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Titel: Wilde Rosen, weites Land

Wilde Rosen, weites Land

Eine Liebe in Ostpreußen

von Maja Schulze-Lackner

Seiten: (ca.) 288
Erscheinungsform: Neuausgabe
Erscheinungsdatum: 22.5.2014
ISBN: eBook 9783956070822
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 7,99

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Autor

Autor: Maja Schulze-Lackner
Maja Schulze-Lackner (Autor)
2 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Ostpreußen im Jahr 1869: Maria von Berg, eine junge Frau aus der Berliner Oberschicht, folgt ihrem frisch angetrauten Ehemann Carl Goelder auf das elterliche Landgut. Die endlosen Landschaften mit weiten Pferdekoppeln, die heiteren Familienfeste in lauen Sommernächten und die Geborgenheit der neuen Heimat versprechen ein glückliches Leben für Maria. Zuflucht vor den eisigen Wintern findet das Paar während seiner jährlichen Reisen nach Venedig, fernab von Alltag und Sorgen. Doch kein Idyll währt ewig, und spätestens als der Erste Weltkrieg auszubrechen droht, verlangt das Schicksal seinen längst fälligen Preis …

Maja Schulze Lackners großer Familienroman über eine Liebe in Ostpreußen ist eine Reminiszenz an eine Heimat, die lange schon keine mehr ist - und erzählt die Vorgeschichte zum Bestseller »Und Wunder gibt es doch«.

Details

Titel
Wilde Rosen, weites Land
Untertitel
Eine Liebe in Ostpreußen
Autor
Maja Schulze-Lackner
Seiten
288
Erscheinungsform
Neuausgabe
Preis (eBook)
7,99 EUR
ISBN (eBook)
9783956070822
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Maja Schulze-Lackner

Wilde Rosen, weites Land

 

Eine Liebe in Ostpreußen

Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München

 

Originalausgabe © 2009 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

Autorenfoto: © privat

ISBN: 978-3-95607-082-2

 

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.heypublishing.com

www.facebook.com/heypublishing

 

 


 

Wilde Rosen, weites Land

 

Ostpreußen im Jahr 1869: Maria von Berg, eine junge Frau aus der Berliner Oberschicht, folgt ihrem frisch angetrauten Ehemann Carl Goelder auf das elterliche Landgut. Die endlosen Landschaften mit weiten Pferdekoppeln, die heiteren Familienfeste in lauen Sommernächten und die Geborgenheit der neuen Heimat versprechen ein glückliches Leben für Maria. Zuflucht vor den eisigen Wintern findet das Paar während seiner jährlichen Reisen nach Venedig, fernab von Alltag und Sorgen. Doch kein Idyll währt ewig, und spätestens als der Erste Weltkrieg auszubrechen droht, verlangt das Schicksal seinen längst fälligen Preis …

 

Maja Schulze Lackners großer Familienroman über eine Liebe in Ostpreußen ist eine Reminiszenz an eine Heimat, die lange schon keine mehr ist - und erzählt die Vorgeschichte zum Bestseller Und Wunder gibt es doch.

1869

Das Mädchen weinte bitterlich. Eng an seine Mutter geschmiegt fuhr es im Zug von Potsdam nach Berlin einer ungewissen Zukunft entgegen. Carla von Oerzen war der Entschluss, ihr Kind in ein angesehenes Töchterpensionat zu geben, wahrlich nicht leichtgefallen. Aber es blieb ihr keine andere Wahl. Wenn ihr schon die Mittel für eine Mitgift fehlten, so wollte sie doch, dass Olga eine ordentliche Erziehung bekam. In Potsdam, der kleinen Garnisonsstadt, war das nicht möglich. Seit ihr Mann 1866 in der Schlacht bei Königgrätz gefallen war, lebten sie in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Ellart von Oerzen, der unter General von Moltke diente, hatte eine glänzende Karriere vor sich, als er, von einer feindlichen Kugel getroffen, in so jungen Jahren starb. Die geringe Pension und ein Legat eines entfernten Onkels sicherten Mutter und Tochter ein bescheidenes Auskommen. Aber ein gesellschaftliches Leben wie früher gab es nicht mehr.

