jemand plötzlich einen lauten Pfiff ausstieß.

Der Trapper hob den Kopf und sah die drei Reiter, die durch den seichten Schnee den dünn bewaldeten Hang herunterkamen.

»Da muss irgendwas los sein, sonst wären sie bestimmt, noch nicht zurück«, meinte der Sergeant und stapfte durch den festgetrampelten Schnee. Der Captain erhob sich von seinem Platz an einem der Kaffeefeuer, die gerade angezündet wurden, und blickte den Reitern aus zusammengekniffenen Augen entgegen.

Jake zog vorsichtshalber das Lederfutteral von seiner Mountain Rifle und hängte es um das Sattelhorn. Wenn es hier tatsächlich zum Kampf kam, war er in einer denkbar schlechten Position, aber er wollte zumindest auf alles vorbereitet sein. Aus Erfahrung wusste er, dass man sich weder Ort noch Zeitpunkt für einen Kampf immer aussuchen konnte.

Auch Dakota war aufgestanden. Er schickte einen kurzen Blick zu dem Trapper hin, der auf seinem Pferd saß, und rückte sich in drohender Gebärde seinen Revolver zurecht.

Die Reiter erreichten das Lager, und der vorderste von ihnen, ein hagerer Mensch mit einem buschigen Schnurrbart, der sein junges Gesicht älter wirken ließ, rief: »Da zieht ein Unwetter auf! Es ist besser, wenn die Männer ihren Kram zusammenpacken und die Gäule in den Wald bringen.«

»So schlimm wird es schon nicht werden«, meinte der Captain abschwächend.

Der letzte der Reiter deutete mit dem ausgestreckten Arm nach rückwärts auf den Berghang. »Der ganze Himmel da hinter dem Berg ist gelblichgrau. Eine verdammt ungemütliche Farbe, wenn ihr mich fragt.«

»Na schön.« Der Captain wandte sich an den Sergeant. »Sorgen Sie dafür, dass die Männer in zehn Minuten marschbereit sind!«

»Ja, Sir!«

»Vorher haben wir noch etwas zu klären«, meinte Dakota aufreizend, »aber dazu reichen uns zehn Minuten.« Er deutete auf den Trapper, der die anderen stumm beobachtete. »Dieser Gentleman dort behauptet, ihr hättet da oben in den Bergen seine Frau umgebracht.«

Die drei hielten ihre Pferde an und musterten den fremden Reiter mit hämischen Blicken. Sie waren zu viert, und das Lager war voller Soldaten, die auf ihrer Seite waren. Was konnte er ihnen schon anhaben.

»So? Behauptet er das?« fragte der mit dem Schnurrbart herausfordernd. »Wenn ich jemals mit einer Squaw zusammen hause, dann werde ich schön den Mund halten und es nicht überall herumerzählen. Denn ich will nicht, dass mich die Leute für so einen Squawman halten, Mister.«

Die Hände des Trappers legten sich hart um die Waffe, die er quer über dem Sattel hielt, und in seinen Augen glomm es böse auf.

Der zweite von Dakotas Söhnen, der als einziger eine Pelzmütze trug, hielt Jake mit abwehrender Gebärde den Arm entgegen.

»Nicht wütend werden, Mister«, sagte er mit zynisch geheuchelter Furcht in der Stimme. »Wut ist etwas, das vom Teufel kommt, und davor müssen wir uns hüten.«

»Es stimmt also! Ihr habt sie getötet!« sagte Dakota streng zu seinen Söhnen, aber Jake war sich nicht sicher, ob diese Strenge wirklich echt war. Er spürte das unwiderstehliche Bedürfnis, diese Teufelsbrut über den Haufen zu schießen. Doch er wusste genau, dass er nur zwei Kugeln zur Verfügung hatte. Wenn es ihm dagegen gelingen würde, Dakotas Revolver an sich zu bringen …

»Pa, es war eine dreckige Indianersquaw«, verteidigte sich der dritte dieser Nichtsnutze, der das rundliche Gesicht seines Vaters hatte. »Seit wann hast du was dagegen, dass wir Rothäute töten?«

»Wenn sie einem weißen Mann gehören.«

»Aber es ist doch nicht unsere Schuld, wenn er sich eine Squaw zur Frau nimmt. Willst du solch einen Kerl noch in Schutz nehmen?«

Dakota wandte sich an den Trapper. In seinem Gesicht spiegelte sich eine scheinheilige Versöhnlichkeit wider. »Sie sehen, es handelt sich um einen Irrtum, Mister. Im Grunde ihres Herzens sind meine Jungen anständige Kerle, und sie bedauern diesen Vorfall …«

»Halten Sie den Mund, Mann, oder ich blase Ihnen ein Loch in Ihren niederträchtigen Schädel!« sagte Jake mit einer dumpf grollenden Wut.

»Den Teufel tun wir«, krähte der Kerl von vorhin protestierend. »Wir haben mit ihr unseren Spaß gehabt, und sie ist dabei drauf gegangen. Na schön. Und es war nicht die einzige. Ihr alle habt unten am Wood River fest mitgemacht, wie ich mich erinnere.«

Die umstehenden Soldaten grinsten. Der Sergeant trieb sie jedoch an ihre Beschäftigung zurück. »Los, Männer, packt eure Ausrüstung zusammen! Das hier ist nicht unsere Sache.«

»Wer von euch war es?« fragte Jake hart. Die Gesichter der drei wurden unruhig. Aber ehe jemand eine Antwort geben konnte, mischte sich der Captain ein.

»Ich brauche jeden dieser Männer, Mister, und Sie glauben doch nicht, dass ich deshalb eine Auseinandersetzung zulasse, weil einer von ihnen eine Rothaut umgebracht hat.« Er machte eine ausholende Handbewegung über das Lager hinweg. »Das tun wir doch schließlich alle. Deshalb sind wir viele harte Meilen geritten, um diese Halsabschneider zur Räson zu bringen.«

Der Trapper ließ die drei Reiter nicht aus den Augen, während er sagte: »Sie war eine Frau, und sie hatte nie in ihrem Leben eine Waffe in die Hand genommen.«

»Das haben auch viele weiße Frauen und Kinder nicht, die von den Roten massakriert wurden.«

»Er lügt.« Der Kerl mit dem rundlichen Gesicht grinste dümmlich. »Sie hatte ein Messer, als wir sie packten und es ihr besorgen wollten. Hier ist ihr Skalp, und er gehört mir!« Er griff unter seine Jacke und holte tatsächlich einen Skalp mit schwarzen langen Frauenhaaren hervor und hielt ihn in die Höhe.

Eine eiskalte Windbö fuhr plötzlich durch das Tal, wirbelte die Asche der Feuerstellen hoch, zerrte an den Mähnen der Pferde und ließ die Männer fröstelnd erschauern.

Der Trapper sah nur den Skalp in der Hand dieses Mannes unweit von ihm, sonst nichts. Und der Finger am Abzug seines Gewehres, krümmte sich ganz von selbst, ohne dass er dagegen etwas hätte tun können. Der Schuss ließ die umstehenden Männer zusammenzucken, und die Bleikugel riss den Getroffenen aus dem Sattel und schleuderte ihn in den schmutzigen Schnee. Der Wind blies Jake entgegen, und die Pulverwolke hüllte ihn einen Moment ein. Aus dieser Wolke heraus trieb er den Braunen vorwärts und ritt Dakota einfach nieder, ehe dieser seinen Revolver herausreißen konnte.

Niemand hatte mit dieser Aktion des Trappers gerechnet, und alle brauchten erst einige Sekunden, um zu reagieren. Die Brüder des Getroffenen waren für einen Moment wie gelähmt und starrten auf den Sterbenden hinab. Die Soldaten stürzten zu ihren Gewehren, die sie zusammengestellt hatten. Nur der Captain nestelte nervös an seiner Revolvertasche herum. Als er die Waffe endlich heraus hatte, war der Trapper schon dreißig Yards weit weg und duckte sich tief auf den Hals seines Pferdes. Die Kugel des Captains verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter.

»Sergeant!« schrie der Offizier. »Nehmen Sie zehn Mann und folgen Sie ihm!«

Ein abermals durch das Tal heulender Windstoß riss ihm die Worte von den Lippen. Schnee wurde zu einer weißen Wolke vom Boden hochgepeitscht und hüllte das gesamte Lager ein. Die Sicht betrug für einen Moment nur noch zehn Yards. Die zischende Bö riss die Männer fast von den Beinen, die Pferde drängten ängstlich wiehernd durcheinander. Ein paar Schüsse peitschten dünn und verloren durch den Schnee.

Jake Stone riss sein Pferd nach rechts herum, als er die weiße Wand von links auf sich zurasen sah. Der Wind packte ihm mit fürchterlicher Wucht und riss Pferd und Reiter beinahe zu Boden. Dann hatte er den Druck im Rücken, und der Braune stolperte weiter. Der Wind änderte seine Richtung und flaute dann schlagartig ab. Der hochgewirbelte Schnee sank auf den Boden zurück.

Ein paar Schüsse folgten dem flüchtenden Mann, doch er war schon mindestens hundert Yards weit weg, und mit einem ungenau schießenden Gewehr musste man schon viel Glück haben, ein bewegliches Ziel auf diese Distanz zu treffen.

Der Trapper warf einen Blick über die Schulter nach rückwärts und sah, dass etliche Soldaten ihre Pferde bestiegen hatten und ihm folgten. Zwei Reiter befanden sich schon ein gutes Stück ihnen voraus und trieben wütend ihre Tiere an. Wenn sie ihn einholten, hatte er mit seinen einschüssigen Waffen keine Chance gegen so viele Gegner.

Die dunkle Verfärbung des Himmels wurde jetzt über den Rändern des Tales sichtbar, und es begann zu schneien. Schneidender Wind drückte von den Hängen in das Tal hinab, und die Temperatur sank rasch.

Jake fluchte. Er wusste im Moment nicht, was tödlicher für ihn war: die Männer in seinem Rücken oder das Unwetter, das ihn hier draußen zu überraschen drohte. Er musste versuchen, den Wald zu erreichen, ehe der Blizzard mit seiner vollen Stärke losbrach.

Schüsse krachten hinter ihm her, die ihr Ziel jedoch weit verfehlten. Noch immer hielt Jake das Gewehr quer über dem Sattel fest. Er hatte noch keine Zeit gehabt, seine dickten Handschuhe überzustreifen. Der kalte Wind ließ seine Finger beinahe zu Eis erstarren. Der spärliche Schnee fegte fast waagerecht durch das Tal.

Der Trapper erreichte ein Seitental und bog dorthin ab. Irgendwo da hinten gab es Wald, der ihm Schutz vor den Verfolgern und vor allem vor dem höllischen Wind bot.

Die Verfolger hatten ein Stück aufgeholt und bildeten jetzt mit den beiden Scouts, die anfangs voraus waren, einen gemeinsamen Pulk. Jake fluchte vor sich hin. Mehr konnte er aus dem Braunen nicht herausholen.

Der Wind sprang plötzlich um und trieb ihm einen Schwall nadelspitzer Eiskristalle ins Gesicht. Er kniff die Augen zu und presste die Lippen fest aufeinander. Der Sturm war wie eine Mauer, gegen die er prallte. Der Braune wieherte und knickte in der Hinterhand ein. Ein entsetzlich hohles Fauchen war um ihn.

Jake versuchte, das Tier wieder hochzureißen. »Los, Alter! Du kannst doch jetzt nicht schlappmachen!« keuchte er heiser. Beinahe hätte er dabei sein Gewehr verloren.

Der Braune wieherte ängstlich und versuchte, einen festen Halt zu finden, von dem aus er sich gegen den Wind stemmen konnte.

Jake hatte keinen Blick nach hinten frei, er musste sich voll auf sich und das Pferd konzentrieren. Der Sturm fauchte von den Anhöhen herab und ließ Eis und Schnee auf ihn herniederprasseln, als wollte er ihn in Minutenschnelle unter sich begraben. Das Pferd schaffte es, stemmte sich gegen das tobende Gewimmel, in dem man nichts mehr sehen konnte. Und dann ließ der Wind mit einem mal nach. Pferd und Reiter schienen in einen luftleeren Raum hineinzustoßen. Der Braune stolperte und fing sich wieder. Schnee und Eis klebten an seinem Fell. Auch Jakes Gesicht glich einer weißen Maske, aus der die Augen wie zwei dunkle Löcher herausschauten. Fluchend fuhr er sich mit der Hand darüber und wischte das Eis von der brennenden Haut.

Die Verfolger erschienen wie dunkle Schatten hinter ihm, kaum wahrzunehmen hinter dem Vorhang aus wirbelnden Flocken. Sie hatten es aufgegeben, Schüsse abzufeuern, die nichts trafen.

Der Boden stieg an, und der Trapper erreichte ein Gelände, wo der Wind den Schnee weggefegt hatte. Er ließ das Tier kräftig ausgreifen. Irgendwo vor ihm war schemenhaft die dunkle Masse des Waldes.

Kurz bevor er ihn erreichte, schlug der Sturm erneut zu. Mit unvorstellbarer Wucht traf er Pferd und Reiter völlig unvorbereitet von der Seite und riss sie von den Beinen. Im letzten Moment noch zog Jake die Beine hoch und drückte sich von dem Sattel weg. Es war wie ein Sprung in eine brodelnde und tobende Hölle. Der Sturm fuhr brüllend über sie hinweg, riss Bäume aus dem Erdreich oder knickte sie um wie Halme. Das Pferd wälzte sich wiehernd und mit schlagenden Hufen über den Rücken und versuchte vergeblich, wieder hochzukommen.

Der Trapper wurde von einem der Hufe am Kopf getroffen und war für einen Augenblick vor Benommenheit unfähig, etwas zu tun. Der Wind riss ihn mit sich weg, bis er an einem Felsblock hängenblieb.

Zum Glück war der Schlag des Pferdehufes durch die dicke Wolfsfellmütze gemildert worden, und sein Kopf wurde rasch wieder klar. Der Sturm, der ihn mit atemberaubender Gewalt an den Fels gedrückt hatte, ließ etwas nach, schleuderte ihm jedoch noch immer ganze Schauer aus Eiskörnern und Schneeflocken ins Gesicht. Er versuchte, die Augen aufzubekommen.

Sein Gewehr lag zwei Yards von ihm entfernt im Schnee. Er schoss wie ein Raubvogel darauf zu und packte es. Der Braune wieherte schrill und bemühte sich unweit von ihm, auf die Beine zu kommen. Der Wind peitschte Mähne und Schweif hoch und ließ Schnee und Eis gegen sein Fell trommeln.

Auf allen vieren kroch Jake Stone auf das Tier zu, stemmte sich gegen den drückenden Wind und griff nach den Zügeln des Pferdes.

Als das Tier es fast geschafft hatte, trieb der Wind einen peitschenden Knall heran und dann noch einen. Ein klatschender Schlag traf das schrill aufwiehernde Pferd und warf es erneut auf die Seite. Seine Läufe zuckten noch ein paarmal, und dann ließ es den Kopf in den Schnee fallen.

Der Trapper starrte fassungslos auf die Schatten, die sich in dem brodelnden Schneegestöber hin- und her bewegten, hinter vorbeifegenden Schauern verschwanden und wieder auftauchten.

Aus! Seine Flucht war hier zu Ende! Wenn die Verfolger ihn nicht erwischten, würde er in den eiskalten Klauen des Blizzards umkommen. Dennoch war er kein Mann, der sich in sein Schicksal ergab. Er war ein Geschöpf der Wildnis, gewöhnt, bis zum letzten Atemzug ums Überleben zu kämpfen.

Er zog seine Pistole unter dem Mantel hervor und gab den einzigen Schuss, der er zur Verfügung hatte, auf die Schatten ab. Dann fiel der Sturm abermals mit voller Heftigkeit über ihn her. Brüllend und fauchend wie ein ungebändigtes Tier tobte er über das Land, alles verschlingend und zermalmend, was sich ihm in den Weg stellte. Jake Stone duckte sich eng an den Boden und klammerte sich am Sattel des toten Pferdes fest. Die Schatten waren verschwunden, das Unwetter hatte sie verschlungen, wie alles um ihn herum. Alles hatte die gleiche schmutzig-graue Farbe, in der nichts zu erkennen war. Mit zu Eis erstarrenden Fingern zerrte er an der Deckenrolle und versuchte verzweifelt, sie unter dem Körper des Braunen hervorzubringen. In ihr befand sich noch etwas Pemmican, das einzige, was er wohl in nächster Zeit zwischen die Zähne bekommen würde – falls er überlebte.

Er stemmte die Schulter gegen das tote Tier und bohrte die Füße in den Schnee, bis ihn der Schmerz in seinem verletzten Bein fast den Verstand raubte.

Endlich schaffte er es. Zitternd und keuchend hielt er die Deckenrolle in den Händen. Dann griff er nach den Schneeschuhen und löste sie vom Sattel. Ohne sie würde es bald kein Fortkommen mehr geben. Auf Ellenbogen und Knien kroch er, seine Sachen mit sich schleifend, dem Wald entgegen.

Eine neuerliche Wand aus Schnee und heulenden Luftmassen wälzte sich heran und überschwemmte ihn wie ein alles verschlingender Ozean, der eine lang aufgestaute Wut zu entladen hatte.

Jake Stone wurde wie ein Stück Treibholz hinweggefegt und über den schneebedeckten Boden gewirbelt. Instinktiv presste er Gewehr und Deckenrolle an sich und erwartete jeden Augenblick, gegen einen Felsen oder Baumstamm geschmettert zu werden.

Er wusste nicht mehr, was oben und unten war. Manchmal hatte er das Gefühl, frei in der Luft zu schweben. Dann spürte er wieder die schmerzhaften Stöße, die irgendwelche Hindernisse verursachten.

Endlich stieß er irgendwo gegen, streifte mit seinem Gesicht die raue Rinde eines Baumstammes und prallte gegen einen anderen. Es war ihm, als hätte dieser Anprall alle seine Knochen zerschlagen. Er öffnete den Mund, aber der Wind saugte ihm die Luft aus der Lunge, presste ihn gegen den Stamm, an dem er hängengeblieben war. Und das war gut so. Auf diese Weise blieb er, wo er war und wurde nicht weiter herumgeschleudert.

Sein ganzer Körper tat ihm weh. Er krümmte sich am Fuß jenes Baumes zusammen und ließ das Heulen und Brüllen und das Ächzen und Brechen der windgepeitschten Bäume über sich ergehen. Das Land ertrank in einer weißen, alles unter sich begrabenden Flut.

Er konnte hinterher nicht sagen, wie lange es gedauert hatte, bis die Wucht des Sturmes nachließ. Er hob den Kopf und stellte erleichtert fest, dass er sich bewegen konnte. Der Schnee, der sich über seiner Gestalt aufgehäuft hatte, rieselte herunter. Sein verletztes Bein schmerzte, und einige Rippen taten ihm weh. Aber soweit er feststellen konnte, schien alles heil geblieben zu sein. Er hatte wie durch ein Wunder nicht mehr als einige blaue Flecke und Hautabschürfungen im Gesicht davongetragen.

Gewehr und Deckenrolle hatte er krampfhaft festgehalten, aber die Schneeschuhe waren weg, wie er bestürzt feststellte. Und es schneite noch immer.

Hier im Wald lag der Schnee schon beinahe kniehoch, aber draußen im offenen Gelände würde er hoffnungslos in den Schneeverwehungen versinken.

Einen der beiden Schneeschuhe fand er kurz darauf in Brusthöhe an einem Baum, wo er an einem Aststummel hängengeblieben war.

Der Wind flaute ganz ab. Ein paar Schneeflocken tanzten noch in der Luft, aber die Wolken über dem Wald wurden heller.

Ein Pferd wieherte irgendwo hinter ihm, und es war wie ein warnendes Signal. Seine Verfolger hatten den Blizzard also auch heil überstanden. Wenn er jetzt den anderen Schneeschuh nicht fand, war seine Lage ziemlich aussichtslos. Noch schützte der Wald ihn vor Sicht. Aber wenn die Burschen erst seine Spur entdeckten, dauerte es nicht mehr lange, bis sie ihn einholten.

Er versuchte, etwas zu erkennen, doch er war zu tief im Wald, und die Bäume standen zu dicht. Aber er vernahm weitere Geräusche und auch heisere Flüche. Seine Waffen waren geladen. Alle würden seinen Tod also nicht mehr miterleben. Doch was half ihm das letztlich? Für ihn zählte einzig und allein das Überleben. Und im Augenblick sah es nicht so aus, als ob es ihm gelänge. Denn gleich würden sie im Wald nachsehen und seinen Rand abreiten. Jeder halbwegs vernünftige Mensch käme auf diese Idee. Und er Schnee hielt Jakes Spur so deutlich, dass ein Blinder sie ertasten konnte.

Da ragte etwas aus dem Schnee, das sich an einer Baumwurzel gefangen haben musste. Jake zog daran.

Sein anderer Schneeschuh!

Etwas von seinem Flechtwerk war zerrissen, aber das schränkte seinen Gebrauch kaum ein.

Seine Freude über den Fund verpuffte rasch und machte der nüchternen Erkenntnis Platz, dass er seine Lage nicht wesentlich verbesserte.

Hier drinnen lag der Schnee so flach, dass man gut vorankommen konnte, und zwischen den Bäumen und Wurzeln behinderte ihn das breite Geflecht der Schneeschuhe nur. Lediglich draußen in den weiten, tief verschneiten Tälern, wo die Pferde der Verfolger bis zum Bauch versanken, machten sie ihn überlegen. Aber selbst dort mussten deren Kugeln ihn einholen, denn dort fehlte wieder die Deckung. Es sei denn, es gelang ihm zu entwischen, bevor sie ihn entdeckten.

Er hetzte weiter durch den Wald, so schnell es ihm sein verletztes Bein erlaubte, aber die Schmerzen wurden immer stärker. Verdammt, diese Wunde brachte ihn noch um. Solange er reiten konnte, war er gut damit zurechtgekommen, doch jetzt überanstrengte er den verletzten Muskel schnell.

Er presste die Zähne zusammen. Es half alles nichts. Aufgeben bedeutete den Tod. So war das nun mal in der Wildnis. Der Atem stand wie eine dampfende Wolke vor seinem Gesicht. Seine Augen waren von Wind und Kälte gerötet, und in seinem Bart hingen kleine, glitzernde Eiszäpfchen.

Weit hinter ihm krachte ein Schuss, und jemand brüllte etwas, was der Trapper nicht verstehen konnte.

Der Schuss konnte nicht ihm gegolten haben, aber Jake wusste, was er bedeutete. Einer der Reiter hatte seine Fährte entdeckt und rief die anderen herbei. Jetzt nahm eine gezielte und gnadenlose Jagd ihren Anfang, bei der er nur unterliegen konnte, denn er besaß kein Pferd.

Keuchend humpelte er, sich auf das Gewehr stützend, einer Stelle entgegen, wo der Baumbestand lichter zu sein schien. Es gab nur noch einen einzigen Umstand, der ihm etwas Zeit verschaffen konnte: seine Verfolger mussten äußerst vorsichtig sein. Auch sie wussten, wie gefährlich es war, einem angeschossenen Grizzly ins dichte Unterholz zu folgen. Denn genau so würde er sich verteidigen, wenn sie ihn einholten. Zumindest der erste würde mit dem Leben dafür zahlen müssen.

Der Wald lichtete sich tatsächlich, und vor dem Trapper dehnte sich eine langgestreckte Senke, in der die vereinzelt aufragenden Felsblöcke seltsam langgezogene Formen bekommen hatten. Der Sturm hatte lange Schneewehen bis zu ihren Spitzen aufgehäuft. Niederes Buschwerk und Gestrüpp war von der Schneelast erdrückt und darunter begraben worden. Dort gab es mit einem Pferd bestimmt kein Durchkommen mehr.

Hoffnungsvoll band er sich die indianischen Schneeschuhe an die Füße und marschierte in das offene Land hinaus, während es hinter ihm knackte, als brächen Büffel durch das Unterholz.

Es schneite noch immer, aber leider nicht dicht genug, um ihn unsichtbar zu machen. Das Vorwärtskommen mit Schneeschuhen war noch anstrengender, doch ohne sie wäre er wohl bis über die Hüften in den Schnee eingesunken. Die Mountain Rifle konnte er jetzt nicht mehr als Krücke benutzen, und die Schmerzen im Bein wurden zum Martyrium. Am liebsten hätte er bei jedem Schritt laut aufgeschrien. Und alles ging viel zu langsam!

Hundert Yards hatte er immerhin zurückgelegt, ehe die Verfolger den Waldsaum erreichten. Browny, der jüngste von Dakotas Söhnen, riss fluchend sein Pferd zurück, als es in einer Schneeverwehung bis zum Bauch einsackte. Das Tier wieherte erschreckt und rollte ängstlich mit den Augen. Browny fiel aus dem Sattel und rollte durch den hohen Schnee.

Die anderen, die nachdrängten, hielten ebenfalls an. Sie rissen ihre Gewehre hoch und schössen hinter dem flüchtenden Trapper her. Doch da ihre Pferde zu unruhig waren, trafen sie nichts.

Jake ging hinter zwei dicht zusammenstehenden Felsen in Deckung und schaute vorsichtig zurück.

Browny hatte nun ebenfalls sein Gewehr im Anschlag und schoss gezielt. Aber der Trapper war mittlerweile für dessen Kugeln unerreichbar.

»Ja, schießt nur«, murmelte er außer Atem, aber frohlockend vor sich hin. »Verschwendet nur eure Munition, ihr Narren.« Doch er war alles andere als außer Gefahr, und das wusste er nur zu gut.

Sie konnten ihm zwar nicht direkt folgen, dafür lag der Schnee hier zu hoch. Aber der Wald zog sich in einem Bogen um seine jetzige Stellung herum. Wenn einige von ihnen an seinem Rand entlangritten, während ihm die anderen in seiner Deckung festnagelten, dann konnte es für ihn äußerst unangenehm werden.

Die drei Scouts stellten das Feuer ein und schienen sich zu beraten. Indessen saßen die Soldaten abwartend auf ihren Pferden. Der Sergeant hatte sie nicht an der nutzlosen Schießerei teilnehmen lassen.

Jake Stone wartete nicht, bis sie mit ihren Beratungen zu einem Schluss kamen, sondern schickte ihnen eine Kugel hinüber, die Brownys Pelzmütze streifte und eines der Pferde verletzte, das sich wiehernd zwischen die anderen drängte. Hastig zogen sich die Verfolger zwischen die Bäume zurück.

Jake nutzte die Verwirrung aus, die sein Schuss angerichtet hatte, und verließ seine Deckung. Schnell und geduckt stapfte er über den hohen Schnee und erinnerte dabei in seinem dicken Mantel an einen Bären, der sich auf die Hinterbeine erhoben hatte.

Zwar folgten ihm einige Kugeln, die jedoch infolge der allgemeinen Unruhe überhastet abgefeuert waren und ihn weit verfehlten. Schließlich verschwand er unbeschadet hinter einer Bodenwelle und war für die Gewehre der Verfolger unerreichbar.

Dakota ließ seine Waffe sinken, und seine Augen brannten mit fanatischem Glanz zu der Stelle hin, wo der Trapper verschwunden war und wo sich jetzt nur noch tanzende Flocken bewegten.

»Du elender Bastard«, murmelte er halb zu sich selbst, »fast hätten wir dich gehabt. Aber das ist noch lange nicht das Ende. Auge um Auge, Zahn um Zahn, so steht es geschrieben.«

Der Sergeant hingegen machte kein begeistertes Gesicht, als er die leise gesprochenen Worte des Scouts vernahm.

