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Titel: Die Mühlen des Hasses

Die Mühlen des Hasses

Luke Sinclair Western, Band 17

von Luke Sinclair

Seiten: (ca.) 83
Erscheinungsform: Originalausgabe
Erscheinungsdatum: 6.10.2014
ISBN: eBook 9783956071164
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 1,99

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Autor

Autor: Luke Sinclair
Luke Sinclair (Autor)
33 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Eine Feuerwalze bewegte sich auf sie zu wie ein gefräßiges Tier. Flammen schossen empor und füllten den schmalen Streifen zwischen Horizont und Wolkendecke aus. Der Wald rechts von ihnen stand in Flammen, das Prasseln und Fauchen war bis hierher zu hören. Sie hatten die Bäume mit ihren verdammten Kanonen in Brand geschossen. Er konnte den Rauch des verbrannten Pulvers riechen.
Die Hölle, dachte er verzweifelt, das ist die Hölle!
Er konnte die Hitze, die dem Feuer vorausging, bis hierher spüren und duckte sich tiefer in den Graben, in dem sie bis jetzt verbissen ausgehalten hatten. Der General hatte allen Truppenteilen eingeschärft, nicht zurückzuweichen. Unter keinen Umständen!
„Stonewall“ nannten sie ihn seit der ersten Schlacht von Manassas, wo er den anstürmenden Unionstruppen wie eine Mauer standgehalten hatte. Aber hier – verdammt – sie hatten dem Feind nicht mehr genug entgegenzusetzen.
Die Kanonen waren verstummt – längst schon. Jetzt würden sie kommen …!

Details

Titel
Die Mühlen des Hasses
Untertitel
Luke Sinclair Western, Band 17
Autor
Luke Sinclair
Seiten
83
Erscheinungsform
Originalausgabe
Preis (eBook)
1,99 EUR
ISBN (eBook)
9783956071164
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Luke Sinclair

Die Mühlen des Hasses

Eine Feuerwalze bewegte sich auf sie zu wie ein gefräßiges Tier. Flammen schossen empor und füllten den schmalen Streifen zwischen Horizont und Wolkendecke aus. Der Wald rechts von ihnen stand in Flammen, das Prasseln und Fauchen war bis hierher zu hören. Sie hatten die Bäume mit ihren verdammten Kanonen in Brand geschossen. Er konnte den Rauch des verbrannten Pulvers riechen.

Die Hölle, dachte er verzweifelt, das ist die Hölle!

Er konnte die Hitze, die dem Feuer vorausging, bis hierher spüren und duckte sich tiefer in den Graben, in dem sie bis jetzt verbissen ausgehalten hatten. Der General hatte allen Truppenteilen eingeschärft, nicht zurückzuweichen. Unter keinen Umständen!

„Stonewall“ nannten sie ihn seit der ersten Schlacht von Manassas, wo er den anstürmenden Unionstruppen wie eine Mauer standgehalten hatte. Aber hier – verdammt – sie hatten dem Feind nicht mehr genug entgegenzusetzen.

Die Kanonen waren verstummt – längst schon. Jetzt würden sie kommen …!

Er blickte sich um, schaute in die schmutzigen, starren Gesichter seiner Kameraden. Sie hatten Angst – genau wie er selbst.

Die Hitze kam näher.

Dann war da irgendwo Hufschlag – ein dumpfes Donnern, die Erde schien zu vibrieren. Eine dunkle Masse schob sich vor den rötlichen Schein des Feuers, ein Pulk reiterloser Kavalleriepferde. Tiere, die in Panik flohen. Irgendwo knallten Schüsse.

Er schaute neben sich, während eine panische Angst ihn packte. Jemand hatte ihm mal gesagt, man dürfe in solchen Situationen keine Angst haben. Angst verleitet zu Fehlern. Aber er hatte Angst, verdammt. Der neben ihm auch. Ein Gesicht im flackernden Schein der Flammen. Große, weit aufgerissene Augen, die alles aufzusaugen schienen, was um sie herum geschah. Schweiß lief ihm aus den Achseln an den Seiten herunter wie krabbelnde Insekten.

„Sie kommen auf uns zu!“, schrie irgendeine schrille Stimme. Neben ihm sprang jemand aus dem Graben und schwenkte schreiend seinen Hut hin und her. Andere folgten. Auch er riss sich den Hut vom Kopf. „Hah, haah!“

Die Pferde schwenkten zur Seite.

„Wir müssen ihre Deckung ausnützen!“

Aber die Gäule waren schneller. Hinter ihnen kamen die dunklen Gestalten mit Bajonetten heran, finstere, schreiende Schatten vor der Kulisse des flammenden Infernos. Schüsse durchpeitschen das Prasseln des Feuers …

Neben ihm wurde einer seiner Kameraden getroffen und prallte gegen ihn. Er versuchte ihn zu halten, sah das Loch in der Stirn, das Blut, das in weit geöffnete Augen lief. Er ließ den Mann fallen, riss seinen Spencer-Karabiner hoch, feuerte auf die heranstürmenden Schemen. Er konnte nicht ausmachen, ob er jemand getroffen oder ob er überhaupt geschossen hatte. Schüsse, Geschrei und einzelne Kommandorufe, die niemand verstand, vermischten sich zu einem wirren Getöse, das gegen die Ohren brandete. Dann tauchten plötzlich berittene Feinde auf. Sie brüllten wie Teufel.

Zurück in den Graben?

Einige versuchten es, wurden getroffen, fielen.

Die Reiter kamen näher.

Er drehte sich um, fiel über einen Toten, verlor sein Gewehr. Auf allen Vieren kroch er ein Stück weiter in Richtung auf den Graben, den sie verlassen hatten. Neben ihm schrie jemand, als risse man ihn in Stücke. Er bekam ein Gewehr in die Hände, das mit aufgepflanztem Bajonett am Boden lag. Er taumelte hoch, umgeben von Toten und Sterbenden, die sich in dem spärlichen Gras und dem Dreck wälzten, drehte sich um, als er hinter sich dumpfen Hufschlag vernahm, der rasch näher kam.

Instinktiv riss er das Bajonett hoch, das sich augenblicklich in den Leib eines Kavalleriepferdes bohrte und dessen Seite aufriss. Blut spritzte über ihn und nahm ihm die Sicht. Er hörte das schrille, markerschütternde Aufschreien des Tieres, hörte Knochen brechen, als er stürzte und sich überschlug. Von dem Reiter konnte er nichts sehen. Er wischte sich das Blut aus den Augen. Seine Hände schmerzten noch von dem Ruck, mit dem ihm das Gewehr entrissen worden war.

Eine Gestalt prallte gegen ihn, stieß ihn zu Boden. Er drehte sich auf den Rücken, sah einen Yankee mit erhobenem Bajonett über sich. Er versuchte zu schreien, brachte jedoch vor Entsetzen keinen Ton heraus, während der Soldat ihm die Klinge in den Bauch stieß und nach oben riss.

Er versuchte Luft zu holen, es gelang ihm nicht. Seltsamerweise verspürte er keinen Schmerz. Der Soldat zog die Waffe mit einem heftigen Ruck aus ihm heraus, holte erneut aus und stieß ihm die blutige Klinge diesmal in den Hals …

Er brachte einen röchelnden Schrei heraus – dieser Schrei weckte ihn – und noch etwas Anderes …!

Er fühlte eine Hand an seiner Schulter, die ihn rüttelte. „He, Junge, wach auf!“ Er versuchte, die Hand abzustreifen, nach seiner Waffe zu tasten, sah ein bärtiges Gesicht über sich, ähnlich wie das des Yankees, der ihn getötet hatte …

„Ruhig, Junge. Ist ja vorbei.“

Verstört schaute er um sich. Der Wald brannte noch immer, war aber zu einer schimmernden Glut zusammengeschmolzen.