»Hör auf zu weinen, Olga.« Carla von Oerzen strich dem schluchzenden Kind zärtlich über den Kopf. »Ich habe es dir doch erklärt. Es muss sein. Arm sein ist schon schrecklich genug, aber ungebildet und nicht standesgemäß erzogen zu sein ist ein noch viel größeres Übel.« Sie seufzte tief. Auch sie war den Tränen nahe. »Du weißt, wir haben kein Geld für eine Mitgift. Also versuch, so viel wie möglich zu lernen, das kann dir später niemand mehr nehmen.« Sie nahm Olga in den Arm. »Vergiss nie, dass ich dich sehr lieb habe, mein Kind. Du bist mein Ein und Alles. Also mach uns den Abschied nicht allzu schwer.«

Nachdem sie ihre Tochter bei der Pensionsmutter Frau Wagenheim in der Clausewitzstraße abgegeben hatte, mit dem Versprechen, so oft wie möglich zu schreiben, fuhr sie mit schwerem Herzen nach Potsdam zurück. Ihr graute vor dem leeren kleinen Haus und den nun folgenden einsamen Wochen und Monaten. Aber sie wusste, dass das, was sie getan hatte, das einzig Richtige war für ihr geliebtes Kind.

Olgas erster Brief war noch voller Trennungsschmerz. Sie fand einfach alles schrecklich: die ungewohnte Umgebung, das strenge Fräulein Kremer! Diese gehörte zu der Sorte von Erzieherinnen, die man in jeder Mädchenschule fand. Nicht mehr jung und noch nicht richtig alt, ließen sie ihre Verbitterung über ihr unerfülltes Leben an den ihnen anvertrauten Schülerinnen aus, vorzugsweise an den besonders attraktiven. Fräulein Kremer musste einmal hübsch gewesen sein. Wenn sie lachte, was äußerst selten geschah, bekam ihr blasses Gesicht Farbe, und ihr meist zu einem schmalen Strich zusammengepresster Mund entfaltete volle Lippen. Einmal, spät in der Nacht – Olga war durstig und wollte sich einen Krug Wasser aus der Küche holen –, sah sie dort Fräulein Kremer am Fenster stehen. Ihre sonst straff zusammengebundenen und unter einer schwarzen Haube verborgenen Haare fielen ihr in dicken Locken auf die Schultern, und das von fahlem Mondlicht beschienene Gesicht war tränenüberströmt. Sie sah unendlich traurig aus. Von ihr unentdeckt, schlich Olga sich zurück in ihr Zimmer, ihren Durst vergessend. Nicht einmal Sofia, mit der sie das Zimmer teilte, erzählte sie, was sie in dieser Nacht gesehen hatte.

Bald aber wurden ihre Briefe fröhlicher. Der Unterricht gefiel ihr. Alles war so neu und anders als in der Schule in Potsdam. Es gab Gymnastik- und Turnunterricht, sogar Tanzstunden, natürlich ohne männliche Tänzer. Sie erhielt Stunden in Etikette, Geschichte und Literatur, und nachmittags, wenn das Wetter es erlaubte, unternahmen sie in kleinen Gruppen, in Begleitung einer Erzieherin, Spaziergänge in den Tiergarten. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam mit den im Haus wohnenden Erzieherinnen und Lehrkräften in einem großen Speisezimmer eingenommen. Es durfte nicht gesprochen werden, außer das Wort wurde an einen gerichtet. Man hatte aufrecht und gesittet zu sitzen und seinen Teller leer zu essen, ob es einem schmeckte oder nicht. Die Hände mussten gewaschen und die Fingernägel sauber sein, was von Fräulein Kremer peinlich genau kontrolliert wurde. Am Kopfende des Tisches thronte Frau Wagenheim, Witwe eines Kommerzienrates, die einmal in der Woche nach Tisch Sprechstunde abhielt, um sich die Sorgen oder Beschwerden der Schülerinnen anzuhören, aber wenn nötig, auch Tadel auszusprechen oder Strafen zu verhängen, deren schlimmste Form ein Ausgehverbot war.

