Registrieren oder einloggen
Neu hier?

Für neue Kunden:

* Pflichtfelder

Einloggen

Für bereits registrierte Kunden:

* Pflichtfelder

Passwort vergessen?

Passwort vergessen?

Fordern Sie ein neues Passwort per Email an.
https://cdn.openpublishing.com/images/brand/19/logo.png
Login
https://cdn.openpublishing.com/images/brand/19/card.jpg 0 Artikel | US$ 0,00
Login
  • Home
  • Autoren
  • Bücher
    • Romane & Erzählungen
    • Krimis & Thriller
    • Liebe & Erotik
    • Fantasy & Mystery
    • Western & Abenteuer
    • Humor & Satire
    • Kinder & Jugendbücher
    • Sachbuch & Biografie
    • autorenedition sarabande
  • Autoren gesucht
  • Kontakt
  • Presse
Homepage
Im eBook lesen
Titel: Western Country Stories, Band 11 bis 20

Western Country Stories, Band 11 bis 20

von Luke Sinclair

Seiten: (ca.) 811
Erscheinungsform: Originalausgabe
Erscheinungsdatum: 1.12.2014
eBook-Preis: US$ 12,99 EUR
ISBN: eBook 9783956070174
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 12,99

JETZT KAUFEN BEI:
Amazon  Thalia  Weltbild  Apple  Google 

Autor

Autor: Luke Sinclair
Luke Sinclair (Autor:in)
33 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Auf in den Wilden Westen! Folgen Sie uns zurück in die Zeit, in der die Männer noch harte Kerle waren und mutige Sheriffs und Marshals das Gesetz mit dem Colt verteidigten. Wir stellen Ihnen die rauen Burschen vor, die als Erste dem Ruf nach Westen folgten, um dort Reichtum, Ruhm oder den Tod zu finden. Erleben Sie ihre Abenteuer, den Kampf mit Banditen, den Krieg mit Indianern und nicht zuletzt ihre Suche nach den feurigsten Damen in den Weiten der Prärie.

Dieser Sammelband präsentiert Ihnen Band 1-10 unserer beliebten Reihe „Luke Sinclair Western“:
• Hass und Tod sind wie Brüder
• Der Tod zählt die Meilen
• Der Scout Durango
• Durango – der Unbeugsame
• Narbengesicht-Gringo
• Die Legende von Donald McKaye
• Die Mühlen des Hasses
• Im Banne von El Lobo
• Das Halbblut von Tonto Creek
• Das Gold der Juaristas

Lassen Sie sich von den abenteuerlichen Kurzromanen packen, die von den 60ern bis in die 80er unzählige Leser begeisterten. Nutzen Sie den großen Preisvorteil unserer günstigen Sammelbände!

Details

Titel
Western Country Stories, Band 11 bis 20
Autor
Luke Sinclair
Seiten
811
Erscheinungsform
Originalausgabe
ISBN (ePUB): 9783956070174
Preis (Ebook)
US$ 12,99
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Impressum

Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München.

Originalausgabe © BASTEI, Bergisch Gladbach.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Luke Sinclair wird vertreten durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von canicula/shutterstock.com
ISBN: 978-3-95607-017-4

Besuchen Sie uns im Internet:
www.heypublishing.com
www.facebook.com/heypublishing

Stories aus dem Wilden Westen

Luke Sinclair Westernklassiker, Band 11-20

Hass und Tod sind wie Brüder

Es war ein verdammt heißer Tag. Meine Wasserflasche hatte ich schon gestern geleert, und meine Zunge erschien mir so trocken wie ein Eidechsenschwanz. Der Braune hinter mir schnaubte und hob witternd die Nüstern.

Ich drehte mich um.

Der Mann auf diesem Pferd litt nicht unter dem Durst. Für ihn spielte es keine Rolle, wann wir das nächste Wasser bekamen, denn er lag querüber dem Sattel und war in eine hässliche graue Segeltuchdecke gehüllt.

»Du brauchst gar nicht herumzuschnüffeln«, sagte ich zu dem Braunen, »es gibt in dieser Gegend kein Wasser. Wir müssen uns noch bis Holbrook gedulden.«

Hinter uns wand sich das Land unter der Hitze wie ein Wurm, aber zum Glück konnte ich keine Staubwolke erkennen. Es fehlte nur, dass sie mich hier einholten und ohne Wasser zwischen den glühenden Felsen festnagelten.

Der Falbe, den ich ritt, hob witternd den Kopf.

»Was habt ihr nur?« knurrte ich, aber dann roch ich es ebenfalls.

Irgendwo in der Nähe musste ein Feuer brennen. Aber da war noch ein anderer Duft, der direkt aus dem Himmel zu kommen schien.

Ich hatte seit Wochen keinen Kaffee mehr getrunken, und das da vor mir roch so, dass es mein Blut in Erregung brachte. Wo jemand Kaffee kocht, da gibt es bestimmt auch Wasser.

Als ich um eine Felsbarriere herumkam, konnte ich den Rauch des Feuers sehen. Ein schlechter Platz für ein Lager, zu wenig Sicht.

Nach Osten hin versperrte die Felsbarriere den Blick, und im Süden erstreckte sich eine Wildnis aus Felsbrocken und Ocotillo-Stauden.

Ich konnte niemanden sehen, und so hielt ich an. Das Pferd hinter mir schnaubte nervös, und ich muss sagen, dass auch ich mich nicht so ganz wohl fühlte, als ich die verkohlten Reste dieses großen Conestoga-Wagens entdeckte. Es musste schon am frühen Morgen passiert sein. Das Feuer hatte ihn etwa zur Hälfte verbrannt, und das verbliebene Holz rauchte nicht einmal mehr.

Ich hatte keinerlei Anzeichen bemerkt, die auf die Anwesenheit von Indianern hingewiesen hätten. Manchmal geschah so etwas auch durch Unachtsamkeit. Bei einem Indianermassaker dieser Art hätte es wohl auch keine Überlebenden und keinen Kaffee gegeben.

Das Feuer war fast niedergebrannt, aber es musste jemand da sein, der es bis jetzt in Gang gehalten hatte. Also ritt ich noch etwas näher heran. Es herrschte drückende Stille, und so hörte ich deutlich das leise Klicken, das entsteht, wenn jemand den Hahn einer Waffe spannt.

Ich hatte gerade den rechten Fuß aus dem Bügel gezogen, aber ich setzte meine Bewegung nicht fort. Geräusche dieser Art gefielen mir ganz und gar nicht.

»Bleiben Sie im Sattel sitzen, Mister, und machen Sie, dass Sie weiterkommen! Und wenn Sie sich auch nur umdrehen, dann schieße ich Sie nieder!«

Sie kam hinter den Trümmern des Wagens hervor, aber nur so weit, dass ich sie sehen konnte – sie, und das Schrotgewehr, das sie in den Händen hielt. Gewehrmündungen sehen fast alle gleich aus, es kommt nur darauf an, wer dahintersteht.

Ich konnte nicht einmal sagen, ob sie hübsch war. Ihre Bekleidung bestand aus irgendwelchen Fetzen, und der Teufel mochte wissen, wie die zusammenhielten. Ihre Haare waren zerzaust und voller Staub und das Gesicht eine schmutzige, verschmierte Maske, die sich offenbar aus Tränen und Staub gebildet hatte.

»Hallo, Ma'am«, sagte ich, und ich fand, dass es ziemlich albern klang. »Ich wollte nur einen Schluck Kaffee, wenn Sie erlauben, und ein wenig Wasser für meine Pferde, dann reite ich weiter.«

»Nein, ich erlaube nicht«, fauchte sie, »und versuchen Sie nicht, es dennoch zu tun.«

Durch die Kälte ihrer Stimme klang doch ein wenig Unsicherheit, aber gerade das schien mir gefährlich. Der Duft des Kaffees war sehr verlockend, und ich hatte mindestens seit einer Woche keinen mehr getrunken, aber mit einer Ladung Blei im Bauch schmeckt der beste Kaffee nicht mehr.

Ich zog meinen Gaul herum und ritt weiter. Sie konnte ja nicht ewig mit dem Gewehr dastehen. Ich ritt nach Süden durch die Ocotillos, und als ich sicher war, dass sie mich nicht mehr sehen konnte, schlug ich einen Bogen nach Westen, näherte mich erneut dem Lagerplatz, bis ich befürchten musste, dass sie die Hufschläge meiner Pferde hören konnte, und ließ die Tiere zurück.

Vorsichtig schlich ich heran. Sie hatte das Gewehr gegen die Wagentrümmer gelehnt und damit begonnen, ein paar Steine auf einen frisch aufgeworfenen Erdhügel zu wälzen. Ich sah, dass ihre Hände aufgeschürft und blutig waren, und begriff ihr Verhalten. Sie musste schlimme Dinge erlebt haben.

Ich wusste nicht, wen sie dort begraben hatte, nicht, woher sie kam oder wohin sie ging. Aber ich konnte sie dort nicht einfach sich selbst überlassen, denn außer ihr schien sich niemand mehr hier aufzuhalten.

Zuerst musste ich das Gewehr haben. Ich wartete deshalb, bis sie sich etwas entfernte, um einen neuen Stein zu holen, und lief mit ein paar schnellen Schritten zu dem Wagen.

Sie fuhr herum, als sie mich hörte, aber da hatte ich das Gewehr schon in den Händen. Sie blieb stehen, und ihre blauen Augen waren dumpf und erloschen.

»Kann ich jetzt den Kaffee haben?«

»Sie nehmen sich ja doch, was Sie haben wollen.«

»Ich weiß nicht, wen Sie da begraben, Ma'am«, sagte ich ruhig, »aber er hätte wissen müssen, dass das hier kein guter Platz ist.«

»Das geht Sie nichts an. Nehmen Sie sich den Kaffee und was Sie sonst noch wollen, und dann verschwinden Sie!«

Ich zuckte mit den Achseln und wandte mich dem Eisenkessel zu, der über dem Feuer hing. Ich musste sie erst an meine Gegenwart gewöhnen. Sie wirkte wie ein frisch gefangenes Tier, das gerade seine Freiheit verloren hat und nur noch Feinde um sich sieht.

Ich hob einen Blechbecher auf, der achtlos hingeworfen neben der Feuerstelle lag, und schöpfte damit Kaffee aus dem Topf. Dabei hatte ich nicht mehr auf sie geachtet, und das erwies sich als dummer Fehler.

Etwas knallte mir von hinten an den Kopf, und mein Schädel dröhnte wie eine Glocke. Es schien, als wäre ich durch einen pechschwarzen Tunnel gekrochen, und es dauerte verdammt lange, bis es wieder hell um mich wurde.

Das Dröhnen war noch immer da. Ich versuchte den Kopf zu heben. Es ging, aber ich fühlte mich ziemlich benommen. Ich konnte die beiden Pferde sehen und den Toten auf dem Braunen.

Dann sah ich die Frau. Sie saß auf der anderen Seite neben mir, und sie hatte ihr Gesicht gewaschen. Es sah jung aus und entbehrte nicht eines gewissen Reizes, obwohl sie einen sehr mitgenommenen Eindruck machte.

»Es tut mir leid«, sagte sie, doch ihre Stimme klang ohne jede Spur von Emotion.

Ich tastete nach meinem Hinterkopf und fühlte eine riesige Beule, die bei der geringsten Berührung schmerzte.

»Es hätte mir mehr genützt, wenn es Ihnen vorher leid getan hätte«, entgegnete ich ziemlich mißgelaunt.

»Immerhin hätte ich Sie töten können.«

»Und warum haben Sie es nicht getan?«

Sie deutete auf den Toten und sagte: »Wegen dem da.«

Ich muss wohl ein ziemlich entgeistertes Gesicht gemacht haben.

»Sie sind ein Mann, der von seinem Revolver lebt«, sagte sie, »ein Killer.«

Ich schaute sie eine Weile an, und sie hielt meinem Blick stand. Ich hatte den Eindruck, dass der Schmerz aus ihren Augen gewichen und nur noch ein unergründlicher Hass zurückgeblieben war.

»Sie sind sehr schnell mit Ihren Urteilen, und Sie haben eine verdammt direkte Art an sich.«

Sie füllte den Becher, der mir vorher begreiflicherweise aus der Hand gefallen war, neu mit Kaffee und reichte ihn mir. Ich nahm ihn, schlürfte die heiße Flüssigkeit und merkte, dass es mir guttat.

»Wie lange habe ich hier gelegen?«

»Nicht lange. Es hat gerade gereicht, Ihre Pferde zu finden.«

Ich wusste nicht genau, was hier vorgefallen war, aber ich vermied es, sie anzuschauen. Meine Blicke glitten über den verbrannten Wagen und blieben auf dem frischen Grabhügel hängen.

»Mein Mann«, sagte sie neben mir, und es befand sich nicht das leiseste Zittern mehr in ihrer Stimme. »Es waren drei Kerle. Sie kamen gestern abend hier vorbei. An unserem Wagen war ein Rad gebrochen, und sie boten uns ihre Hilfe an. Mein Mann wollte es nicht, aber sie waren zu dritt, und da wäre es wohl nicht klug gewesen, sie mit Gewalt vertreiben zu wollen. Wir hatten einen anstrengenden Tag hinter uns, und wir konnten nicht die ganze Nacht wach bleiben.«

Sie schwieg einen Moment, und ich unterbrach ihr Schweigen mit keinem Wort. Nach einer Weile fuhr die Frau fort: »Sie müssen ihn im Schlaf getötet haben, und ich habe es nicht einmal bemerkt. Die eine dieser Bestien hatte eine Machete bei sich. Ich erwachte erst, als es schon vorbei war. Ich setzte mich auf ohne recht zu begreifen. Die Burschen lachten, und der eine warf mir etwas in den Schoss, und ich sah, dass es … Ach, ich bringe es nicht über die Lippen. Ich weiß nicht mehr, was ich als nächstes tat. Ich kam erst später wieder zur Besinnung, als sie schon fast mit mir fertig waren. Dann zündeten sie den Wagen an, aus Zorn darüber, weil sie unser Geld nicht gefunden hatten.«

Die Frau hatte nicht viele Worte gemacht, aber sie hatte eigentlich alles gesagt, was zu sagen war. Ich goss den Rest des Kaffees in den Sand und erhob mich. In meinem Schädel schien ein Specht zu sitzen, der einen verdammt harten Schnabel hatte. Ich verzog das Gesicht und fuhr mir mit der Hand über den Nacken.

»Womit haben Sie mir denn dieses Ding verpasst?«

Sie deutete auf die Schaufel. »Ich hatte sie gerade in der Hand.«

»Haben Sie keine Pferde mehr?« Die Frau schüttelte den Kopf. »Sie haben sie mitgenommen.«

»Die nächste Stadt heißt Holbrook«, sagte ich, »mein Pferd wird es schaffen, uns beide bis dorthin zu tragen.«

Sie schien mich gar nicht gehört zu haben. Sie schaute irgendwohin und sagte: »Sechshundert Dollar sind es, die diese Kerle nicht gefunden haben. Zweihundert für jeden. Werden Sie es dafür tun?«

»Der Sheriff in Holbrook wird sich Ihrer Sache annehmen.«

Sie sah mich mit ihren blauen Augen an.

»Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich bin eine Fremde in dieser Stadt, und ich will meine Geschichte nicht irgendeinem Sheriff erzählen, der dann erklärt, dass die Burschen längst über alle Berge seien. Nein, ich will sie haben, alle drei, und ich will dabeisein, wenn sie sterben. Und sie sollen wissen, warum, sollen begreifen, was es für ein verhängnisvoller Fehler für sie war, als sie vergaßen, mich auch zu töten.«

»Tut mir leid«, sagte ich, »ich habe im Moment meine eigenen Probleme.«

»Sind drei Männer zuviel für Sie, oder sind sechshundert Dollar zuwenig?« fragte sie gehässig.

»Ich bin kein Killer, der für Geld andere Männer umbringt.«

»Dann schleppen Sie wohl aus Vergnügen diesen stinkenden Kadaver mit sich herum?«

»Zugegeben, ich lebe von meinem Revolver, aber die Männer, die ich töte, sind von einem ordentlichen Gericht verurteilt worden. Und ich tue es auch dann nur, wenn sie nicht freiwillig mitkommen.«

Die Frau kam auf mich zu, und zum ersten Mal sah ich trotz der Lumpen, dass sie eine Figur hatte, die einen Mann in Versuchung bringen konnte. Ich wandte mich ab und nahm die Zügel des Braunen.

»Die drei haben meinen Mann umgebracht, heimtückisch im Schlaf ermordet, ohne ihm eine Chance zu geben. Wozu brauchen Sie da noch einen Richterspruch?«

»Es hat noch einen anderen Grund«, erwiderte ich und deutete auf den Toten unter der grauen Decke. »Dieser Mann da hat noch einen Vater und drei Brüder. Sie stehen den Lumpen, mit denen Sie zu tun hatten, in nichts nach, und im Augenblick sind sie hinter mir her. Sie würden auch Sie nicht verschonen, wenn sie Sie mit mir zusammen erwischen.«

Sie sagte kein Wort mehr, aber ich sah. ihr an, dass sie ihr Vorhaben niemals aufgeben würde. Sie saß hinter mir auf, und als wir durch die glühende Sonne ritten, spürte ich die Formen ihres Körpers, die sich durch den dünnen Stoff an meinen Rücken pressten.

Und ich hatte so eine Ahnung, dass der Ärger mit ihr noch lange nicht vorüber war.

Es befanden sich nicht viele Menschen auf der Straße, als wir Holbrook erreichten, und der Ort machte einen etwas verschlafenen Eindruck. Es gab nur ein paar Saloons, die mich aber im Moment nicht interessierten.

Während des zweistündigen Rittes hätten wir kein Wort mehr miteinander gesprochen, aber nun bat die Frau mich, anzuhalten. Sie sprang hinter mir vom Pferd und sagte: »Ich denke nicht daran, zu diesem Sheriff zu gehen und die ganze Geschichte zu wiederholen. Ich brauche weder Ihr Mitleid noch das dieser Leute. Und wenn Sie meinen Vorschlag nicht annehmen wollen, dann vergessen Sie lieber die ganze Geschichte.«

Ehe ich noch etwas sagen konnte, lief sie davon. Ich zuckte mit den Achseln und setzte meinen Ritt fort. Wie schon gesagt, ich hatte meine eigenen Probleme! Und hier gab es genug andere Menschen, die sich um die Frau kümmern konnten.

Die »Fracht«, die ich in die Stadt brachte, erregte nun doch einiges Aufsehen. Es kommt nicht jeden Tag ein Mann mit einem Toten in die Stadt geritten, und ich beeilte mich, diesen loszuwerden.

Nachdem ich die Formalitäten beim Sheriff erledigt hatte, brachte ich zunächst die beiden Gäule in den Mietstall. Dann sah ich mich nach einem Hotel um. Es gab nur ein einziges, und so fiel mir die Wahl nicht schwer.

Der Mann am Empfangspult sah mir entgegen, als ob er auf mich gewartet hätte.

»Sehr wohl, Mr. Boyle«, sagte er eilfertig, als ich nach einem Zimmer fragte. »Diese Treppe hinauf und die dritte Tür rechts. Mrs. Boyle ist bereits oben und erwartet Sie, Sir.«

Die Nachricht, dass ich eine Ehefrau besaß, brachte mich eine Sekunde aus der Fassung, aber der Mann hatte mich in diesem Moment nicht angesehen, und da ich im allgemeinen nicht sehr begriffsstutzig bin, bemerkte er auch nichts davon.

Ich war also ein gewisser Mr. Boyle, und da oben wartete meine Frau auf mich. Und ich wusste genau, wer diese Frau war. Sie hatte Nerven, das musste ich ihr zugestehen.

Als ich das Zimmer betrat, stand sie vor dem etwas fleckigen Spiegel und probierte ein neues Kleid an, und ich sah erst jetzt, dass sie eine richtige Frau war, mit allem, was eine richtige Frau haben muss. So eine, wie sie sich ein Mann manchmal in seinen Träumen vorstellt, wenn er lange unterwegs war und ein paar Gläser Whisky getrunken hat.

»Ich habe mir einige Sachen gekauft, während Sie beim Sheriff waren.«

Es sollte unbefangen klingen, aber mir fiel das leichte Vibrieren in ihrer Stimme auf.

Ich sagte kein Wort, goss mir etwas Wasser in die Schüssel und spülte den Staub aus meinen Poren.

»Was hätten Sie getan, wenn der Hotelclerk mich zuerst nach meinem Namen gefragt hätte?« fragte ich schließlich und griff nach dem Handtuch.

»Da er es nicht getan hat, lohnt es sich auch nicht, weiter darüber nachzudenken. Übrigens habe ich Sie sehr gut beschrieben.«

»Sie vergeuden Ihre Zeit.«

»Wer weiß«, entgegnete sie. und es klang ziemlich sicher, »vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal.«

Ich warf das Handtuch in die Ecke, drehte mich entschlossen um – und blies langsam die Luft aus.

Die Frau saß auf der Kante des Bettes, und das Kleid war vorn so weit offen, dass ich das meiste ihrer Brüste sehen konnte. Sie schaute mich an. Es sollte lässig wirken, aber ich konnte ihre Erregung und die bange Erwartung in ihren Augen erkennen.

»Sie würden wohl alles tun, um ihn zu rächen?« Die leichte Geringschätzung, die ohne mein Wollen in meiner Stimme mitklang, schien sie mehr zu treffen als alles, was ich ihr sonst hätte sagen können. Ihre Augen sahen mich wild an, und um ihren Mund zuckte es leicht.

»Es waren drei Männer, schmutzige, verdreckte und rohe Kerle, die mich weiß Gott nicht geschont haben. Nun habe ich gedacht, dass es unter diesen Umständen auf einen vierten wohl nicht angekommen wäre, Mister.«

Sie tat mir leid, wegen dem, was sie durchgemacht hatte, und weil ihre Seele dabei gestorben war. Es war nur noch der Hass, der in ihrem Körper weiterlebte und sie langsam zu verzehren drohte. Und ich wusste auch, dass niemand ihr helfen konnte. Ich am allerwenigsten.

Hinter mir waren ein paar üble Halunken her, und wenn ich mich durch diese Frau ablenken ließ, dann war es um mich geschehen.

»Was sind Sie nur für ein Mensch? Aber Männer Ihres Schlages müssen wohl so sein.«

Sie kam langsam auf mich zu. Ihre Augen, ihr Mund, die Gestalt mit den erregt wogenden Brüsten – alles an ihr war eine einzige Versuchung. Aber ich sah sie nur einen Moment stumm an, während ich das Verlangen in mir niederzwang, und nahm dann meinen Hut.

»Ich gehe noch auf einen Sprung in den Saloon«, sagte ich mit ruhiger Stimme, »und es ist das beste, wenn Sie verschwinden, bevor ich zurückkomme.«

Ich wusste nicht, wohin sie hätte gehen sollen und sie sicher auch nicht, aber darum konnte ich mich im Moment nicht kümmern.

An der Tür wandte ich noch einmal den Kopf nach ihr. Sie stand noch immer an der gleichen Stelle und starrte mich an.

»Und vor allem, sehen Sie zu, dass Sie diesen Hass loswerden, er wird sonst noch mehr Opfer von Ihnen fordern.«

»Was habe ich schon noch zu geben«, entgegnete sie bitter.

Hinter mir fiel die Tür ins Schloss, und ich ging den schwach erleuchteten Gang entlang. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.

Aus dem Saloon fiel gelbliches Licht auf die staubigen Bretter des Gehsteigs. Ein Klavier klimperte verstimmt, und ein kreischendes Lachen drang mit dem Dunst von Whisky und schalem Bier nach draußen.

Mir war nicht nach Amüsieren zumute. Ich wollte nur einen oder zwei Whisky trinken, denn am nächsten Tag musste ich schon sehr zeitig aufbrechen.

Ich blieb etwa eine halbe Stunde in dem Saloon, dann ging ich wieder. Doch an der Tür stockte mein Fuß, als mein Blick über die halbhohen Schwingtüren hinweg nach draußen fiel.

Vier Pferde standen dort, die vorher nicht dagewesen waren. Sie sahen staubig und ziemlich abgetrieben aus. Aber ihre Reiter waren bestimmt nicht in den Saloon gekommen, und das konnte nur einen ganz bestimmten Grund haben. Sie hatten mich gesehen und warteten jetzt darauf, dass ich herauskam. Doch sie waren keine Anfänger, sie hatten ihre verdammten Gäule nicht ohne Grund hier stehenlassen.

Sie wollten, dass ich sie sehen sollte, denn dann würde ich zögern und hier im hellen Licht stehenbleiben.

Blitzschnell waren diese Gedanken durch meinen Kopf gezogen, aber nicht schnell genug, um dieser tückischen Gefahr auszuweichen.

Etwas fetzte splitternd durch das dünne Holz der Schwingtür, und ich bekam einen harten Schlag, der mich halb herumriss. Aber ich ging nicht zu Boden, sondern zog mit der rechten Hand instinktiv den Revolver und warf mich nach vom durch die unter dem Anprall meines Körpers aufspringenden Türflügel. Meine Gedanken schienen auszusetzen. Ich hatte nur das Bestreben, dem Licht, das hinter mir im Saloon war, zu entgehen.

Ich schlug auf die rauen Bohlen des Gehsteigs, und mein erster Schuss ließ die Lampe über dem Eingang zersplittern.

Aus der Dunkelheit auf der anderen Seite der Straße flammten mir Mündungslichter entgegen. Ich fühlte, dass ich irgendwo getroffen war, aber ich wusste nicht wo. Der Schock, der noch in mir saß, ließ mich keinen Schmerz spüren. Wie betäubt feuerte ich auf die Feuerblitze.

Irgendwo wieherte ein Pferd. Die große Scheibe des Saloons hinter mir fiel laut klirrend in sich zusammen. Frauen kreischten. Ich raffte mich auf und rannte die Straße entlang. Das Blut lief warm an meinem Arm herunter und tropfte von den Fingerspitzen. Ich wusste nicht, ob ich jemanden getroffen hatte. Im Moment fiel kein Schuss mehr. Die Straße war still und menschenleer.

Dann erst spürte ich den Schmerz, der dumpf und pochend in meiner Schulter stach. Verdammt, ich konnte den linken Arm nicht mehr gebrauchen.

Ich blieb stehen und drückte mich keuchend gegen die dunkle Wand in meinem Rücken. Mit einer Hand versuchte ich meinen Revolver nachzuladen, während ich die leere Straße nicht aus den Augen ließ.

Irgendwo in der Dunkelheit lauerten sie auf eine Bewegung von mir: Abner Cornish und seine verruchten Söhne.

Ich schob mich vorsichtig an der Wand entlang, stolperte über irgend etwas und fing mich wieder. Meine Schulter stieß gegen die Wand, und der Schmerz brachte mich fast um. Ich fluchte, während aus einer Hausnische heraus auf mich geschossen wurde. Neben mir bohrte sich eine Kugel in das Holz, Ich feuerte zurück, aber es war bereits wieder ruhig an dieser Stelle, und wahrscheinlich gab es für mich auch nichts mehr zu treffen. Doch da krachte von einer anderen Stelle her ein Schuss.

Ich duckte mich und stellte das eigene Feuer ein. Es war im Augenblick besser für mich, wenn ich mich ruhig verhielt und Munition sparte, wenigstens solange ich keinen meiner Gegner sehen konnte. Es war verdammt schwer, mit einer Hand den Revolver zu laden. Ich durfte vor allem hier nicht stehenbleiben, sondern musste versuchen, mein Hotelzimmer zu erreichen, denn der hohe Blutverlust hätte mich sehr schnell geschwächt. Ich kannte das von früheren Verletzungen her. Aber es musste so geschehen, dass ich sie damit nicht auf meine Fährte lockte. Mich durfte also niemand sehen. Das Hotel befand sich auf der anderen Seite der Straße. Da konnte ich aber nicht hin, ohne von ihnen zusammengeschossen zu werden.

Ich erreichte eine schmale Gasse und rannte in ihr entlang. Hinter mir hörte ich Geräusche. Wahrscheinlich hatten sie mich bemerkt und folgten mir. Ich versuchte, schneller zu laufen, aber das konnte ich wegen der starken Schmerzen nicht lange durchhalten. Dann erreichte ich einen Hinterhof und stolperte über leere Konservendosen und übelriechende Abfälle. An einer dunklen Stelle blieb ich stehen und wartete. Auch ich war kein Anfänger in diesem Geschäft, und ich wusste, dass planloses Davonrennen die Überlebenschancen nur verringerte.

Ich wartete, bis einer der Burschen auftauchte. Er beging den Fehler, mich zu unterschätzen, und rechnete wohl nicht mit einem Hinterhalt. Ich gab zwei schnelle Schüsse ab und sah ihn fallen. Ein paar Blechbüchsen schepperten über den Boden, dann war es still.

Ich zog mich langsam und vorsichtig zurück, ohne die schwarzen Schatten der Gebäude zu verlassen. Von der Stelle her, wo der andere liegen musste, hörte ich ein gepresstes Fluchen. Also lebte er noch, und wo die anderen im Augenblick steckten, wusste ich nicht.

Zwischen Kistenstapeln zog ich mich weiter zurück. Der Plan, das Hotel zu erreichen, schien mir im Moment recht aussichtslos. Vielleicht konnte ich im Mietstall unentdeckt mein Pferd satteln. Aber selbst wenn es mir hätte gelingen können, auf diese Weise die Stadt zu verlassen, wäre ich wohl mit dieser gottverdammten Kugel in meiner Schulter nicht weit gekommen. Doch ich konnte es wenigstens versuchen. Denn wenn ich bis zum nächsten Tag in dieser Stadt geblieben wäre, hätte es für mich kaum noch eine Möglichkeit gegeben, ihnen noch zu entkommen.

Der Mietstall lag auf dieser Seite der Straße, und es gelang mir, ihn von hinten zu erreichen. Aber von dort aus konnte ich nicht ins Innere gelangen. Ich ging also zur Straße vor, und da es noch nicht spät war, sah ich Licht nach draußen schimmern.

Das große Tor stand offen, und auf der Straße war niemand zu sehen. Ich schob mich dicht an der Wand entlang und lauschte in den Stall hinein.

Ein Pferd schnaubte und stampfte mit den Hufen. Irgendwo raschelte Stroh, aber es waren keine Stimmen zu hören. Nun, ich hatte nicht viel Zeit zu verlieren und huschte schnell hinein.

Jemand schoss auf mich. Die Kugel zupfte an meiner Jacke und pfiff nach draußen. Pferde wieherten schrill auf und tänzelten erregt, drängten in den Boxen hin und her. Der unsichtbare Schütze feuerte weiter. Ich sprang zurück und lief über die Straße. Den Plan, mein Pferd zu erreichen, konnte ich ebenfalls aufgeben. Weiter gingen meine Gedanken nicht. Ich musste nur schnell weg. Jemand schoss hinter mir her, und ich musste diesem tödlichen Feuer entgehen.

Ich erreichte die andere Seite, aber ich fand keine Deckung. Eine Kugel ließ neben mir eine Scheibe zerspringen. Die nächste konnte mich treffen. Ich rannte weiter und beharkte dabei das Tor des Mietstalles mit heißem Blei, selbst auf die Gefahr hin, mein eigenes Pferd dahinter zu treffen. Ein Stück weiter die Straße hinauf schrie jemand etwas. Ich wandte den Kopf und sah die anderen kommen. Ein einziger Schuss trieb sie in den Schatten der Häuser, aber sie feuerten nun ebenfalls. Die Mündungsblitze ihrer Schüsse sprangen in der Dunkelheit hin und her. Eine Kugel riss mir das Bein weg. Ich knickte ein, fiel gegen die Wand und rutschte an ihr herunter. Meine Zähne knirschten hart aufeinander, und mein Körper bäumte sich auf, als wollte er sich gegen ein unvermeidliches Schicksal stemmen.

Einen Moment blieb ich an die Wand gelehnt sitzen und tastete nach meinem Oberschenkel, fühlte das klebrige Blut und fluchte zwischen den zusammengepressten Zähnen hindurch. Dann stemmte ich mich mit dem gesunden Bein an der Wand hoch und humpelte bis zur Ecke einer schmalen Seitengasse. Dort feuerte ich einen Schuss ab und verschwand im schwarzen Schatten zwischen den Häusern. Irgendwo über mir wurde ein Fenster zugeschlagen. Ich blieb stehen und drückte mich eng an die Wand. Sie würden sich hüten, mir ein zweites Mal unmittelbar zu folgen.

Ich zog meine Jacke aus und wickelte sie so gut es ging um die Wunde am Oberschenkel.

Das Hotel befand sich kaum mehr als hundert Yards entfernt auf meiner Seite der Straße. Mit etwas Glück konnte ich es vielleicht auf der Rückseite der Häuserreihe erreichen. Aber wie lange ich dort in Sicherheit sein würde, das wusste allein der Teufel. Doch darüber brauchte ich mir noch keine Gedanken zu machen, bis jetzt hatte ich es noch nicht erreicht. Vorläufig war es nur ein Versuch, und er konnte nur gelingen, wenn ich keine Blutspuren hinterließ, die meinen Gegnern später den Weg wiesen. Ich steckte die Hand des verletzten Armes in meinen Hemdausschnitt, um auf diese Weise das Heruntertropfen von Blut wenigstens für eine Weile zu verhindern, und presste die andere Hand auf den primitiven Verband am Oberschenkel.

Von meinen Verfolgern war noch nichts zu entdecken. Sie lauerten in sicherem Abstand wie Jäger auf das Verenden des angeschossenen Wildes.

Aber noch war ich nicht soweit.

Ich humpelte weiter durch die enge Gasse, Hinter mir krachte ein Schuss und dann ein zweiter. Sie mussten mich gehört haben, aber offensichtlich konnten sie mich nicht sehen.

Dann hörte ich, wie sie hinter mir herkamen, doch ich konnte nicht auf sie schießen. Wenn ich die Jacke losließ, die ich um meinen Oberschenkel gewunden hatte, musste ich befürchten, dass sie herunterfiel.

Ich erreichte die Ecke eines Hauses und hinkte so schnell es die Schmerzen erlaubten an seiner Hinterseite entlang. Ich fühlte das Blut aus meinen Wunden strömen und Schwäche in mir aufkommen. Wenn ich ihnen nicht bald entkam, dann würde mir das nie mehr gelingen. Ich konnte versuchen, ungesehen in mein Hotelzimmer zu gelangen.

Doch was kam dann?

Spätestens am nächsten Morgen wusste man, wo ich war.

Meine Schritte wurden immer langsamer und mein Atem immer lauter. Schweiß brach mir aus allen Poren. Ich wusste nicht, wie weit es noch bis zum Hotel war, aber mir wurde klar, dass meine Verfolger schneller vorankamen als ich.

In einer Lücke zwischen zwei Häusern führte eine schmale Holztreppe nach oben. Ich glaubte nicht, dass ich es bis da hinauf schaffen würde. Auf keinen Fall aber schnell genug, denn ich hörte bereits ihre tapsenden Schritte. Ich ging um diese Treppe herum und drückte mich unter ihr an die Hauswand. Zum Glück war es an dieser Stelle völlig finster. Ich unterdrückte meinen keuchenden Atem so gut es ging und zog den Revolver. Schweiß perlte auf meiner Stirn und lief mir an den Schläfen herab. Wenn sie mich entdeckten, dann konnte ich nur noch versuchen, einen oder zwei von ihnen mitzunehmen, wenn ich zur Hölle ging.