»In die verschneiten Berge können wir ihm mit den Pferden nicht folgen«, wandte er ein. »Und es schneit immer noch. Ich würde sagen: Für uns ist die Saison hier vorbei. Für die nächsten Monate müssen wir dieses verdammte Land wieder diesen Wilden überlassen.« Er schlug sich den Schnee von seinem Uniformmantel. »Ganz gleich, ob sie nun weiß oder rot sind.«

»Er will doch nicht etwa damit andeuten, dass wir den Mörder unseres Bruders laufenlassen, Pa?« schnarrte Jeremiah, Dakotas älterer Sohn, und wischte sich aufgeregt über den Schnurrbart.

»Ihr seht doch selbst, dass er entwischt ist«, verteidigte sich der Sergeant unbehaglich. »Bis morgen hat der Schnee seine Spur zugedeckt.«

»Wir warten nicht bis morgen, Serg. Noch ist seine Fährte nicht kalt, und ehe sie das ist, werden wir ihn, erwischt haben.«

»Gibst du jetzt die Befehle?« fragte der Sergeant drohend.

»Ich vertrete nur meine Interessen.«

Ein mörderisches Funkeln war in Dakotas zusammengezogenen Augen. »Der Hund hat meinen Jungen auf dem Gewissen. Hast du 'nen Sohn, Serg?«

Der Soldat schüttelte unbehaglich den Kopf.

»Und außerdem ist er ein Indianerfreund, ein Verräter an seiner eigenen Rasse.«

Der Sergeant holte tief Luft. »Na schön, aber was nützt das alles, wenn er weg ist.«

Dakota grinste verschlagen. »Er hat keinen Gaul mehr. Und wenn wir uns teilen und ihn an beiden Waldsäumen entlang in die Zange nehmen, dann haben wir ihn bald.«

Der Sergeant wägte Dakotas Worte einen Moment schweigend ab, und innerlich rang er mit sich selbst. Die Vernunft sagte ihm, dass es sinnlos war, aber andererseits gab es immerhin eine winzige Chance, ihn doch noch zu erwischen. Wer wusste das schon so genau. Und letzten Endes verstand er diesen Mann. Wenn er an dessen Stelle wäre, schöbe er bestimmt auch alle Vernunft beiseite.

»Also gut«, nickte er, »aber wenn wir ihn bis zur Dämmerung nicht haben, kehren wir um.«

»Das ist 'n Wort, Serg. Dieser weiße Indianer wird den Abend nicht mehr sehen, das kannst du mir glauben.«

Sie drängten ihre Pferde durch das zerzauste Unterholz. Schnee fiel bisweilen von den beladenen Zweigen und schmolz auf ihren heißen Gesichtern, in denen der Eifer glühte. Die Tiere schienen die Begeisterung ihrer Reiter nicht zu teilen und mussten immer wieder angetrieben werden, wenn der Wald zu dicht oder der Schnee zu tief wurde.

Dakota und seine Söhne hatten die nördliche Route gewählt, um Jake Stone zu überholen und ihm den Weg abzuschneiden, während der Sergeant mit seinen Kavalleristen den Südbogen übernommen hatte.

Dakota kannte diese Gegend recht gut. Er wusste, dass der Wald bald zu Ende war. Aber über die vom Wind leergefegten Höhenzüge, die sich anschlössen, konnten sie bestimmt ungehindert reiten und dann auf den Wasserlauf stoßen, der quer zu ihrer Richtung verlief. Wie es dort jetzt aussah, wusste er nicht. Aber bis dahin mussten sie diesen Trapper überholt haben und konnten auf ihn warten.

»Glaubst du, dass er zum Creek hinunterläuft?« fragte Browny seinen Vater. Dessen kleine Augen huschten wieselflink und von rastlosem Eifer besessen hin und her.

»Natürlich wird er das. Und wenn nicht, dann läuft er entweder uns oder dem Sergeant in die Arme.«

Browny machte ein bedenkliches Gesicht.

»Ich weiß nicht, dieser Bursche scheint mir recht gerissen zu sein, oder er muss eine verdammt gute Medizin besitzen, sonst hätten wir ihn schon längst erwischt.«

»Du hast dich zu viel mit Indianerweibern rumgetrieben«, tadelte Dakota ihn geringschätzig wegen dieser Bemerkung.

»Du hast sie früher auch nicht verschmäht, wenn man deinen Schilderungen glauben kann.«

Die kleinen dunklen Augen schleuderten zornige Blitze auf Browny.

»Pass auf, was du sagst, Sohn. Es ist noch nicht lange her, seit ich dir die letzte Tracht Prügel verabreicht habe. Und mir scheint, dass es nicht die letzte war.« Er machte eine kleine Pause, während sie auf Jeremiah warteten, dessen Pferd etwas zurückgefallen war. »Immerhin habe ich keine dabei umgebracht. Das bringt nur Ärger. Es sei denn, man tut es während eines Kampfes.«

»Was sollten wir denn tun«, mischte sich Jeremiah ein, der herangekommen war und die letzten Worte mitgehört hatte. »Die verdammte Squaw hat sich gewehrt wie ein Pumaweibchen.«

»Und eurem Bruder hat dieser Spaß nun das Leben gekostet.«

»Wirf uns das nicht vor«, protestierte Browny. »Schließlich war David selbst mit dabei. Er hat dieser Wildkatze das Messer weggenommen und zuerst zugestoßen.«

»Ich finde das mies, wie ihr euch gegenseitig die Schuld zuschiebt«, grollte Dakota.

Jeremiah drängte sein Pferd zwischen das der anderen. »Verdammt, Pa, es war aber so. Und es hätte jeden von uns erwischen können.«

Browny riss ärgerlich an den Zügeln. »Streiten wir uns nicht, solange dieser Hurensohn noch am Leben ist.«

Sie fuhren fort, ihre Pferde durch das verschneite Unterholz zu drängen, und das nahm sie so sehr in Anspruch, dass jede weitere Unterhaltung ausblieb.

Sergeant Brian ritt missmutig an der Spitze seiner Männer. Er hatte den Kragen seines dicken Mackinaw-Mantels hochgeschlagen und wünschte sich weit fort. Diese Winter in den wilden Bergen und den eisigen Plains benagten ihm nicht. Sie waren tückisch und hatten schon manchen Mann überrascht ,und in einer einzigen Nacht hart wie ein Brett einfrieren lassen. Brian bevorzugte um diese Jahreszeit die Geborgenheit dicker Balkenwände und ein wärmendes Feuer. Auch die Indianer kämpften in dieser Jahreszeit nicht gern, und das war, wie er bestätigte, alles in allem eine vernünftige Sache.

»Es wird noch mehr Schnee geben, Serg«, sagte einer der Reiter hinter ihm. »Es wäre vernünftiger umzukehren.«

»Ich habe eingewilligt bis zum Einbruch der Dunkelheit«, gab Brian zurück, ohne den Kopf zu wenden.

»Verdammt«, protestierte der Soldat, »das bedeutet, dass wir diese Nacht hier in diesen Bergen verbringen und morgen vielleicht hoffnungslos eingeschneit sind.«

Brian ließ einen unwilligen Knurrlaut hören, und der Protest hinter ihm verstummte. Sie alle kannten ihn, und wenn dieser Laut zu hören war, dann war es besser, den Mund zu halten.

»Mach den Mund zu, Schlesinger«, tönte es grollend von vorn. »Du wirst jedes bisschen Wärme, das in dir ist, noch brauchen.«

Die Männer schwiegen mit verbissenen Gesichtern. Der Schnee gurrte dumpf und böse unter den Hufen, und der Atem stand dampfend vor den Mäulern der Pferde.

Sergeant Brian wusste nicht genau, wie weit er den Befehl des Captains auslegen sollte. Zum Teufel, sie waren hier, um gegen Rothäute zu kämpfen, und nicht, um einem einzelnen weißen Jäger, der wegen einer Squaw verrückt spielte, bis ans Ende dieser verdammten Welt zu folgen. So wichtig war dieser Mann nicht, und Brian bereute es bereits, nicht gleich vorhin umgekehrt zu sein. Jetzt war der Mittag vorbei, und dieser Kerl in seinem Wolfsmantel schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

Der Wald lichtete sich und wurde zu einem spärlich bewachsenen Höhenzug, über den ein unangenehmer Wind pfiff, der in die Gesichter schnitt.

Brian spähte zu einer dunklen Felsformation hin, die wie ein riesiger herausgebrochener Backenzahn aussah. Aber nicht in diesem verlassenen Land regte sich, außer einer Schar Krähen, die in der Ferne wie ein Fliegenschwarm aussah.

Der Sergeant beugte sich nach vorn, um einen Strahl Tabaksaft in den Schnee zu spucken, und wischte sich schlechtgelaunt über den gelblichen Schnauzbart.

»So eine Jagd ist 'ne verteufelte Geschichte«, raunte Schlesinger seinem Nebenmann zu. »Ich war mal dabei, als wir 'nen Deserteur verfolgten. Eine Woche lang waren wir hinter ihm her, und beinahe hätten wir ihn erwischt. Der Kerl hatte 'ne Kugel in die Hüfte bekommen und rettete sich humpelnd in ein Kieferngehölz. Wir alle waren überzeugt, dass wir ihn hatten, aber dann war er plötzlich verschwunden, als hätte die Erde ihn verschluckt. Ich weiß bis heute noch nicht, wie der Bursche das gemacht hat. Er ist einfach nicht mehr aufgetaucht. Kannst du dir das vorstellen?«

Der Mann neben Schlesinger schüttelte desinteressiert den Kopf. Einer, der hinter ihm ritt, rief ihm zu: »Hast du eine von Schlesingers Jagdstories gehört? Er hat hoch mehr solcher Lügengeschichten auf Lager.«

Schlesinger fuhr im Sattel herum. »Ich schlage dir die Zähne ein, du Sattelrutscher, wenn du mich noch ein einziges Mal einen Lügner nennst.«

»Ruhe da hinten!« knurrte Brian misslaunig. »Das hier ist kein Kinderausflug.«

Der Himmel sah grau und düster aus. Die ersten Flocken tanzten leicht und zaghaft zur Erde und verlöschten auf der Masse des Schnees.

»Da drüben!« Einer der Reiter hinter Brian wies mit der Hand nach rechts vorn.

Der Sergeant wandte den Kopf und bemerkte den dunklen Fleck, der sich auf dem schmuddelig wirkenden Schnee bewegte.

Kein Zweifel, das war kein Tier. Das war ein Mann auf Schneeschuhen, der einen mit lockerem Kiefernbestandbedeckten Hang hinaufstrebte. Die Schneedecke schimmerte hell zwischen den in Abständen stehenden Stämmen hindurch. Die Flocken wurden mehr, ihr Reigen dichter und wilder.

»Los!« brüllte der Sergeant. »Wenn wir ihn jetzt nicht erwischen, dann schaffen wir es nie mehr.«

Die Soldaten trieben ihre Tiere vorwärts.

»Nicht durch die Senke! Im Bogen auf der Höhe entlang!«

Die Pferde arbeiteten sich keuchend durch den Schnee, der ihnen bis über die Fesseln reichte. Die Männer feuerten sie mit heiseren Schreien an. Jeder war daran interessiert, diese Jagd so schnell wie möglich zu beenden und umkehren zu können.

Als sie jenen Hang erreichten, war der Trapper ihren Blicken längst wieder entschwunden, aber seine Fährte zeichnete sich deutlich ab.

Die Soldaten jagten ihre Pferde durch den losen Kiefernbestand hangaufwärts. Der Atem schoss grau und dicht wie Pulverdampf aus den weiten geblähten Nüstern. Kleine Klumpen zerstampften Schnees flogen, von den Hufen hochgerissen, hinter ihnen in die Höhe.

Oben angekommen, blieben die Bäume hinter ihnen zurück. Zur Rechten zog sich eine schmale Senke entlang, in die die Spur des flüchtenden Mannes hineinführte.

»Oben bleiben!« rief Sergeant Brian seinen Gefolgsleuten zu. »Er will uns nur in den tiefen Schnee locken.«

Die Gesichter der Reiter waren vom scharfen Wind gerötet. Ihre Gestalten bewegten sich als dunkle Flecken im tristen Grau des Nachmittags zwischen auf und nieder tanzenden Flocken.

»Da unten!« Der Ruf klang wie ein Aufschrei durch die schneidendkalte Luft. Der Soldat, der ihn ausgestoßen hatte, schwenkte seinen Gallager-Karabiner hoch.

Die Reiter sahen den Mann, dem sie folgten, auf dem Grund der Senke, die ein Sturzbach in früheren Jahrhunderten gegraben hatte. Er hastete auf seinen Schneeschuhen unbeholfen wie ein großer Bär zwischen verschneitem Buschwerk und Felsbrocken hindurch.

»Feuer!« brüllte der Sergeant.

Schüsse knatterten gedämpft und verloren klingend wie mattes Peitschengeknall eines davonfahrenden Fuhrgespannes. Ihr Pulverrauch vermischte sich unauffällig mit dem Grau dieses tristen Wintertages.

Unten stoben winzige Wölkchen von Felsklippen und schneebeladenen Zweigen in die Luft. Dann tauchte der dunkle Schatten dieses Mannes irgendwo unter.

»Wir haben ihn!« rief einer der Soldaten.

»Unsinn«, knurrte Brian enttäuscht. »Los, weiter!«

Sie ritten in schnellem Trab am Rande der Senke entlang.

Ein schwacher, aber eisiger Wind blies ihnen unfreundlich entgegen, als wollte er die Flucht dieses einsamen Mannes da unten begünstigen.

Zwei Meilen weiter gab der Sergeant das Zeichen zum Halten. Wie eine Narbe zog sich ein tiefer Einschnitt durch das Land. Verkrüppelte Kiefern und Birken krallten sich an den ungleichmäßigen Stufen seiner Hänge fest, und auf seiner Sohle schlängelte sich ein Wasserlauf wie eine schwarze, zischende Schlange durch den im dumpfen Licht grau wirkenden Schnee.

Jake Stone hatte die Schneeschuhe in die Hand genommen und watete durch das gurgelnde Wasser auf das vereiste Ufer zu. Der Bach war nicht breit, aber reißend und eisig kalt und sein steiniger Grund tückisch und schlüpfrig.

Die Reiter oben auf der Böschung hoben ihre Gewehre in dem Moment, als Stone das Ufer erreicht hatte und die Schneeschuhe wieder an seine triefenden Füße schnallte.

Der Uferstreifen war schmal, aber die Wand an zahlreichen Stellen unterbrochen. Für einen Mann auf Schneeschuhen gab es hier und da einen Weg durch die bizarren Felsformationen, vorausgesetzt, dass er den Kugeln entkam, die für ihn bestimmt waren.

Eine Serie von Schüssen knatterte durch das enge Tal und scheuchte einen Schwärm lärmender Krähen aus den spärlichen Bäumen auf der anderen Seite. Das Echo zersplitterte den Felsen und sprang zwischen ihnen hin und her wie das hämische Gelächter von tausend Teufeln.

Der Trapper verschwand zwischen den Felsen.

»Diesmal habe ich ihn ganz bestimmt erwischt«, jubelte Schlesinger. Die anderen hauchten fluchend in ihre steifgefrorenen Hände.

Browny schob sich seine Pelzmütze aus der Stirn und schaute seinen Vater an.

»Das waren Schüsse«, sagte er, und ein Leuchten trat in seine Augen. »Sie haben ihn erwischt, Pa.«

Dakotas kleine Augen beantworteten seine Worte mit einem kritischen Blinzeln.

»Bis jetzt haben wir nur gehört, dass sie auf ihn geschossen haben.«

»Zehn Männer schießen nicht daneben«, gab Jeremia zu bedenken.

Dakota lächelte verschlagen. »Würde mich außerordentlich freuen, wenn du recht hättest, mein Sohn. Aber wenn man scharf geritten ist und obendrein die Finger klamm sind und man überhastet vom Sattel aus schießt, sind die Chancen für einen Treffer nicht sehr groß. Deshalb reiten wir wie vorgehabt zum Fluss. Wenn dieser Hundesohn entkommen ist, fangen wir ihn dort ab.«

»Wenn wir es noch schaffen«, wandte Browny ein. »Die Schüsse kamen von dort.« Er wies nach Südwesten. »Das war näher am Fluss als wir.«

»Dann los jetzt!«

Gleich darauf hörten sie die nächsten Schüsse, diesmal bedeutend näher.

»Hab' ich's doch gesagt«, knurrte Dakota. Und Browny meinte: »Das war bestimmt am Fluss.«

Sie ritten einen alten Elchwechsel entlang, der zwischen steilen Wänden aus grauem Granit zum Wasser führte.

Mehrere Meilen weit schlängelte sich der schmale Wasserlauf durch das Land. Es war eine wilde, gespenstisch anmutende Strecke, auf der einen Seite von vielfarbenen Gesteinsschichten flankiert und auf der anderen von Zinnen aus grauem Kalk, gegen den der Sturm den Schnee gepeitscht hatte. Überbleibsel einer gewaltigen Erdverschiebung, die vor zigtausend Jahren beim unerbittlichen Vorrücken der Gletschermassen eine Kerbe in das Land gerissen hatte. Gruppen von Kiefern und Birken klammerten sich hier und da in die Erde, die sich in schmalen Felsleisten und Spalten gesammelt hatte, nachdem sie von oben herabgerutscht war. Tief unten am Fuße der Kalksteinwand rauschte und gurgelte der Fluss.

Dakota fluchte. »Dort drüben sind sie. Und ich glaube, dieses verdammte Pack hat ihn wieder entwischen lassen.«

Sergeant Brian winkte mit dem Arm, als sie neben dem Wasser heranritten.

»Er war schon über den Fluss, als wir hier ankamen«, rechtfertigte sich Brian. »Und da drüben kommt kein Gaul durch, da liegt der Schnee mehr als einen Yards hoch. Wir müssen zurückreiten. Tut mir leid für euch.«

Dakota musterte den Soldaten, die missmutig und mit hochgezogenen Schultern in ihren McClellan-Sätteln hockten.

»Dann werden wir uns eben einen anderen Weg suchen«, verkündete er zischelnd, ohne die Zähne auseinanderzunehmen.«

»In zwei Stunden bricht die Nacht herein, und bis morgen früh hat der Schnee seine Fährte zugedeckt.« Brian schüttelte bedauernd den Kopf. »Die Sache ist aussichtslos.«

»Kein Mensch bringt einen meiner Söhne um und kommt ungestraft davon«, sagte Dakota langsam. »So viel Schnee kann es gar nicht geben, dass wir ihm nicht folgen könnten.«

Der Sergeant kniff die Lippen zusammen.

»Der Tod ist das Risiko, das wir alle hier eingehen. Aber was du vorhast, ist Wahnsinn, das kann ich vor dem Captain nicht verantworten.«

»Dann kehre doch einfach um, Serg«, riet Dakota beinahe freundlich, während ein tückisches Grinsen seinen Mund umspielte. »Wir kommen auch ohne euch zurecht.«

Das Gesicht des Sergeanten wurde streng, konnte aber seine Hilflosigkeit dennoch nicht ganz verbergen. »Ihr kommt mit! Ich muss euch daran erinnern, dass ihr einen Vertrag mit der Armee habt.«

»Mein Sohn David hatte auch einen Vertrag, nicht wahr, Serg? Wie willst du ihn denn dazu bringen, ihn einzuhalten?«

Diese Augen, in denen der Hass wie eine verzehrende Flamme brannte, flößten dem Sergeant Unbehagen ein. Und Dakota fuhr fort: »Als die Mutter dieses prächtigen Jungen – Gott habe sie selig – für immer einschlief, musste ich ihr versprechen, diese unsere Kinder zu hüten wie mein Augenlicht. Und wie soll ich ihr dereinst gegenübertreten, wenn ich diesen schändlichen Frevel jetzt ungestraft lasse?« Seine Stimme wurde pathetisch. »Ich habe nicht der Armee, sondern nur Gott zu gehorchen, in dessen Namen ich ein Versprechen gab, das ich einlösen muss.«

»Verdammt …!« Der Sergeant wollte sein Gewehr auf den Scout richten. Aber da hatten Jeremiah und Browny bereits ihre Waffen auf ihn gerichtet. Dakota selbst zog ohne Hast seinen Coltrevolver unter der Felljacke hervor.

»Wir schießen die Hälfte von euch aus den Sätteln, bevor ihr einen von uns erwischen könntet. Also reitet schön friedlich wieder zurück, ohne Ärger zu machen.«

Der Sergeant schaute wütend von einem zum anderen. »Das ist Meuterei!«

»Ist mir egal, wie du das nennst. Aber es ist für uns wichtiger, als mit der Kavallerie nach Hause zu reiten.«

Der Himmel zeigte von Horizont zu Horizont die gleiche bleigraue Farbe. Unaufhörlich rieselten kleine Flocken aus diesem tiefen Grau herab, und dazu wehte ein eiskalter Nordwest, der bis auf die Knochen zu dringen schien.

Jakob Stone blinzelte in das flimmernde Gewimmel und wischte sich mit dem dicken Handschuh über die Augen.

Die Nacht hatte er in dichtem Unterholz verbracht, wo kein Wind ihn erreichen konnte. Es hatte bis Morgen nur wenig geschneit, aber jetzt schien es, als sollte das Versäumnis nachgeholt werden.

Er hatte den letzten Rest seines Pemmicans verzehrt und musste nach irgendwelchem Wild Ausschau halten. Aber wo sollte er bei diesem Wetter ein Tier aufstöbern?

Jetzt stand er am Waldrand und versuchte, hinter dem dichten Vorhang aus wehendem Schnee etwas zu erkennen. Ein heiser klagendes Gebrüll hatte sich soeben unter das Zischen gemischt, das der Wind in den Nadeln der Bäume erzeugte. Und es hatte ihn neugierig gemacht.

Die Deckenrolle über der Schulter und das Gewehr in der Armbeuge, stapfte er weiter durch den Schnee. Der Wind sprang ihn an wie ein wütendes Tier, peitschte die langen Fransen an seinem Gewehrfutteral hoch und ließ ihm das Gesicht fast zu Eis erstarren.

Wie hinter ziehenden Wolken tauchten plötzlich vor ihm die schwachen Konturen eines Planwagens auf und verschwanden wieder. Erneut wischte er sich mit dem Handschuh über das Gesicht.

Konnte er seinen Augen noch trauen, oder war er schon dabei, den Verstand zu verlieren? Was er da eben gesehen zu haben glaubte, war so unwahrscheinlich, dass er sich einfach getäuscht haben musste. Zwar führte die Oregon Route hier ganz in der Nähe vorbei, aber um diese Jahreszeit wagte es niemand mehr, mit einem Wagen durch die Berge zu fahren.

Aber da kehrte diese merkwürdige Vision zurück. Der Wagen war tatsächlich da, aber er stand still und schien sich nicht zu bewegen. War er bereits im Herbst hier zurückgelassen worden? Nein, das konnte nicht sein, denn jetzt drang wieder jenes Gebrüll zu ihm hin. Da befanden sich Ochsen im Geschirr und versuchten vergeblich, das Gefährt aus dem hohen Schnee herauszuziehen, in den sie geraten waren.

Diesen Narren da in jenem Wagen war nicht mehr zu helfen. Dennoch marschierte er darauf zu, obwohl er sich sagte, dass es besser wäre, sie einfach nicht zu beachten. Er steckte selbst zu tief in Schwierigkeiten, um sich mit den Sorgen anderer zu befassen.

Beim Näherkommen konnte er zwei Gestalten auf dem Kutschbock ausmachen, eine kleine und eine größere. Sie waren beide in dicke Decken und Tücher gehüllt, die ihre Körperformen verbargen. Die größere Gestalt schlug verzweifelt mit einer langen Peitsche auf die Ochsen ein, die sich, selbst bis an die Bäuche im Schnee, brüllend gegen die hölzernen Joche stemmten. Es waren drei Ochsen, und sie machten einen jämmerlichen Eindruck, mager und mit von Eis und Schnee verkrusteten Fellen.

Jake schüttelte seinen zottigen Schädel. Auf diese Weise bekamen sie den Wagen nie frei. Und wenn sie ihn frei bekamen – es gab einfach kein Durchkommen mit einem solchen Gefährt.

Die kleine Gestalt, vermutlich ein Kind, erblickte den näherkommenden Trapper zuerst. Sie stieß die größere Gestalt an und wies mit der Hand in seine Richtung. Mit einem erschreckenden Aufschrei ließ die größere Gestalt die Peitsche fallen und griff nach unten.

An diesen Schrei erkannte Jake, dass es sich um eine Frau handelte, und das machte die ganze Sache noch unwahrscheinlicher und verworrener. Das hier war einfach kein Land für weiße Frauen, schon gar nicht im Winter.

Die Frau brachte eine doppelläufige Schrotflinte zum Vorschein, die sie auf ihn anschlug. Sie machte einen verängstigten und hilflosen Eindruck, und der Trapper, der da plötzlich wie ein Geist aus dem dichten Schneetreiben auftauchte, musste in seinem dicken Mantel, der zottigen Wolfsfellmütze und dem wilden, vereisten Bart einen für sie furchterregenden Anblick bieten. Er blieb stehen und hob die rechte Hand zum Zeichen, dass er in friedlicher Absicht kam.

Die Frau aber war viel zu verwirrt, um derartige Zeichen zu deuten. Mit zitternden Händen umklammerte sie den kalten Stahl des Gewehres und starrte dieser eigentümlichen, schaurigen Gestalt entgegen, von der sie im ersten Schreck nicht wusste, ob es sich um ein wildes Tier oder einen Menschen handelte. Erst bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass es kein Grizzlybär war. Aber, bei Gott, sie hatte nie zuvor eine schrecklicherer und furchteinflößendere Gestalt gesehen. Ein Wilder bestimmt, ein Indianer oder zumindest einer der weißen Indianer, die noch schlimmer sein sollten, wie sie gehört hatte, und die zuweilen sogar mit wilden Tieren hausten oder sich Indianerinnen zur Frau nahmen.

»Kommen Sie nicht näher!« rief sie mit bebender Stimme. »Wer Sie auch sind, oder ich schieße!«

»Ich will Ihnen nichts tun«, sagte Jake beruhigend, »aber so kommen Sie mit dem Wagen nicht wieder frei.«

Dieses Untier sprach ihre Sprache. Vielleicht war es doch nicht so schlimm, wie die Leute erzählt hatten. Möglicherweise hatten sie nur aufschneiden wollen.

Trotzdem ließ sie die Flinte nicht sinken.

»Wir kommen auch ohne Sie zurecht. Lassen Sie uns in Ruhe!«

Der Trapper bewegte sich nicht. Er hatte keine Lust, sich von einer hysterischen Weibsperson eine Schrotladung in den Bauch jagen zu lassen. Wenn es ein Mann gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich dieser unfreundlichen Aufforderung Folge geleistet. Jeder musste selbst wissen, was er tat.

»Haben Sie keinen Mann bei sich?« fragte er, um Zeit zu gewinnen.

»Doch«, erwiderte die Frau schnell, »er ist im Wagen und hält ebenfalls ein Gewehr auf Sie gerichtet.«

Jake wusste, dass sie log. Kein Mann verbarg sich irgendwo, wenn seine Frau sich in vermeintlicher Gefahr befand.

»Gut«, nickte Jake, »dann können Sie ja das verdammte Ding da runternehmen, ehe es noch losgeht.«

»Ich nehme es erst herunter, wenn Sie wieder verschwunden sind.« Die Stimme der Frau klang noch immer schrill. Jake legte den Kopf leicht auf die Seite.