Wald …?

Nein. Da war kein Wald … Blutrot schimmerte der heraufziehende Morgen über den Horizont.

Verdammt!

„Morgen, Junge“, sagte die tiefe Stimme von Bill McGraw. „Du solltest zusehen, dass du diese verdammten Träume mal loswirst.“

Er holte tief und ausgiebig Luft. Er war noch am Leben, aber es war ihm, als hätte er den Gestank von aufgedunsenen Leibern und deren Darminhalten noch immer in der Nase. Doch weiß Gott, er war am Leben, nickte. „Du hast Recht. Der Krieg ist ja vorbei.“

Bill McGraw tippte ihm an den Kopf. „Da drinnen jedenfalls noch nicht. Und auch sonst nicht. Bob Lee hat bei Appomatox kapituliert, aber ich nicht.“

„Wir sollten lieber damit aufhören, ehe einer von diesen Träumen Wirklichkeit wird.“

McGraws bohrender Blick ruhte auf ihm. Er hatte diesen besonderen Blick schon immer, seit er ihn kannte, aber noch nie war es ihm so deutlich geworden wie in diesem Moment, da er sagte: „Diese gottverdammten Yankees haben meine ganze Familie auf dem Gewissen.“

„Ich weiß. Aber du kannst nicht alle Yankees umbringen.“

„Ich kann es zumindest versuchen.“

„Yeah, das kannst du wohl. Aber irgendwann einmal wird es schief gehen. Darüber bist du dir doch wohl im Klaren.“

Bill McGraw nickte, während sich ein verächtliches, fast böses Lächeln unter seinem grauen Bart hervorstahl. „Jetzt heb deinen Hintern hoch, Junge. Der Kaffee ist schon heiß, und wir sollten vor Sonnenuntergang in San Antonio sein.“

Der Junge starrte zu dem fast heruntergebrannten Feuer hin. Wie lange wollten sie dieses verdammte Leben noch so weiterführen – er und McGraw?

San Antonio. Er schniefte kurz durch die Nase. Es würde dort wieder genauso sein wie anderswo – wie in jedem anderen verdammten Ort, in dem sie waren. Das Töten konnte bei manchen Menschen zur Leidenschaft werden. Das war wohl bei den meisten so, die sich freiwillig zu den Soldaten meldeten, so lange jedenfalls, wie es Schlachten gab und bis man die Schnauze davon voll hatte.

Bill McGraw war kein Soldat mehr, er war zum Jäger geworden. Aber Jäger töten Tiere. Nun, er war eben ein anderer Jäger – ein Menschenjäger.

1.

Die Stagecoach holperte über den ausgefahrenen Weg, der sich zwischen Felsen und Mesquitegestrüpp hindurch wand, erklomm eine lang gezogene Höhe und rollte weiter durch das karge Land. Eine Wolke gelblichgrauen Staubes wirbelte wie eine Fahne hinter ihr her.

Es befanden sich nur drei Passagiere in der Kutsche. In Fahrtrichtung saßen eine junge Frau und ein etwas beleibter Mann. Das Reisekostüm der jungen Frau hatte seine Eleganz, wenn es denn eine solche je gegeben hatte, längst unter dem Staub einer langen Reise eingebüßt. Das runde Gesicht jenes Mannes, der neben ihr saß, war ob der Hitze in dem engen Gefährt gerötet, und sein gequälter Blick glitt immer wieder zu seinem Gegenüber hin, einem hageren Burschen in einer abgetragenen Cordjacke, der mit unerschütterlichem Gleichmut die Unerquicklichkeiten dieser Reise ertrug. Abgesehen von wenigen einsilbigen Antworten hatte er sich bisher in Schweigen gehüllt. Jener harte Zug, der seinen schmallippigen Mund prägte, ließ ihn älter erscheinen als er wohl war, und der Blick seiner grauen Augen ermunterte niemanden, sich ihm zu nähern – sei es nun in freundlicher oder feindseliger Absicht.

Der beleibte Mann wischte sich zum unzähligsten Male mit seinem Taschentuch über das heiße Gesicht und beschloss, es noch einmal zu versuchen. Auch die banalste Unterhaltung hatte einen gewissen Ablenkungseffekt von dieser öden Schaukelei, der Hitze und der Langeweile.

„Wollen Sie auch nach San Antonio?“

Die grauen Augen seines Gegenübers hefteten sich auf ihn, als hätten sie ihn zum ersten Mal richtig wahrgenommen. Das Zucken der Schultern war kaum auszumachen.

„Die Kutsche fährt doch dorthin.“

Eine Unterhaltung mit diesem Burschen würde mindestens ebenso anstrengend sein, wie diese Reise, dachte er verzweifelt. Dennoch sagte er: „Sie könnten auch in Borsolito aussteigen.“

„Eigentlich ist es mir egal, wohin ich fahre.“ Der Mann sah dabei durch das offene Seitenfenster, wo, infolge der rascheren Bergabfahrt, einige Mesquitebüsche vorbeiflitzten.

„Heaah!“ Der Kutscher feuerte die müden Pferde an und ließ die Peitsche über ihren staubigen Rücken knallen. „Lauft, ihr schlappen Biester, lauft! Die paar Meilen bis Borsolito werdet ihr doch noch schaffen.“

Der dickliche Mann seufzte und fuhr sich erneut über das schwitzende Gesicht. „Gott sei’s gedankt, noch ein paar Meilen …“ Fast in seine Worte hinein schnitt das scharfe Krachen eines Schusses. Der erbitterte Fluch des Kutschers und der heisere Ruf seines Beifahrers füllten die kurze Spanne der Ruhe bis zu der ganzen Serie von Schüssen, die mit ihrem wilden Geknatter die Gesichter der Insassen erstarren ließ. Eine Gestalt fiel mit einem unterdrückten, scharf abreißenden Schrei am Seitenfenster der fahrenden Kutsche vorbei. Dann gab es einen harten Ruck, so, als führe das Gefährt gegen ein Hindernis. Die junge Frau wurde auf den Schoß ihres Gegenübers geschleudert, und der dickliche Mann landete mit einem erschreckten Aufheulen auf dem leeren Platz daneben. Die Kutsche schlingerte zur Seite und drohte umzuschlagen. Eine der Türen flog auf. Staub wallte herein. In das Chaos aus Schüssen, Schreien und polternden Hufen mischte sich das schrille Wiehern verletzter Pferde. Noch einmal gab es einen Ruck nach vorn, der die Kutsche vor dem Kippen bewahrte, dann standen die Räder still. Das Wiehern flaute kläglich ab. Die Schüsse blieben noch und die lauten, heiseren Rufe von Männern, das harte Poltern von Hufen.

Jemand brüllte etwas, das sich anhörte wie: „He, McCaffy …!“ Dann war das Stampfen von Hufen dicht neben dem Wagen.

Der Mann in der Kutsche versuchte, seinen Revolver zu erreichen, aber die Lady lag auf seinem Arm, und er konnte die Waffe nicht aus dem Holster bringen. Er hörte das ängstliche Keuchen des untersetzten Mannes neben sich und dessen verzweifeltes Aufstöhnen: „Gott im Himmel …!“

Im Rechteck der offenen Tür erschien ein Reiter. Er hielt einen rauchenden Revolver in der Faust, und sein wilder Blick durchforschte rasch den Innenraum des Wagens. Von ungepflegtem Bartwuchs halb verdeckte scharfe Gesichtszüge mit einer vorspringenden Nase. Ein wilder Fluch.