Ich wartete, und allmählich wurde mein Atem tatsächlich ruhiger. Doch gleichzeitig spürte ich, wie meine Beine immer schwächer wurden. Der Revolver in meiner Hand schien mindestens zwanzig Pfund zu wiegen. Zwischen den dicken Brettern der Treppenstufen hindurch konnte ich undeutlich ihre dunklen Gestalten erkennen. Ich hätte mindestens einen von ihnen erwischen können, aber ich wollte damit warten, bis sie mich aufstöberten.

Sie kamen noch näher, und ich vernahm ihre Stimmen.

»Verdammt, er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Er muß hier sein.«

»Hat keinen Zweck, sage ich euch. Es ist zu dunkel hier. Wir haben ihn zweimal getroffen, wir brauchen also nichts mehr zu riskieren, um ihn zu erwischen.«

»Ich will ihn aber jetzt haben. So viel Glück, wie der Hundesohn bis jetzt gehabt hat, gibt es doch nicht.«

»Beruhige dich, mein Sohn.« Das mußte der Stimme nach Abner Cornish sein. »Wir sind die Werkzeuge Gottes, und Gottes Gerechtigkeit kann er nicht entkommen. Ich versichere dir, daß wir ihn morgen erwischen.«

Der andere brummte noch etwas, dann entfernten sie sich.

Ich wartete, bis ich nichts mehr von ihnen hören konnte, dann steckte ich den Revolver ein und seufzte erleichtert. Aber ich wußte, daß Cornish recht hatte.

Nun, aufgeben konnte ich immer noch, wenn es soweit war. Vorläufig achtete ich darauf, keine Blutspur zu hinterlassen und schleppte mich weiter. Irgendwie erreichte ich den Hintereingang des Hotels, der zu meiner Erleichterung offen war. Ein enger, dunkler Flur führte neben der Treppe in den Empfangsraum.

Ich drückte mich rasch an die Wand, als durch die Vordertür zwei Männer hereinkamen. Sie konnten mich nicht sehen im Schatten der Treppe, und sie selbst standen im Licht. Es waren Jeremias und Horace Cornish, zwei von Abners Söhnen.

»Das Gästebuch«, sagte Jeremias.

»Die Herren wollen ein Zimmer?« fragte der Hotelclerk unsicher.

»Rede keinen Unsinn, Mann«, schnauzte Horace grob. »Wir haben keine Zeit zum Schlafen.« Und dann an Jeremias gewandt: »Was willst du denn mit diesem verdammten Buch? Wir sehen einfach in allen Zimmern nach, und dann wissen wir Bescheid.«

»Meine Herren, ich …«, stotterte der Hotelclerk.

»Freundchen«, sagte Horace zischend, »mach uns keine Schwierigkeiten.«

»Bleib hier!« Jeremias' Stimme klang leicht ungeduldig. Er wirkte neben dem großen, bulligen Horace ausgesprochen zierlich. »Wenn er wirklich ein Zimmer hier hat, wirst du ihn jetzt nicht darin finden. Aber in diesem Buch sehen wir es. Ich habe dir immer gesagt, es ist gut, wenn man ein bißchen lesen kann.«

»Er muß aber hier sein. Es gibt kein anderes Hotel.«

»Würdest du in diesem Hotel übernachten, wenn du wüßtest, daß jemand hinter dir her ist?« fragte Jeremias.

Horace schwieg einen Moment, den der Hotelclerk ausnützte, um zu erklären: »Wir haben nicht viele Gäste. Nur ein Mister Boyle mit seiner Frau.«

»Den werden wir uns ansehen«, brummte Horace, aber Jeremias sagte: »Du weißt so gut wie ich, daß Dave Kirby keine Frau bei sich hat. Vor zwei Tagen hatte er jedenfalls noch keine.« Er zog das Buch zu sich heran und schaute hinein. »Es stimmt. Wie viele Ärzte gibt es in der Stadt?«

»Nur einen. Dr. Sand wohnt gleich neben dem Black Horse Saloon.«

»Komm!« sagte Jeremias, und die beiden gingen hinaus.

Ich blieb vorläufig noch dort, wo ich war, denn ich wollte vermeiden, daß der Mann hinter dem Empfangspult mich sah. Aber ich wußte nicht, wie lange ich mich noch auf den Beinen halten konnte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich in den angrenzenden Raum ging.

Ich verlor keine weitere Minute und schleppte mich die Treppe hinauf. Es begann mir vor den Augen zu flimmern, und die Anstrengung trieb mir erneut den Schweiß aus den Poren. Wenn mein Zimmer auch nur zwei Schritte weiter gewesen wäre, hätte ich es wohl nicht mehr geschafft. Ich kippte gegen die Tür. Sie gab unter meinem Gewicht nach, und ich machte noch einen hilflosen Schritt, ehe ich auf den Boden schlug.

Es konnte nur Sekunden gedauert haben, in denen mein Bewusstsein ausgesetzt hatte. Ich spürte kleine, aber energische Frauenhände, die vergeblich versuchten, mich auf eines der beiden Betten zu ziehen.

Sie war also noch immer da, und in dieser Situation gab es wohl nichts Besseres, was mir passieren konnte. Ihre Versuche verursachten mir höllische Schmerzen. Ich presste die Zähne zusammen und keuchte: »Nicht auf das Bett.«

Die Frau hielt inne und schaute verständnislos auf mich herab. Es lag eben so in mir drin, immer an ein Überleben zu denken, auch wenn die Chancen dafür noch so gering waren.

»Es darf keine Blutspuren geben.«

»Aber Sie sind verletzt«, begehrte sie auf, »gefährlich verletzt. Sie können darauf jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich werde einen Arzt holen, wenn es hier einen gibt.«

Sie hatte noch immer nicht begriffen, und ich hielt ihre Hand fest.

»Keinen Arzt, hören Sie, was auch passiert. Wenn der Doc hierherkommt, dann kann er gleich den Totengräber mitbringen.«

Sie zog ihre Hand aus der meinen und richtete sich auf, schaute zu mir herunter, aber es war kein Mitleid in ihren Augen. Ich war sicher, daß es dieses Gefühl in ihrem Leben nie mehr geben würde.

»Ich glaube, Sie reden schon im Fieber«, sagte sie. »Ich habe die Schüsse gehört. Was ist eigentlich geschehen?«

Ich ließ den Kopf zurücksinken und starrte auf die Zimmerdecke.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie hinter mir her sind. Die Kerle werden morgen die ganze Stadt nach mir durchsuchen. und wenn sie mich finden, dann ist es aus mit mir.«

»Es gibt doch einen Sheriff hier.«

»Der Sheriff ist ein alter, friedlicher Mann, der sich nicht gern erschießen läßt. Besonders nicht wegen eines Mannes, bei dem der Tod Berufsrisiko ist.«

»Wie viele sind es?«

»Vier.«

»Dann bin ich gespannt, was Sie tun werden.«

Ich schwieg einen Moment, denn ich wußte es selbst nicht. Dann versuchte ich, erneut den Kopf zu heben.

»Als erstes muß die Kugel aus meiner Schulter, und das müssen Sie allein tun. Ich bin auf solche Fälle vorbereitet. Ich lebe zwar von meinem Revolver, aber nicht vom Töten. Manchmal hole ich auch die eigene Kugel aus der Wunde eines anderen. In meiner Satteltasche sind ein paar Instrumente dafür.«

Ich wußte nicht, ob sie es tun würde, denn was konnte ich ihr jetzt noch nützen?

Sie sagte nichts, holte ein Kissen vom Bett und stopfte es mir unter den Kopf. Dann schaute sie mich eine Weile nur an und sagte schließlich: »Ich werde mir heißes Wasser besorgen und ein paar saubere Tücher.«

Ich wollte etwas einwenden, aber sie ließ mich nicht erst zu Wort kommen. »Keine Angst, ich lasse mir schon etwas Glaubhaftes einfallen.«

Es dauerte nicht lange, bis sie mit einem dampfenden Eimer zurückkam. Da ich ruhig lag, bluteten meine Wunden nicht mehr so stark. Sie goss Wasser in eine Schüssel, schlitzte die Hose auf und wusch das Blut von meinem Oberschenkel.

»Ein Durchschuss«, stellte sie sachlich fest. »Das hier wird Ihnen nicht viel zu schaffen machen.«

Sie legte einen festen Verband an und holte dann aus meinen Satteltaschen die Instrumente. Ich bin zwar kein Arzt, aber ich befand mich oft in Situationen, wo man sich selbst helfen musste, wenn man überleben wollte.

»Mit der Blasiuszange da müssen Sie die Kugel herausholen«, erklärte ich ihr, »aber machen Sie sie vorher gut sauber.«

Sie hielt die Zange in die Höhe und sah mich dann an.

»Werden Sie das aushalten, so ohne jedes Mittel?«

»Ich werde darüber nachdenken«, murmelte ich. »Und nun fangen Sie endlich an.«

Es blieb mir nichts weiter übrig, als es auszuhalten, obwohl alle Martern der Hölle nicht schlimmer sein konnten. Aber ich hörte noch die Kugel in die Schüssel fallen, ehe ich ohnmächtig wurde.

Als ich wieder zu mir kam, konnten erst wenige Minuten vergangen sein. Die Frau war dabei, meine Schulter zu verbinden.

»Das Schlimmste haben Sie wohl hinter sich«, sagte sie aufmunternd. Mein Mund war heiß und trocken.

Ich sagte: »Die Halunken haben mein Pferd. Das ist wohl mindestens ebenso schlimm.«

»Der Gaul nützt Ihnen sowieso nichts, selbst wenn Sie reiten könnten. Sie haben ebensogut wie ich gesehen, dass diese Stadt in einem engen Tal mit steilen Wänden liegt und nur zwei Wege hinausführen. Der eine, auf dem wir gekommen sind, und der andere nach Süden. Die Männer brauchen also nur diese beiden Wege zu kontrollieren, und Sie können nicht an ihnen vorbei, ob mit oder ohne Pferd.«

Ich schwieg, denn sie hatte völlig recht.

»Jetzt können Sie sich aufs Bett legen«, sagte sie, »aber ich kann Sie nicht allein tragen.«

Mit ihrer Hilfe gelang es mir, das Bett zu erreichen, und ich fiel so erschöpft darauf nieder, als wäre ich eine ganze Woche nicht aus dem Sattel gekommen. »Ehe Sie einschlafen, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen«, sagte sie, und als ich nickte, fuhr sie fort: »Ich versuche, Sie morgen hier herauszubringen. Und als Gegenleistung werden Sie mir versprechen, jene drei Lumpen zu töten, die meinen Mann auf dem Gewissen haben.«

Einen Moment war es sehr still im Raum, und mir wurde klar, dass ich diese Frau immer noch unterschätzt hatte.

»Bei Gott, Sie sind kalt wie eine Hundeschnauze«, murmelte ich. Ihre blauen Augen sahen mich eisig an. »Die richtige Begleiterin für einen Killer, wie?« Verdammt, ich hatte keine andere Wahl, als ihr dieses Versprechen zu geben, wenn ich auch nur noch die leiseste Spur einer Chance haben sollte, hier herauszukommen. Und sie wusste es auch. Ohne fremde Hilfe war ich in meinem Zustand verloren. Und sie spielte diese Trumpfkarte skrupellos aus.

»Wie wollen Sie das denn anstellen?« fragte ich zweifelnd. »Diese Burschen sind nicht von gestern.«

Trotzdem begann in mir bereits eine leichte Hoffnung zu keimen. Keiner von ihnen würde mich mit dieser Frau in Verbindung bringen. Aber schließlich konnte sie mich nicht in einem Koffer abtransportieren.

»Darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Sie brauchen nur Ihr Versprechen zu geben, nichts weiter.«

»Und Sie trauen dem Wort eines Killers?«

»Wenn Sie es nicht halten, werde ich schon jemanden finden, der Sie umlegt. Also, was ist?«

Ihre Stimme war kalt und hart. Ich war wütend darüber, dass irgendeine Frau mich so in die Enge treiben konnte, aber ich war viel zu schwach, als dass sie davon etwas merken konnte.

»Sie haben mein Wort, Partner«, sagte ich mit grimmiger Ironie. »Ich heiße übrigens Dave Kirby, nicht Boyle. Doch es war gut, dass Sie keine Ahnung hatten.«

»Sabrina«, sagte sie nüchtern, »das ist alles, was Sie über mich zu wissen brauchen. Und die sechshundert Dollar Blutgeld, von denen wir gesprochen hatten, werde ich Ihnen jetzt natürlich nicht mehr zählen.«

»Die dürften Sie auch kaum noch besitzen, wenn ich wieder in der Lage bin, mein Versprechen einzulösen. Das Leben ist teuer, besonders, wenn man auf der Flucht ist.«

»Schlafen Sie jetzt lieber. Ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen.«

Sie nahm den Eimer und verließ den Raum.

Eine Weile starrte ich noch auf die Tür, die sich hinter ihr geschlossen hatte, und ich kann nicht sagen, dass ich ein gutes Gefühl dabei hatte, ehe ich einschlief.

Es war bereits heller Tag, als Sabrina mich weckte. Ich wollte instinktiv hochfahren, aber die Schmerzen, die ich dabei empfand, ließen mich sehr schnell wieder in meine scheußliche Situation zurückfinden.

»Hinter dem Haus steht ein zweispänniger Ranchwagen«, sagte sie. »Glauben Sie, dass Sie es bis dahin schaffen werden?«

»Ich denke ja. Aber der Hotelclerk wird mich sehen.«

»Ich habe ihn mit einer Depesche zum Telegraphenbüro geschickt. Und jetzt müssen wir uns beeilen, er kann jeden Augenblick zurückkommen.«

Ich setzte mich stöhnend auf die Bettkante.

»Was haben Sie vor?«

»Für ein Frage- und Antwortspiel haben wir jetzt keine Zeit«, drängte sie. »Ich wollte Sie bis zur letzten Minute schlafen lassen, denn es wird keine gemütliche Fahrt für Sie werden.«

Das gesunde Bein trug mich recht gut, aber das andere tat höllisch weh, doch ich musste es aushalten.

»Mein Revolver«, sagte ich gepresst.

»Den brauchen Sie jetzt nicht.«

»Ich brauche ihn immer. Also schnallen Sie ihn mir um!«

Sie kam meiner Aufforderung nach, nahm meine Satteltaschen und mein Gewehr in die linke Hand und stützte mich mit der rechten Schulter. Auf diese Weise gelangten wir über die Treppe und hinter das Haus, wo der kleine Ranchwagen wartete. Als ich ihn sah, blieb ich unwillkürlich stehen.

»Was soll das?« entfuhr es mir, denn auf der kleinen Ladefläche stand ein offener Sarg.

»Sie können es natürlich lassen«, antwortete Sabrina bissig, »dann wird man Sie eben etwas später hineinlegen, ohne Sie zu fragen.«

Wer legt sich schon gern in einen Sarg, aber natürlich hatte sie recht. Ich konnte nicht wählerisch sein. Sie half mir auf den Wagen und bemerkte: »Der Gedanke kam mir, als Sie den Totengräber erwähnten.«

»Sie glauben doch nicht, dass Sie damit durchkommen?« wandte ich skeptisch ein.

»Wir müssen es versuchen. Oder haben Sie einen besseren Vorschlag?«

Ich hatte keinen, also legte ich mich in diese verdammte Kiste. Immerhin hatte ich ja noch meinen Revolver. Er würde wohl wieder einmal, wie so oft in meinem Leben, die letzte Instanz sein.

Sabrina beeilte sich, den Deckel zu schließen, und sie schlug ein paar Nägel hinein. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, das mich dabei beschlich, und es könnte wohl auch kaum jemand nachempfinden. Es gibt nicht viele Menschen, die jemals gehört haben, wie man ihren eigenen Sarg zunagelt.

Es war völlig dunkel um mich, und ich bemerkte nur am Schütteln und Holpern und am Mahlen der Räder, dass sich der Wagen in Bewegung setzte. Ich wusste nicht, wohin Sabrina fuhr. Es war ein verdammt unangenehmes Gefühl, sich völlig auf einen anderen Menschen verlassen zu müssen. Ein Gefühl, das ich vorher nie gekannt hatte.

Der Wagen rollte ruhiger, und ich merkte daran, dass wir auf der großen Straße fuhren. Dieser Gedanke erzeugte eine Hitze in mir, die mich zum Schwitzen brachte.

Ich konnte nicht abschätzen, welche Strecke der Wagen zurückgelegt hatte, bis er plötzlich anhielt. Jemand rief etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann hörte ich knirschende Schritte unmittelbar neben dem Wagen.

»Was wollen Sie von mir?« fragte Sabrina abweisend.

»Nichts, Ma'am. Es interessiert uns nur, was Sie da auf Ihrem Wagen unter der Plane versteckt haben.«

Das war die scheinheilig-freundliche Stimme von Abner Cornish, hinter der sich mehr Gemeinheit verbarg, als man einem Menschen zutrauen konnte.

»Ich habe nichts zu verstecken, und außerdem geht Sie das nichts an, Mister. Wir leben in einem freien Land und …«

»Und deshalb nehmen wir uns die Freiheit und sehen nach.«

Das musste Isaak sein, der dritte von Abners Söhnen.

»Ich kann Sie wohl nicht daran hindern«, sagte Sabrina kühl.

Ich hörte, wie jemand die raue Plane herunterzog, und meine Hand tastete nach dem Revolver. Wenn es nur zwei waren, konnte ich den einen erwischen, sobald er den Sargdeckel anhob. Sabrina hatte noch das Gewehr. Wenn sie damit umzugehen verstand, konnte ihr ein Schuss auf den zweiten Mann gelingen. Doch so viel Glück würden wir wohl nicht haben.

Es war verdammt eng in diesem Kasten. Einen Moment war es still, dann fragte Sabrina: »Haben Sie nun gesehen, was Sie wollten?«

»Wer ist da drin?«

»Mein Mann. Und ich bin Mrs. Boyle.«

»So?« fragte Abner Cornish gedehnt.

»Wo wollen Sie denn mit ihm hin? Der Friedhof liegt nicht in dieser Richtung.«

»Nach Globe, dort sind wir zu Hause, und dort soll er begraben werden. Wir waren hier nur auf der Durchreise.«

»Und da ist er gestorben«, sagte Abner, und es klang verdammt nicht so, als ob er diese Story glaubte.

»Ja«, antwortete Sabrina fest.

»So ganz plötzlich, wie?«

»Er hatte ein schwaches Herz, und die Reise und die Hitze müssen ihn wohl zu sehr angestrengt haben. Gestern bekam er einen Herzanfall und …« Sie begann plötzlich zu schluchzen: »Mein Gott, muss ich Ihnen das alles erzählen?«

Sie konnte wirklich gut lügen, aber schließlich war sie eine Frau.

»Ich will doch lieber mal kurz hineinsehen«, sagte Isaak.

»Haben Sie keine Ehrfurcht vor einem Toten?« rief Sabrina empört. »Hier ist der Totenschein, den der Doc gestern ausgestellt hat. Vielleicht glauben Sie ihm, denn er konnte ja nicht wissen, dass ich ihn für diesen Zweck brauchen würde.«

Ich begann diese Frau trotz ihrer Kaltschnäuzigkeit zu bewundern. Sie hatte wirklich an alles gedacht. Aber zugleich wurde mir auch klar, wie dünn das Eis war, auf das wir uns gewagt hatten.

Sie konnte nicht wissen, dass Horace und Jeremias abends zuvor im Hotel waren und der Clerk doch bestimmt das Ableben dieses Mr. Boyle erwähnt hatte. Es war nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Sabrina nicht gerade auf diese beiden getroffen war.

»Lass die Finger von dem Sarg!« befahl Abner Cornish. »Keine solche Frau würde für einen Killer wie Kirby auch nur einen Finger rühren. Ma'am, wir sind gottesfürchtige Leute, auch wenn die Wege des Herrn manchmal recht verschlungen sind. Auch der Erzengel Gabriel trug ein Schwert. Möge der Verstorbene in Frieden ruhen.«

Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung, und nicht einmal die Tatsache, dass ich in einem Sarg lag, konnte meine Erleichterung wesentlich dämpfen.

Doch diese Regung in mir war nicht von langer Dauer. Der Weg wurde immer unebener, und das Rütteln des harten Wagens verursachte mir Höllenqualen. Die Sonne brannte auf meinen Sarg, es wurde unerträglich heiß, und ich konnte mich nicht einmal bemerkbar machen. Ich wusste nicht, wohin diese Frau mich bringen wollte, aber ich hatte längst aufgehört, mir darüber noch Gedanken zu machen. Hauptsache, dass die Begegnung mit Abner Cornish und seinen Söhnen glimpflich verlaufen war.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Wagen endlich wieder anhielt, und ich nahm es nur noch mit halbem Bewusstsein wahr. Ich konnte auch nicht sagen, ob der Blutverlust der letzten Nacht oder der Mangel an Luft oder sonst etwas anderes daran schuld war. Ich vernahm undeutlich, wie die Nägel im Holz quietschten, als der Deckel aufgestemmt wurde, und die plötzliche Helligkeit traf mich mit schmerzhafter Wucht. Ich konnte nicht behaupten, dass es an meinem Körper irgendeine Stelle gab, die nicht weh tat. Die Schmerzen waren überall mit dumpfer Gleichmäßigkeit, und wenn ich mich bewegte, besonders dort, wo ich verwundet war, mit unerträglicher Heftigkeit.

Ich muss wohl auch nicht sehr gut ausgesehen haben, denn ich hörte direkt, wie sie erschrak.

»Mein Gott!« entfuhr es Sabrina. Eine kühle Hand legte sich auf meine Stirn. Ich empfand sie jedenfalls als kühl, obwohl sie es bestimmt nicht war, bei der Hitze.

»Sie haben Fieber«, sagte sie, und es klang wieder so nüchtern wie eh und je. Sie hob meinen Kopf etwas an und flößte mir Wasser ein. Und obwohl es abgestanden sein musste, war es das Beste, was mir jemals über die Zunge rann. Danach fühlte ich mich besser, und wir setzten den Weg fort. Ich war wohl ziemlich erledigt, denn ich verlor jegliches Interesse an meiner Umwelt.

Sabrina hatte aus der Plane einen Sonnenschutz gefertigt, doch ich war in dem gottverdammten Sarg liegengeblieben. Allerdings war er nun offen, und das kam mir so vor, als ob ich in das Leben zurückgekehrt wäre.

Trotz der zum Teil harten Stöße auf dem schlechten Weg und der Schmerzen, schlief ich schließlich ein oder wurde ohnmächtig. Ich weiß es nicht mehr genau. Überhaupt bleibt das, was in der nächsten Zeit passierte, in nebliges Dunkel gehüllt, und ich wusste nicht zu sagen, ob es Tage oder Wochen gedauert hatte. Nur Bruchstücke bestimmter Begebenheiten waren lückenhaft in meinem Gedächtnis verblieben.

Das alles war überschattet von Schmerzen, Durst und unerträglicher Hitze.

Wie Sabrina mir später berichtete, waren wir mehr als drei Tage unterwegs gewesen, und ich hatte hohes Fieber gehabt. Es hatte Stunden gegeben, in denen sie nicht mehr daran zu glauben gewagt hatte, dass ich es überstehen würde. Doch offenbar war meine Zeit wohl doch noch nicht gekommen, und der Teufel musste sich noch eine Weile gedulden, bis er mich holen konnte.

Ich erinnere mich, dass wir irgendwann eine kleine Hütte erreichten, die irgendwo in den Bergen lag. Ich weiß nicht mehr, wovon wir lebten, aber ich lernte Sabrina als eine Frau kennen, die mit allen Situationen fertig wurde.

Schließlich kam der Tag, an dem das Fieber wich und meine Wunden zu heilen begannen und ich die Frage stellte, wo wir uns eigentlich befänden.

Sabrina zuckte mit den Achseln. Sie hatte abgenommen. Das kam wohl von der harten Arbeit, die sie tun musste, und vielleicht auch von der spärlichen Nahrung.

»Utah oder Colorado. Wer weiß das schon so genau. Diese Hütte hier gehörte früher mal einem Mexikaner. Vor vielen Jahren war ich mit meinem Mann einmal hier, und wir wollten diesmal eigentlich wieder hier Station machen, denn dieser Mexikaner war ein sehr gastfreundlicher Mann. Ich glaube, er hatte uns gern und wir ihn auch.«

»Und wo ist er jetzt?« wollte ich wissen.

Sie zuckte wieder mit den Achseln, und diesmal lag eine traurige Resignation in dieser Geste.

»Vielleicht ist er fortgezogen, oder die Indianer haben ihn umgebracht. Wer weiß.«

»Haben Sie welche gesehen, seit wir hier sind?«

Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, huschte die Andeutung eines Lächelns über ihre Züge.

»Nein«, antwortete Sabrina. »Aber ich glaube, Sie sind auf dem Wege zur Genesung.«

Sie hatte recht. Meine Wunden heilten, aber gleichzeitig rückte auch der Tag näher, an dem ich mein Versprechen einlösen sollte. Das stimmte mich mitunter nachdenklich, denn ich hatte mich an das Zusammenleben mit Sabrina gewöhnt. Ich war bald soweit hergestellt, dass ich die Jagd übernehmen konnte, von der wir leben mussten. Nur das Schlagen von Feuerholz bereitete mir noch Schwierigkeiten. Der Sarg war längst verbrannt, auch die kleinen Äste, die in der Nähe der Hütte zu finden waren.

Die Jagd glückte nicht immer, und so kam ich diesmal nur mit einem armseligen Kaninchen nach Hause.

Wir hatten in all der Zeit nicht mehr über diese drei Kerle gesprochen, die damals ihren Mann getötet hatten. Aber irgendwann würden wir es tun müssen, und ich hatte das Gefühl, dass wir schon zu lange hier oben in dieser Hütte waren.

»Die Gäule setzen langsam Fett an«, sagte ich, als wir an diesem Abend beim Essen saßen.

»Wir können uns Zeit lassen.« Sabrina hob nicht einmal den Blick dabei, und ich wunderte mich über ihre Ruhe.

»Ich möchte sicher sein, dass Sie dieser Aufgabe auch wirklich gewachsen sind.«

»Ich kann reiten und schießen. Worauf wollen Sie noch warten? Die Fährte der drei ist längst kalt, und wir wissen nicht, wo wir sie finden können.«

Sie schaute mich an, und in ihren Augen sah ich die gleiche eisige Kälte wie an jenem Tag, an dem ich ihr zum ersten Mal begegnete.

»Kennen Sie San Ignacio?«

»Das ist unten in Sonora, glaube ich.«

»Als sie mich für bewusstlos hielten, haben sie sich über etwas unterhalten. Am 16. September wollten sie in San Ignacio sein. Das ist der mexikanische Unabhängigkeitstag, und da ist in allen Orten in Sonora 'ne Menge los. Ich weiß nicht, ob das der Grund ist, weshalb sie dahin wollen, aber ich hatte das Gefühl, sie wollten sich dort mit jemandem treffen.«

»Vielleicht nur ein Trick, um Sie auf eine falsche Fährte zu locken.«

»Nein«, sagte sie überzeugt, »dann hätten sie nicht einen Termin genannt, der noch so weit entfernt liegt. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt mit Schwierigkeiten meinerseits rechnen. Auf jeden Fall werden wir am 16. September in San Ignacio sein.«

Am nächsten Tag zog ein Unwetter auf, und ich musste schon zeitig von der Jagd zurückkehren. Aber ich hatte Glück und ein Hirschkalb geschossen, das für die nächsten Tage ausreichen würde.

Ein scharfer Wind begleitete mich, als ich die Hütte erreichte, und der Himmel verdunkelte sich. Ich sattelte zunächst das Pferd ab und ging ins Haus. Sabrina stand am Herd und schürte das Feuer. Der Wind blies Staub herein, und ich schlug die Tür zu.

Ein Heim, eine Frau am Herd – die Situation kam mir irgendwie grotesk vor. Bisher hatte ich nie länger als ein paar Tage an einem Ort verbracht, und es war wirklich wieder an der Zeit weiterzureiten.

»Ein Unwetter zieht auf«, sagte ich völlig unnötigerweise.

Der Wind rüttelte am Haus, und der Regen setzte mit plötzlicher Heftigkeit ein, klatschte gegen die Wände und prasselte schwer auf das Dach der kleinen Hütte.

Ich hielt es für besser, die beiden Pferde in den Stall zu bringen. Als ich zurückkam, stand Sabrina in der offenen Tür.

»Glauben Sie, dass diese Männer die Suche nach Ihnen aufgegeben haben?«

Ihre plötzliche Frage überraschte mich.

»Nein«, erwiderte ich, »aber ich hoffe, sie haben unsere Fährte verloren und suchen irgendwo im Süden.«

Es war irgendeine Angst in ihren Augen, die ich früher nie an ihr bemerkt hatte, doch es schien so etwas wie weibliche Regungen in ihr zu geben.

»Wie kommen Sie gerade jetzt darauf?« fragte ich.

»Als Sie im Stall bei den Pferden waren …«

Ihre unruhigen Blicke glitten an mir vorbei, und in das Heulen des Sturmes mischte sich plötzlich noch ein anderes Geräusch, das meine Aufmerksamkeit von ihr ablenkte. Es klang wie das Schürfen eines Stiefelabsatzes auf hartem Boden.

Mein erster Gedanke war, dass es Abner Cornish doch noch gelungen sein musste, unserer Fährte bis zu dieser Hütte zu folgen, und meine Rechte glitt zum Revolver, als ich mich schnell umdrehte. Aber es war weder Cornish noch einer seiner Söhne, der da durch den Regen auf uns zukam, sondern ein Fremder mit hartem Gesicht und hagerer Gestalt. Seine Kleidung war recht nachlässig und vom Regen aufgeweicht. Er hatte einen Revolver in der Hand, und sein höhnischer Blick tastete uns ab.

»Hallo!« sagte er und schob sich mit der freien Hand den Hut aus der Stirn. Dann wandte er sich um und rief: »Ihr könnt herkommen! Dies hier ist ein gemütliches Plätzchen, schätze ich.«

Zwei weitere Männer, die drei Pferde hinter sich herzogen, tauchten aus den Büschen auf. Man sah auf den ersten Blick, dass diese Tiere hart getrieben und in sehr schlechtem Zustand waren. Alle drei Männer waren bis an die Zähne bewaffnet.

Banditen auf der Flucht, vermutete ich.

»Wirklich, ein gemütliches Nest habt ihr hier«, wiederholte der erste, »und was zu essen wird es auch geben.« Er ging unaufgefordert in die Hütte und sah sich um, während die beiden mich beobachteten.

»Jagen Sie sie weg!« bat Sabrina leise, aber eindringlich. Ich hatte die Hand noch immer am Revolver, aber die beiden Männer bei den Pferden schienen nur darauf zu warten, dass ich ihn zog. Ihre Gedanken waren allzu deutlich von ihren Gesichtern abzulesen. Wenn sie mich über den Haufen knallten, dann hatten sie alles, was sie wollten: eine Mahlzeit, einen warmen Schlafplatz – und die Frau.

Ich folgte dem Mann, der der älteste der drei zu sein schien, in das Innere der Hütte. Ich kannte Typen ihrer Art von früheren Zusammenstößen her. Es war besser, wenn man sie nicht in der Nähe hatte.

»Macht, dass ihr weiterkommt!« sagte ich.

Der Mann steckte den Revolver ein und hielt die Handflächen über die wärmende Herdplatte.

»Es wird bald dunkel«, sagte er. »Ihr könnt uns doch nicht in diese scheußliche Nacht hinausschicken.«

Die anderen ließen die Pferde draußen und kamen nun ebenfalls herein. »Wir wollen nichts von euch«, sagte der kleinere von ihnen, »nur eine Nacht Ruhe für uns und unsere Gäule. Sie schaffen es nicht mehr weit.«

»Dann bleibt die Nacht über im Stall.« Der Mann am Herd musterte mich mit einem prüfenden Blick, und er mochte genügend Menschenkenntnis besitzen, um zu sehen, dass ich nicht wie der Typ aussah, der hier in einer abgelegenen Hütte lebt und ein stilles Glück genießt. »Nun, ihr wart zwar zuerst hier«, sagte er selbstsicher, »aber uns gefällt es nun mal hier besser als im Stall. Nicht wahr, Jungs?«

Die anderen beiden beobachteten mich und Sabrina mit harten, glitzernden Augen. Sie waren bereit, was auch immer ich in den nächsten Augenblicken zu tun gedachte. Das Kräfteverhältnis war recht ungleich verteilt. Es wäre töricht gewesen, wenn ich versucht hätte, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.

»Also gut«, stimmte ich widerstrebend zu, »aber kommt uns nicht zu nahe.«

»Natürlich nicht«, erklärte der Ältere sofort, der auch der Anführer zu sein schien. Der Tonfall seiner Stimme zeigte mir, dass sie mich nicht mehr ernst nahmen. Ich hatte nachgegeben, und nun glaubten sie, dass sie mit mir noch eine Menge Spaß haben würden. Und nicht nur mit mir.

Sabrina ergriff plötzlich das Gewehr, das hinter ihr an der Wand lehnte.

»Wenn Sie die Burschen nicht davonjagen, dann tue ich es.«

Ihre Augen blitzten wild. Ich riss ihr das Gewehr aus der Hand und hielt sie an der Schulter fest. Dabei zerriss ihr Kleid, und ein Stück der nackten Schulter war zu sehen.

»Bleib ruhig, verdammt noch mal!« herrschte ich sie an. »Ich weiß schon, was ich tue.«

»Schaut euch diese kleine Katze an«, sagte einer der Banditen, der einen schwarzen, ungepflegten Bart trug, »scheint uns nicht zu mögen. Aber sie kennt uns ja noch nicht.«

Die anderen lachten.

»O doch, ich kenne euch«, sagte Sabrina voller Hass, »und ich werde euch die Hälse durchschneiden, wenn ihr in dieser Nacht auch nur ein Auge zumacht!«

Der ältere der Burschen grinste.

»So eine habe ich mir schon immer gewünscht, Jungs.«

»Glaubst du denn, dass du sie zähmen kannst?« frotzelte der Kleine grinsend.

Ich musste Sabrina abermals festhalten, um sie an einer Dummheit zu hindern. Aber ich konnte sie verstehen.

Diese Szene erinnerte sie an etwas, das niemals ganz aus ihrem Leben getilgt werden konnte.

»Du wirst dir deine Krallen schon noch abwetzen«, sagte der Bärtige zu ihr und deutete mit einem Kopfnicken auf mich. »Sieh dir deinen Cowboy an, er weiß, wie er sich richtigen Männern gegenüber zu benehmen hat.«

In mir stieg eine heiße Wut hoch, aber ich wusste, dass sie mich absichtlich reizten, um mich aus der Reserve zu locken, und ich tat ihnen den Gefallen nicht. Der Druck meiner Hand an Sabrinas Arm verstärkte sich warnend.

»Mach uns etwas zu essen«, sagte ich.

»Na, seht ihr«, sagte der Bärtige frohlockend, »das wird noch ein gemütlicher Abend. Vielleicht habt ihr auch noch einen Schluck Brandy hier, und ihr werdet sehen, was für umgängliche Leute wir sind.«

Sie hielten sich für die Herren der Lage, und im Moment waren sie das wohl auch. Und sie würden ihre Späße immer weiter treiben. Meine einzige Trumpfkarte in diesem Spiel war, dass sie mich unterschätzten und mir nichts zutrauten.

Sabrina machte sich am Herd zu schaffen, und die drei Männer beobachteten sie unausgesetzt. An ihren gierigen Blicken erkannte ich, dass sie sich lange Zeit da draußen herumgetrieben haben mussten. Es genügte schon ein kleiner Funke, um dieses Pulverfaß ihrer Begierden zur Explosion zu bringen.