»Hören Sie, ich will Ihnen wirklich nur helfen, und Sie befinden sich nicht in der Situation, wo Sie Hilfe einfach ausschlagen sollten.«

»Wer sind Sie?«

Mein Gott, dachte der Trapper, was stellen diese Leute aus dem Osten für dumme Fragen.

»Jakob Stone«, sagte er laut, »aber alle Welt nennt mich nur Jake, den Lost River Man.«

Das Gewehr wich keinen Zoll.

»Sie sind einer von diesen weißen Indianern, denen man nicht trauen kann.«

»Und Sie sind eine dumme Gans«, knurrte Jake ärgerlich werdend. »Die nächsten, die hier vorbeikommen, sind vielleicht ein paar Blackfeet, und die fackeln nicht so lange wie ich.« Er ging um das Ochsengespann herum auf die andere Seite des Wagens. Die Doppelmündung folgte ihm beharrlich.

»Das sagen Sie nur, damit ich Angst bekommen soll, einen Schuss abzufeuern.« Ihre Stimme klang hastig und nervös, und ihre Augen beobachteten ihn ängstlich aus dem Tuch heraus, das sie sich um den Kopf und die untere Gesichtshälfte geschlungen hatte. Sie war fast verrückt vor Angst, und der Trapper bereute schon, dass er so grob zu ihr gewesen war. Aber er hatte nun mal keine Geduld mit Frauen.

»Warum tun Sie's dann nicht?« fragte er und schaute gerade zu ihr hoch.

Zum ersten Mal konnte sie seine Augen sehen, und das schien sie zu beruhigen.

»Glauben Sie, Sie könnten den Wagen wieder freibekommen?«

»Nicht, so lange Sie mit diesem verdammten Ding da auf mich zielen.«

Die Augen betrachteten ihn weiterhin sehr kritisch aus den Falten des Tuches heraus.

»Wir haben einen langen Weg hinter uns, Mister. Und wir sind auf diesem Weg einigen Halunken begegnet, die alle nicht schlimmer aussahen als Sie. Man muss in diesem Land nun mal vorsichtig sein, wenn man einem Fremden begegnet.«

»Sie sehen auch nicht gerade aus, als kämen Sie direkt aus der Kirche, Ma'am. Und wenn sich jemand um diese Zeit noch mit einem Wagen hier herumtreibt, dann muss schon etwas dahinterstecken.«

Zum ersten Mal kam ein Lächeln in das Gesicht unter den Tüchern. Jake sah es an dem leichten Zusammenziehen der Augen.

»Wenigstens versuchen Sie nicht, mich mit schönen Reden zu umgarnen«, sagte sie. Jake hielt es für einen Vorwurf und zuckte mit den Schultern.

»Es ist wohl nicht der richtige Ton für eine Frau, Ma'am, aber ich habe hier draußen keine Gelegenheit, mit Frauen zu reden.«

»Ich heiße Hedda Jennings. Und das ist mein Sohn Billy. Wir wollten nach Oregon.«

»Das können Sie sich jetzt aus dem Kopf schlagen.«

Jake besah sich die Ochsen näher. Diese erschöpften Tiere würden den Wagen keine zehn Meilen mehr ziehen.

»Aber was sollen wir denn tun?« hörte er die Frau fragen und hob den Kopf.

»Versuchen, auf der eigenen Spur zurückzufahren, so weit es geht.«

»Auf gar keinen Fall«, begehrte sie auf. »Wir müssen nach Oregon.«

Der Trapper schüttelte den Kopf. »Ma'am, ich war zwar noch nicht in Oregon, aber so wie ich das sehe, finden Sie bis dorthin keine menschliche Ansiedlung mehr, und ich weiß nicht genau, wie viel hundert Meilen das noch sind. Und Ihre Zugtiere sind so gut wie am Ende. Wo haben Sie denn Ihren vierten Ochsen?«

Der Doppellauf ihres Gewehres sank endlich resigniert nach unten, aber sie behielt es immer noch in der Hand.

»Der ist uns gestern im Blizzard erfroren, gar nicht weit von hier.«

»Ich muss die Tiere losschirren«, sagte Jake, »und ich muss sie nach hinten bringen und am Heck befestigen, damit sie den Wagen rückwärts aus dem tiefen Schnee ziehen. Das ist die einzige Chance.« Er reichte ihr seine Büchse herauf. »Halten Sie mein Gewehr solange.« Und dann streifte er sich die dicken Handschuhe von den Fingern.

Es schien ihm, als ob der Schneefall etwas nachließe. Auf jeden Fall war die Sicht schon besser geworden, denn der nahe Wald war schon erkennbar. Nun, ihm konnte es recht sein. Seine Fährte bis hierher war bestimmt schon verweht, und er glaubte nicht, dass ihm bei diesem Wetter noch jemand gefolgt war.

»Was ist eigentlich mit Ihrem Mann«, fragte er erneut an die Frau auf dem Kutschbock gewandt. »Weshalb kommt er nicht heraus und hilft mir?«

»Er ist krank«, erklärte Hedda Jennings etwas kleinlaut, »Liegt hinten im Wagen.«

Der Trapper wandte sich dem Wagenheck zu, um nachzusehen, aber die hastige Stimme der Frau hielt ihn zurück.

»Lassen Sie ihn schlafen. Er braucht Ruhe.«

Jake Stone hielt inne und schaute sie an. Da ist gar kein Mann, dachte er bei sich, sie traut mir noch immer nicht.

»Weshalb, zum Teufel, sind Sie nicht den Winter über in Fort Hall geblieben und haben sich im Frühjahr einem der ersten Trecks angeschlossen?«

»Man sagte uns, dass wir noch vor dem Schnee über die Berge kämen.«

Jake kehrte zu den Ochsen zurück und machte sich an den Gespannriemen zu schaffen. »Nun, Ma'am, das muss wohl ein Narr gewesen sein, der Ihnen so etwas erzählt hat.. Und nur Narren können so etwas glauben.« Er richtete sich wieder auf und schaute die Frau fest an. »Oder gab es vielleicht noch einen anderen Grund?«

Der Blick dieses seltsamen Mannes schien bis in Hedda Jennings' Seele zu dringen. »Mit einem kranken Mann stürzt man sich nicht in ein solches Abenteuer.«

Hedda schlug die Augen nieder und legte die Büchse des Trappers auf den Sitz hinter sich. »Man hat uns in Fort Hall nicht bleiben lassen, weil wir kein Geld mehr besaßen. Außerdem gab es keinen richtigen Arzt dort.«

Jakob Stone kniff die Augen zusammen. »Sie wollen mir erzählen, man hätte Sie aus der Handelsniederlassung gewiesen?«

»Genau so war es«, nickte Hedda.

»Ja, sie sagt die Wahrheit, Mister«, bestätigte der Junge neben ihr. »Sie haben uns einfach weggejagt, obwohl es schon fast Nacht war.«

Jake schüttelte den Kopf. »Das glaube ich einfach nicht.«

»Ich kann Sie nicht dazu zwingen«, sagte Hedda reserviert. »Jedenfalls können wir nicht dorthin zurückkehren.«

»Das werden Sie wohl müssen, Ma'am, … wenn Sie am Leben bleiben wollen, … Sie und der Junge.«

Damit war für ihn das Gespräch beendet, und er kümmerte sich nur noch um die Ochsen. Der Teufel allein mochte wissen, was er von der ganzen Geschichte halten sollte. Er, Jakob Stone, jedenfalls wusste es nicht, und es war ja auch nicht seine Sache.

Es kostete ihm einige Mühe, das Gespann vom Wagen zu lösen, und immer wieder musste er innehalten und die steifgefrorenen Hände wärmen. Dabei bedauerte er, dass sie kein Feuer angezündet hatten. Es schneite nur noch leicht mit sehr kleinen Flocken, aber die Luft war grimmig kalt.

Endlich hatte er es geschafft und versuchte, die Ochsen durch den hohen Schnee auf die andere Seite des Wagens zu bringen, aber das schien nicht den Vorstellungen dieser störrischen Tiere zu entsprechen.

»Warten Sie, ich helfe Ihnen!« rief Hedda Jennings ihm zu, die sein Bemühen eine Weile beobachtet hatte. Aber der Trapper wehrte ab.

»Nein, bleiben Sie lieber da oben und behalten Sie die Umgebung im Auge, während ich hier beschäftigt bin, besonders den Wald da drüben.«

»Sind Indianer in der Nähe?« fragte sie erschrocken.

»In diesem Land muss man immer auf der Hut sein«, wich er aus. »Der Junge kann herunterkommen und von der anderen Seite diese faulen Biester mit der Peitsche antreiben.«

Billy sank fast bis zur Brust in den Schnee ein, aber er schwang tapfer die Peitsche. Schließlich gelang es ihnen gemeinsam, die Tiere in Bewegung zu setzen, die sich mühsam und unter brüllendem Protest durch den Schnee arbeiteten.

Als Jake sie endlich am Heck des Gefährtes befestigt hatte, standen sie in ihrer eigenen Spur und konnten sich freier bewegen. Dennoch kostete es sie alle Anstrengung, den schweren Wagen aus der Schneeverwehung zu zerren.

»Wann haben diese Biester denn das letzte Mal zu fressen bekommen?« schrie der Trapper durch das Brüllen der Ochsen und das Knarren und Ächzen des Wagens.

»Bevor der Blizzard losschlug«, gab Hedda ihm zu verstehen.

Sie zogen den Wagen in seichteren Schnee, aber als sie ihn dann endlich herumgedreht hatten, waren fast zwei Stunden vergangen und die Zugtiere mit ihrer Kraft am Ende. Sie würden die Last heute nicht mehr ziehen können. Und wenn sie kein Futter bekamen, dann waren sie überhaupt nicht mehr zu gebrauchen.

»Heute kommen wir nicht mehr weiter«, erklärte Jake der Frau. »Die Ochsen halten das nicht mehr durch. Haben Sie wenigstens genügend Vorräte im Wagen?«

Sie sprang vom Bock herunter. »Etwas Mehl und Salz ist noch da.«

Jake knurrte der Magen. Er hatte den ganzen Tag über noch nichts gegessen, und die Worte der Frau stellten eine herbe Enttäuschung für ihn dar.

»Damit können wir nicht bei Kräften bleiben«, knurrte er. Sie zuckte hilflos mit den Schultern.

»Und Futter für die Ochsen?«

Sie schaute ihn ebenso hilflos an. »Wir dachten, noch vor dem Schnee unser Ziel zu erreichen. Außerdem konnten wir in Fort Hall …«

»Ja, ja, schon gut«, unterbrach er sie mürrisch. Wenn er hier nicht vorbeigekommen wäre, hätten diese Narren hier ein elendes Ende gefunden. So fanden sie es vielleicht ein paar Tage später, und er leistete ihnen Gesellschaft dabei.

Schöne Aussichten waren das!

Sie schien wieder an die Indianer zu denken, denn sie sagte unvermittelt: »Sollten wir mit dem Wagen nicht zum Wald hinüberfahren, wo man uns nicht so leicht sehen kann?«

Der Trapper wies auf den zerfurchten Schnee um sie herum. »Bei diesen Spuren hat es keinen Sinn, sich zu verstecken. Hier im offenen Gelände sehen wir wenigstens jeden, der sich uns nähert.« Er ging zum Wagen und holte seine Mountain-Büchse.

»Haben Sie eine Axt?«

»Ja«, antwortete sie mit einem verständnislosen Blick.

»Ich will uns eine Ration Fleisch holen«, erklärte er ihr knapp. »Wie weit ist es bis zu jener Stelle, wo der vierte Ochse liegt?«

Er sah den Ausdruck von Widerwillen und Verwunderung in ihrem Blick. Viel mehr als diese Augen hatte er von ihr bis jetzt nicht zu sehen bekommen. Wie mochte sie wohl aussehen, so ohne all diese Hüllen?

»Zwei Stunden … vielleicht auch eine«, erklärte sie stockend. »Wir sind nur langsam vorangekommen, und ich habe es mir nicht so genau gemerkt … Aber Sie wollen doch nicht etwa das Fleisch von einem verendeten Tier …?!«

»Bei dieser Kälte friert es sofort hart und hält sich lange frisch«, wies er ihren Einwand zurück. »Wir brauchen das Fleisch. Mehl und Wasser, das ist etwas für Kranke oder Leute, die keine Zähne mehr haben.«

Er wartete, bis sie die Axt aus dem Wagen geholt hatte. Das Vernünftigste wäre gewesen, das hinderliche Fahrzeug gleich zurückzulassen. Doch mit einem Kranken konnten sie nicht zu Fuß marschieren. Jake zweifelte jetzt nicht mehr an den Angaben dieser Frau, denn als sie den Wagen umdrehten, hatte er mehrmals ein leises Stöhnen aus dem Inneren vernommen. Den Mann musste es ziemlich schwer erwischt haben. Weshalb nur wollte sie nicht, dass er nach ihm sah?

»Ihm wird eine kräftige Fleischbrühe auch gut tun«, sagte er, als sie wieder zum Vorschein kam. »Wie geht es ihm?«

Der Blick, mit dem Hedda Jennings ihn ansah, war düster. Tränen schimmerten in den Winkeln ihrer grauen Augen.

»Ich kann nicht mehr viel für ihn tun.« Sie sprang herunter und drehte sich um, damit er ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. »Es ist so traurig, nach allem, was man zusammen erlebt hat … nun gar nichts mehr tun zu können …«

Er streckte schon die Hand aus, um sie der Frau beruhigend auf die Schulter zu legen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Sie kam aus einer anderen Welt, und der Trapper wusste nicht mehr, wie man sich dort in solch einem Fall verhielt. Sie konnte erschrecken und es falsch deuten. Schließlich kannten sie sich erst wenige Stunden.

So ließ er es sein und machte einen Schritt auf den Wagen zu.

»Vielleicht kann ich etwas für ihn tun«, bot er an. »Ich habe schon manche Verletzung behandelt. Einmal bin ich selbst mit dem Fuß in ein Fangeisen geraten …«

»Nein!« schrie sie ihn an, als er sich an der Heckklappe des Wagens hochziehen wollte, und fügte etwas ruhiger, fast erschöpft hinzu: »Ich will nicht, dass Sie zu ihm hineingehen. Auch Sie können ihm nicht helfen.«

Langsam ließ seine Hand los, und sein Fuß kehrte auf den Boden zurück. Befremdung lag in seinen Zügen und war trotz des wilden Bartgeflechtes zu erkennen.

»Schon gut, Ma'am«, sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme, »ist schließlich Ihre Sache.«

Er befestigte seine Schneeschuhe, die er kurz zuvor abgelegt hatte, wieder an den hohen Fellmokassins. Und während er das tat, sagte sie versöhnlich: »Tut mir leid, Jake, ich wollte Sie nicht kränken.«

Dass sie »Jake« gesagt hatte und nicht »Mr. Stone«, rührte ihn mehr als alles andere. Es erzeugte eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen, die Menschen brauchen, wenn sie aufeinander angewiesen sind. Oder hatte sie seinen anderen Namen nur vergessen?

»Das haben Sie auch nicht.« Er brachte sogar ein schwaches Lächeln zustande. »Sie werden schon ihre Gründe haben, schätze ich.«

Er legte sich Gewehr und Axt in die linke Armbeuge und klopfte Billy, der alles aufmerksam, aber stumm beobachtete, auf die Schulter. »Gib auf deine Mutter acht, wenn ich nicht da bin«, brummte er, und dann wandte er sich noch einmal um. »Ich will versuchten, bis zum Anbruch der Dunkelheit zurück zu sein. Sie können bis dahin etwas Holz für ein Feuer zusammentragen.«

Breitbeinig, wie es das Laufen mit Schneeschuhen nun einmal verlangt, stapfte er davon, ohne sich nochmals umzuschauen.

Es hatte ganz aufgehört zu schneien, aber die Wolken hingen noch immer wie eine bleischwere Decke von einem Himmelrand zum anderen. Jake Stone humpelte beharrlich auf der halb zugeschneiten Fährte, die Wagen und Zugtiere hinterlassen hatten. Der beschwerliche Marsch hatte die Schmerzen im Bein wieder wach werden lassen, die bei jeder Rast einzuschlummern pflegten. Er war müde und hätte sich lieber irgendwo im dichten Unterholz verkrochen, wo ihm kein Wind etwas anhaben konnte. Aber die Aussicht auf ein Stück Fleisch hielt ihn auf den Beinen wie einen hungrigen Wolf, der seiner Beute nachspürt.

Jetzt blieb er stehen und kniff blinzelnd die Lider zusammen. Ja, dort vorn musste es sein.

Endlich!

Etwa eine Viertelmeile vor ihm lag ein dunkles Etwas, dort, wo die Spur dicht am Waldrand entlangführte. Da hatte die Frau mit dem Wagen wohl Schutz vor dem Blizzard gesucht. Eine Schar Aaskrähen balgte sich flügelschlagend auf dem halb vom Schnee bedeckten Buckel und versuchte mit kräftigen Schnäbeln, ein wenig Fleisch aus dem hartgefrorenen Kadaver zu hacken.

Bei seinem Näherkommen erhoben sie sich widerwillig und protestierend in die Luft und gaukelten im Kreis herum wie Fetzen verkohlten Papiers über der Hitze eines riesigen Feuers. Einige ließen sich krächzend auf den Wipfeln der nahestehenden Fichten nieder, von wo sie den Störenfried unter sich argwöhnisch beobachteten.

Jake fluchte leise vor sich hin. Diese auffällige Show, die diese gefiederten Biester hier abzogen, war weithin zu sehen und zu hören. Er hoffte nur, dass niemand in der Nähe war, sie zu deuten.

Rasch machte er sich daran, ein paar große Stücke aus der Keule des toten Tieres herauszuschlagen, um bald wieder von hier verschwinden zu können.

Er war gerade mit dem ersten Stück fertig und machte sich an das nächste, als ihm plötzlich schien, als schrien die Krähen lauter und erregter als zuvor. Er hob den Kopf, und die Schneide der Axt fiel achtlos und ohne Wucht auf den Körper des toten Tieres zurück.

Da waren sie! Eine ganze Gruppe Blackfeet, etwa sechs oder sieben saßen fünfzig Yards entfernt stumm auf ihren Pferden und sahen zu ihm herüber. Vornan erkannte er deutlich Big Knifes imponierende Gestalt. Mit der zottigen Wolfshaut um die Schultern und dem Wolfskopf mit geöffnetem Maul und bleckenden Zähnen auf dem stolz erhobenen Haupte, der ihn als Anführer des Wolfs-Clans auswies, konnte er einen Gegner das Fürchten lehren.

Diese verdammten Krähen mussten sie herbeigelockt haben, und jetzt hatte er keine Hütte mehr, in die er flüchten konnte.

Er ließ die Axt los und zog mit einer schnellen Bewegung die rohlederne Hülle von seiner Büchse. Im selben Moment trieb Big Knife mit einem wilden, durchdringenden Schrei sein Pferd vorwärts. Die anderen folgten ihm. Sie brachen schräg aus dem Wald hervor, und ihre Tiere versuchten, mit kraftvollen Sprüngen die Höhe des Schnees zu überwinden. Doch sie kamen nur langsam voran. Und darin witterte der Trapper seine Chance.

Mit dem Daumen den Hahn in die Feuerraste ziehend, brachte er das Gewehr an die Schulter. Der scharfe Knall hallte an der Reihe der Bäume entlang und ließ die Krähen erschreckt emporflattern. Für einen Augenblick verschwand Big Knifes wilde Gestalt hinter der Explosion aus Feuer und Rauch. Dann sah er dessen Pferd mit schlagenden Hufen und dampfendem Maul seitwärts in den Schnee fallen.

Für einen winzigen Moment hielten die anderen ihre Tiere zurück, wohl um festzustellen, ob ihr Anführer diesen Schuss überstanden hatte und seine Medizin tatsächlich unüberwindbar war.

Jake Stone hingegen wartete nicht. Er hatte keinen noch so winzigen Moment zu verschenken. Aber er verlor auch im Augenblick der Gefahr nicht die Nerven und sein überlegtes Handeln, auch wenn alles blitzschnell ging. Er stopfte sich das Fleischstück, das er losgeschlagen hatte, vorn in den Mantel und griff nach der Axt, ehe er sich zur Flucht wandte. Er würde keine Gelegenheit mehr haben, zu dem toten Ochsen zurückzukehren, und wenn er keine Zeit mehr zum Nachladen fand, war die Axt eine bessere Waffe als seine Büchse.

Den Schmerz in seinem Oberschenkel ignorierend, hastete er quer durch das verschneite Tal, wobei er erleichtert feststellte, dass er schneller vorankam als die immer wieder tief einbrechenden Pferde.

Die Blackfeet hatten keine Schneeschuhe bei sich, und das zeigte ihm, dass sie seit seiner Flucht aus der Hütte noch nicht in ihrem Lager gewesen waren.

Wie lange jedoch würde er diese Flucht noch durchhalten können? Die Indianer schössen nicht auf ihn. Also waren auch sie davon überzeugt, ihn lebend in ihre Hände zu bekommen oder ihn zumindest beim Töten zu berühren, was für jeden Krieger eine größere Ruhmestat darstellte.

Jake Stone lief auf eine kleine Anhöhe zu, wo ein paar Felsen ihre dunkle Blöße aus dem blendenden, alles zudeckenden Weiß heraushoben. Dort machte er Halt und setzte mit keuchender Lunge die Füllöffnung des Pulverhorns in die Mündung seiner Büchse. Schnell setzte er Verdämmungspfropfen und Kugel nach und stieß alles in den Lauf hinab. Er setzte ein neues Zündhütchen und visierte den nächsten Blackfoot über einen Felsblock hinweg an.

Big Knife, dem er lediglich das Pferd weggeschossen hatte, war hinter seinen berittenen Bundesgenossen zurückgeblieben.

Diesmal zielte der Trapper sorgfältiger. Der voranreitende Blackfoot breitete mit einem Schrei die Arme aus und rollte über die Kruppe seines Reittieres hinweg in den Schnee. Mit der Präzision einer Maschine wiederholte Jake Stone sofort nach dem Schuss den Ladevorgang, ohne sich weiter um seine Gegner zu kümmern. Jetzt waren es noch sechs. Zweimal würde er noch laden und schießen können, ehe sie heran waren, und eine Kugel steckte noch in der Pistole. Dann blieben noch drei Gegner übrig. Zu viele, um sie mit der Axt zu besiegen. Sie würden ihm ein paar Pfeile in die Rippen schießen und ihm den Skalp abziehen, noch ehe er richtig tot wäre.

Doch keiner der Blackfeet wollte offenbar zu denen gehören, die noch zu sterben hatten, ehe sie den verhassten weißen Mann erwischten. Sie zogen ihre Pferde herum und ritten auf ihren eigenen, tief in den Schnee gegrabenen Spuren zurück, dem Wald entgegen. Ihr Kampfeseifer hatte sich wohl fürs erste verflüchtigt, und es war schon ein böses Omen gewesen, dass ihr Anführer gleich zu Beginn sein Pferd eingebüßt hatte.

Jake schickte ihnen noch eine Kugel nach, die einen Blackfoot verletzte, denn er zuckte zusammen und sank leicht vornüber. Leider aber erschreckte dieser Schuss das ledig gewordene Pferd und trieb es den flüchtenden Indianern nach. Zu gern hätte er den Roten das Tier abgenommen, aber jetzt war daran nicht mehr zu denken.

Er lud sein Gewehr neu und wartete, was die Blackfeet jetzt tun würden. Und diese taten dasselbe; auch sie warteten zunächst ab, was der weiße Jäger beabsichtigte.

Als der aber still in seiner Deckung blieb, verteilten sich die Indianer am Waldrand, kamen aber nicht mehr heraus. Er hatte ihnen mit seinen Schüssen offensichtlich Respekt eingeflößt.

Jake schaute sich um. Der Wald hinter ihm war gut fünfzig Yards entfernt, und er wusste, dass Big Knife eine Büchse besaß und auch recht gut damit umzugehen verstand. Er würde ihn ganz bestimmt treffen, bevor er die schützenden Bäume hätte erreichen können. Den Plan, ihn im direkten Kampf zu töten, hatten sie wohl vorerst aufgeben müssen.

So blieb Jakob Stone, wo er war, und beobachtete. Wenn die Dunkelheit kam, konnte er die Flucht riskieren, sofern die Roten ihn nicht bis dahin eingekreist hatten.

Einen Moment dachte er daran, nicht zu Hedda Jennings und dem Jungen zurückzukehren, aber er verwarf diesen Gedanken wieder. Falls es ihm gelänge, den Blackfeet zu entkommen, wendeten diese sich ohnehin dem Wagen zu, dessen Spur ja deutlich genug war. Dann war es schon besser, wenn er sie vorher warnte und sie zu fliehen versuchten. Auch wenn seine eigenen Chancen dann schlechter stünden, so brachte er es doch nicht fertig, sie einfach einem grausamen Schicksal zu überlassen. Und wenn Big Knife und seine Sippschaft ihn vorher erwischten, dann konnte er den Lauf der Dinge sowieso nicht mehr ändern.

Allmählich fühlte er, wie die Kälte in seine Beine kroch, und er bewegte sie einige Male, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Endlich sank lautlos und unaufhaltsam die ersehnte Dunkelheit über das Land herab. Noch immer war der Himmel wolkenverhangen, und es würde eine dunkle Nacht geben.

Bald schon konnte Jake den Wald nur noch als gegenstandslose schwarze Masse ausmachen, alle Konturen zerflossen wie Tintenkleckse auf einem Löschblatt, und der Horizont löste sich auf, Himmel und Erde verschmolzen zu einem düsteren Nichts. Nur der weiße Untergrund des Schnees zwischen ihm und dem Wald konnte herumstreifende Gestalten sichtbar machen.

Noch immer geschah nichts. Die Blackfeet hofften wohl darauf, dass irgendwann seine Wachsamkeit erlahmen würde und sie doch noch zu ihrem Ziel kämen. Und sie hatten gewiss nicht ganz unrecht damit, denn Jake spürte, wie die Müdigkeit immer mächtiger von ihm Besitz ergriff. Das endlose Hinausstarren in die unwirkliche Nacht mit ihren geheimnisvollen Ahnungen ließ die Lider immer schwerer werden.

Er schloss erschöpft die Augen und verließ sich völlig auf sein Gehör, lauschte in die Finsternis hinein, ob sie ihm nicht etwas zuraunte, eine flüsternde Warnung, ein verräterisches Geräusch. Aber die Nacht schwieg drohend und böse.

Er wusste nicht, wie lange er so dagehockt und im Halbschlaf vor sich hingedöst hatte, bis ihn schließlich doch jener Instinkt weckte, der sich entwickelt, wenn man lange allein in der Wildnis lebt.

Er hatte irgend etwas gehört, und sofort war er hellwach. Er lauschte, aber da war nichts mehr, nur die kribbelnde Unruhe in ihm, die keinen Ursprung hatte. Die Nacht atmete Gefahr aus. Und jetzt sah er es.

Etwas bewegte sich geräuschlos und kaum erkennbar unter dem Mantel der Nacht, der alles zudeckte und doch nicht restlos verbarg. Sie kamen ohne Pferde. Geduckt und vorsichtig schlichen sie sich an wie Wölfe an ihre Beute. Jede ihrer Bewegungen war langsam, von der mondlosen Nacht verdeckt, die alle Konturen verwischte, so dass ein flüchtig über sie hingleitender Blick nichts festhalten konnte.