„Zur Hölle, Win, er ist nicht hier!“

Von irgendwo kam eine Antwort, die nicht zu verstehen war. Das Schießen hatte ganz aufgehört, nur die gestürzten Pferde zerrten verzweifelt in den Geschirren. Ein zweiter Reiter kam mit dumpf pochendem Hufschlag heran. Sein nervös tänzelndes Pferd stieß gegen die offene Tür und ließ sie gegen die Seitenwand der Kutsche krachen.

Der hagere Mann hatte unter dem Gewicht der Lady den nutzlosen Versuch, die Waffe herauszubringen, aufgegeben und drückte den Kopf der Frau nach unten. Er sah, wie der andere Reisende neben sich zitternd vor Angst sein Gesicht in das Sitzpolster drückte. Der zweite Reiter fluchte ebenfalls.

„Hol’s der Teufel, Jeff! Sieht aus, als hätte man uns reingelegt.“

Mehrere andere ritten um die Kutsche herum. Jemand schrie etwas aufgeregt. Der mit Jeff angeredete brüllte zurück: „Verdammt, er ist nun mal nicht hier!“ Er fuchtelte mit seinem Revolver herum und richtete ihn auf den Mann mit der Frau auf dem Schoß. Er schien der einzige zu sein, der ansprechbar war. „War sonst noch jemand hier, der unterwegs ausgestiegen ist?“

Der Gefragte schüttelte stumm den Kopf.

„He, lasst uns verschwinden!“, schrie jemand, der nicht zu sehen war.

Der Bursche mit dem Revolver zögerte, und einen Moment sah es so aus, als ob er die Passagiere der Kutsche erschießen wollte.

„Komm, hauen wir ab!“, drängte der Reiter hinter ihm, und Jeff schwenkte den Lauf seiner Waffe nach oben, riss sein Pferd herum, und man hörte noch ein paar unverständliche Wortfetzen und sich rasch entfernenden Hufschlag.

Der Mann in der Kutsche stieß langsam die angehaltene Luft aus, und es dauerte noch eine ganze Weile, bis er den Kopf der jungen Frau freigab. Erst jetzt fiel es ihm auf, dass sie sich erstaunlich ruhig verhalten hatte. Kein Geschrei, keine hysterischen Reaktionen.

Sie rappelte sich langsam hoch und kehrte auf ihren Platz zurück. Ihr Gesicht war blass und die Lippen blutleer, aber sie machte dennoch einen gefassten Eindruck. Flüchtig begegnete er ihrem Blick, in dem Furcht und Verständnislosigkeit, aber auch Erleichterung miteinander rangen.

„Scheint vorbei zu sein“, sagte er, und sie schickte ihren Blick nach draußen.

„Der Kutscher …“, stammelte sie. „Mein Gott …“

Der Mann in der Cordjacke stieß den anderen neben sich an und sagte: „Sie können hochkommen, die Kerle sind weg.“ Dann öffnete er den Wagenschlag auf seiner Seite und stieg aus.

Drei der Gäule waren tot, eins hing heiser röchelnd halb über der Deichsel, und die restlichen zwei zappelten in den Geschirren. Der Kutscher hing mit dem Kopf nach unten vom Bock herab. Sein rechtes Bein hatte sich in seiner Sitzlehne verhakt.

Er befreit ihn aus dieser Lage und zog ihn herunter. Er sah sofort, was mit ihm los war.

„Ist er tot?“, hörte er die Frau hinter sich fragen und nickte stumm.

Der andere Reisende erschien auf der gegenüberliegenden Seite. Noch immer zitternd schaute er völlig hilflos um sich. Er bewegte die Lippen, aber es dauerte einige Zeit, bis er etwas herausbrachte.

„Gütiger Himmel, … wir leben ja noch …“ Er kam auf wackligen Beinen um die gestürzten Tiere herum. „Warum sagen Sie denn nichts? Wir hätten alle tot sein können … Sie haben uns nicht mal ausgeraubt. Verstehen Sie das?“

„Ja.“

„Aber warum das alles? Warum?“

„Sie waren wohl hinter jemandem her, den sie nicht gefunden haben.“ Die Frau atmete tief durch und strich sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn. „ Lassen Sie uns jetzt lieber an uns denken.“

Der Beifahrer war ebenfalls tot. Sie fanden ihn etwa zwanzig Yards weiter hinten auf dem Weg. Man hatte ihm eine Gewehrkugel durch die Brust geschossen. Das musste wohl dieser erste Schuss gewesen sein. Nur eines der Pferde war, bis auf eine Schramme an der Brust, unverletzt geblieben. Die restlichen zwei lebenden Tiere mussten erschossen werden.

Der Mann in der Cordjacke holte das Henry-Gewehr des Beifahrers vom Kutschbock. Der war wohl nicht einmal dazu gekommen, es aufzuheben. Der Handlungsreisende, was jener Dicke wohl zweifellos war, zuckte bei jedem der beiden Schüsse zusammen, mit denen die beiden verletzten Pferde erlöst wurden. Der andere nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Jackenärmel über das Gesicht. Stumm blickte er über das weite, einsame Land, aus dem der heiße Wind ihn anwehte. Die Sonne hatte sich bereits dem Horizont genähert. Dann stülpte er sich den Hut wieder auf, der etwas locker auf seinem kurzgeschorenen Kopf saß, so als hätte ihm ursprünglich einmal eine Fülle von Haaren festeren Sitz gegeben. Nachdenklich schaute er auf das letzte verbliebene Pferd.

„Jemand muss Hilfe holen. Wir können nicht zu dritt auf einem Gaul reiten.“

Der Blick des Handlungsreisenden begegnete unsicher dem seinen.

„Können Sie reiten?“

Der Mann nickte.

„Auch ohne Sattel?“

Eine Spur von Stolz machte sich in dem feisten Gesicht breit. „In meinen jungen Jahren war ich sogar mal bei der Kavallerie. Das war lange vor dem Krieg, aber …“

„Wenn Sie gleich aufbrechen, schaffen Sie’s bestimmt noch vor der Dunkelheit bis Borsolito.“

Unsicherheit beschlich den kleinen, dicklichen Mann erneut. „Ich … ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus“, gab er zu bedenken.

„Sie brauchen nur der Kutschenstraße zu folgen.“

Der Mann schien sich bei diesem Gedanken sichtlich unwohl zu fühlen.

„Und … mein Gepäck …?“

„Mister, Sie nehmen den einzigen Gaul mit. Wir können also nicht mit Ihrem Kram abhauen.“

„So … so war das nicht gemeint.“

„Dann zögern Sie nicht länger. Wir werden die Nacht hier verbringen müssen, während Sie Aussicht auf ein Bett haben. Morgen früh wird man uns hier abholen, schätze ich.“

Dieses Argument schien den Ausschlag zu geben. Der kleine Mann kletterte unbeholfen auf den braunen Wallach, der einen gutmütigen Eindruck machte, und als er erst einmal oben saß, schien er auch mit dem Tier zurechtzukommen. Die Zeit bei der Kavallerie war wohl doch nicht umsonst gewesen.

2.

„Warum sind Sie nicht selbst geritten?“, fragte die Frau hinter ihm, als sie allein waren.

Der Mann hatte dem Davonreitenden nachgeblickt und wandte sich nach diesen Worten zu ihr um. Hatte da eben ein Hauch von Argwohn in ihrer Stimme mitgeklungen, oder täuschte er sich?