»Unsere Gäule stehen noch immer draußen im Regen«, sagte der Anführer zu mir. »Du könntest sie eigentlich in den Stall bringen und ihnen etwas Heu vorwerfen.«

»Ich bin nicht euer Pferdeknecht«, entgegnete ich verächtlich.

Der Mann grinste.

»Hast du gehört, Shorty?« sagte er zu dem Kleinen. »Er will nicht.«

»Er traut uns nicht«, brummte der Bärtige.

Shorty schielte zum Herd hin.

»Ich mache das schon. Wir wollen doch vor dem Essen keinen Streit anfangen.«

Er ging hinaus, und der Bärtige beobachtete mich lauernd. Er schien doch nicht so recht zu wissen, was er von mir halten sollte. Ich wusste nicht, ob ihn das neugierig oder vorsichtig machen würde.

Shorty kam nach wenigen Minuten zurück und schüttelte das Wasser von seinen Kleidern.

»Das ist ein Wetter, sage ich euch. Wir können diesem Gentleman hier dankbar sein, dass er uns so freundlich eingeladen hat.« Er zog seine Jacke aus und ging mit ihr auf die Seite des Raumes, wo meine Winchester an der Wand lehnte.

»Bleib da drüben bei den anderen!« sagte ich ruhig, aber unmißverständlich.

Der Kleine sah mich einen Moment unschlüssig an, aber in diesem Augenblick brachte Sabrina das Essen auf den Tisch, und Shorty ging zu den anderen hinüber und setzte sich mit ihnen an den Tisch.

Wenn ich gehofft hatte, sie würden sich mit gefüllten Bäuchen zufriedengeben, so war das ein Trugschluß. Unmittelbar nach dem Essen sagte der Anführer der drei: »Wir haben noch immer keinen Brandy bekommen. Was meint ihr, Jungs, wir könnten doch jetzt einen guten Schluck vertragen, oder?«

»Es gibt keinen Brandy«, erklärte ich entschieden. Sie hätten ja doch keine Ruhe gegeben. »Überhaupt ist es besser, wenn ihr jetzt verschwindet.«

»Nun wird er aber ziemlich unfreundlich«, bemerkte Shorty mit gespieltem Bedauern in der Stimme. Der Bärtige bohrte mit den Fingern in seinem Mund herum und zog sich die Fleischreste aus den Zähnen.

»Er hat nur Angst, dass er es hinterher mit seiner Lady zu tun bekommt. Die mag uns nämlich nicht.«

»Wir werden schon dafür sorgen, dass sie uns in angenehmer Erinnerung behält«, sagte der Anführer.

Ich warf einen kurzen Blick durch das Fenster nach draußen. Der Sturm peitschte noch immer den Regen vor sich her, und es war inzwischen dunkel geworden. Ich hörte Sabrinas unterdrückten Schrei und fuhr herum. Der Anführer der drei Burschen hatte sie bei der Taille gepackt und versuchte, sie an sich zu ziehen.

Mit zwei schnellen Schritten war ich bei ihm und knallte ihm meine Faust aufs Kinn. Der Schlag warf ihn gegen den Herd. Noch während er rückwärts taumelte, griff der Bärtige zum Revolver, aber ich muss sagen, dass er nur mittelmäßig war. Obwohl ich diesen Schlag ausgeführt hatte, brachte ich den Revolver schneller heraus als er. Die Kugel durchschlug seinen Arm. Die Waffe polterte auf den Fußboden, und der Mann ging aufheulend in die Knie. Pulverdampf zog durch den engen Raum in der Hütte, und die kleine Flamme der Kerosinlampe flackerte leicht. Die Töpfe auf dem Herd schepperten gegeneinander. Der Mann davor stieß einen heiseren Schrei aus, als er mit der Hand auf die heiße Platte griff. Er spuckte Blut und ein paar Zähne aus. Pfeifend zog er die Luft über die abgebrochenen Zahnstummel.

Ich hatte den Revolver noch immer in der Hand und machte einen Schritt rückwärts.

»Ich habe euch gewarnt, und ich schieße jeden nieder, der sich an meiner Frau vergreift, merkt euch das!«

Der Kleine starrte mich an, und er machte erst dann seinen Mund zu. Sein Gesicht war ein wenig blass.

»Schon gut, Mister«, stammelte er, »Hank wird sie bestimmt in Ruhe lassen.«

Hank nickte und fuhr sich mit dem Handrücken über den zerschlagenen Mund.

»Ich wusste ja nicht, dass sie deine Frau ist. Du kannst mir glauben, die Frau eines anderen rühre ich nicht an.«

Seine Stimme klang etwas fremd durch die fehlenden Zähne und die anschwellenden Lippen.

Diese Burschen waren wirklich nur mäßige Klasse. Ich hatte solche Typen schon früher kennengelernt. Sie stahlen und plünderten, wo sich eine Gelegenheit bot, oder schossen andere in den Rücken. Aber sie mieden jeden offenen Kampf, wenn sie nicht eindeutig im Vorteil waren. Sie würden mir kaum noch gefährlich werden, solange ich ihnen nicht den Rücken zudrehte.

»Macht, dass ihr rauskommt«, zischelte ich, »alle drei!«

»Aber wir haben einen Verwundeten bei uns«, zeterte der Kleine, »du kannst uns doch nicht in den Regen hinausjagen.«

»Ihr könnt im Stall übernachten, und sobald es hell wird, verschwindet ihr. Aber wenn ich einen von euch in der Nähe des Hauses sehe, dann könnt ihr morgen früh seine Leiche mitnehmen.«

»Wir werden euch bestimmt nicht mehr belästigen«, versicherte Hank, »wir wollen nur einen trockenen Platz zum Schlafen haben. Und wir hätten der Lady bestimmt nichts getan, wir wollten nur ein bisschen Spaß haben, wie das so ist.«

»Den habt ihr ja gehabt«, sagte ich verächtlich, »und nun verschwindet!«

Die drei Strolche beeilten sich, die Hütte zu verlassen, und ich schlug die Tür hinter ihnen zu. Obwohl ich nicht glaubte, dass sie noch einmal etwas riskierten, schob ich den schweren Tisch vor die Tür.

»Er hätte Sie getötet, wenn er es gekonnt hätte«, sagte Sabrina hasserfüllt.

»Noch lebe ich.«

»Vielleicht war eine Prämie auf Sie ausgesetzt«, sagte sie aggressiv.

Ich ließ mich jedoch nicht aus der Ruhe bringen.

»Sie könnte nicht sehr hoch sein. Außerdem habe ich bereits einen Job angenommen.«

»Vielleicht kostet Sie Ihr Edelmut noch einmal das Leben.« Zorn war in ihren Augen.

»Hören Sie«, sagte ich, »diese Männer sind zwar üble Strolche, aber sie haben mit dem Tod Ihres Mannes nichts zu tun. Sie können nicht irgendwelche Menschen, die Ihnen zufällig über den Weg laufen, dafür umbringen, nur weil sie jenen Kerlen ähnlich sind.«

Sabrina wandte sich schweigend ab, und ich machte mein Lager zurecht. Es war besser, wenn wir bald das Licht löschten.

Die Morgenkühle, die klamm durch meine Kleider kroch, weckte mich. Es begann hell zu werden, aber in der Hütte war noch ein Rest der nächtlichen Dunkelheit verblieben. Ich konnte Sabrina nur schwach erkennen. Sie schlief noch auf ihrem Lager.

Ich richtete mich auf und warf einen Blick durch das Fenster. Die Luft war kühl und feucht, aber es hatte aufgehört zu regnen. Die offene Tür des Stalles machte mich misstrauisch. Das konnte nur bedeuten, dass die drei Fremden nicht mehr da waren. Sie mussten noch während der Dunkelheit und ziemlich geräuschlos aufgebrochen sein. Es gab nur einen einzigen plausiblen Grund dafür: die Pferde!

Mit einem Schlage war alle Müdigkeit von mir abgefallen, doch ich rannte nicht gleich hinaus. Diese Burschen waren zwar keine großen Nummern, aber ich hielt sie trotzdem für gerissen und traute ihnen durchaus einige Tricks zu.

Ich weckte Sabrina und drückte ihr mein Gewehr in die Hand.

»Passen Sie auf die offene Tür da drüben auf, und wenn Sie einen von den Burschen mit einer Waffe sehen, dann fragen Sie nicht lange!«

Ich lief um das Haus herum und näherte mich der Stalltür von der Seite her. Im Laufen zog ich den Revolver und blieb dicht neben der offenen Tür stehen. Nicht das leiseste Geräusch war zu hören.

Schnell glitt ich hinein und sofort nach der Seite aus, aber ich traf nur eine gähnende, dämmrige Leere an. Alle Pferde waren fort, die der Fremden und unsere eigenen.

Ich stand da und rührte mich nicht, und es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, was das für uns bedeutete. Zu Fuß benötigten wir viele Tage, um das nächste menschliche Anwesen zu erreichen, wenn wir es überhaupt schafften.

Schließlich steckte ich den Revolver ein und ging zur Hütte zurück. Sabrina erwartete mich bei der Tür.

»Die Pferde?« fragte sie ziemlich mutlos.

Ich nickte nur, ohne ein Wort zu sagen. Und im stillen schalt ich mich einen Narren. Ich hätte diesen drei Burschen kein Pardon geben sollen, aber nun war nichts mehr daran zu ändern.

»Machen Sie uns etwas zu essen«, sagte ich nach einer Weile. »Es hat keinen Sinn, irgend etwas zu überstürzen.«

Vermutlich gab es überhaupt nichts, das wir hätten überstürzen können. Man konnte es drehen, wie man wollte, uns blieb nichts weiter übrig, als unsere Füße zu gebrauchen.

»Kennen Sie diese Gegend ein wenig?« fragte ich, als Sabrina das Essen fertig hatte.

»Nicht besonders gut«, antwortete sie. »Es muss irgendwo im Südwesten eine Pferdewechselstation der Overland Stage geben. Zu Pferde könnten wir es in ein paar Tagen schaffen.«

»Dann werden wir morgen aufbrechen, sobald es hell wird, damit wir den ganzen Tag vor uns haben«, entschied ich.

Ich hatte schlecht geschlafen in dieser Nacht. Warum, das wusste der Teufel. Und wir waren gerade dabei, unsere Vorräte zusammenzupacken, die wir für unterwegs brauchten, als hinter mir die Tür aufflog und gegen die Wand knallte.

Während ich herumwirbelte, dachte ich zuerst, die drei Halunken wären zurückgekommen, aber diesmal waren es wirklich Abner Cornish und seine drei Hundesöhne. Ich ließ den Revolver stecken, denn ich sah, dass es keinen Sinn hatte, ihn zu benutzen. Fast gleichzeitig klirrte nämlich die Scheibe des Fensters, als ein Gewehrlauf hindurchstieß.

Sabrina stieß einen spitzen Schrei aus.

»Schönen guten Morgen, ihr Leute«, krächzte Abner. »Klopfet an, so wird euch aufgetan. So heißt es doch, nicht wahr?« Seine kleinen Augen strahlten fanatisch in seinem schweißglänzenden, rundlichen Gesicht.

»Vielleicht wäre es ein schöner Morgen geworden, wenn ihr euch alle vier in der Nacht das Genick gebrochen hättet«, knurrte ich ihn an.

»Der Herr war unser Beschützer und unser Führer, denn er läßt die Gerechten nicht im Stich.« Abner Cornish trat etwas zur Seite und ließ Jeremias und Isaak herein. »Nehmt ihm den Revolver ab! Dahinten lehnt noch ein Gewehr an der Wand.«

»Sieh an, die Lady«, sagte Isaak. »Haben Sie Ihren Mann schon begraben?«

Sabrina blieb stumm. Ich konnte auch keine Angst in ihrem Gesicht erkennen. Aber der Zorn funkelte in ihren Augen.

Abner Cornish kam ganz nah zu mir heran, und ich konnte seinen branntweingeschwängerten Atem riechen. Sein langer Mantel war abgetragen, fadenscheinig und an den Taschen stark ausgebeult.

»Das hättest du wohl nicht gedacht, wie? Aber der Herr schickte uns gestern ein paar freundliche Leute, die uns von einem Liebespaar in einer einsamen Hütte berichteten.« Er ließ ein Lachen hören, das eher wie das Rasseln einer Klapperschlange klang. »Hol die Pferde, Horace!« Er wandte sich um und schaute suchend in alle Ecken. »Wenn ihr hier noch andere Waffen versteckt habt, dann sagt es lieber gleich.«

Ich ging nach draußen und überlegte, was sie wohl als nächstes tun mochten. Ich kannte die sadistische Art dieser Männer, und ich wunderte mich deshalb nicht, dass sie mich nicht gleich niedergeschossen lullen. Hier konnte ich ihnen nicht mehr entwischen, das wussten sie genau. Abner Cornish kam hinter mir her und sagte: »Mach dir keine Hoffnungen, einer von uns wird dich immer im Auge haben. Dieser Trick mit dem Sarg war das Niederträchtigste, was ich je erlebt habe. Du hast uns damit eine Menge Mühe gemacht.« Er warf seinen flüchtigen Blick zu Sabrina hinüber. »Aber jede Mühe erntet ihren Lohn.«

Mir war klar, was sie vorhatten. Sie hatten lange hinter ihrem Opfer herjagen müssen. Nun hatten sie es und wollten den Erfolg genießen. Und niemand war da, der ihren Gemeinheiten Einhalt gebieten konnte.

»Mach uns was zu essen!« befahl Abner Cornish. »Wir waren die ganze Nacht unterwegs.«

Sabrina erwiderte nichts. Sie wusste, dass es im Moment besser war, diese Burschen nicht zu reizen.

»Es ist nicht genügend Holz da«, sagte Jeremias.

Abner Cornish fixierte mich.

»Du wirst welches heranschaffen.« Sein glänzendes Gesicht strahlte eine heimtückische Freude aus.

»Wir haben alles Holz verbraucht, was hier war«, gab ich ihm zu verstehen.

»Dann wirst du eben einen Baum fällen.«

»Das Holz wäre zu frisch, es würde nicht brennen.«

Abner Cornish kam noch einen Schritt näher.

»Du wirst ihn trotzdem fällen«, sagte er genüßlich.

Ich holte also die Axt aus dem Haus und suchte mir einen Baum, der nicht allzudick war, denn es hatte keinen Sinn, mit Abner Cornish zu diskutieren.

Es war ein hartes Stück Arbeit für mich. Meine kaum verheilten Wunden machten mir dabei arg zu schaffen, aber ich musste darauf achten, es nicht merken zu lassen. Ich hatte frühzeitig in meinem Leben gelernt, dass es besser war, schwache Stellen vor seinen Feinden zu verbergen.

Jeremias setzte sich auf einen Baumstumpf in meiner Nähe, rauchte und sah mir zu. Das Gewehr lag dabei unmißverständlich über seinen Knien.

Ich hatte einige Ideen, um an diese Waffe heranzukommen, aber keine davon war durchführbar. So beschränkte ich mich darauf, auf Rache dafür zu sinnen, dass er mich dauernd antrieb, sobald ich auch nur die kleinste Verschnaufpause einlegte, und mir einmal sogar den Kolben seiner Waffe in die Rippen stieß. Er hatte offenbar keine Ahnung vom Bäumefallen, sonst hätte er gemerkt, dass ich den Stamm so anschlug, dass er in seine Richtung fallen musste.

Sabrina kam gerade aus der Hütte und goss einen Eimer aus, als ich den Baum kippen ließ. Horace folgte ihr und versuchte, ihre nackte Schulter, die noch immer aus dem zerrissenen Kleid hervorlugte, zu befingern. Sie aber schlug ihm den Eimer gegen den Magen. Horace fluchte, und Abner Cornish sagte etwas zu ihm, worauf er mit den Achseln zuckte.

Das Splittern des Stammes riss mich aus meiner Beobachtung. Das Holz spaltete ein Stück nach oben, und die Krone der schlanken Kiefer sauste herab.

Jeremias schaute nach oben und schreckte hoch. Fluchend sprang er zur Seite, aber die herab zischenden Zweige schlugen ihm noch das Gewehr aus den Händen. Ich versuchte gar nicht erst, es an mich zu bringen, solange Sabrina dort bei ihnen stand.

»Verdammter Hundesohn, das sollst du mir büßen!« zeterte Jeremias und bückte sich hastig nach seiner Waffe. »Ich schlage dir den Schädel ein, du Bastard!«

Er kam auf mich zu, und es sah ganz so aus, als wollte er seinen Worten auch die Tat folgen lassen. Aber solange er nicht schoss, konnte er mir kaum gefährlich werden. Er war einen halben Kopf kleiner als ich und recht phantasielos im Kampf.              «

Er versuchte, mir den Gewehrlauf über den Schädel zu schlagen, aber noch ehe er völlig heran war, stieß ich ihm den Stiel meiner Axt in die Seite. Er krümmte sich knurrend zusammen. Ich sah Abner Cornish und Horace herankommen, während Isaak bei Sabrina blieb.

Ich hätte Jeremias vollends fertigmachen können, bevor die anderen heran waren, aber ich wusste, dass ich den Bogen bis hierher weit genug gespannt hatte.

Jeremias kam keuchend hoch, war aber noch immer nicht imstande, sich ganz gerade aufzurichten. Er starrte mich wild an und wischte sich den Speichel aus dem Mundwinkel. Dann packte er das Gewehr und riss mit dem Daumen entschlossen den Schlagbolzen zurück.

Einen Moment befürchtete ich, den letzten Atemzug gemacht zu haben, aber sein Vater hielt ihn in letzter Sekunde zurück. »Jeremias!« Der Junge hielt inne. »Was ist?« fragte er keuchend, ohne einen Blick von mir zu lassen.

»Willst du eine Kugel an diesem Kerl verschwenden?«

»Ich finde nur, dass es Zeit ist, ihn endlich umzulegen.«

»Wann es Zeit ist, bestimme ich«, erklärte der Alte und blieb neben seinem Sohn stehen. »Findest du nicht, dass euer Bruder mehr wert ist als eine lausige Kugel?«

»Lass es mich machen«, drängte sich Horace nach vom, »ich brauche kein Gewehr dazu.«

»Du willst wohl alles allein tun, wie?« knurrte Abner.

»Lass uns doch dieses Schwein endlich in die Hölle schicken«, schrie Jeremias fast weinerlich vor Wut. »Er hat unseren Bruder auf dem Gewissen.«

»Natürlich«, Abner Cornish nickte, »natürlich weiß ich das, und deshalb werden wir uns für ihn etwas Besonderes einfallen lassen.«

»Aber ich darf dabei mithelfen«, sagte Horace hoffnungsvoll. »Eli war auch mein Bruder.«

»Wir werden alles hier gemeinsam tun, so wie immer«, entgegnete Abner Cornish und schaute sich nach Isaak und Sabrina um. »Alles, hast du verstanden?« Am Abend banden sie Sabrina und mir Hände und Füße, um uns während der Nacht besser unter Kontrolle zu haben. Das brachte mich um die Hoffnung, es in der Nacht versuchen zu können.

Obwohl ich erschöpft war, schlief ich lange nicht ein. In meinem Kopf formten sich immer neue, aber undurchführbare Fluchtpläne. Ich hatte bemerkt, mit welchen Blicken Horace Sabrina angestiert hatte. Aber sein Vater hatte ihn immer wieder zurückgehalten. Abner Cornish wusste, dass er mich vorher töten musste, ehe er Horace freien Lauf lassen konnte. Aber vorläufig wollte er noch seinen Spaß mit mir haben. Doch wie lange noch? Eine plötzliche Idee in seinem unsteten, fanatischen Gehirn konnte meinen Tod bedeuten.

Am Morgen band man uns wieder los. Während der Alte, Horace und Isaak zur Quelle hinter das Haus gingen, um sich zu waschen, was sie vermutlich schon lange nicht mehr getan halten, blieb Jeremias in der Hütte, um uns zu bewachen.

Er war allein mit uns. Eine bessere Chance hätte ich vielleicht nicht mehr bekommen. Aber er hatte ein Gewehr, und er drehte mir nie den Rücken zu. Ich probierte es trotzdem. Als er für den Bruchteil einer Sekunde zur Seite schaute, sprang ich ihn an. Er wollte zurückweichen, schaffte es aber nicht mehr, und ich prallte gegen ihn. Der Tisch hinter ihm verhinderte, dass wir beide zu Boden fielen. Vermutlich war das mein Pech. Ich griff nach dem Gewehr, aber meine Hände waren durch die Fesseln der Nacht noch steif und ungelenk. Er riss die Waffe wieder an sich und wich zur Seite aus. Ich fiel gegen den Tisch und bekam den stählernen Lauf der Henry über den Schädel.

Meine Knie wurden für einen Moment etwas weich, und ich musste mich mit beiden Händen auf die Tischplatte stützen, um mein Gleichgewicht zu behalten.

Es dauerte höchstens zwei oder drei Sekunden, dann war es wieder vorüber. Aber auch die winzige Chance, die ich gehabt hatte.

»Versuch das noch mal, und ich bringe dich um!« fauchte Jeremias böse. In seinen Augen funkelte dieselbe Wut wie am Vortage.

»Du wirst Ärger mit deinem Alten bekommen«, entgegnete ich so unbekümmert, wie es mir möglich war. »Du hast mich angegriffen.« Ich versuchte ein schwaches Lächeln. »Bist du sicher, dass er dir das glauben wird?«

Es war ein gefährliches Spiel, ihn zu reizen, aber meine Enttäuschung verlangte nach irgendeinem Ventil. Ich spürte das Blut hinter meinem linken Ohr durch die Haare sickern, und mein Schädel dröhnte.

Die anderen kamen zurück, und Abner schaute mich an und dann Jeremias.

»Er wollte mich für dumm verkaufen«, verteidigte sich Jeremias, ohne dass er gefragt wurde. »Vielleicht ist es ihm langweilig.«

»Nun«, sagte Abner Cornish salbungsvoll, »da draußen liegt jetzt eine Menge Holz, das er zerkleinern kann.«

Ich ging, immer noch ein wenig unsicher, nach draußen. Horace stand neben der Tür und stellte mir ein Bein. Ich stolperte nach vom und fiel auf den harten, steinigen Boden vor der Hütte, schürfte mir die Ellenbogen auf. Sie lachten über mich, und das war schlimmer als alles andere.

Langsam stand ich auf und nahm die Axt.

Ich musste in der heißen Sonne Holz spalten, während Sabrina in der Hütte das Essen zubereitete. Isaak saß im Schatten einiger Büsche und beobachtete mich schweigend. Von Zeit zu Zeit nahm er einen Schluck aus einer Brandyflasche, die neben ihm auf einem Felsbrocken stand. Jeremias war jagen gegangen, um Fleisch zu beschaffen, und Horace befand sich mit dem Alten in Hütte,

Es dauerte nicht lange, und die Blasen an meinen Händen platzten auf. Es war verdammt heiß. Ich ließ die Axt sinken und setzte mich auf den Klotz. Ich hatte noch nichts gegessen, und die Hitze machte mir zu schaffen.

»He!« gröhlte Isaak. »Wer hat denn was von Ausruhen gesagt? Soll ich dich vielleicht noch zu einem Brandy einladen?«

Abner Cornish trat vor die Tür der Hütte und sah gelangweilt herüber.

»Bist du schon müde?« fragte er. »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen, heißt es.«

Ich fluchte, machte aber keine Anstalten, die Arbeit wieder aufzunehmen.

Abner Cornish blinzelte in die grelle Sonne.

»Was sagt er?«

»Er flucht«, rief Isaak.

»Ich denke, wir müssen ihm noch beibringen, die Gebote zu achten, ehe wir ein Gebet an seinem Grabe sprechen können.«

Isaak nahm einen langen Schluck aus der Flasche. Er war schon etwas angetrunken. Der Branntwein gluckste, als er die Flasche wieder absetzte. Er stand auf und kam herüber. Dicht vor mir blieb er stehen, und der Alkoholdunst wehte mir unangenehm ins Geloht.

»Mach weiter!« sagte er nur. Ich blickte schnell zur Hütte hinüber. Ich brauchte Ruhe, um nicht vorzeitig schlappzumachen, und dann hatten sie mich da, wo sie mich haben wollten.

»Hast du mich gehört?« Isaak stieß mir die Mündung seines Gewehres unsanft vor die Brust Ich trat ihm gegen das Schienbein und sprang fluchend zurück. Meine Hände packten den Stiel der Axt, aber da traf mich bereits der messingbeschlagene Schaft seines Gewehres seitlich am Kopf, und ich ging zu Boden. Bunte Sterne flimmerten vor meinen Augen, aber ich verlor nicht das Bewusstsein. Trotzdem blieb ich liegen und regte mich nicht mehr?

Isaak trat mir in die Seite.

»Los, steh auf, du fauler Hund.«

Abner Cornish kam mit einem Eimer schmutzigen Wassers und goss ihn über mich aus. Aber auch das verfehlte seine Wirkung.

»Ich habe ihn fertiggemacht«, triumphierte Isaak. »He, Horace, ich habe ihn fertiggemacht, mit einem einzigen Schlag.«

Sie schleiften mich in die Hütte und warfen mich auf das harte Lager.

»Wir geben ihm eine Stunde«, sagte Abner Cornish, »eine Stunde und nicht mehr.«

Isaak kehrte zu seiner Flasche zurück, während der Alte und Horace in der Hütte blieben. In meiner augenblicklichen Verfassung wäre allerdings selbst einer zuviel für mich gewesen. Also blieb ich ruhig liegen, ich hatte ja eine ganze Stunde Zeit.

Die Ruhe tat mir gut, und die Schmerzen in meinem Schädel ließen langsam nach. Einmal war ich sogar für einen Moment eingeschlummert.

Das Klappern von Töpfen weckte mich. Ich blinzelte vorsichtig unter halbgeschlossenen Lidern hervor.

Horace stand an der Tür und schaute hinaus.

»Er säuft die ganze Flasche allein aus«, maulte er, »und es ist die letzte, die wir haben.«

Abner Cornish erhob sich und schaute ebenfalls hinaus. Er knurrte etwas, das ich nicht verstand, und sagte dann: »Bleib hier, aber stell keinen Blödsinn mit der Frau an.«

Er ging hinaus, und ich hörte, wie sich seine knirschenden Schritte entfernten.

Ich öffnete die Augen. Horace stand noch immer an der Tür. Sabrina sah mich an. Ich winkte ihr mit den Augen, und sie kam näher, beugte sich leicht über mich.

»Sie müssen ihn ablenken«, flüsterte ich ihr zu. »Sie wissen, auf was er am meisten reagiert.«

Horace drehte sich um.

»He, was macht ihr da?«

Ich schloss die Augen und bewegte mich nicht.

»Ich wollte nur mal nach ihm sehen«, raunte Sabrina, »er ist schon so lange bewusstlos.«

»Der faule Hund wird wohl pennen«, knurrte er. Ich hörte den derben Schritt näher kommen.

»Ich würde mich gern waschen«, sagte Sabrina schnell, und Horace blieb stehen.

»Ja?« Es klang ein wenig verwirrt.

»Würden Sie sich umdrehen? Ich muss mich dazu ausziehen. Und passen Sie auf, dass niemand hereinkommt.«

Horace schwieg einen Moment. Er schien nachzudenken, gab aber diese ungewohnten Bemühungen schließlich auf.

»Na gut«, sagte er.

Ich hörte Sabrinas Kleider rascheln. Es klang aufreizend, und Horace hörte es natürlich auch. Dann sagte Sabrina fauchend: »Ich hatte gesagt, Sie sollen sich umdrehen.«

»Was ist denn schon dabei, wenn ich ein wenig zusehe.«

Horaces Stimme klang heiser und belegt.

Ich öffnete wieder etwas die Augen. Sabrina hatte das Kleid von ihrem Oberkörper gestreift und stand vor dem Wassereimer. Horace kam näher und starrte wie gebannt auf ihre festen Brüste mit den dunklen Warzen.

Sabrina wich zurück und hielt die Hände vor ihren Busen, was den großen, plumpen Mann nur noch mehr zu reizen schien.

»Stell dich nicht so an, Mädchen«, krächzte er, »einmal kommst du doch dran.«

Er bewegte sich an mir vorbei und drehte mir halb den Rücken zu. Ich richtete mich ein wenig auf, dann sprang ich ihn an.

Der Anprall kam für ihn so unerwartet, dass er davon gegen die Wand geschleudert wurde. Er knurrte böse wie ein angeschlagener Grizzly und wankte.

Ich legte alle Kraft, die ich aufbringen konnte, in meinen Schlag hinein, und sein Schädel krachte gegen die Wand. Das Gewehr fiel auf den Boden. Horace schüttelte benommen den Kopf.

Ich schlug ein zweites Mal zu, erwischte ihn aber nicht richtig, da er sich gegen mich warf. Ich konnte nur ungenügend ausweichen, und wir prallten beide gegen den Tisch. Er stieß mir seinen Ellenbogen gegen die Brust. Aber dadurch, dass ich zurücktaumelte, ging sein nächster Schlag ins Leere. Horace war schon ziemlich angeschlagen, kam durch den eigenen Schwung aus dem Gleichgewicht und stolperte in meine Faust hinein, die ihn stoppte. Er krallte sich an mir fest, um nicht in die Knie zu gehen. Aber ich durfte nicht warten, bis er sich erholte. Ich wuchtete ihm das Knie in den Leib, und er krümmte sich stöhnend nach vorn. Dann drosch ich ihm beide Hände ins Genick, und er fiel schwer wie ein erlegter Bär auf die Bretter.

Ich keuchte und musste mich mit beiden Händen auf den Tisch stützen. Der kurze Kampf hatte mich ziemlich ausgepumpt.

Sabrina hatte sich wieder angezogen und hob Horaces Gewehr auf. Ich nahm seinen Revolver samt Gurt an mich. Ein schneller Blick nach draußen machte mich misstrauisch. Weder der Alte noch Isaak waren zu sehen. Aber wir hatten keine Zeit, lange zu überlegen.

»Wir müssen versuchen, an die Gäule zu kommen«, sagte ich schnell. Die Pferde waren jetzt das wichtigste. Ohne sie konnten wir nicht wegkommen. Vielleicht waren unsere Gegner schon vor uns dort, doch ich war entschlossen, mir notfalls den Weg freizuschießen.

»Wo sind die anderen?« fragte Sabrina hinter mir.

»Ich weiß nicht. Kommen Sie!«

Als ich zur Tür hinaus wollte, krachte drüben bei den Büschen ein Schuss. Aus dem Türpfosten dicht neben mir spritzten mir ein paar Holzsplitter ins Gesicht, und ich zuckte instinktiv zurück. Sabrina prallte gegen mich. Ich zog sie fluchend hinter die schützende Wand.

»Wir kommen hier nicht raus«, keuchte ich. »Aber jetzt habe ich eine Waffe, und die können sie mir nur Wieder abnehmen, wenn ich tot bin.«

»Sterben Sie gefälligst ein andermal«, sagte sie dicht neben mir mit grimmigem Sarkasmus. »Wir haben noch eine Abmachung, die Sie einhalten müssen.«

»Erzählen Sie das denen da draußen.« Ich spähte hinaus, konnte jedoch niemanden sehen. Sie hatten uns festgenagelt, und wenn Jeremias zurückkam, dann standen die Chancen für uns verdammt schlecht.

»Dave!« schrie Sabrina plötzlich.

Ich wirbelte herum, aber Horace prallte bereits gegen mich, drückte mich gegen die Wand und umklammerte mich mit seinen bullenstarken Armen.

Verdammt, ihn hatte ich völlig vergessen, und nun musste ich für diese Unachtsamkeit bezahlen.

»Ich habe ihn!« brüllte Horace nach draußen, und er hatte wohl auch recht damit. Im Moment konnte ich recht wenig tun. Ich sah, wie der Alte und Isaak aus ihren Deckungen kamen und auf die Hütte losstürmten. Ich bäumte mich auf wie ein gefangenes Tier, aber es gelang mir nicht, meine Arme freizubekommen. Horace lag mit seinem ganzen Gewicht auf mir, und das hätte mir schon in ausgeruhtem Zustand zu schaffen gemacht.

Plötzlich sah ich Sabrinas blasses Gesicht und die weit aufgerissenen Augen dicht neben mir. Und sie stieß dem Kerl über mir den Schaft des Gewehres gegen den Schädel.

Horace stieß einen knurrenden Laut aus und ließ für einen Moment los. Es gelang mir, ihn abzuschütteln, aber er war noch lange nicht kampfunfähig.

Und draußen kamen die Gegner angerannt. Es blieb mir kaum noch Zeit zum Überlegen.

Ich schlug mit dem Revolver zu, aber er blockte den Schlag ab. Ich warf mich auf ihn, und wir rollten ineinander verkrallt und knurrend wie Tiere über den Boden. Irgendwo neben mir entlud sich die Henry, die Sabrina in den Händen gehabt hatte, donnernd. Und das gab mir wieder neuen Mut. Sie war eine Frau, auf die man sich in jeder Situation verlassen konnte.

Horace drückte seine große Pranke gegen mein Gesicht und versuchte, meinen Kopf gegen eines der Tischbeine zu stoßen. Ich biss ihm in den Daumen, und er ließ mit einem Fluch los. Seine linke Faust hielt meine Hand mit dem Revolver umklammert. Ich versuchte, sie loszureißen, aber es gelang mir nicht. Ich stieß meinen Kopf gegen sein massiges Kinn, doch er ließ noch immer nicht los.

Ich konnte nicht mehr sehen, was um mich herum und draußen vorging, aber ich hörte wieder und wieder die Henry krachen. Von draußen wurde das Feuer jedoch nicht erwidert. Vermutlich befürchteten sie, Horace zu treffen.

Dieser versuchte, unter mir wegzurutschen. Ich spürte, dass ich diesen kräfteverzehrenden Kampf nicht mehr lange durchstehen konnte. Wenn ich nur die Hand mit dem Revolver freibekommen könnte. Doch meine Kraft reichte dafür nicht mehr aus.

Ich ließ die Waffe fallen und schob sie mit dem Bein außer Reichweite. Da ließ Horace los und wollte sich benommen aufrappeln. Ich kam schneller hoch und hämmerte ihm meine Fäuste ins Gesicht. Er fiel nach hinten, und das primitive, selbstgebaute Bettgestell brach unter seinem Gewicht zusammen.

Es blieb mir Zeit für ein paar tiefe Atemzüge, aber sie reichten nicht mehr, um meinen Revolver aufzuheben. Ich wollte Horace auch nicht erschießen, denn ich hatte etwas anderes mit ihm vorgehabt. Ich wusste nur nicht, ob mir das noch gelang.

Er kam wieder auf die Füße, und ich durfte keine Zeit mehr verlieren. Ich schlug abermals zu, doch in meinen Schlägen steckte nicht mehr genügend Kraft, um ihn damit außer Gefecht zu setzen. Er fiel nur auf die Trümmer des Lagers zurück und wischte sich das Blut von den aufgeschlagenen Lippen. Dann griff er nach einem handlichen Stück des zerbrochenen Holzes und stand langsam auf.

Ich wartete nicht, bis er vollends auf seinen Füßen stand, sondern sprang ihn mit den Beinen zuerst an. Die Arme hielt ich dabei schützend vor den Kopf, denn ich konnte es nicht riskieren, einen Schlag mit diesem Holz zu erhalten.

Ich prallte mit den Knien gegen seine Brust und landete mit meinem ganzen Körpergewicht auf ihm, und das waren etwa hundertsechzig Pfund.

Für einen Moment schnappte er nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Ich griff nach einem Schlaggegenstand, erwischte eine Latte und schlug damit knallhart zu. Sie zerbrach auf seinem wuchtigen Schädel, und er verdrehte die Augen, bis fast nur noch das Weiße zu sehen war, und lag ganz still.