Aber Jake hatte sie dennoch gesehen. Seine Sinne waren in den Jahren, die er in der Wildnis verbracht hatte, geschärft worden wie die eines Tieres, dessen Leben von seinen Wahrnehmungen abhing.

Ebenso langsam und vorsichtig hob er seine Mountain-Büchse und schob sie an dem rauen von Schnee und Eis überzogenen Fels vorbei, hinter dem er hockte. Er verdeckte das Schloss der Waffe mit seinem Mantel, um das scharfe Knacken zu dämpfen, mit dem er den Hahn in die Feuerraste zog. Dann lag seine Wange an dem kalten Ahornschaft, und sein Auge brannte über den stählernen Lauf hinweg und versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Aber das Licht war schlecht, und es gelang ihm nicht, Kimme und Korn zusammenzubringen. So musste er die Kugel hinausjagen, ohne ein genaues Ziel zu finden.

Der Feuerstoß fuhr sengend in die Nacht und verschlang mit Blitz und Rauch für einen Moment die schleichende Gestalt. Aber die Kugel hatte wohl ihr Ziel gefunden, wie der verhaltene Aufschrei bewies. Schon griff Jakes Hand zum Pulverhorn, das an seiner Seite hing, und führte es an die Mündung der Waffe, während sein Blick sich erneut durch die Finsternis tastete.

Er sah plötzlich schnelle Bewegungen, Gestalten, die in die Höhe fuhren und sich springend bewegten. Aber sie kamen nicht auf ihn zu, sondern liefen hastig zum Wald zurück, der sich dunkel und schweigend auf der anderen Seite des Tales verbarg. Ihre Absicht, ungesehen an den weißen Mann heranzukommen, war vereitelt und ein Angriff ein tödliches Wagnis. Das Laufen durch den hohen Schnee würde dem Mann hinter den Felsen genügend Zeit lassen, seine treffsichere Büchse mehrmals zu laden, ehe sie ihn erreichen konnten. Und außerdem besaß er noch dieses kleine Feuerrohr, mit dem er schon einen der ihren getötet hatte. Nein, sie konnten ihn mit weit weniger Opfern besiegen, als ausgerechnet bei Nacht getötet zu werden, wenn sie ihn im Schutze der Dunkelheit weiträumig umgingen und einkreisten. Dann hatte er keine Möglichkeit mehr, ihnen zu entkommen.

Etwas kratzte über den Fels in seiner Nähe, trieb ein Wölkchen fein zerstäubten Schnees in die Höhe, heulte wütend jaulend davon, und drüben aus der Schwärze des Waldes leuchtete ein Blitz wie eine grell aufplatzende Blüte zu Jake herüber.

Er zog den Kopf ein und grinste. Der Zorn über den missglückten Überrumpelungsversuch, ein sinnloser Schuss, der nur unnötig Blei und Pulver kostete.

Aber als nach einigen Augenblicken die Büchse erneut zu ihm herüberbrüllte und kurze Zeit später wieder, da wusste er, dass es das nicht war. Ein Krieger wie Big Knife würde sich auch im Zorn nicht zu solcher Unvernunft hinreißen lassen. Die Schüsse konnten nur dem Zweck dienen, seine Aufmerksamkeit zu fesseln, um sie von anderen Dingen abzulenken. Und es gab nur eines, was die anderen tun konnten, während ihr Anführer sein Blei verschoss.

Als er schließlich in der tiefen Stille zwischen den Schüssen weiter talabwärts ein Pferd schnauben hörte, nickte er zufrieden und fand seinen Verdacht bestätigt.

Sie wollten ihn umgehen und im Rücken fassen, und das konnte schlimme Folgen für den Trapper haben. Dann gab es keine Chance mehr, lebend von hier wegzukommen. Er musste vorher verschwinden, jetzt sofort! Wenn Big Knife ihn auch dabei bemerkte, so würde er doch das gleiche schlechte Büchsenlicht haben wie zuvor er selbst. Und die Distanz war noch größer. Nur ein unglücklicher Zufallstreffer konnte ihm zum Verhängnis werden, aber dieses Risiko musste er eingehen. Er hatte schon größere Gefahren auf sich genommen und heil überstanden.

Er befestigte die Schneeschuhe wieder an den Füßen, die er der Unbequemlichkeit wegen abgelegt hatte, griff nach Büchse und Axt, die am Felsblock lehnten, und lief geduckt und so schnell er konnte dem Wald auf der anderen Seite des flachen Tales entgegen. Das Gewehr hinter ihm krachte jetzt in rascherer Folge. Big Knife schoss jetzt so schnell, wie er Pulver und Blei in den Lauf hinabbrachte, aber seine Kugeln pfiffen blind durch die Finsternis dieser kalten Winternacht, ließen mal hier, mal dort den Schnee aufspritzen oder klatschten weithin hallend in die näherkommenden Stämme vor Jake.

Mit den Schneeschuhen an den Füßen kam er bedeutend schneller voran als seine Gegner, weil sie ein Einsinken in den steifen Schnee weitgehend verhinderten, und so schaffte er es in verhältnismäßig kurzer Zeit bis zu dem schützenden Wald.

Um Big Knife noch mehr zu ärgern, ließ er einen lauten Triumphschrei über die Schneefläche bis zur anderen Seite hin schallen und tauchte in die schwarze Finsternis zwischen den Bäumen. Dort nahm er die hier hinderlichen Schneeschuhe ab und tastete sich zwischen den rauen Stämmen hindurch. Er kam sich vor, als watete er auf dem Grunde eines schwarzen Sees dahin, an dessen Oberfläche die Baumwipfel schwammen.

Wieder einmal war er ihnen entkommen. Aber er wusste auch, dass sie fortan auf seiner Fährte bleiben würden, so wie ein Rudel hungriger Wölfe einem schon müde gehetzten Hirsch folgt.

Er bewegte sich nahe am Waldrand dahin, wo er die schwarzen Säulen der Stämme vor dem fahlen Hintergrund des Schnees erkennen konnte. Dass er nur langsam vorankam, störte ihn nicht, denn Big Knife und dessen Krieger mussten auf das Licht des neuen Tages warten, um seiner Spur folgen zu können. Er versuchte gar nicht erst, diese zu verbergen, denn das wäre nur Zeitverschwendung gewesen. Seine einzige Chance lag aber darin, einen möglichst großen Vorsprung herauszuholen. Und dann?

Eine lähmende Ratlosigkeit bemächtigte sich seiner, wenn er versuchte, weiterzudenken. An eine Flucht mit dem Wagen und dem kranken Mann war nicht zu denken. Es konnte nur einen ungleichen Kampf geben, und wer dabei siegte, war unschwer zu erraten.

Jake dachte diesen ausweglosen Gedanken nicht weiter. Keine Minute gönnte er sich Ruhe, obwohl er müde und erschöpft war und sein Bein ihn zunehmend schmerzte. Die Anstrengung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.

Viel zu früh kündete ein lichtgrauer Streifen im Osten den neuen Tag an. Die Dunkelheit zog sich in die Tiefen des Waldes zurück und versteckte sich dort.

Längst hatte Jake den Wald wieder verlassen, um im offenen Gelände schneller voranzukommen. Er war auf seine alte Spur und der des Wagens zurückgekehrt und folgte ihr. Jetzt war es taghell, und bestimmt waren sie lange schon hinter ihm her. Wenn sie seine Fluchtrichtung erraten hatten und gleich der Wagenspur gefolgt waren, hätten sie nicht auf das Tageslicht zu warten brauchen und konnten ihn schon bald eingeholt haben. Er wandte sich um und schaute sichernd wie ein verfolgtes Tier nach rückwärts. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass sich keine dunklen Punkte auf seiner Fährte bewegten. Auch die Waldränder standen starr und gleichgültig ohne jede Regung da.

Der Wagen stand einsam und verloren im Weiß des Schnees und wirkte in der kalten Weite des Landes irgendwie hilflos. Dann bemerkte der Trapper sich bewegende dunkle Gebilde daneben, die zu Gestalten wurden und ihm erwartungsvoll entgegenschauten.

Geschafft! Ein merkwürdiges Glücksgefühl ließ sein Herz schneller schlagen, obwohl es keinen Grund dafür gab. In Wirklichkeit war nichts geschafft. Er war bis hierher gekommen, nicht mehr. Und nun legten sich Schlingen um seine Beinen, die ihn am weiteren Fortlaufen hinderten. Vielleicht war es das, was seine Stimmung auf so eigenartige Weise hob. Vielleicht war er nur der langen Flucht und der dauernden Schmerzen in seinem verletzten Bein müde. Vielleicht fühlte sein Unterbewusstsein einfach, dass es an der Zeit war, sich zu stellen und zu kämpfen, auch wenn es das Ende bedeutete.

Hedda Jennings hatte das Tuch um ihren Kopf ein wenig gelockert, und es gab ihr Gesicht frei. Jake schaute in ernste, sorgenvolle Züge, die von einer angenehmen Ebenmäßigkeit waren und die man bestimmt auch schön nennen könnte, wenn sie sich aufhellten und lachten. Aber das taten sie nicht. Wer lacht schon, wenn das Leben kaum noch Hoffnung bietet?

»Wir haben nicht geglaubt, dass Sie noch einmal zurückkämen«, empfing sie ihn, aber es sprach mehr Erleichterung als Vorwurf aus ihren Worten.

»Warum sollte ich nicht?« sagte Jake leichthin.

»Nun, weil wir für Sie nur eine Belastung darstellen. Ohne uns hätten Sie keine Probleme.«

Jake schwieg dazu und lehnte Axt und Gewehr an eines der Wagenräder.

»Hat es Schwierigkeiten gegeben?« fragte sie. Er nickte.

»Indianer?«

»Ja.«

Heddas Blick wanderte unwillkürlich in die Richtung, aus der er gekommen war. »Und was jetzt?«

Er holte das Stück Fleisch aus seinem Mantel hervor und ließ es in den Schnee fallen, froh, diesen kalten Klumpen loszuwerden.

»Können Sie daraus etwas machen? Aber es müsste schnell gehen.«

Sie nickte schwach mit dem Kopf, und er sah plötzlich Angst in ihrem Gesicht. Sie versuchte krampfhaft, ihre Beherrschung zu behalten, dennoch zitterte ihre Stimme, als sie erwiderte: »Das kann ich, aber ich fürchte, es wird wohl nicht für alle reichen.«

Augenblicklich begriff er den Sinn ihrer Worte und fuhr herum.

Da kamen sie, einer hinter dem anderen auf der Wagenspur, die sich wie ein breiter Trampelpfad durch den tiefen Schnee zog, und die Hufe ihrer galoppierenden Pferde warfen den zertretenen Schnee hoch.

Einen Moment erstarrte der Trapper, denn er musste sich eingestehen, dass er Big Knife unterschätzt hatte. So früh hatte er ihn nicht erwartet. Dann griff er nach seinem Gewehr.

»Wir müssen hier weg! Sofort!«

»Nein!« schrie Hedda Jennings hinter ihm entsetzt. »Ich lasse meinen Mann nicht allein!«

Jake drehte sich zu ihr um. Seine Augen glühten wie zwei kalte Sterne in dem bärtigen Gesicht.

»Glauben Sie, in Gesellschaft stirbt es sich leichter?« fuhr er sie grob an und bedauerte es zugleich, als er die brüske Ablehnung in ihrem Gesicht erkannte. Aber er war ein einfacher, robuster Mann, und er hatte es nie in seinem Leben gelernt, auf Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen.

»Er kann sich nicht wehren«, sagte sie schrill.

»Und sie können seinen Tod nicht verhindern, wenn Sie hierbleiben.«

»Dann sterbe ich mit ihm zusammen.«

Es sind Menschen aus dem Osten! durchfuhr ihn eine verzweifelte Erkenntnis, untauglich, hier zu leben.

»Verdammter sentimentaler Unsinn!« knurrte er wütend, und die Zeit brannte ihm unter den Nägeln. »Hier können wir uns nicht verteidigen. Wenn sie uns umzingeln, sind wir verloren.«

»Sind wir das nicht sowieso?« schrie sie ihn hysterisch an, und in ihren Augen flackerte helle Angst.

Er packte sie und schüttelte sie heftig hin und her. »Dieses Land hier duldet keine Gefühle, haben Sie das noch immer nicht begriffen! Es kennt nur den Kampf ums nackte Leben, und jeder ist für seine eigene Existenz verantwortlich. Wer schwach ist, geht unbarmherzig zugrunde.«

Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass das Tuch herunterrutschte und blonde Locken herausflogen. »Wer schwach ist, muss beschützt werden.«

»Mami«, schrie Billy voller Angst. »Lassen Sie meine Mutter los!«

Jake hielt sie noch immer fest. »Aber nicht, wer verloren ist«, keuchte er drängend. »Sie haben selbst gesagt, dass er es nicht schaffen wird. Denken Sie an den Jungen! Er ist der Schwache, den es zu schützen gilt, denn er hätte noch eine Zukunft, wenn er am Leben bliebe.«

Die Frau schluchzte in wildem Schmerz auf, aber die Worte des Trappers verfehlten ihre Wirkung nicht. Den verzweifelten Blick auf die Plane des Wagens gerichtet, ließ sie sich wegdrängen und ergriff schließlich lautlos weinend die Hand des Jungen.

»Los, da rüber zum Wald!« zischte der Trapper und versuchte, für sie eine Spur zu treten. Aber da er Schneeschuhe trug, sanken die anderen trotzdem tief ein.

Die Blackfeet kamen rasch näher. In der ausgetretenen Spur waren sie kaum behindert, und ihre Pferde konnten zügig ausgreifen.

»Schneller, Ma, schneller!« schrie Billy ganz aufgeregt vor lauter Angst. »Sie holen uns ein.«

»Es ist doch alles so sinnlos, Junge«, keuchte seine Mutter mit tränenerstickter Stimme.

Jakob Stone blieb stehen und schaute zurück. Sie hatte recht. Die Blackfeet würden sie noch vor dem Wald einholen, wenn nicht etwas passierte, denn sie konnten weiter in der Spur reiten, die sie getreten hatten und somit schneller vorankommen.

»Lauft weiter!« zischte er der Frau und dem Jungen zu. »Lauft so schnell ihr könnt!«

»Die werden Sie töten.« Hedda Jennings wollte ebenfalls stehenbleiben, aber der Junge zog an ihrer Hand. »Komm doch, Ma«, bettelte er verzweifelt.

Der Trapper hob das Gewehr und schoss. Aber er war vom Laufen zu unruhig und verfehlte sein Ziel. Die Blackfeet waren noch zu weit weg. Er fluchte grimmig in seinen Bart und begann, die Büchse neu zu laden, ohne sich weiter um die Frau und den Jungen zu kümmern. Er hoffte, dass sie weiterliefen, obwohl es am Ende nichts nützte. Er glaubte nicht, dass sie diesmal noch davonkamen. Zu ungünstig war ihre Position, zu aussichtslos alles, was sie noch tun konnten. Aber solange man noch laufen oder kämpfen konnte, gab es immer noch eine winzige kleine Chance, die Hoffnung auf ein Wunder …

Jake hätte sein Gewehr geladen und hob es erneut an die Schulter. Jetzt galt es, so viele seiner Gegner wie möglich noch mitzunehmen in die dunklen Gefilde der Schatten, in die er nun gehen musste. So, wie das Gesetz der Wildnis es verlangte, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Keinem jagenden Tier wurde eine Beute geschenkt, sie musste mit dem Einsatz der letzten Kraft erkämpft werden. Und auch Jake, der Mann aus den Bergen, würde diesen Blackfeet nichts schenken.

Die Kugel verließ brüllend den Lauf und schlug mit ihrer ganzen Wucht in den Schädel des vordersten Pferdes. Es brach in die Knie und schleuderte seinen Reiter in den aufstiebenden Schnee.

Ohne seinen Gegnern weitere Aufmerksamkeit zu schenken, lud er seine Waffe neu, und als er schließlich den Blick wieder hob, hatten die Roten den Wagen erreicht und gingen dahinter in Deckung.

Mit langen raumgreifenden Schritten setzte er Hedda Jennings und dem Jungen nach, die den Saum des Waldes schon fast erreicht hatten. Hinter ihm krachte Big Knifes Büchse, und die Kugel surrte so nahe an ihm vorbei, dass er sie hören konnte.

Verdammt, der Bursche schoss nicht schlecht.

Die nächste Kugel zischte zehn Yards vor ihm in den Schnee. Jake beeilte sich. Der keuchende Atem stand wie eine kleine graue Wolke vor seinem weit geöffneten Mund, der inmitten seines Bartgeflechtes wie ein rundes, schwarzes Loch aussah, und sein Bein schmerzte wie die Hölle. Schon die nächste Kugel konnte sich in seinen Rücken bohren und ihm die Lunge zerfetzen. So leicht wollte er es Big Knife aber nicht machen. Der sollte für seinen Sieg einen angemessenen Preis zahlen. Und wenn er dann schließlich seinen Skalp am Gürtel trug, dann sollte er sagen, jener weiße Mann, dem diese Haare einst gehörten, habe über die Hälfte seiner Krieger getötet, ehe er ihn schließlich bezwingen konnte. Und er sollte diesen Skalp mit Stolz tragen und sich mit Ehrfurcht an seinen Gegner erinnern.

Aber auch die dritte Kugel traf ihn nicht. Der Tod zupfte nur mahnend an einem Zipfel seines dicken Mantels, so als wollte er sagen: Langsam wird es Zeit für dich, Jakob Stone. Aber der Trapper hörte nicht auf ihn und warf die Arme hoch, hielt sein Gewehr weit über den Kopf emporgestreckt und stieß dabei ein frohlockendes Gebrüll aus, das in der klaren, stillen Luft weithin zu vernehmen war und sich anhörte wie der Schrei eines wilden Tieres.

Jetzt konnte Big Knife ihm nichts mehr anhaben, jedenfalls für den Augenblick nicht. Denn bevor dieser seine Büchse erneut geladen hatte, würde Jake zusammen mit Hedda Jennings und ihrem Jungen die Bäume erreichen, hinter denen sie in Deckung gehen konnten.

Keuchend und wortlos nach Atem ringend standen sie schließlich alle drei zwischen den Bäumen, und Big Knife verzichtete auf den sinnlosen Schuss. Er behielt sein Blei im Lauf für eine bessere Gelegenheit, die wohl bestimmt bald kommen würde. Denn wohin sie sich auch wenden mochten, sie mussten die Fährte treten und ihren Verfolgern somit den Weg ebnen, auf dem diese schnell vorankamen.

Alle Blackfeet waren abgesessen und hinter dem Wagen. Sie mussten wohl etwas aus dem Innern des Gefährtes gehört haben oder waren einfach neugierig darauf, was sich wohl im Schutze dieser grauen Plane befinden mochte. Einer jedenfalls zog sich am Heck des Wagens hoch und riss das harte Segeltuch auseinander.

Hedda Jennings stieß einen hohen, spitzen Schrei aus und presste eine Hand auf den Mund. Die Finger der anderen krallten sich bebend in Jakes Arm, während der Krieger im Innern des Wagens verschwand.

»Nein!« kam es leise und tief aus ihrer Brust. »O mein Gott!« Dann verbarg sie das Gesicht in beiden Händen und sank schluchzend in den Schnee zu Jakes Füßen.

»Mami«, rief Billy weinend, »Mami.«

Jake achtete nicht auf die beiden. Wie gebannt starrte er zu dem Wagen hinab, aus dem der Krieger gerade mit einem lauten, entsetzten Schrei herausgesprungen kam. Er stürzte in den Schnee, überschlug sich und kam wieder auf die Füße. Er schrie den anderen mit lauter Stimme etwas zu, worauf diese von dem gleichen Entsetzen gepackt zu ihren Pferden rannten und sich hinaufschwangen. Die Tiere drehten sich wild und von der Nervosität ihrer Reiter angesteckt im Kreise. Der Krieger, der im Wagen gewesen war, gestikulierte aufgeregt mit den Armen. Derweil nahm ein anderer auf dem Pferd sitzend seinen Bogen in die Hand, griff hinter sich zum Köcher und legte einen Pfeil auf die Sehne.

Jake traute seinen Augen kaum, als er sah, wie der Krieger weit ausholte und dem anderen den Pfeil aus nächster Nähe in die Brust schoss. Der Getroffene sackte mit einem heiseren Krächzen auf die Knie und fiel dann zitternd in den Schnee, während die übrigen ihre Pferde vorwärtstrieben, als säßen ihnen ganze Scharen böser Geister im Nacken.

»Was hat das alles zu bedeuten?« entfuhr es dem Trapper fassungslos. Aber niemand gab ihm eine Antwort darauf.

Die Blackfeet jagten ein Stück weit auf der zertrampelten Fährte zurück, trieben dann aber ihre Pintos rücksichtslos den tiefverschneiten seichten Hang hinauf und strebten dem fernen Wald entgegen, an dessen Rand sie durch den seichten Schnee rasch entlangritten.

»Bei allen Geistern«, stammelte Jake erneut, »ich will verdammt sein, wenn ich so etwas schon mal erlebt habe.«

Hedda Jennings hob den Kopf.

»Mami«, jammerte Billy, »Mami, was haben sie mit Pa gemacht …?« Er brach ab, als die Frau den weinenden Jungen an ihre Brust drückte und mit tränenschweren Augen zu dem Wagen blickte, der verloren inmitten eines Fleckes zertrampelten Schnees stand, der ihm wie ein Bannkreis umgab.

»Sie sind alle weg, tatsächlich weg«, murmelte Jake, der noch immer keine Erklärung für das fand, was sich soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. »Das wird mir niemand glauben. Sie werden den alten Jake Stone auslachen, wenn er es jemals irgendwo erzählen sollte …« Dann verstummte er plötzlich und sah zu der Frau hinab, die noch immer neben ihm am Boden kniete und den Jungen festhielt.

»Was ist in diesem Wagen drin?« fragte er misstrauisch und fordernd.

»Kaleb Jennings, mein Mann. Das wissen Sie doch«, sagte Hedda leise, ohne den Kopf zu heben.

»Und was sonst noch?« fragte er hart.

»Sonst nichts.«

»Aber weshalb, zum Teufel, kam dieser verdammte Blackfeet, der jetzt tot da unten liegt, wieder heraus, als wäre er dem leibhaftigen Bösen begegnet? Und weshalb haben seine eigenen Leute ihn getötet, als wäre er ein tollwütiger Hund?«

Hedda Jennings erhob sich. Erschöpft und unendlich müde wirkten ihre Bewegungen, mit denen sie den Schnee von ihrem Mantel klopfte.

»Vielleicht ist er wirklich dem leibhaftigen Bösen begegnet«, sagte sie tonlos.

Jake packte sie hart am Arm. »Was war mit Ihrem Mann? Weshalb sollte ich ihn nicht sehen?«

Sie hob ihr Gesicht und schaute ihn gerade an, mit einem Blick, der so voll Schmerz und Trauer war, dass er davor verstummte.

»Jetzt werden Sie wohl doch nachschauen«, sagte sie resigniert.

Sie stapften durch den Schnee zum Wagen hinunter. Jakob Stone mit brennender Ungeduld in der Brust, die mehr und mehr zu einer bedrückenden Ahnung wurde, und hinter ihm drein die Frau und der Junge mit hängenden Köpfen und bleischweren, müden Beinen.

Der Trapper warf nur im Vorbeigehen einen kopfschüttelnden Blick auf den toten Indianer und zog sich dann zum Heck des Wagens hinauf.

Die Leiche eines Mannes lag auf einem primitiven Lager, die mageren Hände umkrampften noch im Tode das Messer, das in seiner Brust steckte. Sie waren blutig, so wie auch der Stoff seiner Kleidung rundherum. Der Blackfoot musste zweimal zugestoßen haben, ehe er das Messer entsetzt losgelassen hatte.

Vorsichtig näherte Jake sich dem Toten, und er fühlte, wie ihm das Blut in den Adern zu erstarren schien, als er das Gesicht des Mannes erblickte. Es war übersät mit dunklen, eitrigen Pusteln, die es bis zur Verzerrung entstellten. Er schluckte trocken und wandte sich rasch ab.

Er begegnete dem stumm fragenden Blick der Frau, als er vom Wagen heruntersprang, und nickte ebenso wortlos. Vor dem toten Indianer blieb er stehen und sah erst jetzt das Blut an dessen Händen, das offenbar von dem toten Mann im Wagen stammte.

»Fassen Sie ihn nicht an«, sagte er völlig unnötigerweise, nur, um zu reden, um mit seiner heiseren Stimme den Bann des düsteren Schweigens zu brechen. Die Augen des Jungen schauten groß und tränenlos.

Der Schnee knarrte unter den Schritten des Mannes, und es klang in der beklemmenden Stille seltsam laut. Neben der Frau, die sich auf den Boden gehockt hatte und Holzscheite für ein Feuer zusammenlegte, blieb er stehen.

»Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass er die Schwarzen Pocken hatte?«

Hedda Jennings hob den Kopf und sah zu ihm hoch. Eine blonde Haarsträhne fiel über ihre Stirn. »Weil ich befürchtete, Sie würden genauso reagieren wie diese Indianer. Ich hatte einfach Angst davor, wieder allein zu sein. Wir mussten schon Fort Hall fluchtartig verlassen. Ich glaube, die Leute dort hätten uns tatsächlich alle umgebracht. Sie haben uns mit Steinen beworfen, als ob wir die Pest hätten.«

»So ungefähr war es ja auch.« Jake holte tief Luft und blickte zu der dunklen Silhouette des Waldes hinüber. »Die Indianer fürchten diese Krankheit des weißen Mannes mehr als die Hölle. Vor ein paar Jahren erst hat sie furchtbar unter ihnen gewütet und ganze Sippen ausgerottet.« Er machte eine Pause und fuhr fort: »Aber sie werden wohl wiederkommen, wenn sie den ersten Schrecken überwunden haben. Sie werden uns nicht allzu nahe kommen, und Big Knife wird vielleicht auf meinen Skalp verzichten, aber er wird mich noch immer töten wollen.«

Hedda Jennings erhob sich, um Zündhölzer aus dem Wagen zu holen.

»Sie sollten nicht hineingehen«, versuchte Jake sie zurückzuhalten, aber sie schüttelte den Kopf.

»Ich habe die Zündhölzer vorn unter dem Sitz. Wir haben alles aus seiner Reichweite entfernt, was wir noch brauchen.«

Sie kam zurück und setzte den Holzstoß in Brand. Als die Flammen sich knackend durch die dürren Äste fraßen, fragte sie: »Warum will dieser Indianer Sie unbedingt töten? Was haben Sie ihm getan?«

Es war eine der Eigenschaften, die er an weißen Frauen nicht schätzte. Sie wollten stets alles wissen. Dennoch antwortete er: »Nichts. Aber er will mir den Tod eines seiner Kriege in die Schuhe schieben. Doch damit stachelt er wohl nur seine Leute gegen mich auf. Der wahre Grund ist Elk Woman.«

»Elk Woman?« Er hatte einen Punkt berührt, der ihre weibliche Neugier weckte und sie brennend zu interessieren schien.

»Ich habe eine Zeitlang mit ihr gelebt, in meiner Hütte droben in den Lost-River-Bergen. Es war eine gute Zeit.«

»Und wo ist sie jetzt? Diese Frau meine ich.«

Jake setzte den Schaft seiner Büchse in den Schnee und stützte sich auf. Sein Bein tat wieder weh.