„Der Gedanke, Sie unter dem Schutz dieses Mannes hier draußen zurückzulassen, gefiel mir nicht.“

Ihre hellbraunen Augen musterten ihn abschätzend, aber sie schien zu keinem Ergebnis zu kommen. Schließlich sagte sie: „Ich fürchte mich nicht im Dunkeln.“

Er nickte. „Dann haben Sie auch keinen Grund, sich vor mir zu fürchten.“

Damit ließ er sie stehen, ging den Hut des Kutschers zu suchen und deckte ihn über dessen Gesicht. Dann schleifte er den anderen Toten heran, damit die Coyoten sich nicht während der Nacht über ihn hermachten, und legte ihn neben den Kutscher.

„Ich bin Rose MacNee“, sagte die Frau, die ihn bis jetzt schweigend beobachtet hatte. „Wenn wir schon die Zeit hier gemeinsam verbringen müssen, sollten wir wenigstens die Möglichkeit haben, einander anzureden.“

„Nennen Sie mich einfach Les“, antwortete er über die Schulter hinweg, als er auch den zweiten Toten zudeckte.

„Ist das ein richtiger Name?“

„Mir genügt er.“

Ihre Gedanken mündeten in ein resignierendes Schulterzucken. An diesen Burschen war nicht heranzukommen, und ein beklemmendes Gefühl beschlich sie, wenn sie an die bevorstehende Nacht dachte. Sie wusste weder woher er kam noch wohin er wollte. Sie wusste überhaupt nichts von diesem Mann. Nur, dass er versucht hatte, seinen Revolver zu gebrauchen, als sie überfallen wurden. Ein Mann, der es gewöhnt war, sich zu wehren. Wenn es ihm gelungen wäre, hätte es wahrscheinlich nicht nur ihn das Leben gekostet.

„Haben Sie was zu essen bei sich?“

Rose MacNee schüttelte den Kopf.

„Dann müssen wir ohne auskommen“, sagte Les mit den Schultern zuckend. „Aber wenigstens ein Feuer sollten wir uns gönnen. Nach Sonnenuntergang kühlt es sehr schnell ab.“

Sie sah ihm eine Weile zu, wie er das Buschland um sie herum durchstreifte und trockenes Holz einsammelte, dann entschloss sie sich schließlich, ihm zu helfen.

Als endlich das Feuer mit leisem Knistern brannte, berührte die Sonne gerade den Horizont. Lange Schatten fielen über das Land. Les und Rose MacNee hatten bislang kein weiteres Wort gewechselt, und die Frau beobachtete diesen Mann verstohlen, der keinerlei Notiz von ihr nahm. Die Blässe seines Gesichts deutete auf einen Mann hin, der sich nicht oft im Freien aufhielt. Seine Hände jedoch waren kräftig und von harter Arbeit geformt und wiesen jene typischen Narben auf, die auf den Gebrauch eines Lassos hindeuteten. Gegensätzlichkeiten, die Rose MacNee sich nicht zu erklären vermochte. Und da waren noch irgendwelche Geheimnisse hinter seinen ernsten, intensiv blickenden Augen – Geheimnisse, die ihre Neugier weckten und gleichzeitig eine unbestimmte Angst davor, sie zu ergründen.

Eigentlich konnte ihr dieser Mann egal sein, doch während ihr Blick nachdenklich zu der roten Sonne hinwanderte, die langsam aber stetig von der dunklen Linie des Horizontes aufgesaugt wurde, nahm immer mehr jener bedrückende Gedanke von ihr Besitz, dass sie die Nacht in Gesellschaft dieses verschlossenen Fremden verbringen musste. Richtige Angst wollte jedoch nicht in ihr aufkommen, und das lag weniger daran, dass sie von Natur aus kein ängstlicher Typ war, sondern von der seltsamen Ausstrahlung dieses Mannes, von dem, trotz seiner Unnahbarkeit, Ruhe und Sicherheit ausgingen. Ihre eigenen Bedenken schienen nur daher zu rühren, dass sie nichts über diesen Les, wie er sich kurz nannte, wusste. Und sie beschloss, diesem Mangel zu Leibe zu rücken. Schließlich war sie seit dem Tode ihres Vaters gezwungen gewesen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, und Initiative war für Rose zur Selbstverständlichkeit geworden.

Ihre Augen suchten über das Feuer hinweg nach dem harten Gesicht ihres Gegenübers, und sie sagte: „Ihren eigenen Worten in der Kutsche entnahm ich, dass Sie kein bestimmtes Ziel haben.“

„Richtig.“ Nicht die leiseste Betonung lag in diesem Wort, das er mit einem kaum merklichen Kopfnicken begleitete. Aber diese kurze Antwort zeugte von einer Haltung, die sich Rose nicht erklären konnte, die sie verunsicherte.

„Aber… aber wenn man in eine Kutsche steigt und dafür bezahlt hat, dann muss man doch irgendwohin wollen.“

Der Blick seiner grauen Augen begegnete dem ihren, und sie hatte den Eindruck, er nähme ihre Frage als einen persönlichen Angriff auf sich selbst. Aber sicherlich war das nur ihre eigene subjektive Eingebung, denn er ließ sich immerhin auf eine Erklärung ein. „Ich wollte einfach nur nach Westen. Wenn man in diesem Land etwas hinter sich lassen will, so geht man nach Westen. Und es war nun mal die einzige Kutsche, die in diese Richtung fuhr. Wohin …?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur auf keinen Fall dort bleiben, wo ich war.“

Seine Erklärung machte Rose noch neugieriger.

„Und wo war das, wo Sie auf keinen Fall bleiben wollten?“

Frauen fragen zu viel, dachte Les. Sie wollen immer alles wissen. Mal sehen, ob sie auch die Antwort verträgt.

„Im Gefängnis.“

Die natürlichste Reaktion auf ein solches Bekenntnis wäre Erschrecken gewesen. Aber Rose MacNee erschrak seltsamerweise nicht. Nur das leise Unbehagen beschlich sie erneut. Die Sonne war fast gänzlich hinter dem Horizont verschwunden, die Schatten flossen über das Land, füllten die Senken aus und engten den Bereich des Feuers ein, an dem sie mit einem Mann saß, der gerade aus dem Gefängnis kam. Aber dann verschwand dieses dumpfe Gefühl wieder, und sie fühlte sich in der Gegenwart dieses Mannes sicherer als zuvor. Kein Mann, der etwas vorhatte, vor dem sie sich fürchten müsste, würde ihr mit dieser Offenheit begegnen. Oder tat er es etwa nur, weil er sich so sicher fühlte?

Ein aufmerksamer Blick in dieses Gesicht ihr gegenüber ließ ihren Zweifel verfliegen. Es war ein hartes Gesicht, in dem weder Mitleid noch Erbarmen zu finden waren, aber es fehlte auch jeder Hinweis auf Hinterlist oder Brutalität. Sie lebte lange genug schon unter Männern, um sich damit auszukennen. Und was er auch immer mit ihr vorhaben könnte, er hätte es bestimmt längst getan.

„Haben Sie … jemand umgebracht …?“, fragte sie vorsichtig, ohne ihn dabei anzusehen.

Lester Wardlock hatte eine schreckhafte Reaktion im Gesicht gegenüber erwartet. Das Ausbleiben einer solchen ließ langsam sein Interesse für diese Frau erwachen. Er erinnerte sich mit einem Mal wieder, wie ruhig und gefasst sie beim Überfall auf die Kutsche geblieben war.

„Es waren vier“, sagte er. Es ging, verdammt noch mal, niemanden etwas an, weshalb er im Gefängnis war. Aber diese besondere Situation der gemeinsam überstanden Gefahr und der Aufenthalt am gemeinsamen Feuer erzeugte wohl eine Atmosphäre der Vertrautheit, und seine Gefühl sagte ihm, dass diese Rose MacNee keine Frau von der Art zu sein schien, wie sie ihm bisher begegnet war.