Einen Moment verharrte ich keuchend, dann hob ich den Revolver auf und rannte zur Tür. Ich spähte vorsichtig hinaus, konnte aber weder Abner Cornish noch Isaak sehen.

»Sie haben sich wieder zurückgezogen«, sagte Sabrina.

Ich nickte.

»Und Sie sind eine fabelhafte Frau.«

Sabrina schaute mich an, als wollte sie sagen: Ich habe es nicht für Sie getan, sondern nur für meine Rache. Aber sie schwieg, und ich wandte mich wieder Horace zu.

Mein rasselnder Atem beruhigte sich langsam wieder. Ich hob die Lederschnüre auf, mit denen man uns während der Nacht gefesselt hatte, und band Horace damit die Hände.

»He, Kirby!« rief Abner Cornish von draußen. »Wenn meinem Jungen etwas passiert ist, dann kann dir nicht einmal mehr die Gnade des Himmels helfen.«

»Das hängt ganz von euch ab, mein Freund«, rief ich zurück. »Schätze, im Moment habe ich den Trumpf in der Hand.«

In diesem Augenblick kam Jeremias von der Jagd zurück. Er parierte seinen Gaul und übersah mit einem Blick die Lage. Sabrina hob das Gewehr und visierte ihn an.

»Achtung, Junge!« schrie Abner Cornish heiser, und flink wie ein Wiesel war Jeremias aus dem Sattel. Er lief geduckt zu dem leichten Ranchwagen, mit dem wir gekommen waren und der noch immer draußen stand, und suchte dahinter Deckung.

»Ich will ihn sehen!« hörte ich erneut Abners Stimme.

Ich sah mich nach Horace um, aber der hatte sich noch immer nicht bewegt. Er war keinesfalls in der Verfassung, sich sehen zu lassen.

Eine Weile herrschte draußen erwartungsvolles Schweigen, und Sabrina flüsterte: »Was machen wir jetzt?«

»Nichts«, antwortete ich.

Dann schrie Isaak hinter seinem Felsblock hervor: »Horace! He, Horace, melde dich, wenn du kannst!«

Er konnte natürlich nicht.

»Der Hund hat ihn umgebracht!« brüllte Isaak wutschnaubend.

»Horace!« schrie nun auch der Alte.

Ich hob meinen Revolver und passte scharf auf.

»Jetzt werden sie uns gleich wieder auf den Pelz rücken«, raunte ich Sabrina zu.

Sie nickte.

»Ich bin bereit.«

Sie hatte kaum ausgesprochen, als Isaak zum Wagen rannte, hinter dem Jeremias hockte. Meine Kugel ließ kurz hinter ihm eine Staubfontäne hochspringen. Das zweite Geschoss prallte heulend von dem eisenbeschlagenen Rad des Wagens ab.

Jeremias begann zu feuern.

Ich kippte den schweren Tisch um und schob ihn so, dass Horace nicht von einer Kugel getroffen werden konnte. Sabrina feuerte das Gewehr ab, als Abner Cornish ebenfalls zum Wagen rannte, aber seine beiden Söhne gaben ihm Feuerschutz, und so blieb es bei diesem einen Schuss.

Ich ahnte, was sie vorhatten.

»Sie wollen mit dem verdammten Wagen das Haus rammen«, sagte ich, und ich wusste im Augenblick nicht, wie wir sie daran hindern sollten.

Draußen schwiegen die Waffen. Sabrina hob das Gewehr.

»Schießen Sie nur, wenn Sie einen sehen können«, flüsterte ich ihr zu.

Der Wagen setzte sich in Bewegung, rollte über den leicht abschüssigen Boden und gewann schnell an Fahrt. Sabrina feuerte, aber beim zweiten Mal schlug der Hammer ins Leere. Sie sah mich erschrocken an und ließ das Gewehr sinken. Da begann unsere Lage kritisch zu werden.

Ich schoss mit dem Revolver auf den heranratternden Wagen, der schnell näher kam. Ich erwischte Jeremias irgendwo, und er fiel fluchend in den Staub. Das eine Rad des Wagens knallte hart gegen einen Stein. Die Deichsel wurde herumgerissen, schleuderte Abner Cornish zu Boden, und der Wagen kippte um. Die nach oben liegenden Räder drehten sich wie wild. Der Alte kroch fluchend in Deckung.

Ich gab noch einen Schuss ab, und dann war auch der Revolver leer. Im Moment regte sich nichts da draußen. Nur der Staubschleier zerfaserte langsam.

Zum Glück steckten in den Schlaufen von Horaces Revolvergurt noch weitere Patronen, und ich konnte die Waffe wieder laden, während draußen wieder heftig geballert wurde.

Horace regte sich und setzte sich stöhnend hinter dem umgestürzten Tisch auf. Zwei Kugeln pfiffen fast gleichzeitig herein und blieben in der Tischplatte stecken.

»Halt den Kopf unten«, riet ich ihm. »Deine Familie ist im Augenblick nicht zu Scherzen aufgelegt.«

Horace grunzte etwas Unverständliches, blieb aber wohlweislich dort, wo er war.

Isaak versuchte, an die Hütte heranzukommen, aber meine Schüsse trieben ihn wieder in die Deckung des Wagens zurück. Er und Abner Cornish wollten ihn aufrichten, mussten ihr Vorhaben jedoch einstellen, da ich genau aufpasste und sofort feuerte, wenn ich auch nur einen Fetzen von ihnen sah. Jeremias war verwundet, ich konnte jedoch nicht erkennen, wie schwer, denn ich vermochte nichts von ihm zu sehen.

Die Revolverpatronen gingen zur Neige. Ich deutete mit einer Kopfbewegung nach hinten und raunte Sabrina zu: »Er darf nicht merken, wie es um unsere Munition steht.«

Horace lugte vorsichtig über die Tischplatte, zog aber sofort wieder fluchend den Kopf ein, als eine Kugel an ihm vorbeipfiff.

»Höft mit dieser verdammten Knallerei auf!« schrie er laut. Offenbar hatte er die Lage begriffen, in der er sich befand.

Das Feuer draußen verstummte sofort.

»Bevor ihr diese Hütte hier erreicht, werde ich ihn umlegen!« rief ich in die folgende Stille hinein. »Wenn ihr es nicht schon vorher mit eurem Geballere tut.«

»Du wirst ihn sofort rauslassen!« verlangte Abner Cornish wütend.

Ich lachte so laut, dass er es hören musste.

»Für wie dumm hältst du mich?«

Eine Weile herrschte Schweigen, dann fragte Abner Cornish: »Was ist deine Bedingung, Kirby?«

Ich brauchte nicht lange zu überlegen.

»Zwei gesattelte Pferde und meine Waffen.«

»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen«, schrie Isaak impulsiv.

»Na, schön«, antwortete ich ruhig, »dann ist Horace bereits so gut wie tot.« Ich ging um den umgekippten Tisch herum und spannte den Revolver. »Du hast es gehört, Horace«, sagte ich. »Sie wollen nichts für dich tun.«

Horace starrte mich ungläubig an. Sein Mund und das linke Auge waren geschwollen.

»Das kannst du doch nicht machen, Kirby.«

»Ich habe nichts zu verlieren«, entgegnete ich gleichgültig. »Und schließlich bin ich ein Killer, nicht wahr?«

»Sie werden dich in Stücke schießen, dich und diese Frau da.«

»Das tun sie sowieso.«

»Hör mich an, Kirby!« Das war wieder die Stimme von Abner Cornish. »Wir krümmen der Frau kein Haar, wenn du Horace herausläßt.«

Ich lachte Horace ins Gesicht.

»Hast du das gehört? Dein Alter will mich für dumm verkaufen. Wie es aus sieht, schätzt er dich nicht sehr hoch ein. Na, ist ja schließlich seine Sache.«

Horace starrte direkt in die kleine schwarze Mündung, die ich auf seinen Kopf richtete. Es war ein gefährliches Spiel, das ich da trieb, denn ich hatte noch zwei Kugeln in der Trommel, und ich wusste nicht, wie Horace reagieren würde, wenn es keinen Ausweg mehr gab. Wenn er mich trotz gefesselter Hände ansprang, dann musste ich schießen, oder ich war verloren. Sabrina konnte mir die Kerle da draußen nicht mehr vom Leibe halten. Und sie waren inzwischen so nahe, dass Horace mich nicht lange zu beschäftigen brauchte, nur ein paar Sekunden. Es blieb also eine Kugel für Horace.

Und die andere?

Meine Chancen standen auf äußerst dünnen Beinen, aber zum Glück wusste das außer mir niemand.

»Der Kerl tut es, er bringt mich um!« schrie Horace hysterisch.

»Warte, Kirby!« Abner Cornish kam hinter dem Wagen hervor. »Wir können noch darüber reden.«

»Es gibt nichts mehr zu reden«, antwortete ich. »Und du bleibst gefälligst, wo du bist, oder ich brenne dir ein Loch in den Pelz. Entweder ihr tut, was ich sage, oder ich lege ihn um. So einfach ist das. Und dann könnt ihr uns erst einmal hier herausholen.«

Abner Cornish hob beschwörend die linke Hand.

»In Ordnung«, gab er schließlich nach, »du bekommst, was du willst. Aber denke daran: Gottes Gericht mag langmütig und geduldig sein, aber entgehen wirst du ihm nicht.«

»Dann kannst du ja nachts ruhig schlafen.«

»Ich hole jetzt die Pferde«, sagte er und ging zum Stall hinüber. Dass er das selbst tat, machte mich misstrauisch, doch ich musste die Dinge auf mich zukommen lassen. Ich ließ mich nicht sehen, denn ich war überzeugt, dass mindestens einer dieser Halunken die Tür der Hütte im Visier hatte.

Es dauerte nicht lange, und der Alte kam mit zwei Gäulen zurück, einem hellbraunen Wallach und einem Grauschimmel.

»Komm her!« sagte ich zu Horace. Als er neben mir stand, setzte ich ihm die Revolvermündung unter das Kinn.

»Wir kommen jetzt raus«, rief ich laut und sagte leiser zu Horace: »Wenn du das Pech haben solltest, zu stolpern oder irgendwelche Mätzchen machst, dann ist dir doch klar, dass du das nicht überleben wirst.«

Er antwortete nicht, aber offenbar hatte er mich verstanden. Er ging sehr vorsichtig, als bewegte er sich auf rohen Eiern, neben mir her.

»Sie halten sich hinter uns«, sagte ich zu Sabrina. Dann waren wir draußen.

Der Tod zählt die Meilen

Tollkühne Hetzjagd durchs Land der Cheyennes

Eine Handvoll Männer und Frauen kämpft sich mit einer Kutsche durch die Wyoming-Prärie. Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sind jäh über sie hereingebrochen. Das rettende Ziel heißt Cheyenne, aber sie wissen nicht, ob sie die Stadt noch lebend erreichen werden. Weiße Banditen und skalplüsterne Sioux jagen sie erbarmungslos. Und dann kommt auch noch der frühe Wintereinbruch mit den Schrecken eines verheerenden Blizzards und gefährlichen, ausgehungerten Wolfsrudeln. Der Tod ist zum ständigen Begleiter dieser Verzweifelten geworden. Eine Spur von Blut und Tränen markiert die bitteren Meilen …

Der scharfe Wind wehte an Jim McKenzies Gestalt hoch und blies ihm nadelspitze Eiskristalle in das Gesicht. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er dem reiterlosen Pferd nach, das im Grau des treibenden Schnees verschwand wie ein Spuk. Er senkte den Lauf der Winchester, klemmte das Schloss wieder unter den Arm, damit es nicht vereiste, und hauchte in seine steif gewordenen Hände. Dann zog er die dicken Fellhandschuhe wieder an und trieb sein eigenes Tier aus der Deckung der Felsen.

Die Spur war deutlich zu erkennen, und es war keine Frage, dass er ihr folgen würde. Ein gesatteltes Pferd weitab jeder menschlichen Siedlung bedeutete, dass auch ein Reiter dazugehörte, der ohne sein Tier keine Chance mehr haben dürfte.

Nach etwa einer Stunde endete die Fährte an einer verborgenen Stelle zwischen Felsblöcken und Büschen. Es hatte aufgehört zu schneien, aber die schwere Wolkendecke ließ mit weiterem Schnee rechnen.

Jim McKenzie glitt steifbeinig aus dem Sattel, und seine prüfenden Blicke streiften über den zertrampelten Schnee. Das Pferd war hier eine Zeitlang angebunden gewesen, aber von einem Reiter fehlte jede Spur. Ein nachdenklicher Ausdruck kam in Jim McKenzies Augen, aber in seinem kältestarren Gesicht zuckte kein Muskel.

Gestern Mittag hatte der Schneefall eingesetzt. Zeitiger im Jahr, als es sonst üblich war, aber nicht überraschend. Man hatte ihn schon lange in der Luft spüren können.

Der Reiter musste sein Tier bereits gestern verlassen haben. Offenbar war ihm etwas zugestoßen, denn kein vernünftiger Mensch ließ sein Pferd irgendwo in der Wildnis stehen, ohne zurückzukehren. Aber was hatte er hier, so nahe bei McKenzies Zuhause gewollt?

Der Wind heulte über das Land. Jim McKenzie zog den Kragen seiner Jacke aus grauem Wolfsfell höher.

Er lebte seit Jahren in diesen Bergen und kannte die Eigenarten dieses Landes wie kaum ein anderer, aber er wusste das Rätsel dieser Spuren nicht zu deuten, noch nicht. Er kehrte zu der Stelle zurück, wo das Pferd angebunden gewesen war. Es hatte sich offenbar gewaltsam und unter großer Anstrengung losgerissen. Als er es vorhin gesehen hatte, war es ihm gehetzt und nervös vorgekommen.

Wölfe?

Er schaute aus engen Augenschlitzen über das schweigende Land. Seine Blockhütte befand sich nur wenige Meilen von hier entfernt. Wenn dieser Mann die Gegend kannte, musste er das wissen und hätte sein Pferd nicht hier zurückzulassen brauchen. Was mochte aus ihm geworden sein?

Jim McKenzie stieg wieder in den Sattel. Es gab keine Spur, der er hätte folgen können. Langsam zog er seinen Grauschimmel herum und ritt fort.

Ein Stück weiter fand er die halb zugewehten Spuren von Wölfen. Sie waren nur wenige Stunden alt. Deshalb hatte das Pferd sich losgerissen und war geflohen.

Es war kurz vor dem Mittag, als Jim McKenzie seine Behausung erreichte. Er hielt kurz an, und seine Blicke glitten über das massive Blockhaus und den kleinen Schuppen an der Seite. Der Schnee hatte alles zugedeckt.

Zwei Tage war Jim McKenzie unterwegs gewesen. Jetzt war er wieder zu Hause. Er saß ab und brachte das Pferd in den Schuppen. Dann ging er zum Haus hinüber. Die Schneedecke war leuchtend weiß und unberührt.

Die Tür knarrte, als er sie öffnete, und der Wind blies eine Wolke losen Schnees hinein. Jim McKenzie trat ein, zog die Tür hinter sich zu und sah sich um. Alles schien so zu sein, wie er es verlassen hatte. Neben dem Kamin befand sich noch ein kleiner Stapel Holz. McKenzie ging hin, bückte sich, legte ein wenig zerknülltes Papier auf den Rost und einige dünne Holzscheite darüber. Dann schlug er mit Stein und Eisen Funken auf das dürre Zündkraut und schob es, als es nach mehrmaligen Versuchen endlich zu glimmen anfing, unter das Papier. Er blies es an, bis die ersten kleinen Flammen emporzüngelten. Dabei fiel sein Blick auf den großen eisernen Topf, der auf dem Boden lag. Jemand musste ihn von seinem Platz gestoßen haben, und er selbst war es nicht gewesen, das wusste er genau. Er lebte allein hier, und alles hatte seinen bestimmten Platz, so dass er es selbst im Stockdunklen finden konnte.

Es war jemand hier gewesen. Oder noch hier!

Aber er hatte draußen keine Spuren gesehen. Wenn sein Besucher also noch hier war, dann musste er bereits vor dem Schnee gekommen sein und das Haus nicht ein einziges Mal verlassen haben. Er dachte an das reiterlose Pferd und an den Mann, der dazugehören musste. Seine Hand näherte sich langsam dem Revolver, während er angestrengt lauschte. Plötzlich war ein unterdrücktes Lachen hinter ihm und ließ ihn augenblicklich erstarren.

»Du bist ein Narr, McKenzie. Meinst du, dass jemand, der sich hier versteckt hat, wartet, bis du deinen Revolver in der Hand hast?«

Schon beim ersten Wort wusste Jim McKenzie, wer hinter ihm stand, und ein eiskalter Schauer kroch über seinen Körper. Er wusste, dass der Tod in diesem Moment näher war, als jemals zuvor. Jim McKenzie achtete darauf, dass seine Hand den Revolver nicht berührte, und dachte fieberhaft nach. Doch es gab keinen Ausweg. Er wusste, dass eine Waffe auf seinen Rücken gerichtet war.

Langsam drehte Jim McKenzie sich nach rechts um, damit der andere seinen Revolver während der ganzen Drehung im Auge behalten konnte.

»Wie ich sehe, kennst du die Spielregeln noch.«

Jim McKenzie blickte in die kalten, starren Augen, und sein Hals war wie ausgedörrt.

»Hallo, Lavaca«, nickte er. Seine Stimme klang nicht so ruhig, wie sie sollte, denn jeden Moment konnte ein Feuerstrahl aus der Waffe in Ken Lavacas Hand schießen.

»Du hast mich lange warten lassen, McKenzie. Ich konnte kein Feuer anzünden und nicht einmal vor das Haus gehen, bei dem verdammten Schnee. Doch jetzt hat es sich schließlich gelohnt.«

Lavaca war älter geworden, seit Jim McKenzie ihn das letzte Mal gesehen hatte, und das Haar an seinen Schläfen schimmerte grau. Doch er war noch genauso eiskalt wie früher. Fast schien es Jim, als hätte sich die Härte in Lavacas Augen noch verstärkt.

»Weshalb hast du nicht gleich geschossen?« fragte McKenzie.

»Eine kluge Frage.« Lavaca zeigte sein maskenhaftes Lächeln. »Aber ich kann es jederzeit tun, ohne dass du eine Chance hast, McKenzie. Kein Grund also für irgendwelche Spekulationen.«

McKenzie wusste, dass er nichts zu verlieren hatte, wenn er es doch versuchte. »Wie hast du mich gefunden?« fragte er, um Zeit zu gewinnen.

»Habe mich in Deadwood ein bisschen umgehört. Es ist nicht schwer, einen Mann zu finden, der sesshaft geworden ist.«

Jim musterte Lavacas Gestalt und sagte: »Findest du nicht, dass du ein bisschen zu alt für diesen Job bist?«

Lavaca lächelte noch immer wie ein Chinese.

»Ich bin nicht mehr so schnell wie früher, wenn du das meinst. Als wir uns damals trafen, befand ich mich in meiner besten Zeit.« Er machte eine Pause.

»Na ja, alles geht einmal vorbei. Aber du siehst, dass ich auch so noch zum Zuge komme. Man muss halt mehr mit dem Verstand arbeiten und darf sich nicht mehr auf seine Schnelligkeit allein verlassen.«

Jim McKenzie hatte endlich seine Ruhe zurückgewonnen und sagte: »Jetzt machst du trotzdem einen Fehler. Du redest zu viel, nur weil du den Augenblick genießen willst, auf den du so viele Jahre gewartet hast.«

Lavaca spannte den Hahn seines Revolvers.

»Warum sollen zwei alte Freunde nicht ein wenig plaudern, bevor sie sich für immer trennen? Ich …«

In diesem Augenblick zog Jim McKenzie seine Waffe und warf sich zur Seite. Die Detonation des Schusses schien den kleinen Raum bersten zu lassen. Ehe McKenzie den Boden berührte, fühlte er einen glühenden Schmerz in der Schulter, und ein harter Schlag riss ihn in der Luft herum. Er rollte über den Boden, stieß einen Stuhl um und schoss, während er den Luftzug von Lavacas zweiter Kugel am Gesicht spürte. Er wusste nicht, ob er den Mann hinter der grauen Pulverwolke getroffen hatte, und robbte über den Boden. Der nächste Schuss zeigte ihm an, dass Lavaca noch lebte. Jim McKenzie kroch weiter. Wilde Schmerzen fraßen in seiner Schulter, und er bemerkte mit Schrecken, wie sich der Raum mit dunklen Nebeln füllte. Er musste hier heraus, sonst war es das Ende!

Alle Vorsicht vergessend, sprang er auf, riss die Tür auf und stolperte hinaus. Eine Kugel fetzte durch seine Jacke, und er warf sich seitlich in den Schnee und drückte sein Gesicht hinein. Die Kälte auf der Haut hielt ihn bei Sinnen. Ein unbändiger Wille zum Leben trieb ihn wieder hoch. Dort, wo er gelegen hatte, hatte sich der Schnee rot gefärbt. Lavaca erschien in der Tür, aber McKenzie trieb ihn mit einem Schuss wieder hinein. Da waren noch die Fenster! Jim McKenzie schleppte sich zur Hausecke, als er schon von dort aus beschossen wurde. Die Kugeln bohrten hinter ihm dünne Löcher in die Schneedecke. Er brachte sich hinter der Ecke in Sicherheit und lud mit zitternden Fingern seinen Revolver nach. Sein linker Arm hing schlaff herunter. Er hockte sich wieder hin und musste die Waffe zwischen die Knie klemmen.

Dann blickte er zum Schuppen, in dem sein Pferd stand. Er konnte dort nicht hin, ohne von Lavaca gesehen und getroffen zu werden. Und das war gut so. Dieser Kampf musste hier und jetzt entschieden werden, denn das nächste Mal würde Lavaca nicht den gleichen Fehler begehen, sondern ohne Anruf schießen. »Heh, McKenzie! Du wirst da draußen verbluten, wenn dir niemand hilft. Du kommst auch nicht an deinen Klepper heran, und ich brauche nur zu warten, bis du verreckt bist!« Den Worten folgte ein raues Lachen.

»Du kannst ja herauskommen und mich verbinden, wenn du den Mut dazu hast!« rief Jim McKenzie zurück.

»Für wie dumm hältst du mich, McKenzie? Zugegeben, ich habe einen Fehler gemacht, aber mit dem nächsten bist du dran!«

Jim McKenzie schleppte sich zum Schuppen hinüber und kauerte sich so an die Wand, dass er an der Vorderfront des Hauses entlangsehen konnte. Er holte sein Taschentuch hervor und drückte es unter der Jacke auf die heftig blutende Wunde. Wenn Lavaca eines der Fenster auf der Rückfront als Ausstieg benützte, konnte er es nicht hören, aber er musste ihn sehen, wenn er um die Hütte herum kam.

Da hockte er und wartete. Lavaca würde das Haus nicht verlassen, und er selbst konnte sein Pferd nicht erreichen. Sie waren auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert. Jim McKenzie war verwundet und der Kälte ausgesetzt, aber Lavaca musste damit rechnen, dass Jim an einem der rückwärtigen Fenster erschien.

»Heh, McKenzie!« rief Lavaca.

Jim antwortete nicht, denn der andere wollte nur herausfinden, wo er sich befand. Sein Schweigen musste Lavaca nervös machen. Jim wartete und lauschte. Aber der Mann im Haus war kein Anfänger. Er dachte nicht daran, nervös zu werden, denn er wusste, dass er länger ausharren konnte als Jim.

So verstrich fast eine Stunde, ohne dass einer der beiden etwas unternahm. McKenzie hatte die Blutung, da er sich nicht bewegte, mit dem Tuch einigermaßen eindämmen können, aber die Kälte drang in seinen Körper und machte die Glieder steif.

Er erhob sich. Er musste sich bewegen und versuchen, den Kampf irgendwie zu beenden, sonst würden Lavacas Prophezeiungen eintreffen. Er ging zum Haus hinüber und blieb einen Moment an der Ecke stehen. Dann zog er den Sechsschüsser und stieg auf die kleine Veranda, denn er nahm an, dass Lavaca auf die hinteren Fenster achtgeben würde.

Er wollte gerade durch das Fenster neben der Tür sehen, als er von der Rückseite des Hauses ein Geräusch vernahm.

Zwei schnelle Schritte brachten ihn zur Tür, und er stieß sie auf, aber sein Revolver war auf das leere Fenster gerichtet. Die plötzliche Erkenntnis, dass Lavaca ihn getäuscht hatte, jagte einen eisigen Schreck durch seinen Körper. Und im selben Moment, als er Lavaca hinter dem Tisch kauern sah, krachte dessen Waffe. Feuer und Rauch sprangen Jim McKenzie entgegen. Er schoss zurück und spürte gleichzeitig den harten Einschlag der Kugel, der ihm das rechte Bein wegriss. Er taumelte zurück, das Bein knickte unter ihm ein, und er fiel auf die Bretter der kleinen Veranda. Die Schmerzen ließen ihn aufstöhnen, aber er rollte sich über die Kante und fiel in den Schnee. Einen Augenblick lag er still und keuchte mit zusammengebissenen Zähnen. Er wusste, dass jetzt alles aus war, falls sein eigener Schuss nicht getroffen hatte.

Die folgende Sekunde beendete seine Ungewissheit, denn Lavaca schickte ein paar Kugeln durch die offene Tür. Doch die Verspätung, mit der diese Schüsse fielen, ließen ihn vermuten, dass auch Lavaca verwundet war.

Jim McKenzie kroch auf dem rechten Ellenbogen, eng an den Boden gepresst, ein Stück weiter, wobei er sich mit dem gesunden Bein abschob. Anstrengung und Schmerzen brachten ihn zum Schwitzen. Dann hörte er Ken Lavaca herauskommen. Den Schritten nach zu urteilen, schien er Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten.

Lavaca jagte einige Kugeln durch die Bohlen der Veranda, in der Annahme, Jim McKenzie stecke darunter.

»Komm hervor, du Hund!« keuchte er.

McKenzie wartete, bis Lavaca drei weitere Schüsse abgefeuert hatte, dann richtete er den Oberkörper etwas auf Kopf und Revolver schob er gleichzeitig über den Rand. Lavaca sah ihn sofort und hob seine Waffe, aber McKenzie drückte bereits ab, einmal, zweimal, dreimal…

Alle Kugeln trafen und warfen Lavaca gegen die Hauswand. Dann rutschte er langsam an der Wand herunter und fiel mit dumpfem Schlag auf die Bretter.

Jim McKenzie sank zurück und lag einen Moment schweratmend auf dem Rücken. Er konnte es kaum glauben, noch am Leben zu sein, aber die Schmerzen zeigten ihm, dass es Wirklichkeit war. Ächzend richtete er sich auf. Die Schulterwunde blutete wieder stark, und auch sein rechtes Hosenbein war mit Blut getränkt. Er konnte sich nur mühsam über den Boden ziehen. Er war hilflos wie ein Kind und wusste nicht, wie er es fertigbringen sollte, am Leben zu bleiben.

Neben Lavaca hielt er inne. Der Mann war tot. Jim McKenzie kroch weiter in die Hütte und blickte sich um. Die Kräfte drohten ihn zu verlassen, aber er musste durchhalten und versuchen, die Blutungen einzudämmen, sonst würde er den nächsten Tag nicht mehr erleben.

Er zerrte ein altes Hemd aus einer Truhe, riss es in Streifen und verband sich damit notdürftig. Die Wunde am Bein war ein Durchschuss handbreit über dem Knie.

Er kroch zum Kamin und brachte das Feuer in Gang. Dann schloss er die Tür und schleppte sich auf sein Lager. Erschöpft lag er da und lauschte mit geschlossenen Augen dem Knacken der dicken Holzscheite. Durch alle seine Schmerzen drang mit quälender Pein das Bewusstsein völliger Hilflosigkeit.

Der Lärm in Deadwoods Straßen wurde seit Tagen durch die Schneedecke etwas gedämpft. Sonst hatte der plötzliche Wintereinbruch keine Veränderung mit sich gebracht. Die Arbeit auf den Claims ging vorläufig weiter, aber man wusste, dass zunehmende Kälte und weiterer Schneefall den Betrieb bald zum Erliegen bringen würden.

Im Hinterzimmer des Saloons »Last Chance« fand die allwöchentliche Besprechung zwischen der Besitzerin, Elsa Mercury, und ihrem Geschäftsführer, Lacy Baddot, statt.

Die beiden unterbrachen ihre Unterhaltung, als die Tür geöffnet wurde und jemand eintrat. Der Mann brachte einen Hauch von Kälte mit in den Raum. Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Feine Eiskristalle glitzerten an seiner Kleidung und dem dunklen Stoppelbart. Der lange Mantel bauschte sich etwas über dem Revolver. Seine Haltung war lässig, aber es lag etwas Lauerndes in ihr.

Die Frau in dem grünen Samtkleid erschauerte leicht.

»Was gibt es, Brad? Du weißt, dass ich um diese Stunde nicht gern gestört werde.«

Brad O'Leary nickte.

»Ich dachte, dass es wichtig genug sei.«

»Was?«

»Lavacas Gaul ist aufgetaucht. Blue hat ihn gerade in die Stadt gebracht – ohne Reiter. Er ist halb verhungert und ziemlich am Ende. Muss lange unterwegs gewesen sein.«

Elsa Mercury sagte einen Moment gar nichts, aber man sah, dass es hinter ihrer Stirn arbeitete. Dann schaute sie den Mann an der Tür an.

»Es hat wohl keinen Sinn, nach ihm zu suchen?«

Brad O'Leary schüttelte den Kopf. »Bei diesem Wetter in den Bergen? Ganz gleich, was mit ihm passiert ist, er hat keine Chance. Er hatte von Anfang an keine.«

»Was willst du damit andeuten?«

»Er ist nur wegen McKenzie hier aufgetaucht. Hatte wohl irgend so 'ne alte Rechnung mit ihm offen.«

»Nun, jetzt ist sie jedenfalls beglichen«, meldete sich Lacy Baddot. Er war ein großer Mann, trug einen dunklen Anzug mit einer gemusterten Weste und einer schweren, goldenen Uhrkette.

»Für mich nicht, Lacy.« Elsa Mercurys Worte waren nicht laut gesprochen, aber es lag eine gewisse Schärfe in ihnen. Baddot beugte sich vor und stützte die Hände auf den schweren Schreibtisch.

»Es war seine Angelegenheit«, sagte er eindringlich. Der matte Schein der Rochester-Lampe warf einen weichen Schimmer auf das unbewegliche Gesicht der Frau.

»Du weißt, wieviel er mir bedeutet hat, Lacy. Ich wollte ihn zu meinem Partner machen. Und nun …«

»Du kanntest ihn erst kurze Zeit, und ich habe dich von Anfang an vor ihm gewarnt.«

»Ja, das hast du.«

»Er war ein Narr, denn nur ein Narr reitet in die Wildnis und legt sich dort mit Jim McKenzie an.«

Lacy Baddot richtete sich gerade auf. »Außerdem war er kein Mann für unsere Art von Geschäften.«

»Es ist mir gleich, wie ihr darüber denkt«, beharrte Elsa Mercury eigensinnig. »Aber ich will McKenzies Tod, und ich bin bereit, jede Summe dafür zu zahlen.«

Brad O'Leary hielt den Kopf schief. Die feinen Eiskristalle an seiner Kleidung hatten sich in glitzernde Wassertröpfchen verwandelt. Er hielt dem fragenden Blick der Frau stand und lächelte schwach.

»Man sagt von mir, dass ich ein Revolverkämpfer sei, aber es hat noch niemand gewagt, mich einen Narren zu nennen. Auch ich würde Jim McKenzie da draußen nicht gegenübertreten, nicht für tausend Dollar.«

»Er ist auch nur ein Mensch.«

»Natürlich«, nickte Brad O'Leary, »aber da draußen, in seiner Welt, ist er uns weit überlegen. Man müsste ihn veranlassen, hierherzukommen – in unsere Welt. Ich hätte da auch schon eine Idee, wie man das anstellen könnte.«

»Da bin ich aber gespannt«, sagte Baddot.

O'Leary kam ein paar Schritte in den Raum, angelte sich einen Stuhl und ließ sich nieder.

»Ich dachte an Swifty Morgan.«

»Diesen Säufer?« fragte Elsa zweifelnd, aber O'Leary nickte unbeirrt.

»Seine Familie wurde vor Jahren von Red Cloud und seinen Oglalas umgebracht. Seitdem kann er nie genügend Whisky bekommen, und begreiflicherweise hasst er die Roten wie die Beulenpest. Für eine gewisse Summe dürfte das, was ich ihm zu sagen habe, ganz interessant für ihn sein.«

Bereits am nächsten Morgen war Swifty Morgan in die Black Hills aufgebrochen. Da er für sein Vorhaben einen zweiten Mann benötigte, hatte er sich die Summe von zweihundert Dollar mit John Starkey, einem hageren, schweigsamen Mann, geteilt.

Zwei Tage später hatten sie an einem schmalen Wasserlauf nördlich des Beaver Creek ein kleines Oglala-Dorf aufgestöbert. Es bestand aus acht Tipis. Aus einigen von ihnen stieg spärlicher Rauch in die kalte Winterluft. Ein Hund trippelte zwischen den Zelten herum, und einige Squaws hantierten an aufgespannten Häuten.

»Kannst du irgendwo einen Krieger entdecken?« fragte Swifty Morgan. Starkey spie einen Strahl braunen Tabaksaftes auf den verharschten Schnee und schaute zum türkisfarbenen, wolkenlosen Himmel auf.

»Fast keine Pferde da unten. Sie werden das Wetter zur Jagd ausnutzen.«

»Vielleicht sind sie auch zum großen Kriegsrat geritten«, sagte Swifty Morgan leise. »Crazy Horse soll Krieger um sich sammeln, seit man die Sioux aus diesen Bergen zurückgedrängt hat. Ich glaube, spätestens im Frühjahr wird es Krieg geben.«

John Starkey zog seine Winchester aus dem Scabbard und glitt aus dem Sattel.

»Möglicherweise wird uns General Crook dankbar sein, wenn wir sie schon jetzt aus der Reserve locken, wo sie noch nicht so gut vorbereitet sind.«

Swifty Morgan sagte nichts. Er folgte dem Beispiel seines Gefährten und ging einige Yards nach links. Neben dem mächtigen Stamm einer Douglastanne blieb er stehen und streifte die dicken Handschuhe ab. Sein Gesicht war starr und ohne Regung. Hass brannte in seinen Augen. Starkey schaute zögernd zu ihm hin, aber Morgan nahm keine Notiz mehr von ihm. Seine Aufmerksamkeit war voll auf das Oglala-Dorf gerichtet. Langsam hob er das Gewehr.

Der Schuss peitschte hell durch die klare Winterluft. Eine der Frauen warf die Arme hoch und fiel gegen das aufgespannte Fell. Die anderen sprangen kreischend auseinander.

Swifty Morgan repetierte. Die Hülse glänzte kurz in der kalten Sonne und fiel lautlos in den Schnee.

Eine zweite Frau stürzte und wand sich laut schreiend auf dem Boden. Blut färbte den Schnee dunkel. Hunde bellten, und in den Tipis wurde es jetzt lebendig. Gestalten liefen wie aufgescheuchte Hühner umher. Es waren einige ältere Krieger unter ihnen und halbwüchsige Knaben.

Jetzt begann auch John Starkey zu schießen. Kugeln fetzten durch die Zelte oder warfen wahllos Gestalten in den Schnee. Eine Squaw versuchte verzweifelt, in den Schutz eines der Tipis zu kriechen, aber sie schaffte es nicht mehr.