»Tot«, sagte er rau, und sein Blick verlor sich in der Erinnerung vergangener Dinge, ohne etwas zu sehen. »Und bestimmt glaubt Big Knife, dass ich es war, der sie umgebracht hat. Dieser Kerl kann vor lauter Hass nicht mehr geradeaus denken.«

»Tut mir leid«, sagte Hedda Jennings schnell. »Ich hätte nicht davon anfangen sollen.«

»Man schafft Tatsachen nicht aus der Welt, indem man sie verschweigt oder nicht an sie denkt«, sagte Jake spröde. »Aber jetzt müssen wir daran denken, wie es für uns weitergeht.« Er wandte sich ah den Jungen. »Söhnchen, während deine Mutter etwas zu essen macht, treiben wir die Ochsen da oben den Hang hinauf. Im Schatten des Waldes ist nur wenig Schnee liegen geblieben. Dort werden die Tiere noch genügend Gras finden.« Er schaute zu anderen Seite hin. »Big Knife und seine Spießgesellen werden die Rauchsäule sehen, wenn wir den Wagen verbrennen, und das wird ihre Furcht vor der Krankheit des Weißen Mannes abklingen lassen, denke ich. Viel Zeit sollten wir uns also nicht lassen.«

Hedda Jennings hob mit einem Ruck den Kopf. »Was wollen Sie tun?«

»Den verdammten Wagen verbrennen«, erklärte der Trapper mit Nachdruck. Sie richtete sich neben ihm auf, und ihr Atem ging heftig.

»Dieser verdammte Wagen ist alles, was wir besitzen«, wies sie ihn ebenso nachdrücklich zurecht.

»Jetzt ist er nichts weiter als der Sarg eines Pockenkranken«, stellte Jake hart fest. »Wollen Sie etwa weiter damit durch die Gegend ziehen. Sie haben doch gesehen, was das für eine Krankheit ist.« Er wies mit der Hand auf den toten Indianer. »Und die da haben nicht umsonst eine Höllenangst davor. Wollen Sie eine neue Epidemie verantworten?«

Die Frau schwieg betroffen, aber ihr verzweifelter Blick kehrte immer wieder zu dem Fahrzeug zurück, das während der letzten Monate ihr Heim und ihr Lebensinhalt gewesen war und das jetzt eine Art heiligen Ort darstellte, der die sterblichen Überreste ihres Mannes beherbergte.

»Aber Kaleb«, stammelte sie, »was wird mit ihm?«

»Er wird auch verbrannt. Es muss sein. Zusammen mit diesem Indianer da.«

»Sie sind ein Barbar!« fuhr sie ihn mit bebenden Lippen an. »Ein abscheulicher Wilder, nicht besser als diese roten Teufel! Sie werden ihn nicht verbrennen! Nicht, solange ich lebe!«

Sie marschierte zum Vorderteil des Wagens und nahm ihre Schrotflinte vom Sitz. Jake, der ihr hastig gefolgt war, fiel ihr in den Arm.

»Hören Sie endlich auf, sich wie ein törichtes Kind zu benehmen!« herrschte er sie an. »Sie sind hier nicht mehr in Independence oder sonst irgendwo da im Osten. Begreifen Sie endlich, dass hier andere Gesetze gelten.«

Sie hörte auf, sich zu wehren, und ihre Schultern verloren die Spannkraft des Widerstandes.

»Er war ein so gläubiger Mensch.«

»Wir haben jetzt, weiß Gott, andere Sorgen. Wollen Sie ihn etwa im Schnee liegen lassen, damit sich die Wölfe an ihm zu schaffen machen und diese schreckliche Krankheit überall herumschleppen?«

»Wir können doch …«, versuchte sie in ihrer Verzweiflung aufzubegehren, aber Jake ließ sie nicht erst ausreden.

»Der Boden ist gefroren. Sie kämen keinen Fuß tief in ihn hinein.«

Allmählich schien ihr die harte Wirklichkeit zu dämmern, mit der sie leben musste. Kein Grab würde zurückbleiben, auf das man im Frühjahr Blumen legen konnte, kein Kreuz, auf dem ein Name stand. Nur ein Haufen Asche, die der Wind davontrug … und eine Narbe in ihrem Herzen.

Sie aßen lustlos und ohne Appetit, nur von der Notwendigkeit überzeugt, dass ihre Körper Nahrung brauchten, um weiterzuleben. Dann legte Jake Feuer unter den Wagen.

Mit starrem Gesicht und Augen, in denen das Leben erloschen schien, beobachtete Hedda, wie sich die Flammen knackend und fauchend in die Höhe fraßen und die Plane mit einer gewaltigen Lohe verschlangen. Dunkler Rauch quoll einer mahnenden Säule gleich in die windstille Luft, und die Hitze brannte auf ihren ernsten Gesichtern.

Jake ließ ihr Zeit für diese ungewöhnliche Art von Abschied.

Nach einer Stunde schließlich drehte sie sich wortlos um und ging zu den wartenden Ochsen, die Jake mitsamt den Geschirren vom Wagen abgetrennt hatte.

Sie brauchten diese kräftigen Tiere, damit sie für die Frau und den Jungen eine Spur in den Schnee trampelten. Denn ohne diese Spur würden sie den weiten Weg bis nach Fort Hall niemals zu Fuß schaffen.

Sie hatten nur das Allernotwendigste mitgenommen und trieben das Ochsengespann vor sich her, den Weg zurück, den Hedda Jennings vor Tagen noch zusammen mit ihrem kranken Mann zurückgelegt hatte.

Dort, wo die Blackfeet ihre Richtung geändert hatten, blieb Jake zurück.

»Ich werde ihrer Fährte folgen und sehen, was sie tun«, erklärte er der Frau. »Es ist besser, über sie Bescheid zu wissen, als von ihnen überrascht zu werden.«

Angst malte sich sofort in ihre Züge, und sie wollte schon aufbegehren. Sie fürchtete sich vor dem Alleinsein in diesem wilden, weiten Land, dessen tiefes Schweigen sie fast erdrückte, vor den Problemen, die sie vielleicht nicht meistern konnte. Was würde mit ihr und Billy geschehen, falls dieser Mann nicht mehr zurückkehrte. Der Gedanke ließ sie innerlich zittern, aber sie wusste auch, dass Einwände keinen Sinn hatten. Dieser Mann, den sie eigentlich kaum kannte, hatte bis jetzt stets gewusst, was zu geschehen hatte, und es war immer das Richtige gewesen, das musste sie jetzt zugeben. Er wusste, wie man sich hier in der Wildnis, fernab jeder menschlichen Zivilisation zu verhalten hatte. Auch dass er auf sich achtgeben sollte, brauchte sie ihm nicht zu raten. Deshalb fragte sie nur: »Werden Sie zurückkommen?«

Der Trapper schaute sie mit einem seltsamen Ausdruck seiner Augen an. Und dieser Blick war es wohl hauptsächlich, der alles Furchterregende und Fremde von ihm nahm, das ihm bei ihrer ersten Begegnung angehaftet hatte. Nichts Wildes und Tierhaftes war mehr an ihm, obgleich er noch genau so aussah wir früher, wie er so dastand, mit seiner zottigen Wolfsfellmütze, dem dicken Mantel und dem Gewehr in der Armbeuge. Aber diese Augen waren die eines Menschen, der mehr als tausend Jahre Zivilisation nicht einfach wegleugnen konnte.

»Glauben Sie noch immer, dass ich Sie im Stich lasse?« fragte er ruhig zurück. Und sie schlug angesichts dieser Frage die Augen nieder und schüttelte stumm den Kopf. Nur die Angst hatte ihr diesen Zweifel eingegeben.

Sie wandte sich von ihm ab und trieb mit der langen Peitsche die Ochsen voran. »Ho! … Haah! Beeilt euch gefälligst, sonst kommen wir nie in Fort Hall an!«

Eine Weile schaute der einsame Mann, der zurückblieb, ihnen noch nach. Dann stapfte er, in seiner dicken Kleidung wie ein Bär wirkend, den verschneiten Hang zum Wald hinauf.

Die Spur der Blackfeet war so deutlich, dass er ihr nur einen geringen Teil seiner Aufmerksamkeit zu schenken brauchte und dafür seine Umgebung ständig beobachten konnte. Denn es war gefährlich, sorglos einer solchen Fährte zu folgen.

Die fünf Krieger waren zunächst schnurstracks nach Norden geritten. Aber bald schon sah er an ihren Spuren, dass sie angehalten hatten, wohl, um sich zu beraten. Danach waren sie nach Osten abgebogen, wo sie früher oder später den Weg nach Fort Hall kreuzen mussten.

Bestimmt hatten sie die Rauchsäulen gesehen und daraus folgerichtig geschlossen, dass diesen Weißen nur noch der Weg zurück blieb, zurück zu jenem Handelsplatz, den sie Fort Hall nannten, wo sich die weißen Jäger und Fallensteller aus dem ganzen Land trafen und durchziehende Wagentrecks Halt machten.

Das war eine ziemlich üble Geschichte, aber Jake hatte sie vorausgesehen. Er kannte Big Knife zu gut, um sich in ihm zu irren. Wenn er die Sache jetzt nicht zu Ende brachte, dann konnte er seine Krieger nur schwerlich wieder dazu bringen, mit ihm gegen den weißen Mann in den Lost-River-Bergen zu ziehen.

Jake überlegte, ob er zu Hedda Jennings und deren Jungen zurückkehren oder den Indianern folgen sollte, und er entschied sich für das erstere. Wenn sie nach Norden auswichen und die Fährte der Blackfeet kreuzten, konnten sie diese umgehen. Irgendwann würde Big Knife bemerken, dass man ihn getäuscht hatte. Die Blackfeet würden ihre Spur zwar wiederfinden und sie auch rasch einholen. Aber dann konnte er, Jake, an einer geeigneten Stelle zurückbleiben und seinen Hinterhalt legen. Und selbst wenn es den fünf Kriegern auch gelingen sollte, ihn zu überwältigen, dann konnte er sie vielleicht so lange aufhalten, dass sie die Frau und den Jungen bis Fort Hall nicht mehr einholten. Schließlich war die Sache mit Big Knife sein Kampf, und er wollte niemand mit hineinziehen. Am allerwenigsten eine Frau und ein Kind.

Die Indianer hatten mehrere Stunden Vorsprung und befanden sich schon weit jenseits der bewaldeten Hügel, die ihm die Sicht nach Osten versperrten. Es wäre ohnehin unwahrscheinlich gewesen, sie noch rechtzeitig einzuholen.

In dem Moment, als er sich umdrehte, sah er die drei Reiter, die auf seiner Fährte ritten. Ihre Pferde mühten sich durch den Schnee, in den sie fast bis zu den Knien einsanken, aber sie waren dennoch schneller als er und mussten ihn bald eingeholt haben.

Jake murmelte einen Fluch in seinen Bart. Er hatte angenommen, Dakota und dessen Söhne seien zusammen mit den Soldaten umgekehrt, nachdem sie ihn nicht erwischt hatten. Verdammt, er konnte diese Halunken gerade jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Sie verdarben ihm seinen ganzen Plan.

Rasch schaute er sich nach einer Stelle um, von der aus er sich verteidigen konnte. Da oben, dieser vom Wind kahlgefegte Felsrücken, zu dem das offene Land ohne Deckung anstieg, war nicht so leicht einzunehmen. Und bis es ihnen gelänge, ihm in den Rücken zu kommen, war es sicherlich längst dunkel.

Jake rannte los, so schnell ihn seine Schneeschuhe über den verschneiten Boden trugen. Die drei Reiter hinter ihm bemerkten ihn sofort und trieben mit lautem Geschrei ihre Tiere an. Sie hatten seine Absicht erkannt und setzten nun alles daran, diese zu vereiteln.

Jeremiah, Dakotas ältester Sohn, hielt sein Pferd kurz an und schoss mit seinem Gewehr auf den flüchtenden Mann. Aber die Kugel lag viel zu hoch und ließ nur etwas Schnee von dem schütteren Geäst auf den Trapper herunterrieseln.

Jake machte sich nicht die Mühe, nach rückwärts zu schauen. Entweder erreichte er die Anhöhe rechtzeitig, oder es war um ihn geschehen. Denn die drei Männer waren ihm an Zahl und Bewaffnung deutlich überlegen.

Er erreichte das offene Land, das beschwerlich anstieg, und keuchte hinauf, mit allem, was seine Lunge und seine schon erschöpften Muskeln hergaben. Die Angst vor dem Tod, die jeder Kreatur eigen ist, ließ ihn sogar die bohrenden Schmerzen in seinem Bein vergessen.

Zwanzig Yards unterhalb der steinigen Höhe schaute er zurück und sah, wie die Reiter ihre Pferde herumzogen und umkehrten. Sie hatten begriffen, dass sie ihn vor der Hügelkuppe nicht mehr einholen konnten, und wollten sich nicht ohne Deckung seinem Feuer aussetzen. Deshalb trieben sie jetzt ihre Tiere in die Büsche zurück, die weiter unterhalb wuchsen.

Jake wusste, was passierte, wenn sie diese erreicht hatten, und holte das Letzte aus sich heraus.

Der erste Schuss krachte, als ihn noch fünf Yards von der rettenden Deckung trennten, doch zu seinem Glück waren die Männer von dem scharfen Ritt noch zu unruhig, und die Kugel verfehlte den Trapper. Die zweite, die gleich darauf folgte, lag schon näher. Sie klatschte gegen das Gestein und ließ ihm nadelscharfe Splitter ins Gesicht spritzen.

Jetzt war er oben, rollte sich über den felsigen Rand und blieb flach auf dem Bauch liegen. Die nächste Kugel pfiff wirkungslos über ihn hinweg. Er ließ das Gewehr in der ledernen Hülle neben sich liegen und machte gar nicht erst den Versuch, das Feuer zu erwidern. Diese drei Männer würden sich hüten, ihm hier herauf zu folgen, und dort unten zwischen Büschen und Felsklippen hatte er kaum eine Möglichkeit, sie zu treffen. Auch Dakota und dessen Söhne stellten das Schießen ein, denn auch sie konnten nur noch nutzlos ihr Blei verschwenden.

»Verdammt«, knurrte Browny ärgerlich und noch etwas außer Atem, »der Höllenhund hat dort oben 'ne uneinnehmbare Festung. Aber wenn einer von uns hierbleibt und ihn dort festnagelt, können die anderen beiden ihn umgehen und im Rücken packen.«

»Bis dahin ist es längst dunkel und der Vogel ausgeflogen«, sagte Dakota und spuckte einen dunkelbraunen Fleck Tabaksaft in den Schnee.

»Aber wir könnten es wenigstens versuchen«, begehrte Browny wütend auf. »Oder willst du hier stehenbleiben, bis du festgefroren bist?«

Im Gesicht seines Vaters erschien ein böses, hintergründiges Lächeln. »Ungeduld ist ein Zeichen von Unerfahrenheit. Ich weiß was Besseres, und das verspricht mehr Erfolg, als sich hier 'ne Kugel in den Bauch schießen zu lassen.«

»Lass hören«, brummte Jeremiah, »dann werden wir sehen, ob es wirklich besser ist.«

Dakota blinzelte listig. »Was hatte er wohl vor, als er den Blackfeet nachschnüffelte? Er ist gewiss nicht so dumm, den Kampf mit ihnen zu suchen. Nein, er wollte nur wissen, was sie vorhaben, und dann zu dieser Frau und dem Kind zurückkehren, die mit 'den drei Ochsen Richtung Fort Hall ziehen.«

»Na und?« fragte Browny wenig begeistert. »Jetzt wissen wir, was er tun wollte. Aber was nützt uns das?«

»Wir werden vor ihm in dieser angenehmen Gesellschaft sein«, grinste Dakota genüsslich. »Und wie ich ihn einschätze, wird er sich verdammt beeilen, wenn er das weiß.«

Jake hob seinen Kopf keinen Zoll, als er Dakota da unten rufen hörte.

»Heh, du, bist du noch da oben?«

Diese Halunken wussten ganz genau, dass er noch hier war.

»Warum kommst du nicht rauf zu mir, wenn du plaudern willst?« schrie er nach unten.

Dakota lachte. »Ich suche mir lieber 'ne bessere Gesellschaft zum Plaudern. Zum Beispiel diese Frau, die da mit ihrem Kind nach Fort Hall unterwegs ist. Na, was sagst du dazu?«

»Verdammt, die Geier sollen euch holen«, fluchte Jake vor sich hin. Er verspürte mit einem Male große Luft, ihnen doch eine Kugel nach unten zu schicken. Und wenn er nicht genau gewusst hätte, dass es reine Bleiverschwendung wäre, so würde er es wohl auch getan haben.

. »He, du! Hat es dir die Sprache verschlagen?« hörte er Dakota von neuem brüllen. »Wir haben uns schon lange nicht mehr mit 'ner Frau amüsiert. Immer diese Indianerweiber, das hängt uns schon zum Hals raus, verstehst du?«

Browny kicherte einfältig. »Das hast du fein gesagt, Pa, und genau so wollen wir es auch machen.«

Sie lachten so laut, dass Jake es oben auf seinem Hügel hören konnte, und zogen ihre Pferde hinter sich her, bis sie sicher genug waren, aufsitzen zu können.

Der Trapper blieb vorläufig, wo er war, und murmelte eine Verwünschung nach der anderen in den Schnee vor sich hin. Natürlich war ihm klar, dass die Burschen Hedda Jennings nur als Köder benutzten, und er wäre ein Narr, wenn er ihnen dorthin folgte. Aber auch Narren wurden mitunter steinalt. Und schließlich hatte er es ihr versprochen.

Dakota und seine nichtsnutzigen Nachkömmlinge holten die Frau und den Jungen ein, als diese ihr Nachtlager bezogen hatten. Es dunkelte bereits stark, und die Frau hatte ein Feuer angezündet, in der Hoffnung, Jake Stone könne sie so besser finden, wenn er zurückkäme.

Jetzt kamen mit einem Male drei fremde Reiter aus der rasch einfallenden Dunkelheit herangeritten, und Hedda Jennings griff nach der Schrotflinte, die neben ihr an einem Baum lehnte.

»Nicht doch, gute Frau«, rief einer der Reiter mit salbungsvoller Stimme, »wir kommen in friedlicher Absicht zu Ihnen.«

Die Tatsache, dass es sich nicht um Indianer handelte, erfüllte sie mit unsäglicher Erleichterung. Dennoch behielt sie die Flinte in den Händen und ging um das Feuer herum, das sie blendete.

»Wer seid ihr?«

»Oh, wir sind Freunde dieses Trappers, der heute morgen noch bei Ihnen war, Ma'am. Er schickte uns nämlich zu Ihnen, damit wir uns um Sie kümmern können, während er selbst noch etwas den Rothäuten nachspürt.«

Das schien alles zu stimmen. Vielleicht hatte Jake Stone sie wirklich geschickt. Aber irgend etwas ließ sie ihr Misstrauen behalten, und sie wurde nervös, als die drei Fremden näher kamen.

»Bleiben Sie, wo Sie sind!« rief sie mit hoher Stimme. Aber die drei kümmerten sich gar nicht darum.

»Sie werden doch wohl nicht auf seine Freunde schießen.«

Hedda Jennings wich etwas zurück. »Wenn Sie seine Freunde sind, dann werden Sie doch wohl seinen Namen kennen.«

Jetzt waren die Männer schon so nahe, dass sie ihre Gesichter erkennen konnte, und der vorderste, der einen dunklen Dragonerbart trug, lächelte beschwichtigend und breitete mit einer friedfertigen Geste die Hände aus.

»Aber, Ma'am. Namen haben bei uns hier draußen keine große Bedeutung.

Wir nennen ihn nur den Lost River Man. Wir sind uns hin und wieder in den Lost-River-Bergen begegnet, wo er seine Hütte hat.«

Hedda wurde unsicher. Alles, was diese Männer sagten, schien zu stimmen. Jake Stone selbst hatte erwähnt, in den Lost-River-Bergen zu leben. Sie hatte die Flinte noch immer auf die Ankömmlinge gerichtet, als diese absaßen, aber sie schoss nicht. Es ist keine leichte Sache, auf einem Menschen zu schießen, wenn man nicht genau weiß, ob er Freund oder Feind ist.

Dakota trat an das Feuer, ohne sich weiter um die Frau mit der Waffe zu kümmern, und hielt seine Handflächen wärmesuchend über die kleinen Flammen. »Ah, das tut gut, nach einem langen Ritt endlich wieder die Wärme eines Feuers zu spüren.«

»Und wenn wir jetzt noch einen heißen Kaffee und was zu essen hätten«, meinte Jeremiah, »dann wäre es fast wie zu Hause bei Mutter.«

»Gott habe sie selig«, murmelte Dakota beinahe fromm und rieb sich die kalten Finger aneinander.

Hedda ließ das Gewehr sinken und fragte verwirrt: »Weshalb ist Mr. Stone nicht mit Ihnen gekommen?«

»Die Rothäute machen ihm noch Sorgen«, erklärte Dakota mit unschuldiger Miene.

»Aber wir wären doch jetzt zu fünft mit mir und brauchten sie nicht mehr zu fürchten.«

»Er wird auch bald hier sein«, sagte Jeremiah und riss der Frau unverhofft und brutal die Flinte aus den Händen, während sich Browny den aufschreienden Billy schnappte und ihm sein Messer an den Hals setzte.

»Und jetzt machen Sie uns Kaffee und reden gefälligst nicht so viel!« fuhr Jeremiah die Frau grob an, die starr vor Schreck dastand und ihren Jungen anstarrte.

»Bitte, tun Sie ihm nichts«, stammelt sie.

Dakota wandte sich vom Feuer ab und kam langsam auf sie zu.

»Das hängt ganz allein von dir ab, mein Kätzchen«, grinste er mit seinen kleinen Augen, in denen die Bosheit funkelte.

Jakob Stone hatte nach einigem Suchen Hedda Jennings' Lagerplatz gefunden. Aber jetzt war es dunkel, und er konnte nicht genau erkennen, was sich dort abspielte. Da er nichts hörte, glaubte er nicht, dass sie in unmittelbarer Gefahr sei, und er beschloss, bis zum Morgengrauen zu warten. Bei Dunkelheit konnte er allzu leicht in eine Falle laufen, denn die drei Männer hatten es auf ihn abgesehen und erwarteten ihn.

So verkroch er sich in dichtes Unterholz, wo es nur wenig Schnee gab, und er fiel in einen tiefen Erschöpfungsschlaf, der bis weit in die Dämmerung hinein dauerte.

Ein spitzer, ängstlicher Aufschrei aus weiblicher Kehle riss ihn schließlich in die kalte, graue Wirklichkeit zurück. Er hob den Kopf und lauschte. Der Schrei wiederholte sich nicht, dafür aber vernahm er Dakotas brüllende Stimme.

»Heh, du ausgekochter Hund vom Lost River! Wir wissen, dass du dich hier irgendwo verkrochen hast und zu feige bist, herauszukommen. Wir werden jetzt unser Spielchen mit der Frau treiben, wenn du dich nicht blicken lässt.«

Es bestätigte nur, was Jake schon wusste. Sie wollten ihn haben, und es gab für ihn keine Möglichkeit, sie zu überraschen. Sie glaubten fest an sein Kommen, und sie würden damit beginnen, die Frau zu misshandeln, um ihn aus seinem Versteck zu locken.

Jake erhob sich aus seiner zusammengekauerten Hockstellung und reckte seine steif gewordenen Glieder, bewegte sie einige Male hin und her, um sie wieder geschmeidig zu machen und das Blut durch die Adern zu treiben. Dann griff er nach seinem Gewehr und schlüpfte in gebückter Haltung durch die Büsche.

Im Lager weit drüben war es jetzt ruhig. Vorsichtig arbeitete sich Jake bis zum Saum des Waldes vor, immer darauf bedacht, nicht an Zweige zu stoßen und sich so durch herabrieselnden Schnee zu verraten.

Als der Blick auf das Lager frei wurde, blieb er stehen, zog die Hülle von seinem Gewehr und hängte sie sich über die Schulter. Er konnte die Gestalten drüben erkennen. Die Entfernung betrug etwa zweihundert Yards. Er musste versuchen, wenigstens einen der Gegner mit einem Schuss aus der Ferne auszuschalten, und dann abwarten, was sie taten. Vermutlich würden die beiden anderen dann die Frau und den Jungen als Deckung benutzen, und er, Jake, hatte keine Möglichkeit, das zu verhindern. Eine ziemlich ausweglose Situation war das.

»Heh, du feiger Bastard, wo bist du?« rief Dakota.

Langsam und noch etwas zögernd hob der Trapper die Büchse und spannte den Hahn. Aber noch ehe er sie an der Schulter hatte, krachte ein anderes Gewehr, und der scharfe Knall rollte gedämpft über den Schnee. Einer der Männer – Jake konnte nicht erkennen, wer – warf die Arme hoch und fiel nach vorn. Fast gleichzeitig mit diesem Schuss brachen Reiter aus dem Wald hervor. Ihre Pferde arbeiteten sich mit ungestümer Wildheit durch den tiefen Schnee.

Die Blackfeet griffen von zwei Seiten an, und Jake war von ihrem plötzlichen Erscheinen genauso überrascht wie Dakota und seine Söhne. Seine Büchse schwenkte herum, auf der Suche nach einem neuen Ziel. Die Indianer waren jetzt die gefährlicheren Gegner. Offenbar nahmen sie an, er befände sich unter den Männern im Lager.

Sein Schuss holte einen der wilden Reiter vom Pferd. Die ersten Schüsse aus dem Lager gingen verwirrt und überhastet daneben. Die Blackfeet kamen näher und waren bald bis auf Bogenschussweite heran. Sie sprangen von ihren Tieren herunter und liefen in Deckung hinter diesen her. Die weißen Männer mussten wohl oder übel erst die Pferde erschießen, und das konnte entscheidende Kugeln kosten.

Während Jake seine Büchse nachlud, konnte er bereits sehen, dass die Weißen da drüben keine Chance hatten. Aber auch die Indianer hatten nicht mit der Feuerkraft eines dieser modernen Coltrevolver gerechnet, dessen sechs Pulverkammern für sie eine tödliche Überraschung darstellten.

Eines der Pferde brach schrill aufwiehernd in die Knie, ein zweites stürzte mit heftig schlagenden Läufen auf die Seite. Die Krieger spannten ihre Bögen, Pfeile zischten durch die kalte Luft. Schüsse knatterten in panischer Hektik. Browny griff sich mit einem entsetzten Aufschrei an die Brust, in der ein Pfeil steckte. Ein zweiter bohrte sich mit dumpfem Schlag in seine Rippen. Er sank in den Schnee, und sein Geschrei erstarb rasch. Dakota hatte sein Gewehr einfach fallen lassen, nachdem es leergeschossen war, und er riss den Revolver heraus und schoss, so schnell er mit dem Daumen den Hammer der Waffe zurückreißen konnte. Ein Pfeil hatte sich in seinen Oberschenkel gebohrt, und er presste in wildem Schmerz die Zähne zusammen. Sein Gesicht war in verzweifelter Entschlossenheit erstarrt.

Jakes Gewehr flog wieder an die Schulter. Seine Kugel riss einen weiteren Blackfeet um, verwundete ihn aber nur, denn er kam hinkend wieder hoch.

Die Krieger wurden von der raschen Schussfolge des Revolvers buchstäblich überrumpelt. Nachdem Dakota diesen das erste Mal abgefeuert hatte, rannten sie im Glauben, er habe leergeschossen, ohne Deckung auf ihn zu, um ihm den Garaus zu machen, und liefen direkt in die rasch abgefeuerten Kugeln hinein. Der Tod machte ihrem entsetzten Staunen ein jähes Ende. Erst die nächste Kugel aus Big Knifes Büchse traf Dakota genau zwischen die Schulterblätter und warf ihn auf das Gesicht. Sein Revolver schwieg.