Roses Blick schätzte die Gestalt des Mannes auf der anderen Seite des Feuers von neuem ab, blieb einen Moment lang auf seinem Revolver haften und wurde dann von den Bewegungen seiner Hände eingefangen, die neues Holz in die Flammen schoben. Eine Menge Fragen brannten ihr auf der Seele. Zum Beispiel, wieso ein Mann, der vier Menschen umgebracht hatte, bereits wieder auf freiem Fuß war.

„Sie sind doch nicht … ausgebrochen?“, fragte sie mit einem bangen Zögern.

Ein Ausdruck von ironischer Belustigung kam in Wardlocks graue Augen, der sie ärgerte.

„Sie halten mich für einen Mörder“, stellte er sachlich fest. „Und Sie sehen es als ganz normal an, dass ein entflohener Mörder unbehelligt in einer Kutsche flieht.“

Rose erkannte, wie dumm ihre Frage gewesen war, und das ärgerte sie noch mehr.

„Sie selbst haben zugegeben, vier Menschen umgebracht zu haben“, herrschte sie ihn in ungewöhnlich scharfem Ton an. „Die Nacht bricht an, und ich würde, zum Teufel noch mal, gern wissen, mit wem ich hier mutterseelenallein am Feuer sitze, Mr. Les!“

3.

Sie hatten Bill McGraw getötet. Bill McGraw – den Mann, der die Leitfigur in meinem Leben gewesen war, Freund und Vater zugleich. Alles, was ein Mann im Leben eines jungen Burschen nur sein kann, hatte er verkörpert, denn meinen richtigen Vater hatte ich nie kennen gelernt. Aber um das alles zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen.

Meine Mutter starb, als ich acht war. Sie hatte mir immer erzählt, mein Vater sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Aber ich habe nie den Verdacht loswerden können, er habe sich irgendwann aus dem Staub gemacht, weil er nichts von uns wissen wollte oder sich das Leben ohne uns leichter vorstellte. Ich hatte auch keine anderen Verwandten mehr, und ich musste zusehen, wie ich durchs Leben kam. Das ist mir verdammt schwer gefallen, denn mir fehlte ein Leitbild, nach dem ich mich orientieren konnte.

Dann brach der Krieg gegen die Yankees aus, und wie viele junge Männer so begeisterte auch mich der Glorienschein gewonnener Schlachten, ohne zu wissen, mit wie viel Blut und Tod er erkauft werden musste. Als ich gerade mal siebzehn war, schummelte ich mich in Bob Lees Virginia-Armee. Dort traf ich ihn, und mir wurde zum ersten Mal klar, was für ein Grünschnabel ich noch war. Ich rannte voller Begeisterung in etwas hinein, von dem ich keine Ahnung hatte.

Bill McGraw war von Anfang an dabei – von Bull Run bis Appaomatox – ein glühender Verfechter des Südens. Er kämpfte Seite an Seite mit Stonewall Jackson, als dieser in der Schlacht von Chancellorsville fiel, und dieser Verlust seines über alle Maßen verehrten Generals sollte sein ganzes späteres Leben bestimmen. Sein Hass auf alle Yankees konnte nur mit ihm selbst sterben. Für ihn ist der Krieg nie zu Ende gegangen. Auch nach Lees Kapitulation fuhr er fort, Yankees zu töten. Er tat es als Zivilist auf seine Weise. Er suchte Streit mit ihnen und provozierte sie, und dann, wenn sie zu ihren Waffen griffen, tötete er sie, so, wie er es gewöhnt war, im Kampf Mann gegen Mann.

Für den geschundenen Süden wurde er zu einer Art Nationalheld und für die Yankees ein gefährlicher Bandit. Vielleicht war er von beidem etwas. Ich selbst verdanke diesem Mann mehr als einmal mein Leben. Als wir bei Gettysburg zusammengeschossen wurden, wäre ich ohne Bill McGraw nicht davongekommen. Und als der Krieg schließlich zu Ende ging, fühlte ich mich noch entwurzelter als je zuvor. Eine Welt war für mich zusammengebrochen, und die Zeiten waren schlecht, besonders für uns Leute aus dem Süden. Aber Bill McGraw kümmerte sich weiter um mich und sorgte dafür, dass ich nicht vor die Hunde ging. Er war für mich eine Art Vaterfigur geworden. Doch seine verhängnisvolle Leidenschaft, Yankees zu töten, brachte nicht nur ihn zunehmend in Schwierigkeiten.

Eines Abends, es war in einem Saloon in San Antonio, erfüllte sich Bill McGraws Schicksal so, wie es irgendwann einfach mal kommen musste. Er spielte Karten. Es waren einige Yankees dort. Sie mussten ihn schon lange erkannt haben, aber sie hatten Angst vor ihm und warteten auf eine günstige Gelegenheit.

Plötzlich sprangen zwei von ihnen auf ihn zu, packten ihn von rechts und links und hielten seine Arme fest, während zwei andere ihre Waffen herausrissen und ihn mindestens fünf- oder sechsmal in den Bauch schossen.

Die anderen Gäste im Saloon starrten wie gebannt auf diese Szene, die sich vor ihnen abspielte. Jemand schrie: „Es ist McGraw! Vorsicht, er hatte diesen Jungen bei sich!“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis jemand die Lampe über dem Tisch ausgeschossen hatte und jener Teil des Raumes in ein diffuses Halbdunkel getaucht war. In dieser kurzen Zeitspanne starben vier Männer.

In dem Durcheinander packte ich Bill und zerrte ihn nach draußen. Ich hatte noch immer meinen rauchenden Colt in der rechten Hand, aber niemand folgte uns. Vielleicht hatten sie noch nicht einmal bemerkt, dass wir nicht mehr drin waren, denn jetzt waren auch die anderen Lampen aus.

Ich steckte also meine Waffe ein, die mich zu stark behinderte, und hob Bills Körper hoch. Es war eine verdammte Tortur, bis ich ihn quer über seinen Gaul gezerrt hatte. Dann haute ich mit ihm in Windeseile ab, aber wir kamen natürlich nicht weit, und ich wusste auch, dass es keinen Sinn mehr hatte.

Bill McGraw starb unter meinen Händen, noch während ich versuchte, das Blut seiner Wunden einzudämmen. Er war bereits tot, als die anderen uns einholten.

Es waren auch einige aus dem Süden bei den Verfolgern, und denen habe ich es zu verdanken, dass man mich nicht gleich am nächsten Baum aufgehängt hat. So landete ich vor einem Gericht der Militärverwaltung.

Ich hatte vier Mörder erschossen, als sie gerade dabei waren, meinen Freund zu töten. Aber diese vier waren Yankees und ich ein Rebell aus dem Süden. Ich hatte noch Glück, dass ich im Gefängnis von Huntsville landete.

Das war vor sieben Jahren. Inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Nord und Süd etwas entkrampft, und ich wurde begnadigt. Sie sagten, Bill McGraw sei ein Killer gewesen … Mag sein, vielleicht war er es, aber der Krieg hatte ihn verändert und schließlich zerstört, so wie viele andere dieser Generation auf beiden Seiten. Und diese Erfahrung war zum Mittelpunkt meines Lebens geworden. Bill McGraw werde ich jedenfalls nie vergessen – ganz gleich, wie andere ihn sehen mögen.

4.

Es war Nacht geworden. Der Schein des Feuers erhellte nur die nähere Umgebung und kapitulierte schon nach wenigen Metern vor der Dunkelheit.

„Der Überfall auf die Kutsche …“, sagte Rose MacNee ohne Übergang, und es war das erste Mal, dass sie über die vergangenen Ereignisse sprach. „Sie glauben, diese Männer wären hinter jemand bestimmtem her gewesen?“

Lester Wardlock zerbrach einen dürren Ast über dem Knie und warf die beiden Enden in das langsam herunterbrennende Feuer.