Die Mehrzahl der Oglalas, die nicht wusste, mit wieviel Gegnern man es zu tun hatte, versuchte, den nahen Waldsaum zu erreichen, doch nur wenigen gelang es. Auf der verschneiten Anhöhe vor den schützenden Bäumen lagen Tote und Verwundete. Ihre Schmerzensschreie hallten schaurig zu den beiden Männern herüber.

John Starkey ließ das Gewehr sinken und wischte sich mit der Hand über die feuchte Stirn. Swifty Morgan hingegen war ganz ruhig. Nur zögernd setzte er seine Winchester ab und löste erst nach einer Weile seinen Blick vom Ort des grausigen Massakers.

»Das genügt wohl«, sagte Starkey. Swifty Morgan erwiderte nichts. Wortlos kam er durch den Schnee und trat an sein Pferd. Er steckte das Gewehr in den Scabbard zurück und saß auf.

»Wenn sich die Krieger in der Nähe aufhalten, wird es nicht lange dauern, und sie sind auf unserer Fährte«, sagte John Starkey.

»Na wenn schon.« Swifty Morgan zog sein Pferd herum. »Wenn wir es nicht können, werden sie McKenzie überzeugen, dass es besser ist, nach Deadwood zu reiten. Kein Weißer dürfte jetzt noch vor ihnen sicher sein.«

Sie kamen bis zum Abend noch ein gutes Stück voran und schlugen im Schutze eines Waldsaumes ihr Lager auf. Es war eine kalte, mondhelle Nacht. Das Land um sie herum war erstarrt in unheilvollem Schweigen.

Bereits vor Tagesanbruch schälte sich John Starkey aus seinem Tarp-Bett und rollte es zusammen.

»Mir scheint, du bist nervös«, grunzte Swifty Morgan. Er hustete, als die kalte Morgenluft in seine Lunge drang.

»Wir haben getan, wofür man uns bezahlt. Ich habe so das Gefühl, dass wir von hier verschwinden sollten, wenn wir das Geld noch ausgeben wollen.«

Swifty Morgan setzte sich auf.

»Hier, nimm erst mal 'nen Schluck.« Er warf seinem Gefährten die Flasche zu und packte dann ebenfalls seine Sachen zusammen.

»Verdammte Kälte!« fluchte er, als Starkey ihm die Flasche zurückgab. Und als er getrunken hatte: »Hast du noch was zu beißen?«

Starkey nahm die Pelzmütze ab und kratzte sich den Kopf.

»Das Brot ist ziemlich hart, aber wir könnten etwas Speck braten.«

»Kein Feuer.«

Starkey zuckte mit den Schultern, setzte seine Mütze wieder auf und holte seinen Proviant hervor. Sie aßen etwas davon, während sie den Pferden die Sättel auflegten.

Swifty Morgan hielt plötzlich mit Kauen inne. Sein Blick war über den Rist des Pferdes hinweggeglitten, und er erstarrte. John Starkey bemerkte seinen Blick und schaute sich um. Erschrocken griff er nach seiner Winchester, die im Sattelhalfter steckte.

»Lass das!« knurrte Swifty Morgan. Sein Unterkiefer begann mechanisch, die Kaubewegungen fortzusetzen.

Sechs Gestalten hatten sich vom Waldsaum gelöst und standen schwarz vor der grauen Morgendämmerung. Ihre Pferde tänzelten nervös, aber sie selber wirkten wie aus Erz gegossen.

»Ich habe keine Lust, sie herankommen zu lassen«, zischte John Starkey.

»Bis jetzt kommen sie ja nicht.«

»Was meinst du wohl, weshalb sie hier sind?«

»Wir wissen noch nicht, was sie vorhaben.«

»Was würdest du wohl vorhaben, wenn du an ihrer Stelle wärst?«

Swifty Morgan wandte langsam den Kopf.

»Ich war an ihrer Stelle, und das vergesse ich nicht.«

»Na also, worauf warten wir noch? Wir könnten sie erledigen, ehe sie hier sind.«

»Sie sind weg wie der Blitz, noch ehe du den ersten Schuss abfeuerst.« Morgan zog den Sattelgurt fest und ließ den Steigbügel herunter. »Wir tun so, als hätten wir sie nicht gesehen und reiten fort, aber langsam.«

»Ja, aber…«

»Tue, was ich dir sage! Ich habe oft genug mit ihnen zu tun gehabt. Wenn sie uns hier hätten töten wollen, dann hätten sie sich nicht sehen lassen. Ich will vor allem von diesem verdammten Wald hier wegkommen.«

Die Reiter verhielten noch immer an der gleichen Stelle, aber es ging eine stumme Drohung von ihnen aus.

Swifty Morgan zog sich in den Sattel und wendete ohne Hast sein Tier.

»So warte doch«, knurrte John Starkey nervös und folgte ihm.

Sie ritten langsam, ohne sich umzublicken, aber mit dem Bewusstsein, dass die Oglalas ihnen folgten. Der Schnee verschluckte die Hufschläge fast völlig. Allmählich wurde es heller.

John Starkey deutete mit dem Kopf nach rechts, wo der Waldsaum aufhörte. »Wir könnten da um den Wald herum reiten. Wenn wir erst mal ihren Blicken entschwunden sind…«

»Nein, können wir nicht«, unterbrach Swifty Morgan ihn.

Drei Reiter kamen um den Waldsaum herum und blickten stumm zu ihnen hinüber. John Starkey fluchte und befingerte den Griff seines Revolvers, den er hoch an der Hüfte trug.

»Mach keine Dummheiten«, raunte Swifty Morgan ihm zu, »noch haben sie uns nicht.«

»Ich habe auch nicht vor, so lange zu warten.« Starkeys keuchender Atem stand einen Moment in der kalten Luft. »Es sind nur drei.«

Für einen Augenblick ließ er unschlüssig sein Pferd etwas zurückfallen, folgte dann aber wieder seinem Gefährten, der unbeirrt weiterzog.

Die drei Oglalas neben dem Wald warteten, bis ihre Stammesbrüder heran waren, und schlossen sich ihnen an.

John Starkey schaute über die Schulter zurück. Die Roten waren nicht näher gekommen, aber sie folgten ihnen geduldig wie ein Rudel Wölfe.

»Es werden immer mehr da hinten, wir hätten…« John Starkey verschluckte die letzten Worte und starrte aus weit aufgerissenen Augen nach vorn, wo vier weitere Indianer in auseinandergezogener Kette hinter dem Kamm einer Bodenwelle auftauchten. Sie trugen Bogen und zum Teil lange Gewehre. Bunte Decken hingen über ihren Schultern, und die Brustplatten aus Pfeifenknochen glänzten in der Sonne.

Swifty Morgan ließ seine Blicke blitzschnell über das Terrain gleiten, aber die Roten hatten die Stelle gut gewählt. Zu ihrer Rechten zogen sich steile Felsbarrieren hin, und links befand sich ein verschneiter Hang, den man nur sehr mühsam hinter sich bringen konnte. Wenn sie diesen Weg wählten, dann hatten sie keine Chance, den Kugeln und Pfeilen der Sioux zu entkommen.

Einen winzigen Moment lang herrschte tödliches Schweigen, das jäh beendet wurde, als John Starkey sein Gewehr aus dem Scabbard riss. Seiner hastigen Bewegung folgte unmittelbar ein markerschütterndes Geschrei hinter ihnen. Hufe trommelten dumpf in den aufstiebenden Schnee. Swifty Morgans Pferd drehte sich röhrend um die eigene Achse.

»Vorwärts!« schrie er und riss den Revolver heraus. Sie preschten den vier Reitern entgegen, die ebenfalls ihre Pferde antrieben und ihre Waffen schwenkten. Ihre langen Haare flatterten wild.

John Starkey feuerte einen nutzlosen Schuss ab, und zum Repetieren blieb ihm keine Zeit mehr. Plötzlich war alles dicht vor ihm. Eine bunte Decke, Federn, die Mündung eines Gewehres. Eine eiserne Faust traf ihn. Er spürte keinen Sattel mehr unter sich. Felsen, Bäume und Himmel wirbelten um seinen Kopf wie Blätter im Herbstwind. Er prallte dumpf auf den Schnee, und die Erschütterung schien seinen Körper zu zerschmettern.

Swifty Morgan hatte seinen Revolver nur einmal abgefeuert, als einer der Oglalas auf ihn zuraste. Die Kugel traf. Unmittelbar danach prallte das reiterlose Pferd gegen das seine. Swifty Morgan warf sich nach vorn und klammerte sich an das Sattelhorn. Der Anprall riss ihn fast aus dem Sattel und ließ das Pferd einknicken, aber es kam wieder hoch. Ein zweiter Krieger war sofort zur Stelle. Swifty Morgan duckte sich und trieb das Pferd hart an. Die Streitaxt fuhr zischend über seinen Kopf hinweg. Sein Pferd streifte den Pinto des Indianers und riss diesen in den Schnee. Dann war Swifty Morgan durch. Der Wind riss ihm den Jubelschrei von den Lippen. Er erreichte den Kamm des Höhenzuges und preschte hangabwärts. Erst jetzt bemerkte er, dass er allein war.

Das Bild vor John Starkeys Augen stand plötzlich wieder still. Wahnsinnige Schmerzen veranlassten ihn, die Hände in der blutgetränkten Jacke zu verkrallen. Er lag auf dem Rücken und starrte den hochgewachsenen Indianer an, der vom Pferd sprang und auf ihn zukam. Die Mokassins verursachten kein Geräusch im Schnee. Mit einer Hand richtete der Oglala das lange Gewehr auf den am Boden liegenden Mann. John Starkey riss Mund und Augen auf. Die Schmerzen waren wie weggeblasen. Dann löschten Feuer und Rauch das Bild des Indianers aus.

Ohne die geringste Regung blickte der Oglala auf den weißen Mann, den die Kugel aus seinem Gewehr ausgelöscht hatte. Dann drehte er sich wortlos um und trat zu seinem Pferd. Er schwang sich hinauf und hob das Gewehr hoch über den Kopf.

»Wan'howo!«

Die Hufe der Pferde wirbelten den Schnee hoch, als die Horde den Kamm der Anhöhe überquerte. Nur zwei Krieger blieben zurück und hoben den Toten auf. Die Leiche des weißen Mannes hingegen ließen sie liegen, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Swifty Morgan blickte über die Schulter, ohne das Pferd anzuhalten. Er hatte einen guten Vorsprung, aber er wusste, dass die Sioux nicht aufgeben würden, und seine Fährte war allzu deutlich.

Er trieb das Pferd einen Hang hinauf. Das Tier arbeitete sich keuchend durch den hohen Schnee, den der Wind hier angeweht hatte. Im lockeren Baumbestand hielt Swifty Morgan an. Der Morgenwind zischte in den Nadeln der windzerzausten Fichten. Er riss das Gewehr aus dem Scabbard und wartete, während sein Atem stoßweise in die kalte Luft dampfte.

Sie hatten den Fehler begangen, die Gefahr zu unterschätzen. Einen zweiten durfte er sich nicht mehr leisten, denn dieses Land verzieh keine Fehler.

Langsam hob er die Winchester an die Schulter, blies weich die Luft aus und hielt einen Moment den Atem an. Der Schuss bellte matt über den Schnee. Ein Pferd stürzte und schlug mit den Läufen. Sein Reiter kollerte durch den Schnee. Die anderen spritzten auseinander und suchten nach Deckung. Ein Teil von ihnen brach nach rechts aus und versuchte, die Stellung des Schützen zu umgehen.

Swifty Morgan gab noch einen Schuss ab und zog dann scharf sein Pferd herum. Er stieß das Gewehr in den Scabbard zurück und bearbeitete die Flanken des Tieres. Sie konnten ihn kaum gesehen haben, und das würde sie etwas aufhalten.

Fast eine Stunde jagte er den Grauen und wechselte häufig die Richtung. Doch die kleinen, struppigen Pintos waren dem Grauen an Kraft und Ausdauer überlegen. Swifty Morgans Vorsprung schmolz ständig zusammen. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er sich einem kurzen, aussichtslosen Kampf stellen musste. Aber so schnell gab er nicht auf, auch wenn ihm die Angst den Schweiß aus dem Körper trieb.

Noch einmal gelang es ihm, den Abstand zu den Sioux zu vergrößern, aber der Atem seines Pferdes wurde immer kürzer und die Bewegungen unsicher und kraftlos. Swifty Morgan wusste, dass sein Pferd am Ende war.

Noch nahm ein Felsrücken seinen Verfolgern die Sicht, aber…

Plötzlich kam ihm ein verzweifelter Gedanke. Er zog sein Gewehr aus dem Scabbard und trieb das erschöpfte Tier an einer Felsbarriere entlang, bis zu einem einzelnen Baum, an dessen untersten Ast er sich hängte und das Pferd unter sich weglaufen ließ. Ohne besondere Mühe gelang es ihm, vom Ast des Baumes aus die Felsbarriere zu erreichen. Das Tier, das Gewicht seines Reiters nicht mehr spürend, wollte stehenbleiben. Doch Swifty Morgan feuerte einen Schuss ab. Die Kugel streifte das Tier an der Hinterhand und riss eine schmerzhafte Furche in das Fell.

Von panischem Schreck erfüllt, raste der Graue davon und entschwand bald darauf Swifty Morgans Blicken. Dieser kletterte über die Felsbarriere und verharrte einen Moment mit keuchenden Lungen. Wenn er Glück hatte, würden die Rothäute seinen Trick vorerst nicht bemerken. Aber es dürfte nicht allzu lange dauern, bis sie das reiterlose Pferd entdeckten. Dann würden sie sich in alle Richtungen zerstreuen und nach ihm suchen. Ein Mann ohne Pferd war leicht einzuholen, aber O'Leary hatte ihm eines dieser neuartigen Winchestergewehre mitgegeben, in dessen Magazin sich noch mehr als zehn Schuss befanden …

Jim McKenzie wusste nicht, wie lange er in seiner Hütte gelegen hatte. Das Feuer war längst erloschen, und es war bitterkalt. Langsam versuchte er, sich aufzurichten. Die Schmerzen und seine Hilflosigkeit brachten ihn in Wut. Er biss die Zähne zusammen, dass er in der Stille ihr Knirschen hörte. Er fühlte sich schwach, und ihm war hundeelend. Er schleppte sich zum Kamin und entfachte ein neues Feuer. Diese Tätigkeit kostete seine ganze Kraft. Keuchend blieb er auf den Brettern des Bodens liegen und genoss die sich allmählich ausbreitende Wärme, während sich seine Gedanken im Kreise drehten. Er wusste, dass er hier allein war und dass eine Kugel in seiner Schulter steckte, und er hatte schon von Männern gehört, die sich solch ein Ding selbst herausgeholt haben sollten. Aber erst musste es hier drinnen wärmer sein.

Er legte einige weitere Holzscheite in das Feuer. Knallend stoben ein paar Funken in die Höhe und verlöschten.

Plötzlich hob Jim McKenzie den Kopf und lauschte. Der Wind fuhr fauchend in den Kamin und ließ die Flammen auflodern. Ein paar Sekunden, dann setzte Jim McKenzies kurzes, erschöpftes Atmen wieder ein. Hastig rutschte er zu seinem Lager, neben dem sein Revolvergurt lag. Er zog die Waffe aus dem Halfter und merkte an ihrem Gewicht, wie schwach er war.

Draußen schnaubte ein Pferd. Vielleicht hatte Lavaca Bundesgenossen gehabt, die jetzt nach ihm suchten.

Jim McKenzie erinnerte sich, dass er seinen Revolver seit dem Kampf mit Lavaca noch nicht wieder nachgeladen hatte.

Mit zitternden Fingern ließ er die leeren Hülsen herausfallen und ersetzte sie durch neue Patronen. Die linke Hand konnte er fast überhaupt nicht benutzen. Dicke Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Dann hatte er es geschafft. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das primitive Bett und wartete. Draußen waren Fetzen irgendwelcher Stimmen zu hören. Das Knarren eines Wagens brachte Verwunderung in sein Gesicht. Ein Wagen im Winter, hier in den Bergen? Oder hatte er Fieber bekommen und bildete sich das alles nur ein?

Dann verstummten alle Geräusche. Der Wagen schien angehalten zu haben.

Hatten sie den Toten gesehen? Oder war da gar kein Wagen?

Nach einer Weile hörte er wieder undeutliche Stimmen. Er stützte die Hand mit der schwankenden Waffe auf das linke Knie. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten.

Er spürte, wie er vor Anstrengung zu schwitzen begann. Undefinierbare Geräusche. Dann eine Stimme, etwas unsicher, mit unverkennbar französischem Akzent.

»Ist da jemand? Hallo, ist da jemand im Haus?«

Jim McKenzie antwortete nicht. Er spannte den Hahn des Revolvers, als draußen vor der Tür ein Brett knarrte.

»Nun sieh schon nach!« Das war die Stimme einer Frau. »Wie lange sollen wir hier noch warten?«

Fünf, sechs Sekunden, dann wurde zögernd die Tür geöffnet. In ihrem Rahmen stand ein kleiner, rundlicher Mann mit einem dicken Wollmantel und steifem Zylinder. Seine Erscheinung wirkte in dieser Umgebung irgendwie lächerlich. Einen Moment stand er da und rührte sich ebenso wenig wie Jim McKenzie. Dann streckte er abwehrend die Hände nach vorn und kam einen Schritt näher.

»Legen Sie um Himmels willen diese Waffe weg, Monsieur, Sie zielen ja direkt auf mich.«

»Das war auch meine Absicht«, entgegnete McKenzie trocken. »Bleiben Sie, wo Sie sind!«

Der Mann hinter dem Visier der Waffe war wieder stehengeblieben, unschlüssig, was er tun sollte, hob er die Hände.

»Ich glaube, Sie sind verletzt, mon ami.« Er wandte sich halb um und deutete nach draußen, aber Jim McKenzie ließ ihn nicht weitersprechen.

»Wer ist da draußen?«

Der andere brachte ein säuerliches Lächeln zustande.

»Frauen, mon ami, schöne Frauen, oui, wir könnten Ihnen helfen.«

»Mir ist jetzt nicht nach Frauen«, antwortete McKenzie grob. »Was wollen Sie hier?«

Der Fremde zuckte mit den Schultern. »Wir sahen diesen Toten da, und da dachten wir uns…«

»Das kann ich mir selbst zusammenreimen, Mister.« Jim McKenzie war ungehalten, denn er spürte, wie seine Kräfte mehr und mehr schwanden. »Ich meine, was Sie hier in den Bergen tun.«

Der Mann wollte antworten, aber eine derbe Frauenstimme rief von draußen: »Heh, Baptiste, was ist denn da drin los?«

Der Mann sagte etwas darauf, aber Jim McKenzie konnte dessen Worte nicht mehr verstehen. Das Bild vor seinen Augen verzerrte sich plötzlich seltsam ebenso wie die Töne, die an seine Ohren drangen. Er hörte nicht mehr das dumpfe Poltern, als sein Revolver auf die rauen Dielen fiel.

Wahnsinnige Schmerzen rissen Jim McKenzie in die Wirklichkeit zurück. Jemand schien ihm eine Lanze durch die Schulter zu bohren. Er wollte stöhnend hochfahren, aber da waren Hände, die ihn festhielten. Er riss die Augen auf, und die wirren Farben schmolzen allmählich zu einem geordneten Bild zusammen.

Eine derbe, rothaarige Frau richtete sich zu überdimensionaler Größe über ihm auf. Sie hatte etwas Blutiges in der Hand, das sie triumphierend in die Höhe hielt. Erst mit dem zweiten Blick erkannte Jim McKenzie, dass es sich um eine Blasiuszange handelte, mit der sie eine bluttriefende Revolverkugel hielt.

»Schon überstanden. Jetzt sind Sie das Ding los. Wurde auch höchste Zeit.« Die große Frau lächelte wie ein Buddha auf ihn herab. Er hörte die Kugel in eine Blechschüssel scheppern.

»Jetzt könnt ihr ihn loslassen, Kinder.«

Jim McKenzies Muskeln entspannten sich. Erschöpft und schweißgebadet lag er auf seinem Lager.

»Haben Sie die Kugel…?«

»Ja, ich habe Ihre Bewusstlosigkeit ausgenutzt, weil wir kein Laudanum mehr haben. Ich habe so etwas schon öfter gemacht, fragen Sie die Mädchen.« Ihr Ton wurde etwas strenger. »Nicht wahr, Baptiste?«

»Exactement«, beeilte sich dieser zu versichern. »Meine Frau ist sehr couragiert. Während des Bürgerkrieges war sie in einem Lazarett in Atlanta.«

Jim McKenzies Aufmerksamkeit kehrte von dem kleinen Franzosen zu der rothaarigen Frau zurück, als sie erklärte: »Das ist Jean Pierre Baptiste. Ich habe ihn vor einem Monat geheiratet.«

Jim McKenzie riskierte ein schwaches Grinsen. »Dann befinden Sie sich wohl auf der Hochzeitsreise?«

Eines der Mädchen kicherte und erntete einen strafenden Blick.

»Zumindest haben Sie Ihren Humor nicht verloren. Ich schätze Leute mit Humor, nicht wahr, Baptiste?«

Der Franzose nickte. Er stellte Jim McKenzie die Mädchen vor, und dieser musterte eins nach dem anderen mit einem neugierigen Blick. Janice Porter war ein mageres Geschöpf mit einem zu langen Hals, den auch das schwarze Samtband nicht kürzer erscheinen ließ. Maggie Dobbs hatte braune Haare und ein einfältiges Lächeln im hübschen Gesicht. Dann war da noch Susan Kerr, deren langsam dahinschwindende Jugend einen leicht bissigen Zug in ihrem Gesicht hinterließ. Der Blick, mit dem ihn Mady Oliver anschaute, veranlasste McKenzie, das jüngste der Mädchen etwas genauer zu betrachten. Es war ein Gemisch aus Neugier, Bewunderung und Herausforderung in ihren blauen Augen. Sie strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn und deutete mit einer Kopfbewegung nach draußen.

»Haben Sie ihn erschossen?«

Jim McKenzie war zu müde, ihr die Antwort zu geben, an die er in diesem Moment dachte.

»Ja«, sagte er nur.

»Sie dürfen es ihr nicht übelnehmen«, schaltete sich Mirzy Baptiste ein, »sie ist erst seit kurzem hier im Westen.«

Nach diesen Ereignissen schlief Jim McKenzie sehr tief und sehr lange. Als er schließlich erwachte, hatte sich eine angenehme Behaglichkeit in seiner Hütte ausgebreitet.

Diese Leute bildeten eine Tanztruppe, die in den Vergnügungsstätten des Gold- und Rinderruns ihr Geld zu machen suchte. Schlechte Geschäfte und die Gerüchte eines bevorstehenden Indianerkrieges hatten sie jedoch veranlasst, Deadwood zu verlassen und zu versuchen, noch vor Einbruch des Winters Cheyenne zu erreichen. Der Schneesturm, so erklärte Baptiste, hatte sie vom eigentlichen Weg abkommen lassen.

Einige Tage später hatte sich Jim McKenzie so weit erholt, dass er herumlaufen und sogar wieder einfache Arbeiten verrichten konnte. Am Oberschenkel trug er noch einen festen Verband, und der linke Arm ruhte in einer Schlinge, aber die Wunden heilten, dank der fürsorglichen Pflege, recht gut.

Der kleine Franzose machte einen recht hilflosen Eindruck, wenn das Gespräch auf ihre Weiterreise kam. Und da Jim McKenzie sich in der Schuld dieser Leute fühlte und Baptiste auf keinen Fall nach Deadwood zurückkehren wollte, erklärte er sich bereit, sie nach Cheyenne zu führen…

Es war ein kalter Tag, an dem sie aufbrachen. Feine Zirruswolken verschleierten den blassen Winterhimmel und kündeten neuen Schneefall an.

Bereits während der Mittagsrast fielen die ersten Flocken. Der Himmel hatte eine bleigraue Farbe angenommen, und ein eiskalter Wind kam auf.

Jim McKenzie schüttete den Rest seines inzwischen kalt gewordenen Kaffees in die Glut und erhob sich.

»Wir müssen weiter«, sagte er bestimmt.

Die Mädchen gingen zum Wagen. Die Tür am Heck des Kastenwagens stand offen, und die Maultiere dösten in ihren Geschirren. Mady Oliver blieb neben Jim McKenzie stehen. Ihr Gesicht war von der kalten Luft gerötet.

»Dieser Tote vor Ihrer Hütte, weshalb haben Sie ihn erschossen?«

Jim McKenzie klopfte seine Maiskolbenpfeife am Handballen aus und steckte sie in die Tasche.

»Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit.«

»So einfach ist das?«

»So einfach.«

»Ist es hier im Westen üblich, deshalb einen Menschen zu erschießen?«

McKenzie schaute in ihre blauen Augen und lächelte schwach.

»Ich war der Meinung, dass er eine bessere Leiche abgeben würde als ich, und er glaubte das Gegenteil. Wie hätten wir wohl jemals herausfinden sollen, wer recht hat?«

Es dauerte eine volle Sekunde, bis sie den Spott seiner Worte begriff.

»Mir scheint, Sie sind ein ungehobelter Kerl, Mister McKenzie.«

Er lächelte noch immer. »Und ein so wohlerzogenes Mädchen wie Sie hätte lieber zu Hause bleiben sollen.«

Sie wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und folgte den anderen zum Wagen.

Der Wind wurde stärker und peitschte den Schnee in die Gesichter der Männer. Baptiste lenkte den Wagen, der hin und wieder bedrohlich über die Unebenheiten des Weges schaukelte. Er hatte seinen Schal unter dem Zylinder über den Kopf gelegt, so dass nur noch das Gesicht herausschaute. Die Maultiere ließen kläglich die Ohren hängen. Die Temperatur sank immer tiefer, und auf den struppigen Fellen der Tiere bildete sich eine Eiskruste. Jim McKenzie hockte mit hochgezogenen Schultern im Sattel seines Grauschimmels. Der Frost biss in seinem Gesicht und machte die Beine steif und gefühllos. Die Sicht betrug keine fünfzig Yards.

»Wir müssen anhalten und den Sturm vorbeilassen«, brüllte er durch den heulenden Wind. »Sonst kommen wir vom Weg ab!« Baptiste nickte und zog die Zügel straff. Jim McKenzie glitt steifbeinig aus dem Sattel und half dem Franzosen, die Maultiere auszuspannen und in den Windschatten des Wagens zu bringen. Dann suchten sie selbst das Innere des Wagens auf, in dem der eiserne Kanonenofen an der Vorderfront eine wohlige Wärme verbreitete. Rechts und links befanden sich schmale, übereinander liegende Betten und kleine Spinde.

»Wenn der Sturm die ganze Nacht anhält, kommen wir mit dem Wagen nicht mehr weiter«, brummte McKenzie. Alle starrten ihn an, aber niemand sagte ein Wort. Sie konnten sich vorstellen, was es bedeutete, wenn sie den Wagen zurücklassen mussten. Zu Fuß würde niemand von ihnen Cheyenne erreichen.

Plötzlich hob Jim McKenzie den Kopf. Ein langgezogenes Heulen mischte sich in das Toben des Sturmes.

»Was ist das?« fragte Mady Oliver unbehaglich.

»Wölfe. Wenn sie näher kommen, müssen wir raus und die Tiere schützen.«

»Sie werden uns anfallen«, bemerkte Baptiste kläglich.

»Kaum. Um diese Jahreszeit sind sie noch nicht so ausgehungert.«

Eine ganze Weile hörten sie nichts mehr, doch dann war das Wolfsgeheul plötzlich sehr nahe und vielstimmig. Jim McKenzie nahm sein Gewehr und erhob sich.

»Sie kommen.«

Jean Pierre Baptiste machte ein unglückliches Gesicht, aber seine Frau fuhr ihn an: »Du hast doch eine Schrotflinte, Baptiste. Worauf wartest du?«

Der Mann erwiderte kein Wort. Er langte nach der Flinte, zog den Schal fester um seinen Kopf und folgte Jim McKenzie nach draußen. Der Wind sprang ihn an wie ein knurrendes Tier und raubte ihm für einen Moment den Atem. McKenzie stellte sich neben die bereits unruhig gewordenen Tiere dicht an die Wand des Wagens. Noch war im wilden Reigen der Flocken nichts zu erkennen. Vielleicht würde auch die Witterung der Menschen die Wölfe wieder verscheuchen Baptiste drückte sich neben Jim an die Wand. Die Schrotflinte lag recht ungeschickt in seiner Armbeuge, und mit der anderen Hand drückte er den Zylinder fest gegen seinen Kopf.

»Was sollen wir tun, wenn wir mit dem Wagen nicht weiterkönnen?« Der Wind riss ihm die Worte von den Lippen. »Wir können doch nicht…«

Jim McKenzie schenkte ihm einen flüchtigen Blick.

»Sie sollten sich auf jeden Fall eine andere Kopfbedeckung beschaffen«, sagte er nur. Er kniff die Augen zusammen, als eine Windbö ihm die scharfen, eisverkrusteten Flocken ins Gesicht peitschte. Undeutlich sah er die Bäume, in denen der Sturm wühlte, und er sah die huschenden Schatten im wirbelnden Grau. Langsam kamen sie näher.

»Halten Sie sich bereit, Baptiste.« Jim McKenzie zog einen der dicken Handschuhe aus und repetierte das Gewehr. Noch bewegten sich die grauen Schatten hin und her, aber plötzlich schossen sie pfeilschnell auf die unruhig schnaubenden und stampfenden Maultiere zu.

Jim McKenzie riss das Gewehr hoch und schoss. Der erste der Wölfe überschlug sich knurrend und wirbelte den Schnee hoch. Sein zweiter Schuss ging fehl. Neben sich hörte er die Schrotflinte donnern. Ein weiterer Wolf wälzte sich jaulend im Toben der Flocken. Jim McKenzie schoss weiter und erwischte einen dritten. Dann waren sie heran. Die Maultiere schrien angsterfüllt. McKenzie löste sich mit ein paar schnellen Schritten vom Wagen. Der Schlag mit dem stählernen Lauf seiner Waffe traf die Schnauze eines Wolfes mitten im Sprung und streckte ihn zu Boden. Ein anderer sprang ihn an, und er stieß ihm den Lauf in den Rachen. Die Flinte des Franzosen krachte zum zweiten Mal. Er schrie etwas, das Jim McKenzie nicht verstehen konnte.

Ganz plötzlich brach der Angriff ab. Sie sahen die Schatten noch eine Weile hin und her huschen, aber die Wölfe kamen nicht zurück. Der Wind trieb ihr schauriges Geheul über das Land.

Plötzlich war es McKenzie, als hätte er irgendwo einen Schuss gehört und kurz darauf noch einen. Er stand still im Wind und lauschte, aber er hörte nichts mehr.

»Haben Sie nichts gehört?« fragte er den Franzosen.

»Nichts, außer diesen Bestien.« Jim McKenzie schwieg, aber er war sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Hatte jemand ihre eigenen Schüsse gehört und wollte sich bemerkbar machen?

Er zog den Kragen seiner Jacke höher und stellte sich wieder an die schützende Wand. Solange der Sturm anhielt, hatte es keinen Sinn, irgendetwas zu unternehmen.

Schließlich sagte er: »Gehen wir wieder hinein.«

Sie brachten einen Schwall eisiger Kälte mit in den engen Wagen. Draußen heulte noch immer der Sturm. Baptiste warf seinen Zylinder auf eines der Betten und setzte sich hin. Trotz der geröteten Nase wirkte sein Gesicht bleich. McKenzie blieb neben der Tür stehen, öffnete seine Jacke aus grauem Wolfsfell und hakte den Daumen der rechten Hand hinter den Revolvergurt. Sein von Sonne und Wetter gebräuntes Gesicht war in dem dämmrigen Licht kaum zu erkennen. Er sah genauso aus wie er lebte, hart, unbeugsam und einsam.

Er bemerkte die Bewunderung in Madys Augen und zog kaum merklich die Mundwinkel herab. Was wusste dieses Mädchen schon von ihm? Nur, dass er anders war als die Männer, die sie bisher gekannt hatte.

»Haben Sie die Wölfe verjagt?« fragte sie, und ihre Augen waren noch immer auf ihn gerichtet. Er nickte und ließ seine Blicke langsam über die Mädchen gleiten.

»Ich möchte wissen, was Sie veranlasst hat, in ein solches Land zu kommen.«

Baptiste zuckte resigniert mit den Schultern. Er machte einen sehr niedergeschlagenen Eindruck.

»Bei den Mädchen mögen wohl verschiedene Gründe eine Rolle spielen«, sagte er, »aber ich habe es im Osten zu nichts gebracht. Ich war pleite, verstehen Sie, mon ami?«

Jim McKenzie sagte nichts mehr. Nach Stunden hörte es auf zu schneien, und es wurde heller. Der Sturm flaute ab, legte sich aber nicht ganz. Es blieb ein kalter, unfreundlicher Wind. Sie beschlossen, die letzten Stunden Tageslicht noch zu nutzen, und brachen auf.

Als sie die Maultiere angeschirrt hatten und Jim McKenzie sein Pferd losband, trat Mady zu ihm.

»Wissen Sie, weshalb ich in den Westen gekommen bin?« fragte sie und fuhr fort, ohne eine Antwort zu erwarten: »Ich wollte endlich einmal etwas erleben. Ich wollte nicht zu Hause herumsitzen und warten, bis ein Mann kommt, der mich heiraten will. Man sagt, es gäbe hier noch richtige Männer.«

Ihr Gesicht war rein und klar, und es ging etwas Aufreizendes von ihr aus, etwas, das nur ihre Jugend ihr gab.

»Vielleicht kostet Sie dieser Wunsch noch das Leben«, sagte McKenzie hart, aber er sah, dass er sie damit nicht erschrecken konnte. Sie hatte überhaupt keine Vorstellung von den Gefahren, denen sie hier ausgesetzt war. Und sie war viel zu jung, um vorsichtig zu sein.

Der Schnee lag noch nicht so hoch, dass sie mit dem Wagen steckenblieben, jedenfalls nicht, solange sie nicht in eine Verwehung gerieten. Jim McKenzie dachte wieder an die Schüsse, die er gehört hatte, aber es hatte keinen Sinn, nach irgendwelchen Spuren zu suchen. Er feuerte zweimal hintereinander sein Gewehr ab und lauschte, aber es blieb alles still.

»Vorwärts!« sagte er und setzte sich an die Spitze, sorgfältig den Weg prüfend.

Sie kamen einige Meilen gut voran. Dann ritt McKenzie einen Hügel hinauf, und kurz vor der Kuppe spitzte der Grauschimmel plötzlich die Ohren. Jim McKenzie passte scharf auf, konnte jedoch nichts erkennen. Aber er ließ sich davon nicht täuschen. Das Pferd war in der Wildnis aufgewachsen. Es hatte etwas gewittert.

Er ritt den Hang hinunter. Der kalte Wind biss in sein Gesicht und trieb ihm das Wasser in die Augen. Er schaute unablässig zu jenem Waldstreifen hinüber und achtete streng darauf, dass die Bäume zwischen ihm und der Richtung blieben, in die das Pferd gewittert hatte.

Am Ende des Waldstreifens gewahrte er eine Bewegung. Mit den Zähnen zog er sich den Handschuh aus und griff nach dem Gewehr. Eine einzelne Gestalt kam schwankend aus dem Schutz der Bäume. Jim McKenzie hielt sein Tier an und wartete. Hinter sich hörte er den Wagen herankommen, aber er schaute nicht zurück. Der Mann war zu Fuß. Eine dünne Eiskruste bedeckte seine Kleidung und das Gewehr, das er mühsam unter dem Arm hielt. Er machte einen sehr erschöpften Eindruck und kam nur langsam näher. Eiszapfen hingen von seinem Bart wie lange, spitze Wolfszähne über den Mund herab. In seinem Gesicht zeigten sich graue Flecken.