Das alles war so schnell gegangen, dass noch immer der Rauch aus der Mündung von Jakes Waffe zog, wie er da zwanzig Yards vor dem Waldsaum im Schnee stand und Big Knife heranreiten sah. Die Tierfelle, die er sich um die Schultern gehängt hatte, bewegten sich im Wind, und der Wolfskopf drehte sich lauernd hin und her, als er sich im Lager nach Überlebenden umsah. Hedda Jennings und ihr Junge hatten sich nahe bei den Ochsen auf den Boden geworfen, als die Schießerei losging. Jetzt war es für Jakob Stone an der Zeit zu handeln.

»Hier bin ich, Big Knife!« rief er laut. »Jetzt musst du schon selbst kämpfen, wenn du noch den Mut dazu hast. Deine Krieger waren Schwächlinge, die Krähen werden sich an ihnen sattfressen.«

Einen Moment standen Pferd und Reiter still wie eine aus Bronze gegossene Statue, und der Wolfskopf schaute zu ihm herüber, das furchterregende Symbol des Anführers der Wolfssippe. Der weiße Trapper war ihm währenddessen weiter entgegengegangen. Und jetzt, da Big Knife sein Pferd antrieb und es mit einem Schrei auf ihn zu jagte, zog er die alte Kentucky-Pistole unter seinem Mantel hervor, spannte den Hahn und zielte auf den Indianer, dessen Reittier sich mit kräftigen Sprüngen durch den Schnee kämpfte. Der Schuss löste sich mit Feuer, Rauch und Blei, und die Kugel traf den Heranreitenden irgendwo, aber er blieb auf dem Rücken des Pferdes.

Fluchend bückte der Trapper sich und streifte sich mit schnellen Handgriffen die Schneeschuhe von den Füßen. Schon war der Gegner heran und schwang mit einem triumphierenden Schrei seinen Tomahawk über dem Kopf. Jake wich knapp der breiten, muskulösen Pferdebrust aus und konnte gerade noch beide Hände mit der Büchse hochreißen, um den tödlichen Schlag zu parieren. Der Schaft des Tomahawks zersplitterte an dem stählernen Lauf, und das Aufeinanderprallen der beiden Gegner war so heftig, dass Jake zu Boden fiel und der Blackfeet vom Rücken des Pferdes heruntergerissen wurde. Beide kamen etwa gleichzeitig auf die Füße und stapften durch den kniehohen Schnee aufeinander zu. Big Knife zog sein Messer, und Jake schwang seine Mountain-Büchse wie eine riesige Keule zu einem wuchtigen Schlag. Aber der Indianer duckte sich behände darunter hinweg und fuhr schnell wie eine zustoßende Schlange auf den Trapper los. Die Klinge bohrte sich durch den dicken Mantel und brachte ihm eine tiefe Schnittwunde seitlich am Bauch bei. Mit einem wütenden Knurren sprang Jake zurück und stieß seinen Gegner mit dem Schaft seines Gewehres in den Schnee. Der momentane Schock ließ ihn keinen Schmerz spüren, aber er war gewarnt. Er schlug mit dem Gewehr abermals zu und traf Big Knife in die Seite. Dieser aber klemmte Jakes Waffe unter dem Arm ein und entriss sie ihm. Der Trapper griff zum eigenen Messer und war sofort über seinem Gegner. Beide wälzten sich knurrend wie Wölfe im Schnee herum.

Der Blackfeet war an der Hüfte verwundet, wo ihn die Pistolenkugel getroffen haben musste. Sein Blut färbte an mehreren Stellen den Schnee rot, und der Schmerz stachelte seinen Zorn auf. Wie im Hassrausch stieß sein Messer immer wieder zu.

Wäre es Sommer gewesen und Jake trüge seinen Mantel nicht, dann hätte der Blackfeet ihm schon gefährliche Wunden beigebracht und ihn möglicherweise schon kampfunfähig gemacht. So hatte sich die scharfe Klinge immer wieder in dem dicken Stoff verfangen und nur leichtere Schnittwunden hinterlassen, deren Brennen jetzt auch den Trapper wütend machte wie einen verwundeten Grizzly. Jede Vorsicht außer acht lassend, schlug er des Indianers Hand beiseite und warf sich, das eigene Messer vor sich haltend, wild in den Gegner hinein und drückte diesem die Klinge tief in den Leib. Er spürte das krampfhafte Zusammenziehen aller Muskeln unter sich, dem das langsame Erschlaffen des Körpers folgte.

Er zog mit einem Ruck das Messer zurück und kam auf die Füße. Keuchend und vornübergebeugt stand er über dem toten Gegner und starrte auf ihn herab, als könne er es noch nicht glauben, diesen gefürchteten Krieger besiegt zu haben. Dann riss er ihm mit einer ungestümen Bewegung den Wolfsschädel vom Kopf, griff mit der Linken in das dichte schwarze Haar und setzte das Messer an.

»Nein!« Der schrille Schrei ließ ihn erschrocken innehalten und den Kopf wenden.

Hedda Jennings war bis auf fünfzehn Schritte herangekommen und schaute ihn entsetzt an. »Was tun Sie da? Sie wollen doch nicht etwa …«

Der Trapper richtete sich etwas auf. Schnee klebte in seinem Bart, und die Augen blickten wild.

»Es ist mein gutes Recht«, grollte er trotzig. »Schließlich habe ich ihn im ehrlichen Kampf besiegt. Ich habe mir somit seinen Skalp verdient.«

»Ein Christenmensch verstümmelt keinen Toten.« Die Frau wies mit der Hand auf den Blackfeet. »Sie sind doch kein Wilder, so wie der da.«

»Woher wollen Sie das denn wissen?« fragte er erstaunt.

»Sie sind doch ein Weißer.«

»Was zählt die Haut schon in diesem Lande. Die Wildnis macht uns alle gleich oder tot. Wenn ich nicht so wäre wie der da, dann läge ich jetzt dort und hätte meinen Skalp nicht mehr. Und Sie, Ma'am, nicht mehr lange.«

»Tun Sie es trotzdem nicht! Ich könnte Ihre Gegenwart nicht mehr ertragen …« Ihre Stimme erlosch einfach, als hätte das Grauen sie gepackt.

Der Trapper richtete sich vollends auf und ließ die Arme hängen. Befremden, ja fast Geringschätzung spiegelte sich in seinem Blick wider. »Wie Sie meinen, Ma'am«, murmelte er, stieg über den toten Blackfeet hinweg und steckte das Messer ein. Hedda Jennings' Augen hatten einen furchtsamen, beinahe ablehnenden Ausdruck angenommen, so wie am Tage ihrer ersten Begegnung. Vielleicht sah sie in ihm wieder das, was er war: ein weißer Indianer.

Zwei Tage später erreichten sie erschöpft Fort Hall und blieben dort den ganzen Winter über, der in diesem Jahr bis tief in den April hinein andauerte.

Dann kam endlich der Tag, an dem das Wetter umschlug. Vom Morgen bis zum Abend war die Luft erfüllt von einem lauen, brausenden Wind, der über das weite Land fegte und den Schnee dahinraffte, als würde man Fett in einem Tiegel zerschmelzen lassen. Die Bergbäche tobten einige Tage wie verrückt und rissen manches Stück Erde mit sich, und der Snake River fraß mit schlammigen Fluten an seinen Ufern, und ein betörender Geruch nach feuchter Erde dampfte über dem Land. Und als die Berge am Horizont bläulich im Dunst der Ferne schimmerten, hielt es Jakob Stone nicht mehr bei den Menschen. Die stillen Berge mit ihren duftenden Wiesen, den wilden Wassern, ihren tiefen Wäldern und der klaren, reinen Luft riefen nach ihm, und keine Macht der Welt konnte ihn mehr davon abhalten, diesem Ruf zu folgen, der mit jedem Herzschlag durch seine Adern pochte und ihn rief wie eine ferne geheimnisvolle Trommel.

»Ich könnte es niemals ertragen, in einer Stadt zu leben oder hinter dem Pflug herzugehen«, hatte er zu Hedda Jennings gesagt, als sie über die Zukunft sprach. »Ich käme mir vor, wie ein gefangenes Tier, dem die Luft zum Atmen fehlt.«

Als er das Fort verließ, schaute sie ihm lange nach, bis er als kleiner, dunkler Punkt in der Weite des Landes verschwand. Sie hatte verstanden, dass es in seinem Leben keinen Platz für sie und Billy gab. Er war so anders als die Menschen aus ihrer Welt. Er würde weiter in den Tipis der Indianer schlafen und an ihren Feuern sitzen und kommen und gehen, wie er es wollte, bis sich eines Tages seine Spuren in diesem wilden, einsamen Land verlieren würden, ohne dass jemand es bemerkte.

ENDE

Des Sheriffs bitterster Sieg

Als Jim seinen Job verfluchte

Jim war auf der Flucht. Ausgekochte Revolverschwinger ritten auf seiner Fährte, aber er wollte sich nicht zum Kampf stellen. Nie wieder wollte er auf Menschen schießen, denn er hatte schon zu viel Blut und Tod gesehen. Er war ein einsamer Mann, der seinen Frieden suchte. Doch dann lernte er die schöne Jill kennen. Ihr zuliebe nahm er den Sheriffstern. Und so wurde er hineingetrieben in den bittersten Kampf seines Lebens …

Jim Galaghan ritt an der Reihe der wuchtigen Wagen vorbei, die diese Straße klein und eng erscheinen ließen. Jedenfalls war sie ihm bei seinem letzten Besuch hier größer vorgekommen. Vor dem Mietstall am Ende der Straße blickte er sich noch einmal um und musterte die Reihe der sieben Conestoga-Wagen mit einem kritischen Blick. Die Leute mussten völlig verrückt sein, zu dieser Jahreszeit noch auf dem Treck zu sein, ohne die Berge bereits hinter sich zu haben. Und wenn sie hier in Virginia City überwintern wollten, dann mussten sie eine Menge Geld besitzen. Es war fast unmöglich, dass Leute, die sich auf dem Treck befanden, so viel Geld hatten. Aber um diese Jahreszeit über die Berge zu gehen, war ein Risiko, das kein vernünftiger Mensch einging. In diesem Land kam der Winter mitunter so zeitig, dass man über Nacht in seinem Bett erfrieren konnte.

Jim Galaghan schüttelte den Kopf und trieb den Rehbraunen durch das große Tor, durch das ihm ein Geruch von Stroh, Staub und die scharfe Ausdünstung von Pferden entgegenschlug.

Der Stallmann kam mit den schleppenden Schritten eines alten Mannes den Mittelgang entlang, als Galaghan vor einer leeren Box absaß. Er musterte den großen Fremden schon aus einiger Entfernung, während er näher kam. Seine Augen waren an das Halbdunkel besser gewöhnt, und er hatte in einem harten Leben die Fähigkeit erworben, einen Menschen einzuschätzen. Er verließ sich auf den ersten Eindruck, und er irrte sich selten. Er sah ein hartknochiges braunes Gesicht, in dem zwei graue kühle Augen standen. Der ausgeprägte Mund und das entschlossene Kinn verrieten, dass dieser Mann es verstand, seinem Willen Geltung zu verschaffen.

»Geben Sie ihm Hafer«, sagte Galaghan müde. »Wir haben einen langen Weg hinter uns. « Er klopfte leicht mit der flachen Hand das staubige Fell des Rehbraunen, als wolle er sich von ihm verabschieden. »Und bürsten Sie ihm das Fell.«

Der Stallmann sah dem Fremden nach, der das breite Tor schon fast wieder erreicht hatte, und dessen drahtige Gestalt sich deutlich vor dem hellen Hintergrund abhob.

Unter dem Tor wandte sich Galaghan noch einmal um.

»Diese Wagen«, fragte er, »wohin wollen die Leute?«

»Nach Süden, über den Targee-Pass.«

Galaghan blickte die Straße hinauf, vorbei an der Reihe der Wagen. Ein wahnsinniges Unternehmen um diese Jahreszeit. Er zögerte noch und schaute weiter zurück, dorthin, wo er vor wenigen Minuten hergekommen war. Von den beiden Kerlen, die seit Wochen hinter ihm her waren, hatte er in den letzten beiden Tagen nichts mehr gesehen. Aber er wusste, dass sie kommen würden.

Entschlossen setzte er sich in Bewegung. Was tat es, wenn sie ihn gerade hier einholten? Hier war es ebenso gut wie anderswo, und einholen würden sie ihn eines Tages, auch wenn er es immer wieder zu verhindern suchte. Während des langen, staubigen Weges hatte er an das Bier in Alonsos Kneipe-gedacht, und jetzt sollte ihn nichts davon abhalten, es zu trinken. Auch nicht diese beiden!

Als Galaghan die Kneipe betrat, stockte sein Fuß kaum merklich. An der Bar stand jemand, den er kannte.

Rusty Dolan war ein Mann, dem man nicht gern den Rücken kehrte, wenn man einmal mit ihm Streit gehabt hatte.

Auch Dolan hatte ihn bemerkt. Er musste ihn in dem fleckigen Spiegel hinter der Bar gesehen haben, denn er drehte sich plötzlich um und grinste ihn an.

»Hallo, Galaghan. Dich trifft man überall, wo es stinkt.«

»Halt die Klappe«, knurrte Galaghan im Vorbeigehen und stellte sich an das hintere Ende der Mahagonibar, denn er wollte keinen Streit mit Dolan. Er winkte dem Keeper und verlangte ein Bier.

Vor Dolan stand eine halbvolle Whiskyflasche. Die Männer, die zwischen ihm und Galaghan standen, nahmen ihre Drinks und verzogen sich schweigend. Dolan war verdammt schnell mit dem Revolver. Das war allgemein bekannt, und auch Galaghan wusste es. Aber er hatte keine Angst vor ihm. Seine Hände befanden sich auf dem dunklen Holz der Bar und waren damit beschäftigt, Tabak auf ein Zigarettenpapier zu schütten.

Als Dolan sich etwas von der Bar abhob, blickte Galaghan auf.

»Ich gebe dir einen Rat, Dolan«, sagte er ruhig. »Kümmere dich um den Whisky da vor deiner Nase und um sonst nichts.«

Dolan begann wieder zu grinsen. Er wollte abermals etwas sagen, aber diesmal wurde er von anderer Seite unterbrochen.

»Bist du nicht der Führer dieses Trecks da draußen?« Es war ein junger Bursche, kaum zwanzig Jahre alt, der diese Frage gestellt hatte. Er saß an einem der Tische, aber etwas schräg auf seinem Stuhl, so dass ihn die Rückenlehne nicht beim Schießen behinderte.

Dolan wandte sich zu ihm um.

»Stört dich daran etwas, Kleiner?«

»Mich nicht«, erwiderte der Junge mit unschuldiger Miene. »Aber ich gehöre ja auch nicht zu den Leuten dieses Trecks. Die störte es vielleicht, wenn sie wüssten, dass ich dich vor kurzem erst in Fort Laramie mit einigen Kerlen zusammen sah, die man allgemein als Treckhyänen bezeichnet. Ihr hattet ein ziemlich vertrautes Gespräch so schien mir. Als ob ihr etwas aushecktet.«

Rusty Dolans Gesicht war bei den fast beiläufigen Worten des Jungen erstarrt. Jetzt wirbelte er seinen Körper herum und zog während der Drehung. Aber er brachte den Colt nur aus dem Holster und war schon tot. Ein unsichtbarer Schlag warf ihn gegen die Bar, an der er dann mit leeren Augen herunterrutschte, und der Donner eines Schusses erfüllte den Raum.

Der Junge hielt den rauchenden Revolver noch dicht über der Tischplatte. Galaghan wusste nicht, ob der Boy die Waffe schon in der Hand gehabt hatte, ehe Dolan zog. Fast schien es so, denn so schnell konnte niemand schießen.

Galaghan setzte langsam das Glas ab, aus dem er gerade getrunken hatte, und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Der Junge kam herüber und blieb neben dem Toten stehen. Erst jetzt steckte er den Revolver ein.

»Ich bin Johnny Hagardine«, sagte er laut und selbstbewusst. »Er hat seinen Streit gesucht und hat ihn gehabt.«

Niemand antwortete ihm. Sie standen schweigend und starrten abwechselnd auf den Toten und dann auf den Jungen.

Galaghan schob sich an der Bar entlang.

»Er wollte Streit mit mir«, sagte er. »Es war ein Fehler, sich da einzumischen.«

Der Junge musterte ihn mit braunen, sanften Augen. Er hatte ein schmales, hübsches Knabengesicht.

»Du kannst froh sein, vielleicht war er schneller als du.«

Galaghan wurde ein wenig zornig.

»Weißt du eigentlich, wer das war? Das war Rusty Dolan. Vielleicht sagt dir der Name etwas.«

Johnny Hagardine zuckte uninteressiert mit den Schultern.

»Nie gehört.«

»Das wird dich noch mal das Leben kosten, Junge. Man sieht sich die Leute vorher an, mit denen man anbändelt. Er war einer der Schnellsten in der Gegend.«

Der Junge ruckte an seinem Waffengurt und sagte leichthin: »Trotzdem ist er jetzt tot, scheint mir.«

Galaghan musterte Ihn mit einem Seitenblick. Dieser Junge war einer jener Grünschnäbel, die mit dem Revolver Karriere machen wollten. Denen die Geschichten, die man sich von Billy the Kid und John Wesley Hardin erzählte, in den Kopf gestiegen waren.

»Du scheinst nicht gern zu leben«, sagte Galaghan. Johnny Hagardine lachte nur. Er schien überhaupt nichts ernst zu nehmen, nicht einmal den Tod.

Erst jetzt schob sich ein Mann aus dem Kreis der anderen, trat zu dem Toten und beugte sich zaghaft über ihn. Er trug eine grobe Tuchjacke und eine abgetragene Hose aus ähnlichem, strapazierfähigem Stoff, derbe Stiefel mit flachen Absätzen und keine Waffe. Ein typischer Siedler, unerfahren und schlecht ausgerüstet. Der Mann richtete sich wieder auf und wandte sich zu Johnny Hagardine um. Sein Gesicht kantig und von tiefen Linien durchzogen. Er ballte die großen, von harter Arbeit schwieligen Fäuste, aber der Zorn in ihm konnte die Unsicherheit nicht ganz vertreiben.

»Du hast unseren Treckführer erschossen.« Die Bitterkeit in seiner Stimme überwog den Zorn. Sorge und Ratlosigkeit gewannen die Oberhand in seinem wettergebräunten Gesicht, und die kräftigen Hände entspannten sich langsam.

Johnny Hagardine zuckte mit den mageren Schultern.

»Er hat den Revolver zuerst gezogen.

Sollte ich mich etwa von Ihm erschießen lassen?«

Galaghan betrachtete den Jungen mit wachsendem Unmut. Am liebsten hätte er ihn geohrfeigt. Aber wenn er ihm vielleicht nicht das Leben gerettet hatte, so hatte er ihm doch zumindest einen Kampf erspart. Und er wollte nicht undankbar sein.

»Du hast ihn beleidigt«, hielt ihm der Siedler entgegen. Johnny schien nur mit halbem Ohr hinzuhören. Er schob sich den Hut in den Nacken, und eine dunkle widerspenstige Locke fiel in die Stirn.

»Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Ihr könnt froh sein, dass ihr ihn vom Hals habt.«

Johnny Hagardine wandte sich der Bar zu, goss aus Dolans Flasche in das leere Glas, trank und kümmerte sich nicht weiter um das, was um ihn vorging.

»Sie haben Mr. Dolan gekannt, Fremder?« Die Frage war längst verklungen, ehe Galaghan seinen Blick von Johnny Hagardine löste und den Siedler ansah. »Ja«, sagte er abwesend. »Ich glaube, der Junge hat die Wahrheit gesagt. Es war ein Fehler, Dolan zu engagieren.«

»Er war der einzige, den man auftreiben konnte«, verteidigte sich der Siedler. Galaghan warf ihm einen beredten Blick zu.

»Kein Wunder, um diese Jahreszeit.« Auch er wandte sich wieder seinem Bier zu. Der Staub da draußen hatte ihn durstig gemacht.

Der Siedler drehte sich mit einer ratlosen Geste um und verließ die Kneipe. Einige Männer unterhielten sich aufgeregt und gingen dann ebenfalls. Auch sie sahen wie Siedler aus. Ihre Kleidung war dafür geschaffen, beim ersten Frost die Glieder erfrieren zu lassen.

Galaghan trank sein Bier aus. Den Durst war er los, aber der Staub des langen Rittes brannte noch in seinem Nacken. Von früheren Besuchen wusste er, dass sich hinter dem Haus eine Pumpe befand. Er ging hinaus und war noch ein wenig verwirrt. Der Junge im Saloon war fast noch ein Kind. Er hatte ein sanftes Gesicht und einen weichen Mund. Und doch war er eiskalt wie eine Hundeschnauze. Galaghan zog seine mit Lammfell gefütterte Jacke aus. Er wusch sich Gesicht und Hals mit dem eiskalten Wasser, das aus der Pumpe kam, während er mit der Linken den rostigen Schwengel bediente. Dann trocknete er sich mit seinem Taschentuch ab und hob seine Jacke auf. Dabei fiel sein Blick auf eine junge Frau, die um die Ecke des Schuppens neben der Kneipe kam, ihn mit einem zögernden, fast fragenden Blick ansah und dann näher kam.

Galaghan sah ihr entgegen. Sie war nicht nur jung, sondern dazu noch verteufelt hübsch. Er versuchte nachzurechnen, wie lange es her war, seit er eine solche Frau zuletzt gesehen hatte, gab es aber auf, als sie vor ihm stehenblieb.

Sie sah mit einem festen, selbstbewussten Blick zu ihm auf, und Galaghan stellte fest, dass sie auffallend klare, graue Augen hatte, die durch ihr fast schwarzes Haar noch heller und größer wirkten.

»Sie waren dabei, als Mr. Dolan erschossen wurde.« Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Galaghan nickte.

»Ja, das stimmt.«

»Chet Meacham hat mir davon berichtet.«

Galaghan blickte sie verwundert an. Chet Meacham, das musste der Siedler sein, der bei der Schießerei dabei war.

»Ich bin Jill McGrove«, fuhr sie fort. »Mein Vater war es, der diesen Treck zusammenstellte und nach Westen führen wollte. Er ist unterwegs gestorben. Die Leute, die bei mir sind, haben ihn sehr geachtet und tun alles, was ich sage, aber das hilft uns jetzt nicht. Durch Dolans Tod sind wir in eine unangenehme Lage gekommen. Niemand von uns kennt das Land, das vor uns liegt. Wären Sie an einem Job interessiert, wenn wir Sie gut bezahlten?«

»Sehe ich wie ein Narr aus?« Galaghan schlüpfte in seine warme Jacke. Dann hielt er plötzlich inne und blickte Jill McGrove an. »Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?«

Jill McGrove versuchte zu lächeln, aber es glückte ihr nicht ganz. Ihr Gesicht wirkte ein wenig hilflos.

»Wir wussten nicht, an wen wir uns sonst noch wenden sollten. Hier hält uns ohnehin jeder für verrückt, weil wir es jetzt noch riskieren wollen. Und Sie scheinen darin keine Ausnahme zu sein.«

Galaghan knöpfte seine Jacke zu und steckte das Taschentuch ein.

»Wir bieten Ihnen dasselbe wie Dolan«, versuchte sie es noch einmal. »Vierzig Dollar. Oder wenn Sie darauf bestehen …«

»Nein«, schnitt Galaghan ihr barsch das Wort ab.

»Besonders freundlich sind Sie nicht«, wies sie ihn zurecht.

»Tut mir leid, Ma'am, aber ich halte Sie ebenfalls für verrückt, genau wie die anderen. Um diese Jahreszeit noch über die Berge zu wollen, ist blanker Unsinn.«

Er wollte gehen, aber er spürte den festen Griff ihrer kleinen Hand an seinem Ärmel und wartete.

»Es gibt für alles eine Erklärung.« Ihre Stimme klang betont kühl. »Wenn alles so gekommen wäre, wie wir dachten, dann hätten wir die Berge längst hinter uns. Ganz so dumm, wie Sie denken, sind wir nämlich nicht. Aber Vater bekam unterwegs eine Lungenentzündung. Ein Doc in Fort Laramie behandelte ihn, und wir lagen lange fest. Als er gestorben war, hatten wir keine andere Wahl, als weiterzuziehen, aber wir kamen nicht so schnell voran, wie wir dachten. Es war kein Scout zu bekommen. Mein Vater hat oft Büffel gejagt und war bis nach Idaho gekommen. Es soll dort gutes Land geben, und wir werden es auch ohne Sie erreichen.«

»Das Land läuft Ihnen nicht weg.«

»Sie wissen so gut wie ich, dass wir hier nicht überwintern können. Wir brauchten Essen und Trinken und Futter für die Zugtiere. Wer könnte das schon bezahlen? Um hier über den Winter zu kommen, müssten wir unsere Wagen und Zugtiere verkaufen. Und dann würden wir unser Ziel nie mehr erreichen. Trotzdem danke ich Ihnen fürs Zuhören.« Sie drehte sich abrupt um, und Galaghan blickte ihr nach. Die Siedler steckten also bis zum Hals in Schwierigkeiten. Aber dennoch war es Wahnsinn, was sie vorhatten. Sie mussten allein sehen, wie sie damit fertig wurden. Er jedenfalls hatte seine eigenen Probleme.

Erst als Jill McGrove nicht mehr zu sehen war, bemerkte Galaghan die schlanke, etwas schlaksige Gestalt in der Hintertür, die zum Saloon führte. Johnny Hagardine grinste ihn an.

»Nicht übel, die Kleine. Du hättest nicht so unfreundlich sein dürfen. Sie steckt in Schwierigkeiten, und man sollte ihr helfen.«

Johnny musste ihre ganze Unterhaltung mit angehört haben.

»Ihr ist nicht zu helfen«, entgegnete Galaghan ärgerlich.

Johnny hielt den Kopf etwas schief.

»Weißt du, mich hält hier eigentlich nichts. Ich werde zu diesen Leuten gehen und sie fragen, ob ich diesen Job bekommen kann. Ich fühle mich irgendwie dazu verpflichtet.«

»Ausgerechnet du. Sie werden dich zum Teufel jagen.«

»Das glaube ich nicht. Sie haben gar keine andere Wahl, als ja zu sagen, denn sie haben sonst keinen.«

Galaghan setzte sich in Bewegung und blieb vor Johnny Hagardine stehen, dessen Haltung sich nicht verändert hatte.

»Hast du schon einmal einen Treck geführt? Kennst du wenigstens dieses Land?«

Johnny lächelte ihn unbekümmert an.

»In der Not lernt man am schnellsten. Diese Leute kennen nicht einmal die Verhältnisse dieses Landes, und doch sind sie entschlossen, weiterzuziehen.«

Noch ein Verrückter, dachte Galaghan. Laut sagte er: »Weil sie die Verhältnisse nicht kennen.« Er schob sich an dem Jungen vorbei, und dieser folgte ihm.

»Ich lade dich zu einem Drink ein«, sagte Galaghan über die Schulter und bestellte zwei Whisky. Der Barkeeper warf ihnen verstohlene Blicke zu, doch Galaghan kümmerte sich nicht darum. Es gab wichtigere Dinge, mit denen er sich auseinanderzusetzen hatte. Er hatte vorgehabt, hier so wenig wie möglich aufzufallen, um keine allzu deutliche Spur zu hinterlassen. Das war nun gänzlich misslungen. Bereits morgen würde jedes Kind in Virginia City von dem Zwischenfall wissen, und man brauchte nur seine Beschreibung zu geben, um zu erfahren, wo er geblieben war. Es war ihm unmöglich gemacht worden, ungesehen aus der Stadt zu verschwinden.