„Ich hörte, wie einer der Reiter nach einem McCoffee rief, oder so ähnlich.“

Rose musste lachen. „McCaffee vielleicht.“

Wardlock warf ihr einen Blick zu. „Kennen Sie ihn?“

„Ich habe nur diesen Namen schon gehört. Soll ein ziemlich berüchtigter Bandit sein, der in der Gegend um Austin sein Unwesen treibt. Weshalb man ihn hier in dieser Kutsche suchen sollte, ist mir unverständlich.“ Rose schüttelte zweifelnd den Kopf. „Möglicherweise hat er einen ganz anderen Namen gerufen.“

„Sie müssen es doch ebenfalls gehört haben.“

„Ich war viel zu durcheinander, als das alles passierte. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern.“

„Ist auch egal“, zuckte Wardlock mit den Schultern, „morgen früh wird man uns hier abholen, dann ist alles vergessen. Werden Sie nach Columbus zurückkehren?“

„Columbus?“

„Sie sind dort zugestiegen.“

„Ach ja … Nein, ich hatte in Columbus nur etwas Geschäftliches erledigen wollen. Hat aber nicht geklappt.“

In der Dunkelheit heulte ein Coyote. Wardlock stand auf, ging bis zur Kutsche und kam wieder zurück.

„Die Biester wittern die toten Pferde.“

„Und die Menschen“, sagte Rose unbehaglich.

Wardlock nickte. „Wir müssen das Feuer wohl die ganze Nacht brennen lassen. Der Mond geht auf. Ich werde versuchen, noch mehr Holz zu finden.“

Er verschwand, und es dauerte eine ganze Weile, bis er mit einem Armvoll dürrer Äste zurückkam. Rose hatte während dieser Zeit Gelegenheit, über diesen Mann nachzudenken, und ihr war eine Idee gekommen, die ihr einen Versuch wert war.

„Sie hatten schon mit Rindern zu tun“, sagte sie, als er sich wieder am Feuer niedergelassen hatte. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Überrascht sah er sie an. „Woher wollen Sie das wissen?“

„Die Lassonarben an Ihren Händen.“

Wardlock schaute auf seine Hände. „Ist schon ’ne Weile her. Gleich nach Kriegsende haben wir ’ne Herde nach Norden getrieben, bevor Bill McGraw klar wurde, dass er die Yankees, die sich in Texas herumtrieben, am meisten hasste.“

„Würden Sie sich so was noch mal zutrauen?“

„Warum nicht?“ Interesse kam in Wardlocks Blick auf. Mit einer Herde nach Norden ziehen – das bedeutete, ein Ziel zu haben, das ihn von alledem hier weg brachte. „Kennen Sie jemand, der noch einen Reiter gebrauchen kann?“

Roses Mundwinkel kerbten sich ein wenig tiefer ein, und ein geheimnisvolles Lächeln lockerte ihre Züge auf.

„Derjenige denkt eher an einen Trailboss, der den Weg kennt. Würden Sie sich das zutrauen?“

Wardlock schwieg einen Moment und dachte nach. Bill McGraw hatte ihm auf dem Treck eine ganze Menge beigebracht, aber das war alles schon verdammt lange her.

„Wie groß ist denn diese Herde?“

Rose wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. „Fünf- bis siebenhundert Stück. Die genaue Anzahl muss erst beim Round-up festgestellt werden.“

„Hm“, machte Wardlock, „die Idee ist nicht ohne Reiz für mich. Aber ich denke, dieser Jemand wird keine Schwierigkeiten haben, einen Mann zu finden, der mehr Erfahrung hat als ich.“

Die Frau an seinem Feuer schwieg eine Weile. „Das Problem“, sagte sie dann, „ist, dass ich ihn erst bezahlen kann, wenn die Herde in Abilene verkauft ist. Das bedeutet volles Risiko. Geht die Herde unterwegs verloren, hat er umsonst gearbeitet.“

„Das ist an sich nicht unüblich. Wenn jemand eine Herde nicht ans Ziel bringt, dann hat er …“ Erst jetzt dämmerte es ihm. „Sie …?“ Seine Augen zogen sich leicht zusammen. „Es ist Ihre Herde?“

5.

„Vater starb kurz nach dem Krieg“, erklärte Rose. „Da ich das einzige Kind war, musste ich allein zusehen, wie ich mit der Ranch zurechtkam. Die Zeiten waren schlecht, und es war fast unmöglich, die Ranch zu halten. Noch unmöglicher war es, sie zu verkaufen. Die einzigen, die noch Geld besaßen, waren Yankees. Aber selbst die pflegten zu warten, bis ihnen ein Objekt fast umsonst in den Schoß fiel.

Ich schickte alle Rinder, die ich noch hatte, mit einer anderen Herde mit nach Kansas, aber ich habe nie einen Cent davon gesehen.“

„Und die Herde, die Sie jetzt haben?“, fragte Wardlock dazwischen.

„Wir haben sie aus dem Buschland der Brasada zusammengetrieben. Verwilderte Longhorns ohne Brandzeichen. Aber es ist die letzte Chance, die mir geblieben ist. Und diesmal werde ich die Tiere selbst verkaufen, wenn wir am Ziel sind.“

„Sie wollen den Treck mitmachen?“, fragte Wardlock ungläubig. „Unmöglich! Noch nie ist eine Frau bei einem Herdentreiben dabei gewesen. Das ist ’ne verdammt harte Sache, Ma’am.“

„Glauben Sie, eine Frau kann das nicht?“, begehrte Rose trotzig auf.

Les Wardlock zuckte hilflos mit den Schultern. „Auch nicht alle Männer können das. Sie würden täglich Ihr Leben aufs Spiel setzen, bei gefährlichen Flussüberquerungen, bei Schwierigkeiten mit Indianern oder Viehdieben und bei hundert anderen Gelegenheiten. Sie würden von Sonnenaufgang bis Untergang hart arbeiten müssen und manchmal tagelang nicht aus Ihren nassen Sachen herauskommen. Sie müssten frieren und schwitzen und würden manche Nacht nicht zur Ruhe kommen. Sie bekämen wochenlang kein Bett zu sehen, ganz zu schweigen davon, ein Bad nehmen zu können.“

Rose blickte ihn fest an. „Sie können mich damit nicht schrecken, Mr. Les. Auch nicht, wenn Sie mir mit der Hölle drohen.“

„Es ist die Hölle, Ma’am.“

„Und wenn schon! Noch einmal lasse ich mich nicht um meine Herde betrügen. Und glauben Sie ja nicht, ich hätte seit Vaters Tod auf der faulen Haut gelegen, oder dass uns diese halbwilden Longhorns aus der Brasada von selber zugelaufen wären. Also wollen Sie den Job nun oder nicht?“

Les Wardlock machte ein säuerliches Gesicht. „Wie viele Treiber haben Sie denn, Boss?“

Die Empörung, in die Rose sich hineingeredet hatte, verschwand aus ihrem Gesicht, und das Lächeln kehrte zurück.

„Fünf“, sagte sie.