Jim McKenzie saß ab, als der Fremde zwei Schritte von ihm entfernt stehenblieb.

»Bei Gott, Sie schickt der Himmel«, sagte der Mann. »Ich habe Ihre Schüsse vorhin gehört, aber ich konnte nicht mehr antworten.« Er hob das Gewehr etwas an. »Das Schloss war vereist. Außerdem hatte ich Angst, dass mich die verdammten Rothäute vorher erwischten.«

»Indianer?« fragte Jim McKenzie ungläubig.

Der andere nickte.

»Ich war mit meinem Partner auf der Jagd, am Oberlauf des Saco. Wir waren schon auf dem Rückweg, als sie über uns herfielen. Sie haben meinen Partner umgebracht und unsere gesamten Häute gestohlen. Seitdem sind sie hinter mir her, diese Halunken. Gestern habe ich mein Pferd verloren, und nun wollte ich mich zu Ihrer Hütte durchschlagen, aber ich hätte es wohl nicht mehr geschafft, wenn ich hier nicht auf Sie gestoßen wäre. Es war die Hölle, kann ich Ihnen sagen.«

»Sie kennen mich?«

»Habe Sie hin und wieder in Deadwood gesehen,«

McKenzie wandte sich ab und ging zu Baptiste, der hinter ihm seinen Wagen angehalten hatte.

»Wer ist dieser Mann?« wollte der kleine Franzose wissen.

»Das spielt keine Rolle. Wir haben noch eine Stunde Licht, aber wir werden hier übernachten.«

Baptiste zuckte mit den Schultern. »Wie Sie meinen. Ich fahre den Wagen da hinüber zu den Bäumen. Da sind wir etwas vor dem Wind geschützt.«

»Nein, wir bleiben hier!«

Baptiste schaute ihn verwundert an. Mirzy und eines der Mädchen kamen aus dem Wagen.

»Ist etwas passiert?« fragte Mirzy.

»Indianer«, sagte McKenzie nur.

Swifty Morgan war ihm gefolgt und sagte: »Sie waren furchtbar aus dem Häuschen, Madam. Im allgemeinen kämpfen sie im Winter nicht gern, aber es muss sie etwas höllisch aufgebracht haben.«

»Wer ist dieser Mann?« wiederholte Mirzy Baptistes Frage von vorhin, und Swifty Morgan erzählte auch ihr seine erfundene Geschichte.

»Sie sind auf dem Weg nach Süden?« schloss er seinen Bericht mit einer Frage ab.

»Nach Cheyenne«, erklärte Baptiste.

Swifty Morgan rieb sich das froststarre Gesicht.

»Den Gedanken können Sie sich aus dem Kopf schlagen. Zwischen hier und Cheyenne sind jetzt bestimmt mehr als hundert Rothäute auf dem Kriegspfad, und die Sioux waren schon immer scharf auf weiße Frauen.«

»Aber was sollen wir denn tun?« rief Baptiste verzweifelt.

»Das können wir uns noch später überlegen«, entschied seine Frau. »Jetzt kommen Sie erst einmal in den Wagen, Sie sehen ja furchtbar aus. Da drinnen ist es warm.«

»Nicht in den Wagen«, widersprach Jim McKenzie. »Sagen Sie den Mädchen, sie sollen heißen Kaffee machen.«

Swifty Morgan rieb sich noch immer das Gesicht, und langsam kehrte das Blut zurück.

»Wir könnten Deadwood in zwei Tagen erreichen«, sagte er.

»Nicht mit dem Wagen«, hielt Jim McKenzie ihm entgegen.

»Ich fahre auf keinen Fall nach Deadwood zurück«, meldete sich Baptiste entschieden. McKenzie schenkte ihm keinerlei Beachtung. Seine Gedanken galten den Indianern und den Möglichkeiten, die sie hatten, um sich gegen sie zu behaupten. Es waren verdammt wenige!

»Wie viele waren hinter Ihnen her?« fragte er Swifty Morgan.

»Fünfzehn, vielleicht mehr.«

McKenzie runzelte die Stirn. Morgen würde es einen verdammt unangenehmen Tag geben, und sie konnten von Glück reden, wenn es nicht der letzte für sie war. Laut sagte er: »Trinken Sie etwas Kaffee. Wir werden inzwischen die Tiere versorgen.«

Etwas später hatten sie Holz gesammelt und ein kleines Feuer angezündet. Es war zwecklos, ihre Anwesenheit verbergen zu wollen. Der Wind hatte sich vollends gelegt, und der Tag ging zur Neige. Ein verlockender Essensduft erfüllte die Luft.

Dann wurden plötzlich die Tiere unruhig. McKenzie griff nach seinem Gewehr und erhob sich. Es war noch nicht dunkel, und er konnte deutlich die Reiter sehen, die sich von Süden her ihrem Lagerplatz näherten.

Oglalas!

»Die Frauen in den Wagen!« ordnete McKenzie an.

»Ich habe keine Angst«, sagte Mady, »ich habe noch nie richtige Indianer gesehen.«

»Madam«, wandte er sich gereizt an Mirzy Baptiste, »sorgen Sie dafür, dass sie verschwindet!« Er hatte keinen Blick von den acht Reitern gelassen, die ohne Hast näher kamen. Baptiste holte seine Schrotflinte aus dem Wagen.

»Nicht schießen!« raunte Jim ihm zu.

Die Oglalas hielten fünf Pferdelängen vor den auf sie gerichteten Gewehren an. Einer der Krieger berührte seine Augenbraue und hielt dann die Handfläche nach vorn, zum Zeichen, dass er nicht kämpfen wollte.

»Woyunihan«, sagte er in kehligem Oglala-Dialekt. Jim McKenzie begrüßte ihn auf die gleiche Art und blieb dann abwartend stehen.

»Wasicun«, fuhr der Krieger fort und deutete auf Swifty Morgan. McKenzie nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Rote machte das Zeichen der Inbesitznahme.

»Was will er?« fragte Baptiste unsicher.

»Er will diesen Mann.«

»Das können wir doch nicht tun. Wir sind doch keine Wilden. Was werden Sie ihm sagen?«

»Das, wofür Sie sich entscheiden.«

»Sie werden doch nicht…«, stammelte Swifty Morgan, aber McKenzie unterbrach ihn.

»Halten Sie den Mund, Morgan. Da hinten im Wagen befinden sich fünf Frauen, von denen die jüngste vielleicht gerade achtzehn ist, und er trägt die Verantwortung für ihr Leben.«

Baptiste trat von einem Bein auf das andere.

»Haben wir eine Chance, wenn wir es nicht tun?«

»Kaum«, sagte Jim McKenzie, »aber wir wissen auch nicht, ob sie uns in Ruhe lassen, wenn wir darauf eingehen. Indianer sind unberechenbar.«

Swifty Morgan schaute gehetzt von einem zum anderen. Seine Hände umklammerten krampfhaft das Gewehr.

»Sie werden sich auf jeden Fall die Mädchen holen wollen«, sagte er schnell. »Solange wir uns wehren können, haben wir auch eine Chance.«

Baptiste schaute McKenzie an, und seine Augen waren hilflos.

»Sie hatten recht, mon ami, ich bin nicht hart genug für dieses Land. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Ich kann nicht über das Leben anderer Menschen entscheiden. Wir werden uns wehren, so lange wir es können.«

Jim McKenzie teilte mittels der Zeichensprache diesen Entschluss den Oglalas mit, deren Gesichter sich sofort verfinsterten. Der Unterhändler konnte sich nur mit äußerster Mühe zurückhalten, und McKenzie glaubte schon, sie würden die Sache gleich jetzt austragen. Aber dann machte der Indianer zornig das Zeichen des Todes, und sie wendeten ihre Pferde und ritten fort.

Jim McKenzie blies langsam die Luft aus.

»Zur Hölle, das hätte leicht ins Auge gehen können, Freund Baptiste.«

Die Nacht war windstill und kalt. McKenzie und der Franzose wechselten sich mit der Wache ab. Swifty Morgan war zu erschöpft, um daran teilzunehmen. McKenzie glaubte zwar nicht, dass die Oglalas nachts angreifen würden, aber er wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Es war nichts von ihnen zu sehen oder zu hören, und doch spürte er, dass sie da waren und sie beobachteten.

Er war mit den Oglalas stets gut ausgekommen. Ihr Sprecher vorhin war Quick Knife. Er kannte ihn und einige andere, und es hatte Zeiten gegeben, wo er mit ihnen am gleichen Feuer gesessen hatte. Aber schon im letzten Sommer, als die Weißen in die Black Hills strömten, um das Gold aus der heiligen Erde zu wühlen, hatte sich das Verhalten der Oglalas zu ihm geändert. Und jetzt wusste er, dass er ihr Feind geworden war.

Am Morgen wurde die Luft etwas milder. Noch bevor es richtig hell wurde, spannten sie die Maultiere vor den Wagen. Sie konnten hier nicht warten, bis die Indianer angriffen. Die Mädchen kamen aus dem Wagen, um sich die Beine zu vertreten, was McKenzie sehr missfiel.

Aber noch ehe er etwas sagen konnte, kamen sie um den Waldstreifen herum. Ihr Geschrei erfüllte die Luft fast gleichzeitig mit ihren Schüssen. Eine Kugel schlug neben McKenzie in die Wand des Wagens. Die Maultiere zerrten in den Geschirren, und die Mädchen begannen zu schreien. Baptiste hatte seine Flinte im Wagen gelassen, und die Mädchen versperrten ihm die Tür. Er warf sich unter den Wagen und schrie McKenzie etwas zu. Aber dieser hatte keine Zeit, darauf zu achten. Sein Schuss riss einen der schreienden Oglalas vom Pferd. Dann lief er zur Tür des Wagens. Eines der Mädchen schrie gellend auf und fiel rücklings vom Trittbrett herunter. Jim fing es auf und schob es ohne Umschweife in das Innere des Wagens. Dann knallte er die Tür zu und duckte sich. Die Indianer ritten schießend am Saum des Waldes entlang. Die Pulverwölkchen standen fast reglos in der windstillen Luft. Kugeln schlugen gegen die Eisenbeschläge des Wagens.

Swifty Morgan hatte sich zwischen den Maultieren verschanzt, die sich inzwischen an das Knallen der Gewehre gewöhnt hatten.

McKenzie kroch ebenfalls unter den Wagen und schoss durch die Radspeichen hindurch. Blut klebte an seinen Händen und an der Jacke, aber er wusste nicht, welches von den Mädchen er in den Wagen gehoben hatte. Es war alles viel zu schnell gegangen. Aber Mady Oliver war es nicht gewesen, und er ärgerte sich über die Erleichterung, die er bei diesem Gedanken verspürte.

Die Zugtiere wurden plötzlich wieder unruhig. Sie legten sich in die Geschirre und bewegten den Wagen trotz angezogener Bremse einen Meter von der Stelle. McKenzie fluchte, und Swifty Morgan kletterte auf den Kutschbock. Baptiste beschränkte sich darauf, das Geschehen aufmerksam zu verfolgen.

Plötzlich schwenkten die Sioux herum und preschten geradewegs auf den Wagen zu. McKenzie ließ das Gewehr los, zog den Revolver und sprang unter dem Wagen hervor. Eine Kugel pfiff zischend an seinem Ohr vorbei. Er traf den ersten der Angreifer mit einem schnellen Schuss. Der Sioux riss die Zügel hoch, und sein Pinto prallte dumpf gegen den Wagen.

Der Reiter wurde gegen die Bretter geschleudert und fiel herunter. Jim schoss in rascher Folge weiter.

Swifty Morgan sprang vom Kutschbock aus einen Reiter an und riss ihn vom Pferd. Als er wieder auf die Füße kam, streifte ihn ein anderer Reiter und schleuderte ihn in den Schnee. Sofort war der erste über ihm, ein Messer blitzte in der Luft. Ein anderer Krieger versuchte, das Maultiergespann in Bewegung zu setzen. Die letzte Kugel aus McKenzies Revolver traf ihn. Ein zweiter Krieger stürzte sich auf den am Boden ringenden Morgan, und McKenzie musste ihm zu Hilfe kommen. Er versetzte dem ersten Oglala einen Fußtritt in die Seite und schlug dem anderen seinen Revolver über den Schädel. Dann riss er das Messer aus der Scheide. Der Sioux kam wie eine Katze auf die Füße. Der Tritt mit dem Fuß hatte ihn nur zur Seite geschleudert. Einen Moment stand er angriffsbereit mit der Obsidiankeule in der Faust, aber das Gewehr unter dem Wagen begann in diesem Augenblick zu krachen, und er schwang sich schnell auf eines der ledigen Pferde und ergriff die Flucht. Auch die anderen, die vermutlich an einen leichten Sieg geglaubt hatten, suchten das Weite.

Jim McKenzie starrte ihnen nach, und er wusste, dass sie wiederkommen würden.

»Danke«, sagte Swifty Morgan. Er klopfte sich den Schnee von den Kleidern, aber er sah McKenzie nicht an dabei.

»Höllenfeuer, ich möchte wissen, weshalb die Rothäute so wild auf Ihren Skalp sind. Bestimmt nicht, weil Sie in ihrem Gebiet gejagt haben.«

Swifty Morgan hob sein Gewehr auf, das in den Schnee gefallen war.

»Ich habe einige von ihnen in die ewigen Jagdgründe befördert«, erwiderte er, und dabei log er nicht einmal.

Jim McKenzie schüttelte den Kopf. »Wenn Krieger im Kampf getötet werden, nehmen sie das ihren Feinden nicht sehr übel. Jedenfalls hassen sie deswegen nicht so.«

Swifty Morgan zuckte mit den Schultern. »Sie können sie ja beim nächsten Wiedersehen mal fragen.«

Jim McKenzies harter Blick streifte ihn kurz und glitt dann zu Baptiste, der gerade unter dem Wagen hervorkroch.

»Los«, sagte er, »machen wir, dass wir hier wegkommen.«

Er stieg in den Sattel und wartete, bis Swifty Morgan und der Franzose auf den Kutschbock geklettert waren. Morgan nahm die Zügel und lenkte das Gespann zurück auf die eigene Spur. Baptiste hatte seit dem Überfall kein Wort gesprochen, und er sagte auch jetzt nichts.

Der Himmel war mit leichten Schleierwolken verhangen, und die Sonne konnte nicht durchkommen. Doch es war nicht so kalt wie am Vortag.

Nachdem sie eine halbe Stunde nichts mehr von den Sioux gesehen hatten, ließ Jim McKenzie halten. Vermutlich hatten die Indianer nicht mit einer Umkehr des Wagens gerechnet, und für die nächsten Stunden dürfte ihnen die Lust zu kämpfen vergangen sein.

Die Mädchen hatten in dem kleinen Kanonenofen tüchtig eingeheizt, und die Wärme in dem Wagen kam Jim drückend vor und erschwerte das Atmen. Susan Kerr lag auf einem der schmalen Betten. Ihr Kleid war vorn aufgeschnitten, und ein notdürftiger Verband umschloss ihre Taille. Schweiß glänzte auf ihrem Gesicht, das bleich und eingefallen war und noch älter aussah als sonst. Die Kugel war über der Nierengegend und dicht neben der Wirbelsäule in den Körper gedrungen, und sie hatte bereits viel Blut verloren.

»Hier bin ich mit meiner Kunst am Ende«, murmelte Mirzy Baptiste leise. »Da könnte nur noch ein Arzt helfen. Aber auf keinen Fall kann sie das Gerüttel dieses Wagens ertragen. Sie verliert zu viel Blut dabei.«

»Darauf können wir keine Rücksicht nehmen«, erwiderte Jim McKenzie. Der Frau lag eine heftige Antwort auf der Zunge. Aber dann senkte sie den Kopf und nickte stumm. Susan tastete nach ihrer Hand.

»Macht euch meinetwegen keine Sorgen«, sagte sie matt, »ich glaube, für mich ist es die richtige Zeit abzutreten. Wenn die Blicke der Männer immer häufiger an einem vorbeigehen, dann ist es soweit, mit dem Tanzen aufzuhören. Und was kann ich denn sonst schon.« Ihr Blick suchte Mady Oliver. »Denk an meine Worte, Kleines, denk beizeiten daran, ehe du es merkst.«

Mirzy drückte Susans Hand, und Tränen schimmerten in ihren Augen.

»Sag nicht so etwas, Susan. Wir werden es schon schaffen.«

Susan schloss die Augen, und Maggie sagte erschüttert: »Vielleicht will sie es gar nicht. Ich glaube, dass sie es nicht will.«

Jim McKenzie drehte sich um und ging hinaus. Die klare, kalte Luft nahm ihm das beklemmende Gefühl, und er zog sich in den Sattel des Grauschimmels. Die Schulter schmerzte ihm, und er kniff die Lippen zusammen, bis sie nur noch ein dünner, gerader Strich waren.

Als er sich umwandte und Swifty Morgan das Zeichen gab weiterzufahren, erblickte er sechs Reiter auf einer weiter entfernten Bodenerhebung. Sie saßen wie Statuen auf ihren kleinen, struppigen Pintos und kamen nicht näher. Sie begnügten sich vorläufig damit, zu beobachten und zu zeigen, dass sie noch da waren.

Jim McKenzie ließ den Grauschimmel antraben und sagte den anderen nichts von seiner Wahrnehmung.

Nach einigen Meilen bogen sie von ihrer alten Spur ab. Das Land war recht unwegsam, und irgendwo im Süden mussten sie auf den Old Woman Creek stoßen, an dessen Ufer vor Jahren ein Trapper seine Hütte gebaut hatte.

Die Sioux folgten ihnen und warteten auf ihren Augenblick.

Die Temperatur fiel wieder, und gegen Mittag wurde die Wolkendecke immer dichter. Es war mit Schnee zu rechnen. McKenzie schaute argwöhnisch zum Himmel empor. Weiterer Schneefall würde ein Weiterkommen mit dem Wagen unmöglich machen. Dann war auch Deadwood von ihnen so weit entfernt, als würde es am Ende der Welt liegen. Er hatte sich da auf etwas eingelassen, was ihn Kopf und Kragen kosten konnte.

Sie wagten nicht, eine Mittagsrast einzulegen, denn jeder Meter, den sie zurücklegten, konnte über Leben und Tod entscheiden. Irgendwann mussten sie auf den Fluss stoßen, auf dessen Eisdecke sie bis zur Hütte des Trappers bequemer vorankommen konnten. Doch was würden die Indianer bis dahin tun? Eine Meile weiter wusste er es.

Er kniff die Augen zusammen, und seine Hand tastete nach dem Gewehr. Langsam zog er es aus dem Scabbard. Auf einer Anhöhe vor ihnen waren zehn Sioux aufgetaucht. Er drehte sich im Sattel um und schaute zurück. Die sechs Krieger hinter ihnen waren näher gekommen; aber im Moment warteten sie noch ab, was die Bleichgesichter tun würden.

Swifty Morgan stieß eine Verwünschung aus und hielt den Wagen an.

»Was haben die jetzt vor, mes amis?« fragte Baptiste völlig überflüssigerweise. Swifty Morgan deutete nach rechts. »Da, zwischen den zwei Höhenzügen hindurch könnten wir es versuchen. Nicht gerade einfach, aber wir hätten eine Chance.«

Jim McKenzie schaute nach vorn. Ein leichter Wind kam auf und spielte mit dem Federschmuck an Gewehren und Lanzen der Sioux. Sie besaßen nur einschüssige Springfields oder Vorderlader, aber sie waren ihnen an Zahl weit überlegen.

»Worauf warten wir noch?« drängte Morgan.

Jim drehte sich halb zu ihm um. »Wenn du tust, was sie von dir erwarten, mein Freund, dann ziehen sie dir in kurzer Zeit den Skalp über die Ohren. Wir werden unseren Weg genauso fortsetzen, wie wir es vorhatten.«

»Aber da drüben…«, protestierte Morgan.

»…wartet bestimmt ein ganzes Dutzend auf uns«, ergänzte McKenzie. »Vielleicht können wir sie bluffen.« Er lud sein Gewehr durch und nahm die Zügel zwischen die Zähne. Im Stillen hoffte er, dass die schnelle Schussfolge ihrer Winchestergewehre die Oglalas verwirren würde Wenn er sich täuschte, dann brauchten sie sich über ihre weitere Flucht keine Gedanken mehr zu machen.

»Hoaaah …!« schrie er zwischen den Zähnen hindurch und trieb sein Pferd scharf an. Der Pulverschnee wurde von den Hufen hochgewirbelt. Hinter ihm legten sich die Maultiere in die Geschirre. Jim McKenzie trieb sein Pferd etwas zur Seite, um Morgan und Baptiste nicht in die Schusslinie zu reiten. Er hielt das Gewehr in der rechten Hand, den Schaft mit dem Ellenbogen an den Körper gepresst.

Die Indianer trieben in diesem Moment laut schreiend ihre Ponys an und schwenkten ihre Gewehre. Schnell kamen sie näher. McKenzie feuerte, und einer der Angreifer ließ das langläufige Gewehr los und rollte rückwärts über die Kruppe seines Tieres. Vom Wagen her donnerte Baptistes Schrotflinte, aber die Entfernung war für ein solches Gewehr noch zu groß.

McKenzie bremste den Lauf seines Pferdes etwas ab, um dem Wagen nicht so weit voraus zu sein. Der zweite Schuss aus seinem Gewehr traf eines der Indianerponys.

Der Wagen kam mehr und mehr in Fahrt. Die großen Räder warfen den trockenen Schnee hoch wie feinen Sand. Swifty Morgan übergab dem Franzosen die Zügel und griff nach seiner Winchester. In rascher Folge feuerte er einige Schüsse ab und brachte den Angriff der Sioux für einen Moment ins Stocken. Aber dann ließ er die Waffe sinken, und seine Augen weiteten sich in jähem Erschrecken.

Die Maultiere waren plötzlich bis zum Bauch eingesunken. Verzweifelt versuchten die Tiere, aus der Schneeverwehung herauszukommen, aber der Schuh des schweren Wagens drückte sie weiter nach unten. Die Räder sackten bis zu den Achsen ein, und mit einem Ruck saß Wagen fest.

Swifty Morgan wollte sich festhalten, aber es war bereits zu spät. Er wurde kopfüber zwischen die hinteren Maultiere geschleudert, und sein Gesicht drückte sich in den Schnee. Er rappelte sich hoch, griff nach dem Gewehr, das ihm entfallen war, und starrte auf die näherkommenden Oglalas.

Alles aus, dachte er, und für einen Moment lähmte dieser Gedanke seine Glieder, doch dann hob er das Gewehr und legte es über den Rücken eines der Tiere.

Jim McKenzie riss fluchend sein Pferd herum, als er den Wagen in die Schneeverwehung rasen sah. Neben dem Wagen sprang er vom Pferd und knickte mit dem verletzten Bein ein. Hastig schlang er die Zügelenden um die eisernen Radreifen. Morgan feuerte bereits wieder, und Baptiste kroch verstört auf den Kutschbock zurück. McKenzie riss sein Gewehr hoch. Auch von der anderen Seite kamen die Indianer jetzt rasch näher. Ihr Geschrei gellte ihm in den Ohren. Er schoss, so schnell er mit der Hand repetieren konnte, warf dann das Gewehr in den Schnee und griff zum Revolver.

Unter dem heftigen Feuer schwenkten die Sioux ab, schlugen aber nur einen Bogen und kamen zurück. Die Männer nutzten die kurze Zeit, um ihre Waffen zu laden, aber sie wussten, dass sie der Übermacht nicht mehr lange standhalten konnten.

»Wir müssen versuchen, die Tiere freizubekommen«, schrie Morgan. Baptiste klappte die Läufe seiner Flinte hoch und schüttelte den Kopf.

»Die kriegen wir da nicht heraus. Nicht, solange die verdammten Rothäute da sind, und es sieht nicht so aus, als ob sie verschwinden wollten.«

Die Oglalas kamen wieder näher, und die drei Männer schossen aus Leibeskräften. Jim McKenzie duckte sich. Eine Lanze flog heran und blieb mit einem dumpfen Ruck in der Seitenwand des Wagens stecken. Die Reiter preschten heran, und diesmal würden die drei Männer ihren Angriff nicht mehr zurückschlagen können. Die Schrotflinte des Franzosen donnerte zweimal kurz hintereinander, dann schwieg sie. Es blieb keine Zeit mehr, die Waffen zu laden – und sicherlich auch nicht mehr viel zum Leben.

McKenzie befand sich plötzlich inmitten der schreienden Reiter. Etliche warfen sich von ihren Pferden. Einer riss die Tür des Wagens auf. Eine Revolverkugel donnerte ihm entgegen und schleuderte ihn in den Schnee. Die anderen ließen daraufhin zunächst von der Tür ab.

Der Revolvergriff in McKenzies Hand fühlte sich eiskalt an. Er wusste, dass dies das Ende war, aber er würde kämpfen, bis ihm der Tod die Waffe aus der Hand riss. Er sah einen Tomahawk in der Luft kreisen und ein verzerrtes Gesicht über sich. Er feuerte, der sterbende Krieger prallte gegen ihn und ließ ihn zurücktaumeln. Ein anderer sprang hinzu und drückte McKenzie gegen den Wagen. Drinnen schrien die Mädchen. Jim keuchte, und ein wahnsinniger Schmerz fraß sich durch seine verletzte Schulter. Einer der Sioux zerrte gerade die schreiende Maggie aus dem Wagen, riss sie an den Haaren herum und schleuderte sie auf den Boden. Zum zweiten Mal donnerte der Revolver im Wagen, und der Indianer sank stöhnend in den Schnee.

McKenzie wollte Maggie zu Hilfe eilen, aber mitten in der Bewegung erstarrte er und wandte das Gesicht nach Süden. Er traute seinen Sinnen nicht, und für einen Moment vergaß er die schreienden Krieger und stampfenden Pferde, die den Wagen wie eine Brandung umwogten.

Fünf Reiter jagten schießend und schreiend über die Hügelkuppe, auf der noch vor einer Viertelstunde die Sioux gehalten hatten. Obwohl die Indianer zahlenmäßig weit überlegen waren, verwirrte sie das unerwartete Auftauchen dieser Reiter. Sie sprangen auf ihre Pferde, drehten sie einige Male unschlüssig auf der Stelle und galoppierten dann in entgegengesetzter Richtung davon. Aber bereits nach hundert Yards machten sie wieder Halt und sammelten sich.

Maggie erhob sich schluchzend, und Mirzy Baptiste kam aus dem Wagen und half ihr. McKenzie hob sein Gewehr auf und sah, wie die Reiter ihre Pferde bei dem Wagen parierten. Sie starrten Maggie mit gierigen Blicken an, und ein massiger, bärtiger Kerl sagte: »Das wäre in der Tat eine Verschwendung gewesen.« Er hielt eine schwere Sharps in den Händen. Sein Blick glitt über den Wagen und blieb auf dem Franzosen haften. Dieser war so blass wie der Schnee, und seine unsicheren Blicke huschten zwischen den Reitern hin und her.

»Diese Rothäute konnten nicht wissen, dass dein Wagen nur für zahlungsfähige Weiße geöffnet ist.« Der Bärtige lachte rau und wandte sich dann an seine Gefährten. »Los, seht zu, dass ihr die Karre da raus bekommt! Aber beeilt euch, ehe unsere roten Freunde da zurückkommen!« Er trieb sein Pferd zu McKenzie hinüber und winkte ihm zu. »Mein Name ist Mort Clancy. Schätze, Sie haben noch mal Schwein gehabt, wie?«

McKenzie schaute zu dem Reiter hoch. Er mochte großspurige Männer wie diesen hier nicht besonders, aber im Moment wäre ihm selbst der Teufel willkommen gewesen.

»Ich freue mich, Sie zu sehen, Clancy«, sagte er deshalb, »wenn ich mir auch nicht vorstellen kann, was Sie hierhergeführt hat.«

Clancy winkte lässig ab.

»Zur Hölle jetzt damit. Sehen wir erst mal zu, dass wir hier wegkommen.« Er zog sein Pferd herum und gesellte sich wieder zu den anderen, die ihre Lassos ausgerollt hatten. Zwei befestigten sie an der Vorderseite des Wagens und zwei am vorderen Ende der Deichsel. Baptiste hatte sich noch nicht bewegt, jetzt setzte er sich hin und nahm die Zügel auf.

McKenzie half Mirzy und Maggie in den Wagen und machte dann sein Pferd los. Argwöhnisch schaute er dabei zu den Sioux, deren Tiere unruhig hin und her tänzelten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die Rothäute wieder auf dem Hals hatten.

Die beiden vorderen Reiter begannen jetzt die Deichsel nach der Seite zu ziehen, um so die Gespanntiere aus der Schneeverwehung zu zerren. Die Maultiere schnaubten und keilten mit den Hufen, von den Reitern immer wieder mit heiseren Schreien angefeuert. Langsam schwenkte das Gespann nach der Seite, und die Tiere bekamen allmählich festeren Boden unter die Hufe. Nur der Wagen steckte noch fest.

»Wir schaffen es so nicht«, sagte McKenzie, »wir müssen den Wagen rückwärts aus dem Schnee ziehen.«

Mort Clancy schaute ihn einen Moment unschlüssig an, dann nickte er. Die beiden Männer lösten ihre Lassos von der Deichsel und befestigten sie am hinteren Wagenende. Dann zogen die vier Reiter nach rückwärts. Die Lassoleinen strafften sich wie Bogensehnen. Jim McKenzie trieb, schreiend und mit dem Arm wedelnd, die Maultiere zurück. Langsam bewegte sich der Wagen.

»Achtung, Männer!« schrie Clancy plötzlich. Die Reiter rissen ihre Gewehre heraus und fluchten.

Die Oglalas schoben sich langsam näher und begannen zu schießen. Sie wussten, dass die weißen Männer nicht den Wagen aus dem Schnee ziehen und gleichzeitig kämpfen konnten. Aber das Feuer der Repetiergewehre hielt sie auf Distanz.

»Los, weiter!« brüllte Clancy. Die Männer zogen erneut an, und der Wagen kam langsam auf festeren Boden.

»Das müsste genügen!« schrie McKenzie in den Wind, der immer heftiger wurde. Der Schneefall wurde dichter, und die kleinen Flocken trieben fast waagerecht über das Land.

Plötzlich begannen die Sioux zu schreien und ritten in einer erneuten Attacke heran.

»Los jetzt!« schrie McKenzie. Er beugte sich aus dem Sattel und packte eines der vorderen Gespanntiere am Geschirr und zog es zur Seite. Stampfend kamen die Tiere aus der Bodenwelle in flacheren Schnee. Die vier Reiter zogen den Wagen jetzt nach vorn. Er bewegte sich, begann zu rollen und gewann an Fahrt. Die Indianer kamen näher. Kugeln pfiffen vorbei. Die Männer schossen im vollen Galopp zurück. Die Sioux schwenkten in ihre Fahrtrichtung ein und hielten sich parallel zu ihnen. Ihre Schüsse waren ungezielt und flüchtig.

Der Schneefall wurde immer dichter. Der scharfe Wind peitschte den Flüchtenden die Flocken in die Gesichter. Sie mussten die Augen zusammenkneifen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können. Die Gestalten der Sioux waren nur noch schemenhaft zu erkennen und verschwanden zeitweise ganz.

Die Männer stellten ihre Gegenwehr ein, denn sie mussten ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Weg vor sich konzentrieren. Vielleicht war der heftige Schneesturm ihre Rettung, denn den Indianern musste es ebenso ergehen. Auch sie stellten das Schießen ein und fielen allmählich zurück. Jedenfalls waren sie plötzlich nicht mehr zu sehen.

Jim McKenzie wandte sich einmal im Sattel um und schaute zurück. Der Wagen schlingerte durch den brodelnden Sturm. Eine Bodenwelle, ein Stein oder ein umgestürzter Baumstamm konnten seiner Fahrt ein jähes Ende setzen und sie alle das Leben kosten. Der Gedanke brachte ihn zum Schwitzen. So gut es ging, achtete er auf den Weg, den sie nahmen, aber der Schnee begann alles einzuebnen und zauberte eine trügerisch glatte Fläche. Die Maultiere keuchten und wurden langsamer. Zum Glück fiel das Land jetzt leicht ab. Eine Steigung würde für sie bereits ein unüberwindliches Hindernis darstellen, und wenn der Wagen erst einmal zum Halten kam, würden sie ihn nicht mehr von der Stelle bringen. Ihre einzige Chance war der Fluss. Wenn es überhaupt noch eine Möglichkeit gab, mit dem Wagen weiterzukommen, dann nur auf der Eisdecke des Old Woman Creek. Aber wenn sie ihn nicht bald erreichten, konnte ihnen nicht einmal mehr ein Wunder helfen.

Plötzlich fiel der Boden noch steiler ab. Eine seichte Böschung. Jim McKenzie hielt den Grauschimmel etwas zurück und drosselte seinen Lauf. Er starrte durch den Vorhang aus windgepeitschten Flocken. Ein stahlblaues Schimmern, eine glatte, vom Sturm blankgefegte Eisdecke.

Der Old Woman!

Er wandte sich im Sattel um und schwenkte wild den Arm. Der brüllende Wind riss ihm den Schrei von den Lippen. Der Wagen schoss aus dem quirlenden Nebel heran. Jim sah, wie Swifty Morgan die Beine gegen das Bodenbrett stemmte und die Zügel straff zog. Aber der Schub des Wagens auf dem abschüssigen Untergrund war zu groß. Er drohte, nach der Seite auszubrechen, und Morgan gab die Zügel sofort wieder frei. Die Maultiere sanken bis über die Kniegelenke ein und wurden förmlich durch den hohen Schnee geschoben. Dann polterten ihre Hufe auf dem harten Eis. Der Wagen rutschte das letzte Stück der Böschung hinab, erreichte die Eisdecke und brach nach der Seite aus. Wagen und Gespann drehten sich halb im Kreise und kamen endlich zum Stehen. Eines der Tiere stürzte und blieb ängstlich röhrend an der Deichsel hängen. Die Reiter trieben ihre Pferde durch den tiefen Schnee, den der Wind an der Böschung abgeweht hatte, und hielten dann neben dem Wagen. Von den Indianern war nichts zu sehen, aber niemand wusste, wie weit sie hinter ihnen zurückgeblieben waren.

»Wir müssen weiter«, drängte McKenzie.

Die Männer zerrten das Maultier hoch, und Swifty Morgan konnte die Fahrt fortsetzen. Die Hufe fanden kaum Halt auf dem Eis, aber es war fast kein Schnee vorhanden, der den Wagen behinderte, und er gewann ziemlich schnell an Fahrt. Die anderen ritten seitlich neben dem Fahrzeug.

Jim McKenzie ritt ein Stück voraus. Er sah den im Eis festgefrorenen Baumstamm, der eine Schwelle quer zum Flusslauf bildete und mit seinem Wurzelstock verhängnisvoll herausragte, aber es war bereits zu spät. Der Wagen, dessen Tempo den schlechten Sichtverhältnissen nicht angepasst war, kam zu schnell heran, um ihn auf der glatten Fläche zum Halten zu bringen.

McKenzie hörte das harte Krachen. Der Wagen machte einen Satz, und das rechte Vorderrad zerbarst wie Glas. Baptiste klammerte sich am Kutschbock fest, und Swifty Morgan hielt mit starren Fäusten die Zügel. Der Wagen sackte nach der Seite ab, die Achse setzte auf. Das ganze Fahrzeug wurde herumgerissen, die Maultiere von der zur Seite schlagenden Deichsel abgedrängt. Einige stürzten, und andere verhedderten sich in den Gespannriemen.