Sein Blick streifte Johnnys Gesicht von der Seite, und er musste an die Leute dieses Trecks denken. Er fluchte unhörbar in sich hinein. Wenn dieser Junge neben ihm den Wagenzug führte, dann würde nicht ein einziger von ihnen jemals den Targee-Pass überhaupt zu Gesicht bekommen. Sie würden in den Tod laufen wie eine Herde wehrloser Schafe.

Galaghan warf Geld auf die Bar und sagte halblaut: »Ich habe noch etwas zu erledigen. Vielleicht sehen wir uns noch.«

Johnny nickte kaum merklich.

»Danke für den Drink.«

Galaghan trat auf die Straße und ging auf die Wagen zu, bei denen ein paar Siedler standen. Er erkannte Chet Meacham unter ihnen. Die anderen hatte er noch nie gesehen. Es waren ein älterer Mann mit grauem Haar und ein junger Bursche etwa in Johnnys Alter. Er hatte einen eigenwilligen Zug im Gesicht und trotzig blickende Augen. In der Kleidung unterschied er sich kaum von Chet Meacham. Er blickte Galaghan als einziger entgegen, und sein Blick ruhte einen Moment lang auf dessen Revolver.

Galaghan blieb bei den Männern stehen und tippte flüchtig grüßend an den Hut. Sie brachen ihr Gespräch ab und blickten ihn an. In Meachams Augen war kühle Zurückhaltung.

»Miss McGrove hat mir das Angebot unterbreitet, diesen Treck zu führen«, sagte Galaghan.

»Ich weiß«, nickte Meacham. »Und Sie haben abgelehnt.«

»Ich habe es mir überlegt.«

»Sie scheinen Ihre Entschlüsse schnell zu ändern«, sagte der Junge neben ihm etwas vorlaut. Galaghan beachtete ihn nicht.

»Wo kann ich Miss McGrove finden?« fragte er.

»Sie ist mit den andern zum Essen gegangen«, erklärte Meacham und wies mit der Hand die Straße hinunter. »Gleich neben dem Variety-Theater befindet sich ein kleines Speiselokal.«

Galaghan wollte sich abwenden, aber er merkte, dass Meacham noch etwas sagen wollte.

»Das ist Mr. Foley, und das ist mein Sohn Sidney«, stellte er vor.

Bob Foley machte einen gepflegten Eindruck. Er trug stutzerhafte Kleidung und schien nicht recht zu den anderen zu passen. Noch weniger passte er in diese ihm offenbar ungewohnte Umgebung.

Galaghan nickte ihnen zu und ging dann in die ihm angegebene Richtung davon. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, aber jemand musste Jill McGrove helfen. Johnny Hagardine würde sie alle ins Verderben führen.

Ein Stück neben dem Variety-Theater sah er den kleinen, bescheidenen Speiseraum, in dem man billig essen konnte. Galaghan ging hinein und bemerkte Jill McGrove zwischen den anderen. Einige von ihnen hatte er flüchtig im Saloon gesehen. Er nickte ihr zu und bestellte das, was die anderen aßen: Bohnen mit Pökelfleisch.

Als er fertig war, blieb er so lange sitzen, bis die Siedler gingen. An der Tür holte er Jill McGrove ein.

»Einen Augenblick, Ma'am.«

Sie blieb stehen und drehte sich um. Ihre Augen waren groß und erwartungsvoll.

»Der Job, den Sie mir angeboten hatten, ist der noch frei?«

Sie sah ihn einen Moment an, und es schien ihm, als könne er eine gewisse Erleichterung in ihren Zügen erkennen.

»Wer sollte ihn wohl angenommen haben«, erwiderte sie. Dann wurde ihr Blick forschend. »Warum wollen Sie ihn jetzt annehmen?«

Seine Augen hingen an ihrem hübschen Gesicht, und er wusste, dass er ein ausgemachter Narr war. Er hätte sich ohrfeigen können, aber nun hatte er es einmal gesagt. Er kannte die unbarmherzige Wildnis, und er wusste, was dieses Geschöpf da vor ihm zu erwarten hatte, wenn ein Grünschnabel wie dieser Johnny Hagardine sie führte. Galaghan tröstete sich damit, dass er einfach nicht anders gekonnt hatte. Hatte er das wirklich nicht?

»Es wird nötig sein, die Ausrüstung zu ergänzen«, sagte er knapp. »Ich brauche dazu gewisse Vollmachten.«

Sie zögerte einen Moment, doch dann nickte sie.

»Gut, die haben Sie. Wir wollen morgen aufbrechen.«

Er schüttelte den Kopf.

»Das wird nicht gehen. Es sind eine Menge Vorbereitungen nötig. So sehr die Zeit auch drängt, wir müssen einen Tag zugeben. Bis wohin wollen Sie überhaupt?«

»Zum Snake River.«

Galaghan witterte Schwierigkeiten, aber er sagte ihr nichts davon.

»Ich werde mich heute Abend bei Ihnen melden. Kann ich in einem der Wagen schlafen?«

Sie nickte.

Als er die Straße entlangschritt, bereute er seinen Entschluss bereits. Snake River, hatte sie gesagt. Das war die Gegend, in der James T. Jenkins sein Rinderreich aufgebaut hatte. Ein Reich, in dem er keine Eindringlinge dulden würde. Aber jetzt war es zu spät, um wieder auszusteigen. Er hatte zugesagt, und er fühlte, dass Jill McGrove ihn brauchte. James T. Jenkins, das lag noch in unwirklicher Ferne.

In Fort Bridger war er Jenkins zum ersten Mal begegnet. Damals war er nach einem erschöpfenden Ritt nervös und übermüdet in die Cantina gekommen. Er hatte Durst gehabt und sich nach einem Lager gesehnt. Es waren noch mehr Fremde dort. Rinderleute, und sie hatten eine Riesenherde draußen in der Grasebene, mit der sie zum Snake River unterwegs waren. Die Herdentreiber hatten bereits eine Menge Whisky getrunken, und sie suchten ein Objekt für ihre derben Späße.

Zu diesem Zeitpunkt war Galaghan gekommen, nervös und ausgelaugt von der glühenden Sonne. Er hatte keinen Sinn für ihren Spott, und einer missverstand es. Ein Bürschchen von der Art Johnny Hagardines, der glaubte, dass die Welt sich nur um ihn drehte. Er zwang Galaghan zu schießen und starb in derselben Nacht. Er war nicht so schnell wie Johnny, aber er war der Neffe eines Mannes, dessen Wille für eine Anzahl rauer Männer Gesetz war. Der Neffe von James T. Jenkins. Er hätte Galaghan schon damals in Fort Bridger erwischt, wenn die Armee nicht eingeschritten wäre. Der Kommandant nahm Galaghan in Gewahrsam und entließ ihn, nachdem er den Sachverhalt richtig festgestellt hatte. Aber er hatte ihm den dringenden Rat gegeben, Fort Bridger so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.

Und nun hatte Galaghan die Aufgabe, ein paar Siedler zum Snake River zu führen. Er schalt sich abermals einen Narren und blieb vor dem Bale of Hay Saloon stehen. Bis er am Snake River war, blieb ihm noch etwas Zeit zum Leben, und er wollte diese Zeit nützen.

Der Saloon war stark besucht. Minenarbeiter drängten sich vor der nickelglänzenden Uhr. Die schweren weinroten Samtvorhänge an den Fenstern schluckten das Licht der großen Kristallleuchter und dämpften es zu einem spärlichen Schein, der mühsam durch den rauchgeschwängerten Raum drang und kaum die Ecken erreichte.

Galaghan erkämpfte sich einen Platz an der stark belagerten Bar, und dort fand ihn Johnny Hagardine, als er bereits den vierten Whisky trank. Es kam Galaghan vor, als ob der Junge ihn gesucht hätte. Und wie zur Bestätigung seiner Vermutung sagte Johnny: »Ich habe eben mit Jill McGrove gesprochen. Du bist mir also zuvorgekommen.« Es lag weder ein Vorwurf noch sonst ein ablehnender Ausdruck in Johnnys Stimme. Er schien es Galaghan nicht zu verübeln. »Du kannst so etwas sicher besser als ich, aber ich würde trotzdem gern mitkommen. Weißt du, mich hält hier nichts.«

Galaghan wollte ihm widersprechen, doch Johnny fuhr schnell fort, als würde er so etwas befürchten: »Denk daran, dass Dolan diese Leute bestimmt nicht aus lauter Freundlichkeit geführt hat. Irgendetwas hatte er vor, und wenn es da irgendwo zum Kampf kommt, schießen sich die Siedler doch eher in die eigenen Zehen. Du solltest also ein paar Männer dabei haben, die auch schießen können, wenn es brenzlig wird.«

Galaghan dachte einen Moment nach. Sicher hatte der Junge recht, und auch den Indianern war nie ganz zu trauen.

»Wenn du bereit bist, dich meinen Anordnungen zu beugen, habe ich nichts dagegen«, sagte er. Und zum zweiten Male an diesem Tag lud er Johnny zu einem Whisky ein.

Der genossene Alkohol hatte Galaghan gut schlafen lassen, obwohl es in dem Wagen ziemlich kühl war. Am Morgen besprach er mit Jill McGrove, Bob Foley und Chet Meacham in dessen Wagen die nächsten Schritte. Das Wichtigste war, die Finanzlage zu klären. Galaghan gewann die Überzeugung, dass die Geldmittel ausreichen mussten, die notwendigsten Ausgaben zu decken, wenn man vernünftig einkaufte.

»Das dringendste«, schloss Galaghan seine Erklärungen, »sind warme Kleidung und Schlittenkufen für die Wagen.«

Sid Meacham, der während der ganzen Zeit in einer Ecke des Wagens gesessen hatte, erhob sich und blieb neben Galaghan stehen. Unwillig sah er ihn an.

»Wozu das alles? Bis der Winter kommt, werden wir längst über den Pass sein.«

»Weißt du das so genau?« fragte Galaghan ihn, aber er wartete keine Antwort ab, sondern schob sich an ihm vorbei und verließ den Wagen. Jill McGrove blickte auf die zurückfallende Plane.

»Ein Abenteurer«, brummte Sid Meacham geringschätzig.

Jill erhob sich. Dort, woher sie kam, galt ein Abenteurer nicht viel. Aber zu diesem Mann hatte sie Vertrauen. Er wusste, was er tat und warum er etwas tat.

In Rank's Drug Store stellte er eine Liste der wichtigsten Dinge zusammen. Dann musste er noch geeignete Kleidung beschaffen. Warme Jacken, Handschuhe und Schals für zwölf Personen. Die Schlittenkufen ließ er aus breiten Brettern nach seinen Angaben fertigen. Sie waren das Wichtigste, wenn sie im Fall des Wintereinbruchs nicht steckenbleiben wollten. An alles das hatte Rusty Dolan nicht gedacht, und es wurde immer offensichtlicher, dass dieser nicht vorgehabt hatte, den Pass zu überqueren. Johnny Hagardine hatte recht gehabt, und Galaghan war doch ganz froh darüber, dass er den Jungen dabei hatte.

Am Nachmittag holten er und Jill McGrove die bestellten Sachen ab. Die Kleidung wurde sofort aufgeteilt, und den Gesichtern einiger Siedler merkte Galaghan an, dass sie es für völlig überflüssig hielten. Die Sonne stand noch hoch, und sie kamen aus einem Land, das anders war als dieses.

Die Schlittenkufen befestigte man rechts und links an jedem Wagen, und Galaghan kontrollierte noch einmal die Ausrüstung. Dann ließ er die Ochsen einspannen. Es würde noch vier Stunden hell sein, und er war dafür, sogleich aufzubrechen. Jede Meile, die sie von jetzt an schnell hinter sich brachten, konnte über Leben oder Tod entscheiden.

»Wie viel Chancen haben wir wirklich?« fragte Jill ihn.

»Bis jetzt noch alle, Ma'am, aber wenn es Schnee gibt, bevor wir über den Pass sind, dann steht es verdammt schlecht um uns. Ich werde jetzt mein Pferd aus dem Mietstall holen.«

Er ging mit langen Schritten die Straße hinunter. Er hatte Jill noch etwas verschwiegen. Nicht nur bevor der erste Schnee fiel, wollte er über den Pass sein, sondern auch noch vor etwas anderem, das genauso sicher eintreten würde.

Der Rehbraune schnaubte freudig, als Galaghan an ihn herantrat; und der Stallmann kam aus seiner Stube am hinteren Ende des Mittelganges.

»Sie werden es kaum schaffen«, sagte er. Und als er Galaghans fragendem Blick begegnete: »Die ganze Stadt spricht davon.« Er schüttelte seinen grauen, ungepflegten Kopf. »Verrückte Idee, aber mir gefallen solche Männer, die es trotzdem versuchen.«

Am Tor stiegen zwei Reiter von ihren staubigen Pferden und riefen nach dem Stallmann. Galaghan warf dem Rehbraunen Decke und Sattel über, während die Fremden hinter ihm mit dem Stallmann sprachen.

»Ein gewisser Baxter?« sagte der Alte. »Ja, den kenne ich. Hatte hier irgendeine Sache vor, der Bursche, aber die war wohl nicht ganz in Ordnung. Vor einer Woche hat er in aller Stille und nur mit einem Köfferchen die Stadt verlassen, aber er kommt gewiss nicht wieder.«

»Verdammt, der Kerl hatte uns einen Job versprochen. Deswegen haben wir extra den weiten Weg gemacht.« Diese Stimme kam Galaghan bekannt vor. Irgendwo hatte er sie schon einmal gehört. Er wandte sich um und erkannte den einen der beiden. Diesem baumlangen Büffeljäger war er einmal in Dodge City begegnet. Den anderen kannte er nicht.

Er trat einen Schritt auf sie zu und blieb stehen.

Der Lange hieß Danny Finch, und das einzige, was Galaghan genau von seinem Wesen wusste, war, dass man sich auf ihn verlassen konnte. Dieser Mann besaß die traurigsten Augen, die Galaghan je gesehen hatte. Aber das lag so in seiner Art. Ein Trauerkloß war er jedenfalls nicht, wie andere ihn manchmal nannten.

»Gibt es hier irgendwo einen anderen Job?« erkundigte sich Finch. Er musste es verdammt nötig haben. Der Stallmann zuckte mit den Schultern.

»Wissen Sie, um diese Jahreszeit … Sie könnten es mal in den Minen versuchen.«

»Pfui Teufel!« Finchs Begleiter, ein kleiner älterer Mann, spie auf den Boden. Lieber hungere ich, als wie eine Ratte in der Erde zu wühlen, schätze ich.«

»Vielleicht habe ich einen Job für euch«, sagte Galaghan aus dem Halbdunkel heraus. Die Männer wandten die Köpfe, und es dauerte eine volle Sekunde, bis Danny Finch ihn wiedererkannte. Er strich sich mit den Fingerspitzen über den melancholisch herabhängenden Schnurrbart.

»Jim Galaghan«, murmelte er erstaunt. »Komisch, dich ausgerechnet hier zu treffen.«

Galaghan zeigte ein schwaches Lächeln. Diese traurigen Augen erinnerten ihn stets an einen Jagdhund.

»Du warst früher ein guter Jäger.«

Der Blick des langen Büffeljägers verfinsterte sich, und er hieb ärgerlich mit der Hand durch die Luft.

»Es gibt bald mehr Jäger als Büffel. Die großen Häutegesellschaften haben die Prärien kahl gefressen wie Heuschrecken. Du kannst die Tage an den Fingern abzählen, bis der letzte Bison verschwunden ist.« Er ließ die Arme sinken. »Ja, so ist das. Die Büffel, das war unser Leben. Aber nun gibt es bald keine mehr, und ich frage mich, wovon wir leben sollen. Hattest du nicht von einem Job gesprochen?«

Galaghan nickte.

»Ihr könnt jeder dreißig Dollar verdienen, wenn ihr Lust habt.«

Finchs Begleiter trat von einem Fuß auf den anderen, und Finch selber strich sich ungeduldig über den Schnurrbart.

»Nun sag schon, worum es geht.«

»Bestimmt habt ihr die Wagen da draußen gesehen«, sagte Galaghan. »Ich bringe sie über die Berge und könnte ein paar Männer gebrauchen, die ihre Augen offenhalten wegen der Indianer und ab und zu etwas frisches Fleisch auf den Tisch bringen.«

Die beiden wechselten einen Blick. Dann sagte der Alte gutmütig: »Schätze, du bist ein Narr, mein Freund.«

Galaghan lächelte. Der Mann gefiel ihm. Sein Gesicht erinnerte unwillkürlich an zerknülltes Papier. Nur seine Nase war glatt und gerötet.

»Ich wusste nicht, dass ihr noch genügend Geld habt«, versetzte Galaghan leichthin. »Ich hätte euch gern dabeigehabt, aber es geht natürlich auch ohne euch.«

Finch machte ein verdrossenes Gesicht.

»Die dreißig Dollar könnten wir schon gebrauchen.« Er stieß seinen Gefährten an. »Was meinst du, Mike. Was wäre wohl besser: im Schnee steckenbleiben und mit einem vollen Bauch erfrieren oder hinter irgendeinem Ofen zu verhungern?«

Mike McLean fuhr sich mit der Hand über das faltige Gesicht, und seine listigen Augen tasteten Galaghans Gestalt ab.

»Ich habe mir sagen lassen, dass man sich im Eis lange frisch hält. Und vielleicht kommt einmal jemand und taut uns wieder auf. Aber wenn du verhungerst, dann bist du mausetot, schätze ich.«

Damit war die Sache entschieden. Jill McGrove zahlte den beiden einen kleinen Vorschuss, und die Männer nahmen ihre Plätze ein. Nur Sid Meacham schien etwas dagegen zu haben. Er schob sich an Galaghan heran und konnte sich nicht die Bemerkung verkneifen: »Dolan hätte uns allein über die Berge gebracht.«

Galaghan streifte ihn mit einem kurzen Seitenblick und schaute dann wieder an der Reihe der Wagen entlang, die sich langsam in Bewegung setzte.

»Du wirst auf diesem Treck noch manches lernen, Junge«, sagte er ruhig. »Deshalb nehme ich dir nichts übel von dem, was du sagst.« Er ließ den Jungen einfach stehen und stieg in den Sattel.

Die Ochsen legten sich in die Gespanne. Lederzeug und Holz knarrte, und die heiseren Rufe der Fahrer, mit denen sie die Tiere antrieben, klangen durch die stille, dunstige Luft des herbstlichen Tages.

Der Morgen war kalt, und Nebelbänke hingen über dem Land. Das Gras war Nass und modrig. Die Planen der Wagen hingen feucht und schwer auf den Rungen. Es war ein grauer Herbstmorgen.

Galaghan wickelte sich aus seiner Decke, reckte die klammen Glieder und blickte zum Himmel. Dieser Blick würde sich in den nächsten Tagen noch oft in banger Erwartung wiederholen.

Die Sonne versuchte zögernd, durch die Nebelschleier zu brechen. Es wurde hell, und sie mussten weiter. Aber es dauerte noch seine Zeit, bis Ochsen und Pferde versorgt waren.

Inzwischen hatten sich die Nebelschwaden fast völlig aufgelöst und gaben den Blick frei. Der Weg nach Virginia City lag leer in der Morgensonne. Galaghan wandte sich befriedigt seinem Pferd zu und schob einen Fuß in den Bügel. Sie waren also noch nicht hinter ihm. Es war angespannt, und die Fahrer der Wagen warteten auf sein Zeichen.

Gerade wollte er sich am Sattelhorn hinaufziehen, da erfasste sein Blick vier Reiter, die sich von Westen her näherten. Sie waren in einer Lücke in der Wagenreihe zu sehen. Galaghan verharrte einen Moment und nahm dann den Fuß wieder aus dem Steigbügel. Die Reiter waren noch zu weit weg, um sie zu erkennen. Ein unangenehmes Gefühl saß ihm plötzlich im Nacken. James T. Jenkins hatte nur zwei Männer hinter ihm hergeschickt, aber sie konnten dabei sein.

Johnny Hagardine saß schon im Sattel. Auch er hatte die vier Reiter gesehen. Er bemerkte Galaghans Blick, stieg vom Pferd und kam herüber.

»Kennst du die Burschen?« fragte er.

»Ich weiß nicht.«

»Vielleicht kannte sie ein anderer.« Johnny wollte auf Rusty Dolan anspielen, aber Galaghan ging darüber hinweg. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Männer zu identifizieren.

Als sie nahe genug waren, atmete er auf. Die Jenkins-Männer waren nicht dabei. Es waren ziemlich rau aussehende Burschen, aber hier draußen konnte man einen Mann nicht nach seinem Äußeren beurteilen.

Sie hielten an, und Galaghan sah, dass ihre Pferde frisch waren. Sie mussten während der Nacht in der Nähe gelagert haben. Die Blicke der Männer hätten ihn misstrauisch machen sollen, aber der Gedanke an Jenkins hatte ihn zu stark abgelenkt. Die Fremden sahen sich um, als suchten sie jemanden.

»Wer ist der Wagenboss?« fragte ein Mann mit einem schwarzen, ungepflegten Bart, der einen kräftigen Falben ritt.

»Das bin ich«, entgegnete Galaghan. Es schien ihm, als stutzte der Mann, aber dann sagte er: »Wir suchen einen Mann und haben Grund zu der Annahme, dass er sich bei euch befindet. Wir werden uns in euren Wagen umsehen.« Der Blick des Mannes war herausfordernd.

»Ich kann euch versichern, dass niemand von euch auch nur die Nase in einen der Wagen steckt«, gab Galaghan ruhig zurück.

Der Bärtige lächelte dünn und stieg betont langsam auf der Galaghan abgewandten Seite aus dem Sattel. Ein anderer drängte sein Tier scharf zur Seite, um ihn abzulenken. Ein plumper Trick, aber Galaghan erkannte ihn zu spät. Der Bärtige hatte bereits sein Gewehr unter dem Pferdehals hindurch auf ihn gerichtet.

»Wir fackeln nicht lange, Freundchen«, sagte er grob. »Ich rate dir, dich still zu verhalten.«

Galaghan rührte sich nicht. Er fand das Unternehmen der Fremden reichlich gewagt. Aber sie hatten wohl damit gerechnet, dass Dolan den Treck führte, und wollten nun nicht zurück. Zumal sie nur harmlose Siedler hier vermuteten. Johnny war nicht mehr zu sehen. Irgendwie beruhigte es Galaghan. Es war ein Trumpf im Ärmel, von dem die Burschen da nichts wussten.

Der Mann, der Galaghan vorhin ablenken wollte, ritt ein Stück an den Wagen entlang und rief: »He, alle rauskommen oder wir schießen eure Zugtiere zusammen! Los, macht schon!«

Zwischen den Wagen wurde es lebendig. Die Leute kamen heraus, mit verstörten Gesichtern. Sie mochten noch glauben, dass die Fremden wirklich nur jemand suchten. Drei von ihnen passten scharf auf, dass niemand eine Waffe trug, während der Bärtige Galaghan in Schach hielt.

»Schnall den Gurt ab!« befahl er kurz.

Galaghan gehorchte zerknirscht. Er hatte sich übertölpeln lassen wie ein Anfänger. Den Gurt mit dem Revolver warf er vor sich auf den Boden.

Johnny erschien mit den anderen. Galaghan sah keine Waffe an ihm. Er konnte nicht glauben, dass der Junge sich geschlagen gab. Er war einer von denen, die den Kampf suchten.

Ein paar Schritte von ihm entfernt blieb Johnny stehen. Er machte ein Gesicht, als ob ihn das alles amüsierte.

»Die Frauen können drinbleiben«, ordnete der Bärtige an. »Wer von euch ist Foley?«

Jetzt wusste Galaghan, worauf sie es abgesehen hatten. Foley war ein Geschäftsmann aus Boston, der Wertsachen bei sich haben musste. Irgendwie hatten Dolan und die Burschen Wind davon bekommen.

Ehe Bob Foley sich melden konnte, erklang ein lautes Gepolter aus einem der Wagen. Es musste von ganz vorn aus Jills Wagen kommen und klang, als ob jemand Kochtöpfe zusammenschlüge. Die Köpfe der Männer fuhren für einen Moment herum, und neben Galaghan knallte es plötzlich.

Johnny schien darauf gewartet zu haben. Er hielt plötzlich einen Revolver in der Hand, und der Teufel mochte wissen, von wo er ihn so blitzschnell hervorgeholt hatte. Er sprang zur Seite und feuerte dabei wie eine Maschine. Zwei waren sofort tot, den dritten verfehlte er in der Hast. Der Mann schoss auf Johnny und drehte sich dann herum, als Galaghan sich nach seiner Waffe bückte. Galaghans Kugel traf ihn in die Schulter und riss ihn herum. Der vierte Mann verspürte auf einmal keine Lust mehr und gab auf. Sein Gesicht hatte eine Farbe von schmutzigem Grau. Die Schnelligkeit dieses Jungen musste ihn völlig durcheinandergebracht haben. Aus den Augenwinkeln sah Galaghan, wie der Adamsapfel in Danny Finchs magerem Hals auf und nieder hüpfte.

Johnny war unverletzt geblieben.

»Es genügt nicht, schnell zu schießen«, sagte Galaghan. »Man muss auch treffen, weil man für einen weiteren Schuss oft keine Zeit mehr hat.«

Er fand selbst, dass diese Belehrung nicht recht am Platze war. Gewiss, er hatte Johnny mit seinem Schuss wahrscheinlich das Leben gerettet, aber was wäre gewesen, wenn der Junge nicht seinen Revolver behalten und so unglaublich schnell gezogen hätte?

Johnny Hagardine erwiderte nichts und tastete nach seinem rechten Ohr. Die Kugel musste dort verdammt nahe vorbeigepfiffen sein.

Der Verwundete rappelte sich fluchend auf die Knie, und seine Hand tastete nach dem Revolver, der im Gras lag. Johnnys Kugel traf ihn in die Stirn, und der Mann fiel zurück.

»Ich treffe schon, was ich will«, sagte Johnny eigensinnig.

Galaghan war mit zwei schnellen Schritten bei dem Jungen, packte ihn am Hemd und zog ihn ein Stück zu sich hoch. In seinen grauen Augen flammte kalter Zorn, als er sagte: »So etwas tut man nicht, Junge. Man bringt in meiner Gegenwart keinen Verwundeten um.«

»Er hat nach seiner Waffe gegriffen«, verteidigte sich Johnny. Galaghan ließ ihn los.

»Du hättest ihn auch anders daran hindern können«, sagte er ruhiger. »Wenn du so etwas noch mal tust, versohle ich dir das Fell.«

Spott glitzerte in Johnnys Augen, aber es war ein kalter, gefährlicher Unterton in seiner Stimme.

»Du kannst dich ja auch mit mir schießen, wenn du Lust hast!«

Es war noch etwas anderes in seinen Augen, was Galaghan ganz und gar nicht gefiel. Er hatte diesen Ausdruck schon öfter gesehen, und er mochte ihn nicht.

Jill McGrove war hergekommen und drängte sich zu ihnen durch.

»Lassen Sie ihn, Jim. Er ist noch jung und solche Schießereien nicht gewohnt. Schließlich hat er uns allen geholfen.«

Sie hatte Jim zu ihm gesagt. Es war das erste Mal. Aber dass sie Johnny in Schutz nahm, gefiel ihm nicht. Er wandte sich ab und ging zu dem letzten Banditen hinüber. Finch und McLean hatten sich bereits darum gekümmert, dass er nicht das Weite suchen konnte.