„Das sind zu wenig. Wir brauchen eineinhalb Cowboys für je hundert Tiere.“

Rose nickte nachdenklich vor sich hin. „Dürfte wohl nicht einfach sein, noch mehr Leute zu finden, die bereit sind, für eine Frau zu arbeiten. Aber wenn Sie als Herdenboss auftreten und sie anwerben, sehe ich nur die Schwierigkeiten mit der Bezahlung. Sie kann erst am Ende des Treibens erfolgen.“ Sie zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Auch die Bank in Columbus, mit der Vater früher zusammengearbeitet hat, setzt wenig Vertrauen in eine Frau.“

„Niemand erwartet bei einem solchen Job Vorauskasse.“ Wardlock schwieg einen winzigen Moment, ehe er ruhig fragte: „Und mir trauen Sie?“

Rose MacNee fasste ihr Gegenüber fest ins Auge, und der unruhige Schein der Flammen brachte dabei ein seltsames Glitzern in ihre Pupillen. „Es wäre entweder leichtfertig oder gelogen, wenn ich Ihnen darauf eine klare Antwort geben sollte. Sie haben mir Ihre Geschichte erzählt, und ich habe bis jetzt keinen Grund, Ihnen nicht zu glauben. Aber was wirklich für ein Kerl in Ihnen steckt, muss sich noch zeigen.“

Wardlock nickte stumm. Diese Rose MacNee gefiel ihm immer besser. Sie sagte, was sie dachte, ohne höfliche Phrasen zu dreschen. Eine bemerkenswerte Frau – eine Frau, zu der man sich hingezogen fühlen könnte – falls man nicht gerade aus dem Gefängnis kam.

Trotz des Feuers wurde es immer kälter, je weiter die Nacht fortschritt. Rose hatte sich bald nach der kurzen Unterhaltung in die Kutsche zurückgezogen und es sich auf einer der gepolsterten Sitzbänke bequem gemacht, so gut es eben ging. Lester Wardlock hockte indessen noch immer neben dem Feuer. Er hatte den Kragen seiner Jacke hochgestellt, und von Zeit zu Zeit hielt er seine Handflächen den wärmenden Flammen entgegen. Hin und wieder nickte er ein, und einmal hatte er so lange geschlafen, dass er kräftig in die Glut blasen musste, um das Feuer wieder in Gang zu bringen.

Es war nicht mehr viel Holz da. Wardlock schaute zu den Sternen empor und schätzte, dass es noch einige Stunden Nacht sein würde. Hol’s der Teufel, dachte er bei sich. Er hatte keine Lust, die spärlichen Büsche in der Dunkelheit nach Holz zu durchstöbern, und die nähere Umgebung hatte er ohnedies schon abgesucht. Er schob also die letzten Holzscheite in die Flammen und hoffte, dass die Glut noch eine Weile halten mochte.

Bereits ehe es richtig hell wurde, näherte sich von Westen her ein Reitertrupp. Wardlock erhob sich, nahm das Gewehr und stellte sich in den Schatten der Kutsche.

Es waren Männer aus Borsolito. Ein ganzes Aufgebot mit einem Deputy an der Spitze. Sie ließen sich noch einmal den Hergang des Überfalls schildern, und der Deputy nickte einige Male mit dem Kopf dazu, wie zur Bestätigung von Dingen, die er längst wusste.

Sie hatten einen leichten Ranchwagen mitgebracht, auf dessen Ladefläche sie die beiden Toten legten, während sich Rose mit dem Fahrer unterhielt.

Ein Halbblut war ein Stück weit auf der Fährte der Banditen geritten, dann abgestiegen und hatte den Boden untersucht. Als der Mann zurückkam, machte er ein bedenkliches Gesicht.

„Ausgeruhte Gäule“, meinte er. „Haben großen Vorsprung, und wenn sie die ganze Nacht geritten sind, haben wir keine Chance, sie einzuholen.“

„Versuchen wir’s“, entschied der Deputy. „Vielleicht haben sie doch Halt gemacht. Und wenn nicht, so haben wir immer noch den Köder.“

Kurz darauf waren sie verschwunden, und die gerade aufgehende Sonne ließ noch den Staub in der Luft flirren, der den Weg markierte, den sie genommen hatten. Zurück blieben nur der Wagen und der Bursche, der ihn gefahren hatte. Ein etwas älterer Mann mit zusammengewachsenen Brauen über einer scharf hervorspringenden gekrümmten Nase mit weiten, fleischigen Flügeln. Die Sonne hatte seine Haut dunkel gefärbt, und sein krauser Backenbart war deutlich mit silbernen Strähnen durchsetzt.

Rose stellte ihn als Clay Mahony vor, der schon lange für ihren Vater gearbeitet hätte und sich bestens mit Rindern auskenne.

Mahony musterte Wardlock kritisch und zurückhaltend aus scharf blickenden Augen.

„Clay sollte mich in Borsolito abholen“, erklärte Rose, „aber jetzt hat er hierher kommen müssen. Und wir müssen noch einmal nach Borsolito, um die Toten dort abzuliefern.“

Vielleicht ist er deshalb so missgestimmt, dachte Wardlock und kletterte zu den beiden Toten auf die Ladefläche. Rose und Clay Mahony erklommen den Kutschbock.

Borsolito zeigte sich als kleine, verschlafene Stadt am Cibolo Creek, und nachdem sie die beiden Toten abgeliefert hatten, lenkte Mahony das Pferdegespann nach Norden. Es ging die meiste Zeit am Cibolo Creek entlang, bis sie zu vorgerückter Nachmittagsstunde die Ranch der MacNees erreichten. Dabei bot sich ihnen eine Szene, die Clay Mahony zu einem grimmigen Fluch veranlasste und Rose zu der aufgeregten Frage: „Was, um alles in der Welt, hat das zu bedeuten, Clay?“

„Das ist Pratt, dieser Aasgeier!“, stieß der Alte hervor, und ließ die Zügel auf die Kruppen der Pferde klatschen, um die Fahrt des Wagens zu beschleunigen.

Wardlock zog sich an der Rückenlehne des Kutschbockes hoch und spähte zwischen den beiden nach vorn. Er wusste nicht, was Mahonys Worte zu bedeuten hatten, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sein Job hier bereits mit Ärger begann …

6.

Das Wohnhaus war zweistöckig und überragte die Stallungen und Nebengebäude gebührend. Zwischen den Ranchgebäuden und dem Fluss war eine Longhornherde zusammengetrieben, in die sich einige Reiter drängten und irgendwelche Tiere aussonderten. Vier Cowboys zu Fuß standen an einem Korralgatter versammelt, in dem einige Pferde standen, und starrten finster zu einem einzelnen Reiter hin, der etwa fünf Pferdelängen vor ihnen hielt und mit dem Gewehr in den Händen wie ihr Bewacher wirkte. Er wandte sich halb im Sattel um, als er den Wagen heranrollen hörte, aber sein Gesicht zeigte kein Erschrecken, sondern eher hämische Genugtuung wie jemand, der sich seiner überlegenen Position absolut sicher ist.

Clay Mahony lenkte das Gefährt zwischen den Reiter und die Männer am Korral und brachte es dort in einer Staubwolke zum Stehen.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Rose in scharfem Ton.

Der Reiter grinste sie unbeeindruckt an. „Meine Männer sind gerade dabei, die Rinder auszusondern, die mir gehören. Und ich passe hier auf, dass sie dabei nicht gestört werden.“

Lester Wardlock sprang vom Heck des leichten Wagens herunter. Er wurde weder von dem Reiter noch von sonst jemand beachtet.

„Nicht ein Kuhschwanz von dieser Herde gehört Ihnen, Pratt, und das wissen Sie genau“, hörte er Clay Mahony sagen, aber Wardlock wusste, dass Reden in einer Situation wie dieser nichts nützte und nur dem Gegner half, sich auf eine veränderte Lage einzustellen.

„Meine Leute sind gerade dabei, das Gegenteil festzustellen. Und wenn Sie die Tiere unbedingt behalten wollen, können wir nachher immer noch über den Preis reden. Aber versuchen Sie nicht, sie daran zu hindern, wenn Sie nicht wollen, dass Blut fließt.“

„Es sind alles ungebrannte Rinder aus der Brasada!“, rief Rose erregt dazwischen. Das Grinsen des Mannes auf dem Pferd wurde breiter.