Die Fahrt war zu Ende.

Jim McKenzies erster Blick galt der Richtung, aus der sie gekommen waren, aber der dichte Vorhang aus sturmgepeitschtem Schnee gab nichts preis. Er hörte Clancy fluchen und sah, wie Swifty Morgan vom Bock heruntersprang. Langsam lenkte er den Grauschimmel zum Wagen und saß ab.

Die Tür wurde geöffnet, und Mirzy sprang heraus. Sie hatte einen wollenen Schal um den Kopf geschlungen und kniff die Augen zusammen. Ihr Gesicht war bleich. Einen Moment starrte sie auf das zerschmetterte Rad, dann sagte sie gefasst: »Wir haben ein Ersatzrad.«

McKenzie schüttelte den Kopf.

»Vergebliche Mühe, Madam. Wir können mit diesem Wagen den Flusslauf nicht mehr verlassen. Bis der Sturm vorbei ist, liegt der Schnee so hoch, dass wir bis zu den Achsen einsinken.« Er bückte sich und schaute unter den Wagen.

»Aber wir können doch nicht …« Mirzy brach ab und schaute die anderen der Reihe nach an. Sie schwiegen, starrten den Wagen an, und ihre Gesichter waren verkniffen und ohne Trost.

Hinter ihnen kamen Mady und Janice aus dem Wagen. McKenzie drehte sich zu ihnen um.

»Wir werden nur das Notwendigste auf die Maultiere laden, Verpflegung und Decken. Alles andere bleibt hier!«

»Sie gehen mit unseren Sachen um, als ob es Ihre wären«, schrie Janice in den Wind.

»Ich bin nicht schuld an diesem Schneesturm.« Er wandte sich an die anderen. »Los, wir dürfen keine Zeit verlieren!«

Baptiste hielt sich im Hintergrund und sagte nichts zu alledem. Seit dem Auftauchen Clancys und seiner Leute war irgendetwas in ihm vorgegangen, was McKenzie nicht verborgen blieb. Aber im Augenblick hatte er keine Zeit, sich mit derlei Dingen zu beschäftigen.

»In der Nähe befindet sich die Hütte eines Trappers«, sagte er zu den Frauen. »Wenn wir sie erreichen, sind wir zunächst in Sicherheit. Sobald sich das Wetter bessert, werden wir versuchen, den Wagen mit Schlittenkufen zu versehen. Das ist alles, was wir im Moment tun können.«

»Sie vergessen, dass wir eine Verwundete bei uns haben!«

»Wir werden sie mitnehmen.«

»Wie großzügig. Dabei wissen Sie genau, dass sie das niemals überleben wird.«

McKenzie schaute sie ruhig an.

»Ma'am«, sagte er langsam und ein dringlich, »wir befinden uns hier mitten in der Wildnis, und weit und breit gibt es keine menschliche Siedlung und keinen Arzt. Sie müssen sich mit dem Gedanken abfinden, dass sie nicht durchkommt, ob mit oder ohne Wagen. Das ist ein Land, in dem man hart sein muss, um zu überleben, manchmal sogar grausam.«

Er sah die Feindseligkeit in ihren Augen, aber es kam Hilfe von einer Seite, von der er es nie erwartet hätte.

»Er hat recht«, sagte Mady Oliver, »haben wir nicht bereits genug erlebt, was seine Worte bestätigt? Wir sind freiwillig in dieses Land gekommen, und so lange wir hier sind, müssen wir uns seinen Gesetzen beugen.«

Mirzy hatte eine heftige Entgegnung auf der Zunge, aber sie schwieg. Sie dachte an Susan, die im Wagen lag und längst das Bewusstsein verloren hatte, und sie wusste, dass McKenzie recht hatte. Susan Kerr konnte niemand mehr helfen – niemand!

Schweigend wandte sie sich ab. Der Sturm heulte, und das Eis knirschte unter ihren Schuhen.

Sie beluden die Maultiere mit allem, was sie in der Wildnis brauchen würden. Dann brachen sie eines der Betten aus dem Wagen, setzten es flach auf das Eis und ließen es von einem Maultier ziehen. Sie hatten Susan, die von allem nichts bemerkte, in dicke Decken gewickelt und auf dem primitiven Schlitten festgebunden. Die Maultiere waren aneinandergebunden, damit keines im Schneetreiben verlorenginge. Die Männer führten ihre Pferde am Zügel, um bei der eisigen Kälte das Blut in Bewegung zu halten.

McKenzie ging voran und betrachtete aufmerksam das Ufer. Hin und wieder musste er stehenbleiben und das Gelände genau sondieren. Wenn sie die Hütte verfehlten, konnte das für sie tödliche Folgen haben.

Nach etwa zwei Meilen glaubte er, die Stelle gefunden zu haben. Er erkannte die seichte Uferböschung wieder mit den Weidenbüschen und der hochaufragenden Douglastanne. Er zog sein Pferd hinter sich her durch den knietiefen Schnee und blieb plötzlich wie angefroren stehen. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er stumm auf die verkohlten Trümmer, die vom driftenden Schnee fast zugeweht waren. Der Korral und der steinerne Kamin waren unversehrt. Außer dem Schnee, den der Eiswind wie feinen Sand vor sich hertrieb, bewegte sich nichts.

Schweigend winkte er den anderen und stapfte weiter. Sie folgten ihm und blieben dann wie er stehen und starrten auf die Trümmer. Keiner sprach ein Wort, nur Clancy meinte schließlich sarkastisch: »Ein bisschen luftig, aber sonst ganz gemütlich. Wir werden uns hier wohl fühlen, nicht wahr, mon ami?« Er schaute den kleinen Franzosen an und grinste dabei wie eine Klapperschlange. »Auf jeden Fall werden wir zum ersten Mal ein wenig Zeit füreinander haben.«

Neben dem Kamin war noch ein Mauerrest erhalten geblieben, auf dem sie aus angekohlten Brettern und einer Decke ein provisorisches Dach errichteten, das Schnee und Wind abhielt. Clancys Leute sammelten herumliegendes Holz zusammen, und Swifty Morgan zündete im Kamin ein Feuer an, an dem sie ihre durchgefrorenen Körper etwas aufwärmen konnten.

Die Mädchen kümmerten sich um Susan Kerr. Sie zogen ihr Lager bis dicht an das Feuer und wickelten sie aus den Decken.

»Wie steht es um sie?« fragte Baptiste und rieb sich die klammen Finger. Seine Frau richtete sich auf, aber sie drehte sich nicht um.

»Sie ist tot«, sagte sie tonlos.

Der Franzose schwieg betroffen und nahm trotz der Kälte seinen Hut ab.

»Ja, so ist das«, knurrte Mort Clancy, »und du bist schuld an ihrem Tode, Napoleon, und du weißt verdammt genau, dass ich recht habe.«

Es drohte sich etwas zu entwickeln, was sie in ihrer Situation absolut nicht gebrauchen konnten. McKenzie versuchte dem zu begegnen, indem er sagte: »Wir haben uns noch gar nicht für Ihre Hilfe bedankt. Sie waren gerade im rechten Augenblick gekommen.«

Clancy aber winkte ab.

»Sie brauchen mir keinen Heiligenschein aufzusetzen. Wir sind nicht hier, um die Beschützer dieser Ladies hier zu spielen.« Er sprach das Wort mit betontem Zynismus aus. »Unsere Anwesenheit hat einen ganz bestimmten Grund. Und unser Freund, Napoleon, weiß das auch. Aber darüber können wir ein andermal reden; ich bin jetzt zu müde dazu.«

Einer seiner Männer raunte ihm etwas zu, und er schaute McKenzie an.

»Sie sind McKenzie?« Er pfiff leise durch die Zähne. »Der Mann, der Lavaca umgelegt hat.« Er grinste und zeigte dabei seine Zähne wie ein Wolf. »Soll verdammt fix mit dem Revolver gewesen sein, dieser Lavaca, aber er machte den Fehler und ging allein auf die Jagd.«

Der Schneesturm hielt den ganzen Tag über an und den größten Teil der Nacht. Mit einem Überfall der Sioux war bei diesem Wetter nicht zu rechnen, und so waren sie vor Erschöpfung eingeschlafen.

Die Stille weckte McKenzie, noch ehe es richtig hell war. Das Feuer im Kamin war längst erloschen, und es war beißend kalt. Die anderen schliefen noch. Er erhob sich leise und drückte die steifgefrorenen Knie durch. Der Sturm war gänzlich abgeflaut, und es schneite auch nicht mehr, aber der Himmel war noch mit grauen Wolken bedeckt.

Ein unruhiges Schnauben im Korral zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Jemand machte sich offenbar bei den Tieren zu schaffen. Jim bückte sich, zog den Revolver aus dem Futteral und steckte ihn unter der dicken Jacke in den Hosenbund. Den Gurt konnte er mit einer Hand schwerlich umschnallen, und er mochte die anderen nicht wecken.

Langsam arbeitete er sich durch den hohen Schnee. Es würde so gut wie aussichtslos sein, den Wagen zum Schlitten umzubauen. Der Schnee lag stellenweise selbst für die Maultiere zu hoch.

Neben der Korralfenz blieb McKenzie stehen, zog den rechten Handschuh aus und schob die Hand unter die Jacke. Aber dann erkannte er Jean Pierre Baptiste, und seine Haltung entspannte sich.

Der Franzose hatte eines der Pferde gesattelt und war gerade dabei, eine Deckenrolle und einen Beutel mit Proviant zu befestigen. Seine Bewegungen waren hastig und nervös.

»Wollen Sie ausreiten?« fragte McKenzie hinter ihm.

Baptiste fuhr erschrocken herum. Dann, als er Jim erkannte, atmete er tief durch.

»Sie haben mich ganz schön erschreckt, mon cher.« Er schaute auf das Pferd und zuckte mit den Schultern.

»Es gehört Clancy«, sagte McKenzie. Baptiste nickte verlegen.

»Ich bin eigentlich kein Pferdedieb, aber wenn es um Leben und Tod geht, wer fragt da schon, wem ein Pferd gehört.«

»Seit unserem Aufbruch geht es um Leben und Tod.«

Angst und Nervosität waren im Gesicht des Franzosen. Er wartete, bis McKenzie heran war, und legte ihm die Hand auf den verletzten Arm.

»Diesmal ist es anders«, sagte er dringend. »Diese Kerle, sie sind hinter mir her, und sie haben das alles nicht riskiert, um mir eine gute Reise zu wünschen. Ich muss fort, mon ami, und zwar bevor sie aufwachen.«

»Sie wollen das alles im Stich lassen, Ihre Frau, die Mädchen, die Ihnen vertraut haben?«

Baptiste drehte sich ruckartig um. »Was kann ich ihnen schon nützen, wenn ich tot bin? Aber wenn ich fort bin, lassen sie vielleicht die Frauen in Ruhe.«

Jim packte ihn an der Schulter und drehte ihn herum.

»Bei allen Höllenfeuern, glauben Sie das wirklich?«

Baptiste senkte den Blick und schwieg eine Weile.

»Ich kann ihnen nicht helfen«, sagte er schließlich kleinlaut. McKenzie ließ ihn los.

»Nein, wahrscheinlich nicht. Aber ich werde Sie nicht weglassen, denn sonst sind Sie tot, ehe es Mittag ist. Ich weiß nicht, was diese Männer zu Ihren Feinden gemacht hat, aber im Moment sind sie nicht halb so gefährlich wie die Rothäute. Das kommt erst später.«

»Sie kennen diese Männer nicht, mon ami. Die sind zu allem fähig!«

»Möglich. Aber allein haben Sie gegen die Sioux keine Chance. Wenn wir zusammen sind, zählt jedes Gewehr. Das weiß auch Clancy.«

»Werden Sie zu mir halten?«

»Natürlich«, versicherte McKenzie.

Baptiste nahm dem Pferd den Sattel ab und hängte ihn auf die Fenz zurück.

»Es ist kein Schnee mehr auf ihm«, sagte Jim und stieß ihn herunter. »So sieht es aus, als hätte eines der Tiere ihn hinuntergeworfen.«

Zusammen gingen sie zu den anderen zurück, die inzwischen wach waren. Ein grauer Tag zog über die verschneiten Berge. Mort Clancy schaute ihnen lauernd entgegen und kratzte seinen Bart. Swifty Morgan schickte sich an, Feuer zu machen.

»Nicht im Kamin«, sagte McKenzie, »dort verteilt sich der Rauch nicht.«

»Die Rothäute sind längst wieder zu ihren Squaws unter die Bärenfelle gekrochen«, meinte Clancy überheblich. Er gähnte und reckte seine mächtige Gestalt.

Wenig später saßen sie um das Feuer und verzehrten ein karges Mahl. Die Mädchen wirkten sehr bedrückt und sprachen wenig. Besonders Maggie warf immer wieder stumme Blicke zu dem in der Decke eingehüllten Leichnam von Susan Kerr hin.

»Susan«, sagte sie leise, »sie hatte immer Angst vor dem Altwerden, und sie hat nicht gewusst, wie unbegründet ihre Sorgen waren.«

»Ja, so ist das manchmal«, sagte Mort Clancy gedehnt und beobachtete dabei Baptiste aus den Augenwinkeln. »Ich kannte einen Mann, der hatte keine Angst vor dem Alter und musste trotzdem sterben. Ist das nicht furchtbar? Nur weil er die Schürfrechte an einem ergiebigen Claim besaß und so vertrauensselig war, einem Flittchen davon zu erzählen. Man fand ihn später im Zimmer dieses Flittchens mit einem Messer im Bauch und ohne seine Schürfrechte.«

Baptiste starrte unausgesetzt in das Feuer. Trotz der Kälte begann er zu schwitzen.

»Und wissen Sie, was dann passierte?« sagte Clancy in das unbehagliche Schweigen hinein. »Dieser Mann hatte einige gute Freunde. Sie folgten dem französischen Zuhälter, der mit seinen Weibern geflohen war, drehten ihm den angstschlotternden Hals um und ritten mit dem Papierchen ihres Freundes wieder nach Hause. Eine tolle Geschichte, was?«

»Ja«, erwiderte McKenzie unbeeindruckt und stand auf. »Nur haben Sie etwas dabei verschwiegen. Diese Männer kamen nämlich nicht nach Hause, weil ihnen die Indianer vorher die Skalps über die Ohren zogen.« Er wandte sich an Baptiste. »Ich werde mich etwas in der Gegend umsehen und nach dem Wagen schauen. Wenn die Rothäute ihn gefunden haben, werden wir hier bald mit ihnen rechnen müssen.« Er nahm sein Gewehr und ging zum Korral, ohne auf den Blick zu achten, mit dem Clancy ihm nachstarrte.

Am Korralgatter blieb er stehen und drehte sich um. Mady Oliver war ihm gefolgt. Sie hatte den langen Rock hochgerafft und trat in seine Fußstapfen.

»Die Geschichte, die dieser Clancy erzählt hat, sie war gelogen«, sagte sie.

»Es geht mich nichts an.« Er schickte sich an, über die Stangen des Korrals zu klettern, aber Mady hielt ihn am Arm fest.

»Ich möchte trotzdem, dass Sie wissen, wie es wirklich war. Dieser Mann, von dem Clancy sprach, hieß Kanlin. Er pokerte an jenem Abend mit Baptiste und verspielte seine Schürfrechte. Er hatte einfach Pech. In der Nacht drang er dann in mein Zimmer ein. Er war völlig betrunken und wurde sehr wütend. Ich wusste vor Angst nicht mehr, was ich tun sollte. Da nahm ich das Messer, und als er über mich herfiel, da habe ich einfach zugestoßen, ohne dass ich es eigentlich wollte. Ich wollte ihn nicht töten, verstehen Sie.« Die Erinnerung ließ ihre Stimme leicht beben.

»Ja, ich verstehe«, nickte McKenzie.

»Der Lärm hatte Mirzy und ihren Mann geweckt. Sie wussten, dass Kanlin Freunde hatte und was das für Männer waren. Wir brachen noch in derselben Nacht von Deadwood auf.« Ihre Schultern sanken herab. »Aber es war umsonst.« Sie schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Würde Ihnen das etwas ausmachen, wenn diese Burschen während Ihrer Abwesenheit über uns herfielen?«

Ihr Gesicht war ganz nahe, und er spürte die Wärme ihres Atems. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Halse, und. die Jahre der Einsamkeit hatten eine Flut von Gefühlen in ihm aufgestaut, die nun ungestüm aus ihm hervorbrachen. Er riss sie an sich und presste seine Lippen auf ihren weichen Mund.

Sie stemmte sich plötzlich mit aller Kraft gegen ihn. Er ließ sie los, und sie wich einen Schritt zurück.

»Mein Gott, ich dachte, Sie wollten mich umbringen«, keuchte sie atemlos.

»Unsinn!« fauchte er wütend. Er hatte sich benommen wie ein Narr!

Er sattelte sein Pferd und ritt fort, ohne sich nach ihr umzusehen.

Der Scout Durango

Ein faszinierender Roman um einen großen Kämpfer

Wie ein feuriger Ball stieg die Sonne über der Unendlichkeit aus Sand und Felsen auf, während die Postkutsche auf ihrem einsamen Weg dem fernen Ziel zurollte. Die Fahrgäste kümmerten sich wenig um die angespannte Unruhe des großen, hageren Mannes, der sich Durango nannte. Sie hatten ihm nicht glauben wollen, dass die Apachen auf dem Kriegspfad sind. Aber Durango war klar, dass die Kutsche ins Verderben fuhr. Trotzdem konnte er diese zusammengewürfelte Schar von Narren nicht untätig einem schrecklichen Schicksal überlassen.

Denn Durango wusste, dass die Apachen über sie kommen würden wie ein Blizzard. Er kannte ihre Grausamkeit und Härte. Wieder spähte er hinaus in die sonnenüberflutete Landschaft – und sah im gleichen Moment, dass es schlimm werden würde. Viel schlimmer, als er befürchtet hatte …

Weit im Norden schimmerte ein einzelner Stern am noch hellen Himmel.

Der Mann wischte sich mit der Hand über das müde Gesicht, und es gab ein kratzendes Geräusch. Feiner Sand klebte zwischen seinen Bartstoppeln und juckte auf der Haut. Er schaute zu den Gebäuden hin, die geduckt wie die leeren Panzer toter Käfer zu beiden Seiten der staubigen, zerfurchten Straße lagen.

Er hatte es geschafft, und jetzt gab es nur noch zwei Dinge, die ihn interessierten: Wasser und ein Platz zum Schlafen.

Sein Gang war schon ein wenig unsicher, als er den ausgedörrten Hang hinunterstolperte. Der Staub, den seine Füße dabei aufwirbelten, wurde von einer schwachen Abendbrise wie eine Fahne zur Seite geweht. Die wenigen harten Halme, die der Sonne getrotzt hatten, raschelten knisternd an seinen Knöcheln entlang.

Durango nannten sie ihn. Falls er jemals einen anderen Namen besessen hatte, so hatte er ihn niemals gehört. Und es gab wohl auch keinen Menschen, der diesen kannte.

Da war das Stationsgebäude und daneben der Laden, in dem man alle nützlichen und unnützen Dinge kaufen konnte, die man in einem einsamen Land wie diesem an den Mann bringen konnte. Und auf der anderen Seite der Straße befand sich der Stall und ein Corral, in dem etliche Pferde standen.

Aber für Durango war der Brunnen hinter dem Haus jetzt das Wichtigste, und seine Füße trugen ihn automatisch dorthin, ohne dass er es ihnen erst befehlen musste.

Seine Hand griff nach dem rostnarbigen Pumpenschwengel und bewegte ihn ungeduldig auf und nieder, bis das Wasser platschend aus dem gekrümmten Rohr schoss. Er hielt beide Hände darunter, trank in gierigen Zügen und schwappte sich den Rest ins Gesicht.

Ayee, tat das gut! Er wiederholte den Vorgang und fühlte, wie das Leben zurückkehrte, wie es auf seiner ausgedörrten Haut prickelte, und er meinte, das leise Knistern zu hören, wie wenn man Wasser über ausgetrocknete Erde gießt.

Das Quietschen der Pumpe musste im Haus zu hören gewesen sein, denn es kam jemand aus der Hintertür. Der Mann trug Ärmelhalter und eine zu weite Hose. Auf dem Kopf hatte er einen komischen runden Hut mit schmaler, stark gebogener Krempe.

»Haben Sie Ihren Gaul verloren, Mister?« fragte er.

Durango richtete sich auf und wandte ihm das Gesicht zu. Wasser tropfte von seinem Kinn und glitzerte zwischen seinen Bartstoppeln.

»Es gefiel den Apachen nicht, dass ich darauf saß.«

Der Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und ließ ein ungläubiges Lachen hören.

»Apachen? Wir haben hier seit Monaten keine zu Gesicht bekommen.«

»Wie schön für Sie«, meinte Durango und kam auf ihn zu. »Ist die Kutsche nach Fort Bowie schon durch?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Seit acht Stunden überfällig. Der verrückte Gillespie wird sie wieder mal umgekippt haben. Aber kommen Sie erst mal ins Haus, Mann. Sie sehen aus, als könnten Sie ‘nen Whisky brauchen.« Durango folgte dem anderen durch einen engen, finsteren Gang in den Schank- und Warteraum der Cochise-Station.

»Mach Licht, Brenda«, sagte er zu seiner dicken, rothaarigen Frau. »Man kann ja kaum noch was erkennen.«

In der Ecke des Raumes saß ein Kerl, der Durango misstrauisch und nicht gerade erfreut musterte. Er trug einen zerbeulten Hut und eine ausgeblichene Kordjacke. Der schwere Dragon-Colt steckte in einem tief ausgeschnittenen Holster.

Durango stellte sein Gewehr an die Theke und legte die Deckenrolle, in der eine andere Waffe steckte, darauf. Er hatte sie dem einzigen toten Soldaten abgenommen, den er noch auf seinem Weg gefunden hatte.

»Er hat Ärger mit Apachen gehabt«, erklärte der Mann, der Durango hereingebracht hatte. Der andere verzog keine Miene.

»Na und? Man kann mit allen möglichen Leuten Ärger bekommen.« Die Sache interessiert ihn offenbar nicht sehr.

Durango war es egal. Er war müde. Er kippte mechanisch den Whisky hinunter, den ihm Brenda hingestellt hatte, und schüttelte sich.

»Ich werde auf die Stage warten«, murmelte er. »Kann ich drüben im Stall schlafen?«

»Sicher«, nickte der Stationsmaster. »Die Gegenkutsche fährt morgen früh nach Benson runter.«

»Ich muss nach Camp Bowie rauf«, entschied Durango. »Die Kutsche kann nicht weiterfahren. Sie müssen sie umkehren lassen.«

Die Zigarre wanderte zwischen den braunen Zähnen entlang.

»Sie sind übergeschnappt, Hombre.»

»Hören Sie«, sagte Durango beschwörend. »Die haben in den Winchester Mountains eine ganze Kavalleriepatrouille umgebracht.«

»Der hat zu viel Sonne abbekommen«, knurrte der Mann in der Ecke. Und der Stationsmaster sagte: »Warum sollten die Apachen das tun? Es hat auf beiden Seiten seit Monaten keine Zwischenfälle gegeben. Wenn Sie mich fragen, die sind froh, dass sie ihre Ruhe haben.«

»Und wenn es doch stimmt, was er sagt?« meldete sich Brenda vorsichtig.

»Der Kerl will sich nur wichtig machen.« Der Bursche am Tisch lachte überheblich. »Eine ganze Armeepatrouille …!«

Brenda stemmte die Fäuste in die fetten Hüften.

»Du wirst leichtsinnig, Jim Conan. Wenn der Kutsche doch etwas passiert, und du bist vorher gewarnt worden, dann wirst du Ärger bekommen.«

Jim Conan machte eine ärgerliche Bewegung mit der Hand und sagte: »Das soll Murphy, der Fahrer, entscheiden. Es ist schließlich sein Hals, den er riskiert.«

Durango fielen fast die Augen zu.

»Regen Sie sich nicht auf, Ma’am«, sagte er schleppend. »Wir können morgen früh noch darüber reden. Vielen Dank für den Whisky.«

Er nahm Gewehr und Deckenrolle und ging auf die Straße hinaus. Es war inzwischen dunkel geworden, nur im Westen hatte sich ein schwacher Schimmer gehalten.

Als Durango draußen war, sagte der Mann am Tisch: »Sie können, nicht wegen des Gefasels von so einem hergelaufenen Kerl die Kutsche stoppen. Ich für mein Teil bestehe auf die Weiterfahrt.«

Jim Conan zuckte mit den runden Schultern.

»Vielleicht kommt Gillespie mit seiner Karre morgen früh. Dann sind wir den Kerl los.«

»Aber ich werde es den Leuten in der Kutsche sagen, wenn du deine Pflicht nicht tust«, fuhr Brenda dazwischen.

»Mach mich nicht wütend, Weib!« fauchte Conan sie an und biss ärgerlich auf seine Zigarre. »Dass Weiber nie ihre Klappe halten können!«

Die Stage Coach traf noch während der Dunkelheit in Cochise ein. Durango hörte sie ankommen, doch er war zu müde, um aufzustehen, und schlief weiter. Die Kutsche würde erst am Morgen weiterfahren. Die erschöpften und von Hitze und Staub gequälten Passagiere bekamen eine Ruhepause von zwei oder drei Stunden und einen Platz auf der harten Bank, wo sie während ihres kurzen Schlafes weder geschaukelt noch durchgerüttelt wurden.

Bei Tagesanbruch erhob sich Durango von seinem Lager im Stall. Die eine Nacht Ruhe hatte ihm gutgetan, und er fühlte sich ausgeruht und kräftig. Als erstes wusch und rasierte er sich bei der Pumpe hinter dem Stationsgebäude. Er wusste, dass hier bald ein ziemliches Gedränge herrschen würde, wenn die Fahrgäste der Kutsche erst wach waren.

Als er fertig war, ging er ins Haus und ließ einen langen Blick über die Schlafenden im Warteraum gleiten. Es waren lediglich zwei Männer und eine Frau. Der Mann, den er gestern Abend schon hier gesehen hatte, stand an der Bar und hatte am frühen Morgen bereits einen Whisky vor sich.

»Wollen Sie auch einen?« fragte Jim Conan, und Durango schüttelte den Kopf.

»Ich frühstücke mit den anderen, wenn sie soweit sind.«

Der Kutscher und sein Begleiter kamen herein. »Es wird Zeit, sie zu wecken, Jim. Du weißt, wie lange sie immer brauchen. Habt ihr den Kaffee soweit?«

»Brenda ist gleich fertig damit.«

Der Kutscher schüttelte befriedigt etwas Tabak auf ein dünnes Papier und rollte es zu einer etwas unglücklich geratenen Zigarette zusammen, während Jim Conan sich anschickte, die Leute zu wecken.

Der eine der beiden Männer fuhr sofort in die Höhe, rieb sich die Augen und zog die bauchige Tasche zu sich heran, die heben ihm auf der Bank gelegen hatte, als fürchtete er, jemand könne sie ihm wegnehmen. Bei den anderen beiden dauerte es etwas länger. Die Frau schaute einen Moment um sich, als müsse sie erst schlüssig werden, wo sie eigentlich war.

»Wir sind Gillespie noch nicht begegnet«, sagte der Kutscher und blies eine kräftige Wolke gegen die Decke.

Jim Conan warf Durango einen flüchtigen Blick zu und erwiderte: »Er wird es mal wieder zu eilig gehabt haben. Vielleicht könnt ihr ihm helfen, seinen verdammten Kasten wieder auf die Räder zu stellen.«

»Warum sagen Sie ihm nicht, was viel wahrscheinlicher wäre?« fragte Durango laut. »Dass die Apachen ihn geschnappt haben.«

Der Kutscher wandte den Kopf.

»Apachen? Wer sind Sie überhaupt?«

»Zivilscout. Bin mit Lieutenant McGrower und einer Patrouille von Fort Thomas heruntergekommen. In den Winchester Mountains gerieten wir in einen Hinterhalt der Apachen, und ich glaube nicht, dass es außer mir noch jemand überlebt hat.«

Alle hatten es gehört, und niemand sagte ein Wort. Apachen. Schon das Wort allein genügte in diesem Land, um manchen Leuten einen Schauer über den Rücken zu jagen.

Der Mann mit dem Whisky räusperte sich in die Stille hinein.

»Das hat er gestern schon behauptet, aber es ist niemand hier, der seine Behauptung bestätigen könnte.«

Durango wandte sich ihm langsam zu.

»Wollen Sie damit andeuten, dass ich lüge, Mister?«

Der andere lächelte verschlagen.

»Ganz und gar nicht. Aber dieses höllische Land da draußen kann einem schon hart zusetzen. Wenn man die Wasserstellen nicht genau kennt, kann man umkommen, ohne einer einzigen Rothaut zu begegnen. Und ich habe schon Leute gekannt, die darin verrückt geworden sind. Die haben nachher überall Apachen gesehen.«

Durangos Augen zogen sich drohend zusammen.

»Ich weiß zwar nicht, was für Gründe Sie haben, um den anderen hier die Gefahr ausreden zu wollen, aber passen Sie auf Ihre Worte auf, wenn Sie etwas über mich sagen.«

»Er hat ja nichts über Sie gesagt«, mischte der Beifahrer sich ein. »Aber die Winchesters sind ein ganzes Stück weg, und sicherlich hat die Bande längst das Weite gesucht.«

»Es liegt mir fern, hier jemand Angst einzujagen«, beteuerte Durango. »Aber auch in der Nähe der Dragoons habe ich Serato mit einer ganzen Horde gesehen, und sie waren nicht unterwegs, um Präriehunde zu fangen.«

»Serato, der Bruder Nanas?« Der Kutscher kratzte sich am Kopf. »Dann ist es wohl doch mehr als eine kleine Bande, die sich ein paar Skalps holen wollte. Aber zum Teufel, Mister, ich habe diese Kutsche da draußen zu fahren und einen verdammten Fahrplan einzuhalten.«

Durango nickte. »Und Sie sind auch für die Sicherheit Ihrer Passagiere verantwortlich. Und die sollten zumindest wissen, was für ein Risiko sie eingehen, wenn sie weiterfahren.«

Einer der Fahrgäste war aufgestanden.

»Bevor Sie weiterreden, Gentlemen«, mischte er sich ein. »Mein Name ist Robert Tessary, und ich habe ein Ticket bis nach Dragoon bezahlt. Ich verlange, für mein Geld dorthin gebracht zu werden. Wer Angst vor ein paar Rothäuten hat, kann ja hierbleiben. Aber die Kutsche hat auf jeden Fall ihr Fahrziel einzuhalten.«

Der Bursche an der Bar grinste.

»Sie sehen, dass es noch Männer gibt, die sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Ich finde diesen Vorschlag durchaus demokratisch. Auch ich bestehe auf eine Weiterfahrt.«

Die Blicke richteten sich daraufhin auf den schmächtigen Mann, der auf der Bank saß und sich an seiner Reisetasche festhielt.

»Was ist mit Ihnen?« fragte der Kutschen »Wollen Sie umkehren?«

Der Mann machte einen nervösen Eindruck. Aber Apachen hatten auch schon andere Männer als diesen hier nervös gemacht. Doch er schüttelte den Kopf.

»Auf keinen Fall will ich nach Fort Bowie zurück.« Er versuchte ein etwas hilfloses Lächeln. »Es gefällt mir dort nicht, verstehen Sie?«

»Und Sie, Ma’am?« fragte der Kutscher die Frau.

Ihr Lachen wirkte müde und ohne Fröhlichkeit. Sie strich die von der Nacht in Unordnung geratenen Haare aus der Stirn und erwiderte mit dunkler Stimme: »Schauen Sie mich doch an. Was hat eine Frau wie ich noch zu verlieren, dass sie sich vor diesen Indianern fürchten müsste?«

Sie mochte etwa vierzig Jahre alt sein, und diese Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie hatte das Gesicht einer Frau, die zu viel Whisky getrunken und zu viel Zigarrendunst eingeatmet hatte und der die Nächte keinen erholsamen Schlaf gebracht hatten.

»Damit dürfte die Sache wohl entschieden sein«, triumphierte der Mann, der noch immer an der Bar lehnte, und schüttete den Rest seines Whiskys hinunter. Danach warf er scheppernd ein Geldstück auf die Theke und meinte: »Ich denke, wir können abfahren. Es wartet jemand in Benson auf mich.«

Jim Burke, der Kutscher, zuckte mit den Schultern, als er an Durango vorbeiging.

»Danke für die Warnung. Ich hoffe, dass Sie ein bisschen zu schwarz sehen, Mister.«

Durango sagte nichts. Er beobachtete, wie die Fahrgäste ein kurzes Frühstück zu sich nahmen und sich dann zur Kutsche begaben. Was mochten sie alle für Gründe haben, ihr Leben zu riskieren? Seine Worte und auch das Ausbleiben von Gillespie und seiner Kutsche hatten überhaupt keine Wirkung gezeigt.

»Wollen Sie noch immer auf die Kutsche nach Fort Bowie warten oder lieber hier mitfahren?« fragte Brenda hinter ihm. »In Benson gibt es einen Telegraphen. Vielleicht ist Ihre Nachricht dann schneller in Bowie, als Sie selbst dorthin kämen.«

Durango drehte sich langsam um und blickte in das müde aufgeschwemmte Gesicht der Frau. Möglicherweise hatte sie recht. Wenn die Apachen Gillespie erwischt hatten, würde es vorläufig keine Fahrt nach Bowie hinauf geben. Und er musste unbedingt den Kommandanten dort benachrichtigen, egal wie!

Er entrichtete rasch entschlossen seinen Fahrpreis und ging ebenfalls hinaus. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte, er die staubige Straße entlang. Irgendwo da draußen lauerte vielleicht auf sie alle der Tod, Doch wenn er noch mitfuhr, waren sie sechs Männer, von denen wohl alle ihre Waffen gebrauchen konnten. Und was noch wichtiger war: sie waren auf die Gefahr vorbereitet.

Er warf seine Deckenrolle mit dem darin verborgenen Gewehr auf das Dach und stieg als letzter ein. Seine eigene Henry behielt er zwischen den Knien.

Der Bursche in der Kordjacke mit dem Dragon-Revolver, der Dan Liscomb hieß, wie Durango aus einem Gesprächsfetzen gehört hatte, warf ihm einen unfreundlichen Blick zu.

»Mir scheint, Sie gehen leichtsinnig mit Ihrem Skalp um.«

Durango antwortete nicht. Er schob sich den Hut in die Stirn und lehnte sich zurück. Am Schaukeln des Gefährtes merkte er, wie Jim Burke und sein Beifahrer Bill Dean auf den Bock kletterten. Dann knallte die Peitsche, und die Maultiere zogen an. Die Kutsche rumpelte durch die ausgefahrenen Spurrillen nach Süden. Die Sonne stieg in einen gleisenden, endlosen Himmel hinauf, der ohne jede Wolke war. Staub wirbelte an den Seiten der Kutsche hoch und zu den offenen Fenstern herein. Die Frau hustete und drückte ein dünnes weißes Tuch auf ihren Mund. Ihr Gesicht war blass und die Haut welk und ohne Spannkraft.

Das Land war trostlos und flach bis zu den dunklen Hügeln, die sich etwa fünf Meilen entfernt im Westen hinzogen, Robert Tessary blicke immer wieder unruhig nach draußen, wo Kakteenfelder und staubbedeckte Dornenbüsche vorbeiglitten. Der schmächtige Mann hingegen, der vorhin einen nervösen Eindruck gemacht hatte, war jetzt völlig ruhig. Er hatte die Arme über seiner bauchigen Reisetasche verschränkt, die auf seinem Schoß stand, und schaute fast zufrieden vor sich hin. Die Passagiere ließen jeden für sich das Schaukeln und Stoßen der Kutsche auf dem schlechten Weg über sich ergehen.