»Rusty Dolan ist tot«, sagte Galaghan. »Er konnte euch nicht mehr helfen.«

Der Mann blickte ihn stumm, aber in finsterer Feindseligkeit an, und schließlich wanderte sein Blick von Galaghan zu den toten Kumpanen. Was er sah, schien ihm nicht zu behagen, aber er sagte nichts.

»Setz dich auf dein Pferd und hau ab«, befahl Galaghan. »Und wenn dir etwas am Leben liegt, dann lauf uns nicht wieder über den Weg.«

Der Mann schwieg noch immer, doch er stieg ohne zu zögern in den Sattel, warf noch einen letzten, fast ungläubigen Blick auf Johnny Hagardine und die Toten und ritt schnell davon.

»Ich hätte ihn nicht laufenlassen«, krächzte Mike McLean. »Schätze, so was hängt man an den nächsten Baum.«

Danny Finch stieß ihn in die Seite.

»Halte die Klappe. Du siehst doch, dass kein Baum in der Nähe ist, dessen Äste stark genug gewesen wären.«

Sie zogen weiter. Sieben Wagen und eine Menge unerfahrener Leute. Galaghan nahm sein Pferd zur Seite und ließ die Kolonne an sich vorbei. Der erste Wagen gehörte Jill McGrove, deren Vater sie nach seinem Tod allein in einem ihr fremden Land zurückgelassen hatte. Im zweiten Wagen fuhren Chet Meacham, der stets etwas besorgt dreinschaute, seine mürrische, blasse Frau, von der man fast nie ein freundliches Wort hörte, und ihr Sohn Sidney, ein unbeherrschter Hitzkopf, der sein Temperament und seinen vorlauten Mund nicht unter Kontrolle halten konnte.

Dann folgte der Wagen von Bob Foley. Der Geschäftsmann aus Boston saß zusammengesunken auf dem Kutschbock, die dicke Jacke um seinen Oberkörper, die grobe Wollmütze etwas schief, und brütete vor sich hin.

Galaghan zerbrach sich den Kopf, was diesen Mann in den Westen trieb. Er hatte sich Geschäftsmänner immer anders vorgestellt.

Hinter Foley fuhren Bill Daugherty und dessen Frau Alma, deren albernes Gekicher man überall hörte. Sie war eine lebenshungrige Frau, die einen viel zu alten und eifersüchtigen Mann geheiratet hatte, der in jedem anderen einen Nebenbuhler sah.

Ihnen folgte Clayt Eldon, ein verschwiegener, hagerer Mann, dessen Frau in Missouri gestorben war, und der deshalb nach Westen zog. Bei ihm fuhr Bert Cameron gelegentlich mit, wenn er sein Pferd schonen wollte. Cameron war ein Mann, von dem Galaghan so gut wie nichts wusste. Er sah gut aus, aber in seinen Augen war etwas Unstetes, und Galaghan hatte bemerkt, dass er Alma Dougherty anschaute wie ein Indianer ein fremdes Pferd.

Der sechste Wagen gehörte Don Avery, der mit seiner groben Drillichkleidung und seinem fleischigen Bulldoggengesicht wie ein Fuhrknecht aussah. Seine Frau Lillith hingegen war eine schmächtige, kränkliche Frau, die überall besser hinzupassen schien als in dieses brodelnde, unruhige Stück Amerika. Dennoch verstanden sich die beiden ausgezeichnet. Den Schluss bildete Louis Fortie, ein kleiner, drahtiger Franzose, den es große Mühe kostete, stillzusitzen. Er war ein ausgesprochener Optimist, und seinen dunklen, flinken Augen schien nichts zu entgehen. Er winkte Galaghan gutgelaunt zu, als er vorüberfuhr.

Als sich der Himmel über den bizarren Felsenkämmen rötete, schlugen sie ihr zweites Lager auf. Sie waren gut vorangekommen, und Galaghan war zufrieden. Aber es war kälter geworden. Die Wildgänse waren längst nach Süden gezogen, und jeden Tag konnte das Wetter umschlagen.

Mike McLean kam einen Steinhang heruntergeritten und tauchte zwischen knorrigen Kiefern auf. Er saß schief, im Sattel, als würde er jeden Moment herunterfallen.

»Er scheint verwundet zu sein«, meinte Galaghan besorgt. Danny Finch, der neben ihm stand, setzte eine eisige Miene auf und schüttelte den Kopf.

»Kein Grund zur Sorge, ich habe ihn schon hundertmal so gesehen. Aber einen Braten werden wir heute nicht bekommen.«

Mike McLean war fortgeschickt worden, um die Umgebung zu erkunden und den Fleischvorrat zu ergänzen. Aber wie es aussah, hatte er nichts geschossen.

»Mach nicht den Fehler und nimm ihm den Whisky weg, sonst wird er bösartiger als eine Rothaut«, sagte Danny Finch leise. »Nach einer gewissen Zeit geht ihm der Vorrat von allein aus. Dann ist er der zuverlässigste Mensch der Welt.«

Der Alte war inzwischen näher gekommen. Seine Augen waren gerötet und blickten wässrig.

»Mich wundert, dass du den Weg gefunden hast«, begrüßte ihn Galaghan. »Wild hast du nicht gesehen, wie?«

McLean blickte ihn ärgerlich an und rutschte von seinem mageren Pferd herunter.

»Die Biester waren immer fort, ehe ich zum Schuss kam«, krächzte er schleppend und stand nicht ganz sicher auf den Beinen. Danny Finch rümpfte die Nase.

»Wahrscheinlich hat sie dein Gestank vertrieben«, sagte er und wandte sich dann an Galaghan. »Der Kerl stinkt ja, als wäre er in ein Whiskyfass gefallen.«

Der Alte knurrte ihn gereizt an.

»Man wird doch noch einen Schluck nehmen dürfen, wenn man Durst hat.« Dann schob er sich zwischen ihnen hindurch und suchte sich einen Platz bei einem der Wagen.

Sid Meacham musterte ihn mit einem bösen Blick und kam dann herüber.

»Galaghan, sag diesem Alten, dass wir keine nutzlosen Säufer bei uns durchfüttern.«

Eine steile Falte teilte Galaghans Stirn in zwei Hälften.

»Sag es ihm gefälligst selber, aber pass auf, dass du dir nicht deinen losen Mund verbrennst.«

Die Zornröte stieg in Sid Meachams Kopf.

»Ich habe gleich gesagt, dass wir die beiden nicht brauchen, aber du wolltest ja nicht hören«, schrie er laut.

Mike McLean hob den Kopf.

»Junge«, sagte er langsam und schwer, »du wirst hier im Westen noch eine Menge lernen, falls du am Leben bleibst.

Aber wahrscheinlich wird dich dein großes Maul schon vorher unter die Erde bringen.«

Sid Meacham wandte sich mit hochrotem Kopf wieder an Galaghan.

»Wer führt eigentlich diesen Treck? Du lässt dich doch dafür bezahlen, Galaghan. Dann sorge auch für Disziplin.«

Jeder Humor war aus Galaghans grauen Augen gewichen, aber sein Gesicht blieb ruhig, als er erwiderte: »Das tue ich gleich, rede nur noch weiter.«

Irgendetwas in dieser Stimme schien den Jungen zu warnen, denn er sagte nichts und starrte Galaghan nur an. Aus der Richtung, wo sich McLean befand, kam Jill McGrove heran.

»Du bringst wohl das wenigste dieser Kosten auf, Sid«, sagte sie in verweisendem Tonfall.

»Irgendjemand musste es ja sagen«, konterte Sid, aber er zog sich zurück und schien froh darüber, dass die Sache so abgegangen war.

Jill blieb vor Galaghan stehen und sah nicht unfreundlich zu ihm auf.

»So ganz unrecht hatte er wohl nicht.« Es sollte scherzhaft klingen, aber Galaghan hörte trotzdem leichte Sorge und Unsicherheit heraus.

»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Jill«, sagte er. »Es gibt noch keinen Grund, McLean deswegen zu tadeln. Ich kenne Leute wie ihn. Er hätte trotzdem jede Gefahr bemerkt.«

Als Jill zu ihrem Wagen zurückgekehrt war, blickte Galaghan zu McLean hinüber, der an das Wagenrad gelehnt vor sich hindöste. Er hatte ihn ursprünglich nach Spuren fragen wollen, aber er ließ es bleiben. Wahrscheinlich hatte es keinen Zweck, und es würde ihn misstrauisch machen. Er beschloss, sich selbst darum zu kümmern. Noch wusste niemand davon, dass er verfolgt wurde, und Galaghan wollte, dass es möglichst lange so blieb.

Am Morgen brachte Galaghan den Treck bereits vor Sonnenaufgang auf den Trail. Sid Meacham fluchte laut, und auch andere murrten. Aber Galaghan trieb unbarmherzig an, ohne sich um Einwände zu kümmern.

Alma Dougherty blickte ihn schmollend an, als sie an ihm vorbeiging. Sie war eine vollbusige Frau mit einem glatten, nichtssagenden Gesicht. Ehe sie losfuhren, sah Galaghan sie in der Nähe ihres Wagens mit Bert Cameron reden, bis ihr Mann sie mit zorniger Stimme rief.

Sie zogen durch unübersichtliches Land. Dichter, verästelter Nadelwald wechselte mit lockerem Baumbestand und nacktem Felsengewirr. Irgendwann mussten sie hier auf den Madison River stoßen, der weit oben aus den wilden Bergen des Yellowstone-Gebietes kam.

Danny Finch war den ganzen Tag unterwegs. Erst gegen Abend stieß er wieder auf den Treck. Er hatte ein Bighornschaf geschossen, aber sein Gesicht war ernst und verschlossen.

»Wir sollten noch ein Stück weiterziehen«, sagte er. »Die Luft wird kälter.«

Aber Galaghan spürte, dass es nicht das war, was ihn zur Eile trieb. Er warf einen prüfenden Blick in Danny Finchs Gesicht und trieb dann sein Pferd an. Leute wie Finch mochten es nicht, wenn sie ausgefragt wurden. Sie hatten lange im Land der Indianer gelebt und gewisse Eigenarten von diesen angenommen.

Galaghan erreichte die Spitze des Zuges und drängte sein Pferd dicht an Jills Wagen heran.

»Können die Ochsen nicht ein wenig schneller laufen?«

Jill McGrove wandte ihm ihr gerötetes Gesicht zu. Die frische Luft und die Anstrengung, den schweren Wagen zu lenken, erforderten ihren ganzen Einsatz.

»Wer ist denn hinter uns her?« Sie versuchte, das Geratter der großen Räder auf dem steinigen Boden zu übertönen.

»Der Winter«, antwortete Galaghan trocken. »Die Luft wird immer kälter.«

Jill lenkte den Wagen um einen Felsvorsprung, und Galaghan musste sein Pferd zur Seite nehmen.

»Die Ochsen dürfen nicht überfordert werden«, rief sie zu ihm herüber. »Sie sind zwar ausdauernd, aber ein schnelles Tempo halten sie nicht lange durch.«

»Der Tag ist bald um, dann haben sie eine ganze Nacht Ruhe – eine Nacht, die viel zu lange dauert.«

Jill sah ihn nicht an und griff nach der Peitsche, die hinter ihr lag, während Galaghan sein Pferd etwas zurückhielt. Ihr Wagen entfernte sich etwas, und er hörte noch ihre schrillen Rufe und das Knallen der Peitsche. Dann verschlang das Knirschen eiserner Radreifen auf Sand und Geröll diese Laute.

»Aufschließen! Lasst den Abstand nicht so groß werden!« rief Galaghan Chet Meacham zu und fing einen unzufriedenen Blick der Frau auf, die neben ihm saß. Dann war der Wagen vorbei. Im Heck kauerte Sid.

»Willst du einen Rekord aufstellen?« rief der Junge ihn an. Galaghan antwortete nicht.

Der Treck beschleunigte sein Tempo, während das Tageslicht allmählich schwächer wurde. Johnny Hagardine saß zusammengesunken im Sattel. Der Junge war in den letzten beiden Tagen recht schweigsam gewesen und machte den Eindruck, als würde er über vieles nachdenken.

Erst als das Licht nicht mehr ausreichte, die Bodenbeschaffenheit genau zu erkennen und das Fahren gefährlich wurde, ließ Galaghan halten. Ein kalter Wind hatte sich aufgemacht. Hundert Yards zu ihrer Rechten befand sich ein Waldsaum aus mehr als hundert Jahre altem Bestand. Galaghan blickte zu diesem Wald hinüber und begegnete dann Danny Finchs Blick. Dieser schüttelte fast unmerklich den Kopf. Er schien dasselbe zu denken wie Galaghan.

»Jill«, rief Galaghan. »Fahren Sie noch hundert Yards weg von diesem Wald und stellen Sie die Wagen in Kreisformation auf.«

Die Wagen rumpelten weiter und bildeten weiter hinten einen geräumigen Kreis. Mike McLean entfachte das Feuer, und Danny Finch häutete das Schaf ab. Galaghan ging zu Jill hinüber und half ihr beim Ausschirren der Ochsen. Er konnte ihr Gesicht nicht mehr deutlich erkennen, aber er merkte ihr an, dass sie erschöpft war.

Eine Weile hantierte sie schweigend, und erst als die Ochsen ihr Futter hatten, sagte sie: »Es war ein anstrengender Tag heute.«

Galaghan wischte sich die Hände an der Hose ab.

»Dachten Sie, dass es eine Spazierfahrt würde?«

»Nein, das nicht. Aber es ist wegen Mrs. Avery. Sie ist keine robuste Natur.«

Galaghan blickte sie gerade an.

»Sie mögen mich jetzt vielleicht für gefühllos halten, Jill, aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Sie werden bald merken, dass wir noch viel zu langsam waren.«

Er ging, um die Wachen einzuteilen. Auf der Seite zum Wald hin verdoppelte er sie.

Inzwischen war es völlig dunkel geworden, und das Fleisch garte bereits über dem Feuer. Mike McLean schnitzte an einem Stock und schob ab und zu einen Holzscheit in die Glut. Hin und wieder blies der ungemütlich kalte Wind in die Flammen und ließ sie auflodern. Ein Zweig knackte, und Sid Meacham wehten einige Funken über die Hände. Fluchend zog er sie zurück. Dann suchten seine Augen Galaghan. Dieser wusste, was jetzt kommen würde. Er hatte schon darauf gewartet.

»Hätten wir unser Lager näher am Wald aufgeschlagen, dann wären wir vor diesem verdammten Wind geschützt.«

»Du vergisst, dass es hier Indianer gibt«, antwortete Galaghan ruhig. »Ich wollte ihnen die Annäherung nicht erleichtern, falls sie uns entdecken.«

»Ach was, Indianer«, sagte Sid geringschätzig. »Wir sind den ganzen Tag unterwegs gewesen. Wenn welche da wären, hätten wir sie gesehen. Oder hast du welche gesehen?«

»Er weiß aber, dass sie da sind«, mischte sich Danny Finch ein. Sid schwieg und steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke.

»Hast du sie gesehen?« wandte sich Galaghan leise an Finch.

»Ihre Fährte. Ein Dutzend oder auch mehr, konnte das nicht genau feststellen. Habe diese Fährte mehrere Male gekreuzt. Sie müssen uns beobachtet haben.«

Am Morgen hatte sich der Wind gelegt. Die Luft war kalt und roch nach Schnee. Die Indianer hatten sich nicht sehen lassen.

Mike McLean hatte den Kragen seiner Jacke hochgestellt und spie einen braunen Strahl Tabaksaft auf den Boden.

»Hast du das gesehen?« fragte Danny Finch und zupfte an seinem Schnurrbart.

»Was?« Galaghan wandte sich halb im Sattel um und sah den langen Büffeljäger fragend an.

»McLean kaut Tabak. Das bedeutet, dass sein Whisky alle ist. Dann kaut er nämlich immer.«

Galaghan brummte etwas vor sich hin. Seine Gedanken beschäftigten sich mit etwas anderem, und er sandte einen frostigen Blick zu den fernen Bergspitzen hin, die klar zu erkennen waren.

»Bevor wir am Pass sind, wird es Schnee geben«, sagte er. Danny Finch nickte.

»Ja, es wird Schnee geben. Und dann wird es kalt da oben, verdammt kalt.«

Galaghan ritt an diesem Morgen oft am Schluss des Zuges und blieb mitunter eine halbe Meile weit hinter den Wagen zurück. Aufmerksam beobachtete er das Land hinter sich. Es war nicht nur das Wetter und die Indianer, was ihn beunruhigte. Die beiden Reiter auf seiner Fährte waren längst fällig. Er kannte Männer ihres Schlages. Sie verloren seine Spur bestimmt nicht. Und Ochsengespanne kamen langsamer voran als Pferde, die nur ihre Reiter zu tragen hatten. Und wenn diese Männer erst einmal die Marschrichtung des Trecks kannten, brauchten sie sich nicht damit aufzuhalten, eine Fährte zu suchen. Dann gab es nur einen Weg – den Weg über den Pass.

Galaghans Blicke glitten über das wilde Land mit seinen spitzen Felsen, die teilweise im Schwarz der Wälder versanken. Heute war dieses Land still wie ein Friedhof.

Es war noch kein Frost in der Luft, aber Galaghan hatte bereits seine Jacke mit dem dicken Lammfellfutter an. Der Atem des Pferdes hing wie eine kleine Wolke in der Luft.

Rechts von ihm befand sich ein Felskamm. Wenn er dort hinaufstieg, musste er eine ausgezeichnete Sicht haben und weit in das Land zurückblicken können, aus dem sie gekommen waren.

Er trieb das Pferd mit den Schenkeln an und lenkte es einen schotterigen Hang hinauf. Auf halber Höhe blickte er sich um. Schotterfelder zogen sich wie Moränen in das Wald- und Buschland hinein. Der Rehbraune kletterte wie eine Ziege nach oben, und seine Hufe suchten in dem unsicheren Boden nach festem Halt. Die Kuppe des Hügelkammes war aus nacktem Gestein. Galaghan überließ es seinem Pferd, sich den Weg zu suchen, und blickte sich wieder halb im Sattel um. Das Land war endlos weit und unübersichtlich. Bewaldete Hügel, Felsschluchten und flache Plateaus wechselten einander ab und verloren sich irgendwo in der Ferne.

Plötzlich zog er die Zügel straff und saß ganz still. Er war nicht sicher, was er gesehen hatte, vielleicht einen Hirsch oder einen Bären. Seine Finger tasteten nach den Satteltaschen, ohne dass sich sein Blick von dem schmalen, langgestreckten Tal löste.

Dann hatte er das Glas gefunden und hob es an die Augen. Sein Mund presste sich zu einem grimmigen, dünnen Strich zusammen. Kein Zweifel, sie waren es. Diesen auffälligen Schecken kannte er. Zu oft hatte er ihn gesehen. Der Mann, der ihn ritt, hieß Quince Romero. Galaghan hatte ihn einmal in Fort Bridger aus der Nähe gesehen. Ein dunkelhäutiger Mann mit kleinen, tückischen Augen. Der andere war Phil Bowdry, einer von jener Sorte, die gegen Bezahlung alles tat, was ein Menschenhirn ersinnen konnte.

Galaghan ließ das Glas sinken und steckte es wieder ein. Diese beiden Männer waren eine ernste Gefahr für ihn, aber dennoch war er irgendwie erleichtert. Es war besser, zu wissen, wo der Gegner steckte. Sie waren noch viele Meilen entfernt und würden die Wagen heute nicht mehr einholen. Und morgen konnte Schnee fallen und die Situation völlig verändern.

Galaghan zog das Pferd herum und trieb es vorsichtig den Hang hinunter. Es war ihm klar, dass er diesen Kampf nur hinauszögern, aber nicht von sich abwenden konnte. Aber jetzt konnte er ihn am allerwenigsten gebrauchen. Er war entschlossen, ihn auch weiterhin hinauszuzögern. Wenigstens versuchen konnte er es, so lange, bis sie über den Pass waren.

Alma Dougherty saß neben ihrem Mann auf dem Kutschbock des Wagens. Sie hatte ihren Kopf trotzig erhoben, und in ihrem anmutigen Gesicht lag ein eigenwilliger Zug. Von Zeit zu Zeit warf sie ihrem Mann einen kurzen, heimlichen Blick zu. Bill Doughertys Züge waren mürrisch und verkniffen. Das kannte sie an ihm, und sie hatte gelernt, sich darüber hinwegzusetzen.

Jim Galaghan trieb sein Tier an der Reihe der Wagen vorbei und feuerte die Kutscher zur Eile an. Bill Dougherty fluchte.

»Der Kerl bringt die Ochsen noch um und uns dazu!«

»Ich finde, dass er recht hat«, sagte Alma spitz. »Je früher wir am Ziel sind, desto besser.«

»Ach was, er will sich wichtig machen!«

Galaghan trieb die Männer, die die Wagen lenkten, unaufhörlich zur Eile an. Die Männer murrten, aber die Luft wurde kälter, und sie mochten ahnen, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb.

Galaghan hielt sein Pferd ständig in schneller Gangart. Bald war er an der Spitze des Zuges und bald hinten am Schluss, von wo aus er jedes Mal einen prüfenden Blick auf das Land warf, das hinter ihnen zurückblieb. Danny Finch beobachtete ihn eine Weile und sagte dann: »Eine merkwürdige Hast, die du an den Tag legst. Es wäre klüger, haltzumachen und den Schneesturm abzuwarten.«

»Schneesturm?« Galaghan hob sein vom scharfen Reiten gerötetes Gesicht und blickte Danny Finch an, als wäre er aus tiefen Gedanken aufgeschreckt. Er wusste, dass es Schnee geben würde, aber seine Gedanken beschäftigten sich nur mit den beiden Männern, von denen einer einen Schecken ritt.

Danny Finch deutete zum Horizont.

»Siehst du die Wolke über den Bergkämmen? Sieht verdammt nach einem Blizzard aus.«

Galaghan starrte die Wolke an. Er wusste, was ein solcher Sturm in den Bergen bedeutete, und es war, als griffe eine eiskalte Hand nach ihm.

»Das hat uns noch gefehlt«, murmelte er. Er stemmte die Füße in die Bügel und hob sich etwas aus dem Sattel. »Los, Männer, noch schneller!«

Die Ochsen fielen in einen schwerfälligen Trab. Die Geräusche der eisenbeschlagenen Räder waren laut und scharf. Steine spritzten zur Seite oder wurden zermahlen. Der Weg fiel ab und führte durch eine steinige Mulde. Rechts erhoben sich schroffe Felswände, und im Osten erstreckten sich uralte Wälder. Riesige Douglastannen ragten an einigen Stellen aus dem lockeren Fichtenbestand.

Einer der Wagen schleuderte und stieß gegen einen Felsen. Das Wasserfass, das an dieser Seite befestigt war, zerbarst, und sein Inhalt ergoss sich über den Boden. Bill Dougherty fluchte und riss an den Zügeln, um nicht auf jenen Wagen aufzufahren. Galaghan drängte sein Pferd auf die andere Seite und besah den Wagen. Außer dem Wasserfass war alles heil geblieben.

»Los, weiter!« rief er.

Dougherty stand auf seinem Wagen und fuchtelte wild mit den Händen herum.

»In diesen Wagen befindet sich unsere ganze Habe«, schrie er. »Du hast kein Recht, das alles aufs Spiel zu setzen, Galaghan!«

»Ihr selbst habt alles aufs Spiel gesetzt und euer Leben dazu. Jetzt tut wenigstens das, was ich anordne!«

Eine Stunde später stießen sie auf den Fluss. Der Madison River hatte sich stellenweise tief in das Land gefressen, und die hohen Felswände konnten ein wenig Schutz bieten. Der Uferstreifen war breit genug, um auf ihm entlangzufahren.

Im Schutz einer Steilwand ließ Galaghan halten. Die Zugtiere standen breitbeinig und mit bebenden Flanken. Das Rumpeln der schweren Conestoga-Wagen war verstummt und täuschte eine seltsame Ruhe vor. Staub schwebte über dem Weg, den sie heruntergekommen waren.

Galaghan stieg ab, band den Rehbraunen an den Ast einer Ponderosafichte und blickte zum Himmel. Die schmutzig gelbe Wolke war höher gezogen. Ein steifer Wind blies durch das Tal und wechselte die Richtung. Er kräuselte die Oberfläche des Wassers und zischte durch die Bäume ans Ufer.

Galaghan winkte Danny Finch heran.

»Aus den halbhohen Fichten lassen sich Unterstände für die Zugtiere bauen. Teile ein paar Männer ein und überwache die Arbeiten. Du weißt schon, wie man so etwas macht.«

Danny nickte wortlos und ging. Galaghan schaute sich um. Die Leute standen unschlüssig herum, und es waren keine freundlichen Blicke, die ihn trafen. Aber sie alle mochten ahnen, dass irgendetwas auf sie zukam, von dem sie keine rechte Vorstellung hatten.

Jill McGrove kam auf ihn zu. Ihr Gesicht war gerötet, und er las Sorge darin.

»Wir hätten einen Wagen verlieren können«, sagte sie mit leisem Vorwurf in der Stimme.

»Besser als das Leben«, sagte Galaghan.

»Wissen Sie, was das für Leute bedeutet, die nichts weiter haben?« fuhr sie unbeirrt fort.

»Ich kann es mir denken.«

Sid Meacham, der etwas abseits stand, ließ ein humorloses Lachen hören.

»Meinst du, dass ihn das irgendwie berührt?«

Galaghan überging diese Bemerkung. Jill erfasste mit einer Geste alle Wagen und fragte: »Was haben Sie vor, Jim? Mussten wir deshalb so halsbrecherisch fahren, um hier Zeit für ein Picknick zu haben?«

Galaghans Blick wanderte zu der Gruppe Männer hinüber, die in dem halbhohen Fichtenbestand kleine, kreisrunde Flächen kahlschlugen.

»Sie haben keine Ahnung, was ein Schneesturm hier in diesen Bergen bedeutet, nicht wahr?« fragte er, ohne sie dabei anzusehen. »Sie werden bald Gelegenheit haben, diese Erfahrung zu machen.«

Jill McGrove schaute ebenfalls in die Richtung.

»Was tun die Männer da?«

»Wir müssen die Zugtiere schützen. Sie sind das Wichtigste, was wir haben. Aus diesem Grund wollte ich so schnell wie möglich hierher.«

»Und beinahe hätten wir dabei einen Wagen verloren«, beharrte Jill auf ihrem Standpunkt.

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Autor: Luke Sinclair

Luke Sinclair

1940 wurde ich in Halle/Saale geboren und wuchs in derselben Stadt auf.
1961 wechselte ich in die Bundesrepublik über. Einige Jahre später absolvierte ich bei der Studiengemeinschaft Kamprath in Darmstadt ein zweijähriges Fernstudium >Technik der Erzählkunst<. Danach schrieb ich meine ersten Western für Zauberkreis Verlag und BEWIN Verlag (letzterer für Leihbüchereien) und war dann über nahezu drei Jahrzehnte nebenberuflich als Romanautor für Kelter- und Bastei Verlag tätig.
Da ich mich nun seit einiger Zeit im Ruhestand befinde, habe ich mich größeren Projekten zugewandt. Mein erster gebundener Roman erschien 2008 unter dem Titel: „Roter Bruder Abel“ im WJK Verlag, Hilden. Ein historischer Roman, der sich mit der Eroberung und Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents befasst.
Ein weiterer Roman mit dem Titel: „Wer weiß schon, wann die Stunde schlägt“ erschien 2010.
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Leseprobe aus  1526  Seiten

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