„Natürlich. Genau wie meine. Und ich werde nicht warten, bis ihr ihnen euer Zeichen aufgebrannt habt.“

„Rufen Sie Ihre Männer zurück!“, warnte Rose eindringlich. „Sofort!“ Aber sie war nicht in der Lage, diesen Pratt in irgendeiner Weise dazu zu zwingen. Das war offensichtlich. Und Wardlock hatte auch bei Mahony keine Waffe entdecken können.

„Nicht bevor sie fertig sind“, entgegnete Pratt selbstgefällig. „Und ich schätze, Sie werden dann ’ne ganze Menge Rinder weniger haben.“

Wardlock war bereits losgerannt, und Pratt hatte kaum ausgeredet, als er mit der Schulter gegen dessen Pferd prallte. Das Tier wieherte erschreckt auf und brach nach der Seite aus. Der Mann im Sattel kam nicht dazu, sein Gewehr zu benützen, denn er hatte alle Mühe, das Tier wieder unter Kontrolle zu bringen. Indessen packte Wardlock den Gewehrlauf mit beiden Fäusten und fegte Pratt damit aus dem Sattel des noch immer nervös auf der Stelle tretenden Pferdes. Der Schuss, der sich dabei löste, fauchte unter seiner Achselhöhle hindurch in die Luft. Pratt landete hart auf dem Rücken, und Wardlock riss ihm die Waffe mit einem energischen Ruck aus den Händen. Pratt drehte sich fluchend herum und kam hoch, wobei seine Hand nach dem Revolver grapschte. Aber er hatte noch keinen sicheren Boden unter den Füßen, als der Schaft seines eigenen Gewehres seinen Schädel traf und ihn in den Staub zurückschickte. Und im Moment hatte er mehr mit sich selbst zu tun, als wie beabsichtigt den Revolver zu ziehen.

Dafür drängten drei seiner Reiter ihre Tiere aus der Herde heraus und kamen herangaloppiert. Der vorderste von ihnen feuerte seinen Revolver ab, ohne jedoch zu treffen. Wardlock drehte Pratts Gewehr herum und schoss zurück. Der Reiter wurde aus dem Sattel gerissen und wirbelte eine Staubwolke hoch, bis sein Fuß nach einigen Metern aus dem Steigbügel freikam, in dem er hängen geblieben war. Die anderen beiden rissen hart ihre Pferde zurück, die sich wiehernd auf der Stelle drehten. Sie versuchten dabei, den breitbeinig dastehenden Fremden im Auge zu behalten, wagte aber nicht, ihre Revolver zu benutzen.

Wardlock wies mit dem Gewehrlauf in Richtung Pratt, der zwei Pferdelängen vor ihnen im Staub lag und gerade wieder anfing, sich zu regen.

„Wenn ihr so weitermacht“, sagte er dabei, „werdet ihr bald niemand mehr haben, der euch für euren Job bezahlt.“

Der Mann kam taumelnd vom Boden hoch. Er hielt die rechte Hand an den linken Oberarm gepresst und starrte böse zu Wardlock herüber. Seinen Revolver hatte er augenscheinlich verloren. Die vier Cowboys waren inzwischen vom Korralgatter verschwunden und hatten ihre Waffen an sich genommen, mit denen sie Pratts Leute in Schach hielten. Die restlichen vier davon stellten nun ebenfalls ihre Arbeit bei der Herde ein und kamen langsam näher.

Pratt war stöhnend auf die Beine gekommen und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Die Härte des Gewehrschaftes hatte den Gedanken an Gegenwehr wohl vorläufig daraus vertrieben.

„Nehmen Sie Ihre Reiter und verschwinden Sie, Mann!“, befahl Wardlock. „Und kommen Sie dieser Herde nicht noch mal zu nahe!“

Pratt hob seinen Hut auf und schlug damit den Staub aus seinen Kleidern. Dann bückte er sich noch mal nach seinem Revolver und steckte ihn vorsichtig ein.

„Wer, zum Teufel, sind Sie?“

„Lester Wardlock. Der Mann, der diese Herde nach Norden bringen wird – und zwar die ganze Herde.“

Pratt blinzelte gegen die tief stehende Sonne, als er ihn ansah. „Nun, Wardlock, ich wäre mir da an Ihrer Stelle nicht so sicher.“ Er wandte sich an seine Reiter. „In Ordnung, Männer, machen wir Schluss für heute.“

Wardlock hebelte alle Patronen aus dem Magazin des Henry-Gewehres und warf es dann Pratt zu. „Nehmen Sie Ihren Schießprügel mit.“ Pratt fing die Waffe etwas unsicher auf und lief langsam zu seinem Pferd.

Erst als die Reiter davon galoppierten, wandte Wardlock sich um. Clay Mahony stand direkt hinter ihm und musterte ihn mit einem scharfen, distanzierten Blick.

„Nun“, sagte er beinahe bedächtig, „vom Kämpfen scheinen Sie ja was zu verstehen. Verstehen Sie ebensoviel von Rindern?“

Rose MacNee enthob Wardlock einer Antwort, indem sie sagte: „Tut mir Leid, Clay, ich weiß, dass du es verdient hättest. Aber es ist mehr als Rinderverstand nötig, um eine Herde ans Ziel zu bringen. Und Mr. Wardlock kennt den Weg.“

„Und kennst du auch ihn, Rose?“ Mahony drehte sich um und stapfte zu Haus hinüber. Rose schaute ihm ärgerlich hinterdrein. „Nun ja“, sagte sie nach einem tiefen Atemzug, „er fühlt sich zurückgesetzt, und das ist nicht so leicht für einen Mann in seinen Jahren.“

„Er hätte die Stelle als Herdenboss bestimmt eher verdient als ich“, meinte Wardlock. „Vielleicht überdenken Sie Ihre Entscheidung noch mal.“

Rose sah ihm gerade ins Gesicht, wie es ihre Art war. „Er versteht mehr von Longhorns als jeder andere, den ich kenne. Aber, wie ich schon sagte, eine Herde über nahezu tausend Meilen Wildnis zu treiben, mit all den unvorhersehbaren Gefahren, dazu gehört mehr. Und mein Gefühl sagt mir, dass Sie der bessere Mann dafür sind. Es bleibt also dabei.“

Wardlock kniff die Augen leicht zusammen und schaute dorthin, wo Mahony verschwunden war. „Ich würde viel lieber mit ihm zusammenarbeiten, als gegen ihn.“

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten  - nach oben

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Autor: Luke Sinclair

Luke Sinclair

1940 wurde ich in Halle/Saale geboren und wuchs in derselben Stadt auf.
1961 wechselte ich in die Bundesrepublik über. Einige Jahre später absolvierte ich bei der Studiengemeinschaft Kamprath in Darmstadt ein zweijähriges Fernstudium >Technik der Erzählkunst<. Danach schrieb ich meine ersten Western für Zauberkreis Verlag und BEWIN Verlag (letzterer für Leihbüchereien) und war dann über nahezu drei Jahrzehnte nebenberuflich als Romanautor für Kelter- und Bastei Verlag tätig.
Da ich mich nun seit einiger Zeit im Ruhestand befinde, habe ich mich größeren Projekten zugewandt. Mein erster gebundener Roman erschien 2008 unter dem Titel: „Roter Bruder Abel“ im WJK Verlag, Hilden. Ein historischer Roman, der sich mit der Eroberung und Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents befasst.
Ein weiterer Roman mit dem Titel: „Wer weiß schon, wann die Stunde schlägt“ erschien 2010.

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