Durango beobachtete die Hügel, die sich langsam näherschoben. Solange sie sich auf dem flachen Land bewegten, war die Gefahr verhältnismäßig gering. Aber irgendwann mussten sie in diese verdammten Hügel hinein. Serato war zwar gestern mit seiner Bande nach Nordwesten gezogen, doch wer konnte schon sagen, wo sich ein Apache einen Tag später aufhielt?

Es wurde heiß. Auf Tessarys Stirn erschienen kleine, glitzernde Tröpfchen, die er mit einem Taschentuch wegwischte.

»Ich kann nicht verstehen«, stöhnte er, »weshalb man diesen Wilden ein solches Land streitig macht. Wie kann man nur in dieser Hölle leben?«

»Fragen Sie mal den da«, erwiderte Liscomb und deutete mit einer Kopfbewegung zu Durango hin. »Er weiß, wie man hier am Leben bleibt während alle anderen sterben.«

Durango schaute ihn mit einem eiskalten Blick an. »Aber ehe er darauf antworten konnte, sagte die Frau ihm gegenüber: »Warum lassen Sie ihn nicht endlich in Ruhe?«

Liscombs hartes Gesicht verzog sich zu einem bösen Grinsen.

»Kann er sich nicht selbst wehren?«

Diese Fahrt ist unangenehm genug, auch ohne dass Sie sich streiten!« sagte die Frau schnell. Sie hüstelte wieder in ihr zusammengeknülltes Tuch.

»Sie hat recht«, schlug Durango vor. »Heben wir uns also unsere Antipathie auf, bis wir in Benson sind.«

»Bis dahin ist es ein verdammt langer Weg«, bemerkte Liscomb widerwillig.

Ein Lächeln, das ohne Freundlichkeit war, zog flüchtig über Durangos Züge.

»Wir werden uns wohl oder übel bis dahin ertragen, müssen. Oder was wollen Sie dagegen tun?«

In seiner letzten Frage lag eine lauernde Herausforderung. Er wusste, dass dieser Waffenstillstand nicht halten würde. Kerle wie dieser Liscomb können sich nicht damit abfinden, wenn ihnen etwas nicht passt. Aber Robert Tessary sagte beschwörend: »Es wäre sehr töricht, wenn wir uns untereinander streiten. Denken Sie an die gemeinsame Gefahr, in die wir uns begeben.«

»Von dieser angeblichen Gefahr haben wir bisher nicht das geringste bemerkt«, konterte Liscomb abschätzig. »Die Apachen haben schon seit langem keinem Weißen mehr ein Haar gekrümmt. Man sagt, Serato habe eine weiße Squaw, und die soll ihn ganz schön zahm gemacht haben.« Er lehnte sich zurück, um besser an die Zigarre zu kommen, die er aus seiner Hemdtasche zog. »Gewiss, es wird eine Menge geredet, und niemand hat diese weiße Squaw je gesehen. Aber ich habe jemand behaupten hören, dass Serato ihretwegen selbst in die Kirche gehen würde.« Er lachte und biss das Ende seiner Zigarre ab, das er aus dem Fenster spuckte.

Auf Tessarys Stirn schienen sich die Schweißperlen vermehrt zu haben, und ein seltsames Licht flackerte in seinen Augen.

»Eine weiße Frau würde niemals die Squaw eines Apachen werden!«

Dan Liscombs Lachen wurde noch lauter, so als hätte jemand einen guten Witz erzählt.

»Haben Sie jemals gesehen, wie die Rothäute ihre Weiber gefügig machen?«

Tessarys Erregung steigerte sich nach diesen Worten zum Zorn. »Ich weiß, dass vor etwa zwei Jahren eine weiße Frau von Seratos Bande entführt wurde. Sie wird als Gefangene gehalten und hat sicherlich viel erdulden müssen. Sie haben kein Recht, über sie zu reden, Mister!«

Dan Liscomb hielt das brennende Zündholz an seine Zigarre und paffte ein paar dicke Wolken vor sich hin.

»Noch so ein Klugscheißer, der alles weiß«, murmelte er dabei vor sich hin. Dann brach die Heiterkeit erneut aus ihm heraus: »Eines können Sie mir glauben, Hombre: Weiber sind alle gleich.«

»Halten Sie endlich Ihren Mund!« forderte Durango ihn auf, der sah, wie sich Tessarys Lippen im Zorn zusammenpressten. Liscombs Gesicht wurde mit einem Schlag ernst, und er beugte sich vor.

»Wir sind auch noch nicht fertig miteinander, Hombre!« zischte er zwischen den Zähnen hindurch.

Die Stage Coach nahm eine kurze Steige und rollte wieder bergab in eine steile Kurve hinein.

Die Hügel waren erreicht.

Die Passagiere wurden leicht auf die Seite gedrückt. Und dann zog Jim Burke plötzlich mit einem Ruck die Zügel straff!

Art Lynton, der Mann mit der Tasche, und Durango rutschten fast von ihren Sitzen und mussten sich an ihren Gegenübern abstützen. Liscomb spähte gespannt aus dem Fenster.

»Was ist los, verdammt noch mal!« fauchte er, wobei er die Zigarre mit den Zähnen festhielt.

Von oben kam keine Antwort. Nur Bill Dean zerrte nervös das Repetiergewehr unter seinen Füßen hervor. Liscomb stieß die Tür auf und sprang ins Freie. Dabei zog er den Revolver aus seinem Holster, und sein Blick sprang zu jenem Trümmerhaufen hin, der einmal eine Stage Coach der Overland Mail gewesen war.

Durango verließ die Kutsche auf der anderen Seite, und die Frau, die, wie sie sagte, Millie Fergusson hieß, folgte ihm. Er drehte sich zu ihr um und sagte: »Sie sollten sich das lieber nicht ansehen.«

»Was gibt es denn?« fragte sie besorgt und versuchte, jenseits der unruhig schnaubenden Mulis etwas zu erkennen.

»Das, was mir niemand glauben wollte«, gab Durango zurück. »Sie sollten lieber wieder einsteigen, Ma’am.«

»Gillespie!« keuchte Bill Dean vom Kutschbock herunter. Jim Burke hielt noch immer wie verkrampft die Zügel in seinen braunen, harten Händen. Die Augen suchten nervös das Land ab.

»Bleib oben!« zischte er Bill Dean zu. »Von hier haben wir einen besseren Überblick, falls sie noch hier sind.«

»Sie sind nicht mehr hier«, erklärte Durango und ging an den Mulis vorbei auf die zerstörte Kutsche zu. Er konnte sich denken, wer dafür verantwortlich war.

Als ersten sah er einen Mann. Er musste noch gelebt haben, als sie ihn erwischten. Sie hatten, ihn entkleidet und an das einzige Wagenrad gebunden, das heil geblieben war. Sein ganzer Körper war zerschunden, das blutüberströmte Gesicht auf die Brust gesunken, und die Fliegen summten um eine kahle, von verkrustetem Blut bedeckte Stelle auf seinem Kopf.

Durango trat näher an den Toten heran und betrachtete die Wunden genau.

»Das war vor mehr als vierundzwanzig Stunden«, stellte er fest. »Bin den Burschen gestern Mittag nördlich von hier begegnet«

Die anderen waren ihm gefolgt, aber niemand sprach. Er drehte sich zu ihnen um.

»Natürlich können noch andere in der Nähe sein. Sieht so aus, als ob sie hinter irgendjemand her sind.«

Tessary schluckte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hielt seinen Revolver in der Hand und erklärte mit verbissener Entschlossenheit, dass sie sich zu wehren wüssten, wenn sie kämen. Nur Bill Dean war als Posten auf dem Kutschbock zurückgeblieben.

»Es müssen noch mehr da sein, denn dieser Mann ist nicht Gillespie«, krächzte Jim Burke mit trockenem Hals.

In der Kutsche fanden sie die Leiche einer Frau. Sie war nur noch spärlich bekleidet, und ihr Körper wies die Spuren grausamer Misshandlungen auf. Der Hinterkopf der Unglücklichen war zerschmettert. Unter den Trümmern des Gefährtes fast gänzlich begraben entdeckten sie einen weiteren Mann. Er war vermutlich von der umgestürzten Kutsche erschlagen worden, ehe die Apachen seiner habhaft werden konnten. Aber auch bei ihm handelte es sich nicht um Gillespie.

»Das verstehe ich nicht«, brummte Jim Burke und kratzte sich fahrig über dem Ohr, als sie sonst niemand mehr fanden. Millie Fergusson stand mit blassem Gesicht da, in dem kein Tropfen Blut mehr zurückgeblieben zu sein schien!

»Ich hatte Ihnen doch geraten, wieder einzusteigen«, sagte Durango vorwurfsvoll. Sie nickte. Ihre Lippen schienen aneinanderzukleben. Sie hatte Mühe, sie beim Sprechen zu öffnen.

»Ich habe schon eine Menge Tote in meinem Leben gesehen, und da dachte ich, es würde mir nichts ausmachen. Aber das hier …« Sie drehte sich um, ohne den Satz zu vollenden.

Durango achtete nicht weiter auf sie. Etwas ließ ihn plötzlich herumfahren. Auch die anderen hatten es gehört.

»Hallo!« rief eine schwache Stimme, die von weit her zu kommen schien. »Hier …, verdammt noch mal!«

»Das ist doch …!«

Jim Burke stürmte plötzlich los, und Tessary folgte ihm.

Etwas bewegte sich hinter einem Stein. Eine Gestalt taumelte hervor, brach in die Knie und stützte sich mit einer Hand auf. Blut färbte die Schulter und den rechten Ärmel ihrer Jacke dunkel. Auch die linke Gesichtshälfte war bis zum Hals hinunter mit angetrocknetem Blut bedeckt. Eine lange Wunde zog sich seitlich über ihren kahlen Schädel.

Jim Burke erreichte den Mann als erster und versuchte, ihn auf die Füße zu ziehen.

»Zur Hölle, Gillespie! Das ist das verrückteste Ding, das du dir je geleistet hast!« keuchte er. Tessary half ihm, und sie stellten den Mann gemeinsam auf die Füße. Er wackelte etwas, aber seine Beine trugen ihn.

»Weiß der Geier! Was hast du mit deinen Haaren gemacht? Habe noch nie gehört, dass die Apachen einem den Kopf kahlscheren.«

Das blutverkrustete Gesicht verzog sich zu einem schwachen Grinsen.

»Tun sie auch nicht, du alter Mulischinder. Aber ich habe in Benson schon etwas davon in die Nase bekommen, dass es hier oben mulmig ist. Und da ich mir sagte, die Apachen nehmen bestimmt keine Glatzen mit, habe ich meine Haare dort unten beim Barbier gelassen.« Er lachte meckernd. »Habe sie wieder mal reingelegt, die Halunken. Ist das nicht gut?«

Jim Burke machte ein säuerliches Gesicht.

»Und als Anerkennung dafür haben sie dich am Leben gelassen.«

»Ich weiß auch nicht, wie das zuging.« Gillespie versuchte zu laufen, aber er schaffte es ohne fremde Hilfe nicht. »Sie haben mir ein Ding verpasst, da in die Schulter. Kurz darauf ging die Karre zu Bruch, und ich bin in hohem Bogen heruntergesegelt. Von da an war die Lampe aus, Freunde. Vermutlich haben die Idioten gedacht, ich sei hinüber. Und da es bei mir nichts mehr zu holen gab, haben sie mich einfach da liegen lassen.«

Er fuhr sich mit der gesunden Hand über seinen hell schimmernden Kahlkopf. »Nur schade, dass ich ihre dummen Gesichter nicht sehen konnte.«

Das viele Gerede hatte ihn mehr angestrengt, als er selbst wahrhaben wollte. Seine schmächtige Gestalt sackte nach vorn und musste von Burke und Tessary erneut gestützt werden.

»Es ist besser, wir bringen ihn in die Kutsche und verschwinden von hier«, knurrte Tessary noch immer nervös. »Wir haben nämlich noch unsere Haare.«

Gillespie hob den Kopf und blinzelte in die grelle Sonne.

»Meinen Hut! Habt ihr nicht meinen Hut gesehen? Vergesst um Himmels willen meinen Hut nicht!«, brabbelte er schon halb bewusstlos, als sie ihn zur Kutsche schleppten.

»Es fängt wieder an zu bluten«, stellte Jim Burke besorgt fest. »Wir müssen erst seine Schulter verbinden.«

»Womit denn?« wollte Robert Tessary ungeduldig wissen.

Millie Fergusson zerrte ihre Reisetasche vom Dach der Kutsche.

»Ich habe eine weiße Bluse, die können wir zerschneiden«, bot sie an. »Das muss für’s erste reichen.«

Durango, Art Lynton und Dan Liscomb hatten inzwischen die Toten in eine Spalte gelegt und bedeckten sie mit Steinen, um sie vor den Coyoten zu sichern.

Man lehnte Gillespie an einen Stein, und Jim Burke schnitt ihm mit seinem Messer vorsichtig das Hemd von der Schulter.

»Wie viele waren es denn?« fragte er, mehr um ihn abzulenken, als aus Neugier.

»Kann ich gar nicht sagen. Es ging alles viel zu schnell.« Er verzog das Gesicht, als Burke Whisky auf die Wunde goss. »Ein gewisser Tim Early soll den Ärger mit den Apachen verursacht haben. Irgend so eine Weibergeschichte … Verdammt, das brennt wie die Hölle!«

»Wissen Sie etwas Näheres darüber?« erkundigte sich Tessary schnell, aber Gillespie war bereits in eine neuerliche Ohnmacht gesunken.

Sie beeilten sich, seine Schulter zu verbinden, und hoben ihn in die Kutsche zu den anderen, ehe sie ihre Fahrt fortsetzten. Es wurde schnell wieder heiß in der engen Kutsche. Der Staub, der zu den Fensteröffnungen hereingeweht wurde, bedeckte die Kleidung der Insassen mit einer dünnen, grauen Schicht. Die Stimmung war gedrückt. Die Gefahr war zwar nicht stärker geworden als vorher schon, doch durch den Anblick der Toten war sie allen bewusst geworden.

Aber das, was alle zu befürchten schienen, traf nicht ein. Etwas ganz anderes passierte, an das außer einem von ihnen niemand gedacht hatte.

Die Fahrt der Kutsche verlangsamte sich abermals ganz plötzlich, als Jim Burke die Maultiere zurückhielt. Tessary beugte sich nach draußen und rief: »Ist was los da vorn?«

»Reiter!« gab Jim Burke kurz Auskunft.

»Es sind Weiße«, sagte Bill Dean in diesem Moment erleichtert.

Durango hob den Kopf. Was in aller Welt hatten diese hier verloren?

Dan Liscomb hatte bereits den Revolver gezogen und steckte seinen Kopf durch das Seitenfenster.

»Es sind tatsächlich Weiße«, brummte er erleichtert. »Kein Grund zur Aufregung.«

Fünf Reiter, die noch ein lediges, aber gesatteltes Pferd mit sich führten, kamen langsam der Kutsche entgegen, die auf dem Weg angehalten hatte. Zwei von ihnen hielten Gewehre in den Händen.

Vielleicht sind sie auf der Suche nach Gillespies Kutsche, dachte Burke. Aber wie sollten sie davon wissen? In Dragoon gab es keinen Telegrafen.

»Seid ihr irgendwo auf Apachen gestoßen?« fragte er, als die Reiter nahe genug waren. Aber er erhielt keine Antwort auf seine Frage. Die beiden, die Gewehre trugen, richteten stattdessen ihre Waffen auf ihn und Bill Dean, der seine Flinte über den Knien liegen hatte.

»Das Gewehr weg, und runter da!«

Es war zu spät, um irgendetwas zu tun. Die fremden Reiter hatten sich so postiert, dass sie beide Flanken der Kutsche beobachten konnten. Und oben auf dem Bock gab man ein prächtiges Ziel ab.

Bill Dean hob das Gewehr auf seinen Knien vorsichtig an und warf es hinunter.

Der Befehl war in der Kutsche ebenso zu hören gewesen wie draußen. Durango griff sofort nach seinem Henry Gewehr, aber dabei fiel sein Blick auf Dan Liscomb, und er hielt mitten in der Bewegung inne, als er die Mündung von dessen Revolver auf sich gerichtet sah. Langsam zog er seine Hand zurück, während seine Gedanken fieberhaft zu arbeiten begannen. Die Zusammenhänge waren ihm noch nicht klar.

Was gab es in dieser verdammten Kutsche zu holen, das ein so riskantes Unternehmen wie einen Überfall mitten im Kampfgebiet der Apachen rechtfertigte?

»Ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, was Sie für einen Grund hatten, hier mitzufahren, Liscomb.«

»Wie gut für Sie, dass Sie noch im letzten Augenblick dahintergekommen sind«, grinste Liscomb, aber in seinen Augen lag eine tödliche Kälte.

Robert Tessary nahm zögernd die Hand wieder vom Revolver weg, den er hatte herausreißen wollen. In seinen Zügen spiegelte sich Zorn wieder. Art Lynton drückte erschrocken die Reisetasche gegen seine Brust, und seine Augen huschten wieselflink umher. Die einzige, die gelassen blieb, war Millie Fergusson.

»Los, raus mit euch!« sagte Dan Liscomb. »Und dass mir keiner versucht, den Helden zu spielen. Wir haben nicht das geringste Verständnis für so etwas. Wer vernünftig bleibt, dem geschieht nichts.«

Durango stieß mit dem Fuß die Tür auf und sprang als erster hinunter. Ihm folgten die anderen dichtauf. Es brauchte ihnen niemand erst zu sagen, die Hände hochzunehmen. Die Waffen, die auf sie gerichtet waren, sowie die entschlossenen Gesichter der Männer, waren Drohung genug.

Dan Liscomb verließ das Gefährt als letzter, nachdem er alle Waffen, die dort verblieben waren, eingesammelt hatte.

»Zuerst die Schießprügel weg!«, befahl einer der Fremden. »Bei wem ich nachher noch so ein Ding finde, den mache ich fertig!«

Dieser und noch ein anderer waren abgesessen, während die drei übrigen auf ihren Pferden sitzen blieben und ihre Gewehre schussbereit hielten.

Ein paar Revolver fielen in den Staub, die Dan Liscomb ebenfalls an sich nahm und in der Satteltasche des reiterlosen Pferdes verstaute. Durangos Gewehr behielt er in der Hand.

Der Sprecher von vorhin ging auf Art Lynton zu. Er trug eine schwarze mexikanische Weste mit Silberknöpfen und ledernen Schnüren, die jetzt allerdings grau vom Staub war. Er wollte Lynton die Reisetasche aus den Händen reißen, und als dieser sie verzweifelt festhielt, schlug er ihm wortlos den Revolver an den Kopf. Der schmächtige Lynton taumelte gegen die Kutsche. Seine Nase und die aufgeplatzten Lippen bluteten heftig.

»Spiel nicht den Entrüsteten. Du hast das Zeug auch nur gestohlen.« Er grinste die anderen an. »Wir sind nämlich schon eine ganze Weile hinter ihm her. Euer Pech, dass ihr mit in der Kutsche wart.« Er drehte sich zu Liscomb um. »Wer von ihnen heißt Tessary?«

Dan Liscomb deutete auf Robert Tessary. »Der da, Blake.«

»In Dragoon trieb sich so ein komischer Kerl herum. Hatte ‘ne weiße Squaw bei sich und behauptete, auf einen Burschen namens Tessary zu warten. Es roch nach Geld, sage ich euch, nach viel Geld. Kerle wie dieser Early tun nie etwas ohne Geld.«

Blake blieb vor Robert Tessary stehen, dessen Gesicht eine graue Farbe annahm.

»Also, wo hast du die Böcke?« fragte er ruhig, beinahe sanft.

»Es muss sich hier wohl um einen Irrtum handeln«, erklärte Tessary unsicher. »Ich kenne keinen Mann namens Early.« Seine Augen glitten unruhig von einem der Burschen zum anderen. Aber es hatte keinen Sinn, etwas zu versuchen. Die Chancen dafür waren gleich Null.

Blake hielt die Hand mit dem Revolver dicht vor Tessarys Gesicht und deutete mit der anderen flüchtig auf den noch immer an der Kutsche lehnenden Lynton.

»Willst du auch erst eins in die Schnauze haben, so wie der da?«

Tessary schluckte, aber sein Mund war fest zusammengepresst.

»Mach mich also nicht wütend!«

Blake wollte gerade zuschlagen, da fiel sein Blick auf Gillespies Stiefel, die durch die offene Tür der Stage Coach zu sehen waren.

»Wer ist noch in der Karre drin?« fragte er schnell und drehte sich zu Dan Liscomb um. Dieser machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Nur ein Verwundeter. Von ihm droht keine Gefahr. Die Apachen haben ihm ein Ding verpasst, von dem er sich nicht so rasch erholen wird.«

Die Erwähnung der Apachen schien Blake nervös zu machen. Er wollte sich wieder seinem Opfer zuwenden, um die Sache schnell zu beenden. Aber Tessary hatte die kurze Unachtsamkeit seines Gegenübers als seine Chance angesehen und versuchte zu fliehen.

Blakes Kumpanen jedoch kostete es nur eine lässige Bewegung, um den Flüchtigen über sein Bein stolpern zu lassen und zu Fall zu bringen.

Tessary schlug lang auf den Boden, und sein Bezwinger setzte ihm seinen Stiefel hart zwischen die Schulterblätter.

»Jetzt ist es genug!«, bellte er. »Wir haben schon Leute umgelegt, die uns weniger Schwierigkeiten gemacht haben. Also, wo. hast du das Zeug?«

Tessary keuchte unter dem Druck des Stiefels. Er versuchte, sich hochzustemmen, aber es gelang ihm nicht. Blake kam ohne Hast heran und versetzte ihm einen Tritt in die Seite.

»Dreh ihn um, Mort!«

Der mit Mort Angeredete nahm seinen Fuß von Tessary und rollte ihn mit einer schnellen, kräftigen Bewegung auf den Rücken.

»Ich will meinen alten Hut fressen, wenn das nicht ein Geldgürtel ist, den er da unter der Jacke trägt«, frohlockte, Blake. Tessary trat mit den Füßen nach Blake und versuchte, sich loszureißen. Mort schlug ihm auf den Schädel, und er fiel stöhnend zurück. Blake riss den Gürtel auf und zog ihn unter Tessarys Körper hervor. Er öffnete ihn und grinste zufrieden.

»Na also, hat sich doch gelohnt.« Er warf sich den Gurt über die Schulter und wandte sich wieder an Liscomb. »Noch einer von der Sorte?«

Dan Liscomb schüttelte den Kopf. »Nur noch Kleinigkeiten.«

Er ging zu Millie Fergusson und riss ihr ein goldenes Medaillon vom Hals. Im Gesicht der Frau zuckte es leicht, aber sie war klüger als Robert Tessary und sagte kein Wort.

»Knallt die Mulis ab!« wandte Blake sich an die drei Männer, die noch immer zu Pferde waren. Die Reiter hoben ihre Gewehre, und die Schüsse peitschten scharf durch die heiße Luft, hallten zwischen Felsen wider und rollten über die Hügel. Es dauerte nicht einmal eine Minute, und sämtliche Maultiere lagen am Boden. Zwei von ihnen zuckten noch und schlugen einige Male mit den Läufen, ehe sie starben. Der Geruch ihres Blutes machte die Pferde nervös, und sie tänzelten unruhig und bereiteten ihren Reitern einige Mühe.

»Machen wir, dass wir hier wegkommen«, drängte Blake. »Unsere roten Freunde werden die Knallerei gehört haben und nicht allzu lange auf sich warten lassen.« Er wischte sich mit Daumen und Zeigefinger den Staub weg, der sich in seinen Mundwinkeln gesammelt hatte. »Sie sollten uns für die leichte Beute dankbar sein.« Sein Blick fiel auf Millie Fergusson, und es schien, als wollte er noch etwas sagen; aber dann drehte er sich um und ging zu seinem Pferd.

»Moment«, sagte Dan Liscomb. »Ich bin hier noch jemand was schuldig. Habe es noch nie leiden können, wenn einer ein großes Maul hat.«

Er näherte sich Durango mit fast bedächtigen Schritten und beobachtete diesen dabei aus zusammengezogenen Augenlidern. Durangos Gewehr hielt er dabei quer vor sich. Er hatte offenbar nicht die Absicht, ihn zu erschießen.

Blake war neben seinem Pferd stehengeblieben und sah abwartend herüber.

»Beeil dich«, mahnte er. »Bis jetzt hat alles geklappt, und wir wollen deinetwegen keine Scherereien.«

»So viel Zeit muss sein«, meinte Liscomb. Er war bei Durango angelangt und grinste diesen kalt an.

»Na, hast du noch was zu sagen?«

Durango schwieg. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit Männern dieses Schlages zu reden.

»Ich wusste doch, dass du feige bist, wenn es darauf ankommt.«

Ganz plötzlich stieß er Durango die Mündung des Gewehrs in den Magen, Durango verlor das Gleichgewicht und stolperte auf die Knie, kam jedoch gleich wieder hoch. Er hätte Liscomb unterlaufen und ihn zu Fall bringen können, aber Mort stand nur wenige Schritte entfernt mit schussbereitem Revolver.

Der nächste Schlag mit dem Gewehrschaft traf ihn vor die Brust. Durango fiel nach hinten und stieß gegen das Rad der Kutsche. Benommen schüttelte er den Kopf. Wut stieg wie eine gefräßige Flamme in ihm auf. Er sah Morts erwartungsvoll grinsendes Gesicht und dessen Finger ungeduldig an der bereitgehaltenen Waffe herumrutschen.

Der stählerne Lauf traf ihn betäubend an der Schulter, als Liscomb abermals zuschlug. Durango fiel auf die Seite, und der Schmerz war fast unerträglich.

Er fühlte den Staub in seinem Gesicht, und seine Füße schabten unkontrolliert über den harten Boden, als er wieder aufstehen wollte.

Blake hatte sich inzwischen in den Sattel gezogen.

»Komm jetzt!« rief er. »Wir haben lange genug herumgetrödelt.«

»Der hat genug«, brummte Mort fast enttäuscht und begab sich ebenfalls zu seinem Pferd.

Aber Dan Liscomb war nicht dieser Meinung. Er konnte es sich nicht verkneifen. Durango weiter mit Fußtritten zu traktieren.

Als er von seinem Opfer abließ, hatten die anderen bereits ihre Tiere gewendet und ritten davon.

»Will niemand ihm helfen?« fragte Liscomb provozierend und sah die anderen an. Mordlust glitzerte in seinen Augen. Doch da sich niemand rührte, zog auch er sich zu seinem Pferd zurück, wobei er die anderen nicht aus den Augen ließ.

Robert Tessary hatte es mühsam bis auf die Knie geschafft und versuchte nun, sich am Vorderrad des Wagens hochzuziehen. Liscomb zog sein Pferd herum und folgte seinen Genossen.

Millie Fergusson war als erste bei Durango und hob dessen Kopf an. Aber er kam bereits wieder zu sich.

»Ist es sehr schlimm?« fragte sie besorgt.

Durango versuchte aufzustehen.

»Nicht so schlimm, wie es für diesen Halunken gut wäre«, ächzte er. Sie verstand nicht, was er damit meinte. Durango schaffte es, auf die Füße zu kommen. Sein linker Arm war fast lahm, und die Schmerzen in der Schulter fachten seinen Jähzorn neu an. Er wischte sich das Blut vom Mund und wehrte Millie Fergussons Hilfe ab, die ihn stützen wollte.

»Was sollen wir jetzt tun?« fragte Bill Dean ziemlich ratlos, und Jim Burke warf wütend seinen Hut in den Staub.

»Verdammter Mist, nicht ein Muli haben diese Dreckskerle uns gelassen!«

»Seien Sie alle froh, dass Sie noch am Leben sind«, hielt Millie Fergusson ihm vorwurfsvoll entgegen.

»Was glauben Sie wohl, wie lange wir das noch sein werden«, brummte Burke gereizt.

Durango lief indessen mit noch unsicheren Schritten um die Kutsche herum. Er spuckte Blut in den Sand und stieg in die offene Tür. Von dort aus trat er mit einem Fuß in die Fensteröffnung und zog sich mit einiger Mühe an der Seite der Kutsche hoch. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, die beißenden Schmerzen zu ignorieren.

»Was, zum Teufel, haben Sie vor?« fragte Bill Dean nervös.

Durango antwortete nicht. Er griff nach seiner Deckenrolle und zog das Gewehr heraus, das er jenem toten Soldaten abgenommen hatte.

Von hier oben konnte er über das Dach der Kutsche blicken, und Dan Liscomb, der die anderen noch nicht ganz eingeholt hatte, war wohl noch keine hundert Yards entfernt. Niemand rechnete damit, dass noch eine Waffe zurückgeblieben war.

Durango hakte einen Ellenbogen hinter das Gepäckgitter, brachte den Springfield-Karabiner in Anschlag und spannte den Hahn.

»Er ist übergeschnappt!« schrie Bill Dean und rannte um das Gefährt herum, in der Absicht, Durango an seinem Vorhaben zu hindern. Aber Robert Tessary packte ihn an der Jacke und hielt mit der Kraft eines Verzweifelten fest.

»Knallen Sie diesen Hund ab, Durango!« keuchte er heiser. Bill Dean hatte Mühe, ihn abzuschütteln.

Durango kümmerte sich nicht um das, was da unten vorging. Er sah nur die davonreitenden Banditen, und die Distanz wurde immer größer.

»Liscomb!« brüllte er, und seine Stimme klang wie ein heiseres Krächzen.

Dan Liscomb drehte sich im Sattel um. Er brauchte ein paar Herzschläge lang, um die Situation zu erkennen. Aber dann hielt er sein Tier zurück und hob das Gewehr.

Durango feuerte. Das Geschoss traf Dan Liscomb in die Schulter und riss ihn aus dem Sattel, noch ehe er zum Schuss kam. Das erschreckte Pferd schleifte ihn einige Yards über den trockenen Boden, bevor sich der Stiefel aus dem Steigbügel löste. Staub quoll in die Höhe.

Bill Dean war auf halbem Wege stehen geblieben und schrie: »Wollen Sie uns alle umbringen?«

»Halten Sie den Mund!«, murmelte Durango mit kalter Ruhe. Er warf die leere Hülse aus und schob eine neue Patrone in die Waffe.

Die anderen Reiter, die schon ein Stück weiter weg waren, rissen nach Durangos Schuss ihre Tiere herum. Eine Sekunde lang machten sie einen verwirrten Eindruck. Dann kam einer von ihnen zurück. Durango konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Ein anderer fing Liscombs Pferd ein. Die restlichen drei folgten jetzt dem ersten.

Es war Mort, der neben Liscomb aus dem Sattel sprang und sich zu ihm niederbückte. Dan Liscomb kroch über den Boden und angelte mit dem gesunden Arm nach seinem Gewehr. Er fluchte unablässig dabei.

Durangos zweiter Schuss veranlasste Mort, sich sofort flach auf den Bauch zu werfen.

Ende der Leseprobe aus 811 Seiten  - nach oben

US$ 12,99

JETZT KAUFEN BEI:
Amazon  Thalia  Weltbild  Apple  Google 

Autor: Luke Sinclair

Luke Sinclair

1940 wurde ich in Halle/Saale geboren und wuchs in derselben Stadt auf.
1961 wechselte ich in die Bundesrepublik über. Einige Jahre später absolvierte ich bei der Studiengemeinschaft Kamprath in Darmstadt ein zweijähriges Fernstudium >Technik der Erzählkunst<. Danach schrieb ich meine ersten Western für Zauberkreis Verlag und BEWIN Verlag (letzterer für Leihbüchereien) und war dann über nahezu drei Jahrzehnte nebenberuflich als Romanautor für Kelter- und Bastei Verlag tätig.
Da ich mich nun seit einiger Zeit im Ruhestand befinde, habe ich mich größeren Projekten zugewandt. Mein erster gebundener Roman erschien 2008 unter dem Titel: „Roter Bruder Abel“ im WJK Verlag, Hilden. Ein historischer Roman, der sich mit der Eroberung und Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents befasst.
Ein weiterer Roman mit dem Titel: „Wer weiß schon, wann die Stunde schlägt“ erschien 2010.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
  • Wenn Sie diese Meldung sehen, konnt das Bild nicht geladen und dargestellt werden.
Leseprobe aus  811  Seiten

Aktuelle Bestseller

  • 1. Im Schatten des Palio

    von Kerstin Groeper, Guiseppe Bruno

  • 2. Wilde Rosen, weites Land

    von Maja Schulze-Lackner

  • 3. Die Feder folgt dem Wind

    von Kerstin Groeper

  • 4. Fremdvögeln

    von Zoe Schreiber

  • 5. Der scharlachrote Pfad

    von Kerstin Groeper

  • 6. Wie ein Funke im Feuer

    von Kerstin Groeper

  • 7. Kranichfrau

    von Kerstin Groeper

  • 8. Auf den Pfaden des Luchses

    von Tanja Mikschi

  • 9. Indianisch für Anfänger

    von Kerstin Groeper

  • 10. Im fahlen Licht des Mondes

    von Kerstin Groeper

Titel des Monats

hey! finden und erreichen

Unsere eBooks auch bei:

  • Impressum
  • AGB
© 2015 Hey! Publishing GmbH

hey! publishing – der eBook-Verlag von Johannes Heyne


hey! publishing veröffentlicht seit August 2012 Original- und Neuausgaben aus verschiedenen Genres der Unterhaltungsliteratur als eBook. Der Leitsatz »digital first« eröffnet dabei neue kreative Spielräume bei der Gestaltung und Vermarktung von Inhalten – ein Vorteil, von dem nicht zuletzt die hey!-Leser und -Autoren profitieren.


hey! publishing – wir wollen unterhalten!


Das Sortiment umfasst ausgewählte Titel der Unterhaltungsliteratur: von Belletristik, Biographien und Sachbüchern über packende Krimis und Thriller, sinnliche Erotik und Liebesromane bis hin zu Kinder- und Jugendbüchern, Humor und Satire – bei uns macht die Auswahl den Unterschied.


hey! publishing – eBooks einfach und sicher online kaufen


Die Titel unseres eBook-Verlags können Sie auf allen bekannten eBook-Plattformen wie Amazon, Thalia, Weltbild, Hugendubel, ebooks.de, dem iBook-Store und vielen anderen Händlerseiten sowie natürlich auch auf www.heypublishing.com kaufen. Auf unserer Website erfolgt die Bezahlung einfach und sicher via Paypal. Hier finden Sie zudem ausführliche Leseproben, die Ihnen die Kaufentscheidung erleichtern. Übrigens: Alle eBooks auf www.heypublishing.com sind DRM-freie ePub-und MOBI-Dateien und können auf alle entsprechenden Lesegeräte übertragen werden.

  • So erreichen Sie uns:
  • Hey Publishing GmbH
  • c/o Johannes Heyne
  • Tattenbachstr. 20
  • 80538 München
  •  
  • Tel: +49 89 125 09 40 00
  • Fax: +49 89 125 09 40 03
  • Mail: info[at]heypublishing.com
  •  
hey! publishing im Social Web:
  • Facebook
  • Twitter
  • YouTube
  • Websites unserer Autoren
Unsere eBooks finden Sie
auch bei:
  • Amazon
  • iBooks
  • Weltbild
  • Thalia
  • Libri/eBook.de
  • Hugendubel
  • buecher.de


  • buch.de
  • kobo
  • ciando
  • beam
  • KNV
  • Libreka!
  • minimore.de