Das Pensionat beherbergte zwanzig Mädchen zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren, die in Zwei- und Vierbettzimmern untergebracht waren. Olga teilte sich ein Zimmer mit Sofia Herzberg, der Tochter eines reichen Berliner Kaufmanns. Zwei Jahre älter als Olga, fühlte sie sich geradezu erwachsen und schloss das kleine unglückliche Mädchen sofort in ihr Herz. »Wir werden Spaß haben zusammen«, tröstete sie es, »du wirst sehen. Und wenn wir Ausgang haben, nehme ich dich mit zu uns nach Hause.« Olga hatte ihrer neuen Freundin ehrlich gesagt, dass ihr die Mittel fehlten, an ihren freien Tagen nach Potsdam zu fahren.

Immer begeisterter wurden die Berichte aus Berlin: Letzten Sonntag waren wir bei den Herzbergs zum Mittagessen. Du glaubst ja gar nicht, wie prachtvoll die wohnen, schrieb sie. Sie haben ein Stadtpalais ganz in der Nähe des Schlosses, und wenn der König seine Parade abnimmt, kann man das von ihren Fenstern aus sehen. Oh Mama, Berlin ist ja so aufregend!

Ein andermal berichtete sie von dem Salon der Frau Herzberg. Jeden Dienstag treffen sich dort Schriftsteller, die aus ihren Werken vorlesen, und Schauspieler, die Verse rezitieren. Manchmal, aber nur manchmal, dürfen wir dabei sein. Du weißt, das strenge Fräulein Kremer! Aber am Sonntag gibt ein junger Hausgast der Herzbergs dort ein Klavierkonzert. Er heißt Johannes Brahms und spielt seine eigenen Kompositionen. Wir dürfen dabei sein, Mama. Einfach himmlisch!

 

Literatur war bald Olgas Lieblingsfach. Professor Abraham, ein pensionierter Universitätsprofessor, alt, schrullig und immer etwas zerstreut, entfachte bei ihr bereits nach den ersten Stunden eine Begeisterung dafür, die ihr Leben lang anhalten sollte. Wenn ein gemeinsamer Theaterbesuch anstand, wurde das Stück vorher von ihm eingehend besprochen und somit jedes Mal für die Mädchen ein unvergessliches Erlebnis. Olga las Goethe, Schiller, Kleist und Heine, und die Herzberg'sche Bibliothek wurde für sie eine unerschöpfliche Quelle für den interessantesten Lesestoff.

Aber nicht nur anspruchsvolle Literatur, sondern auch die Zeitschrift Gartenlaube, die Frau Herzberg abonniert hatte, wurde erst von Sofia und Olga verschlungen und wanderte dann in dem Pensionat von Hand zu Hand. Herrlich, was es da alles zu lesen gab. Am beliebtesten waren die Fortsetzungsromane von Eugenie Marlitt – romantische Liebesgeschichten, die immer tragisch anfingen und natürlich glücklich ausgingen, mit Titeln wie Die Frau des Kommerzienrates oder Die zweite Frau. Man sah Fotos von Schauspielerinnen und Damen der Demimonde, die bei Theater- oder Opernaufführungen gesehen worden waren, und immer öfter wurden Fürstinnen, Prinzessinnen und Damen der Gesellschaft in Modellen des berühmten Pariser Modeschöpfers Charles Frederick Worth gezeigt. Gartenlaube berichtete, dass er, seit 1858 Besitzer eines Salons in der Rue de la Paix, bereits einige Jahre später Kaiserin Eugenie von Frankreich einkleidete und bald darauf der gesamte europäische Hoch- und Geldadel zu seiner Kundschaft zählte. Geschichten über seine Allüren erschienen: In mit Pelz verbrämter Samtjacke, auf dem Kopf ein Barett und um den Hals einen kunstvoll gebundenen Seidenschal, so empfing er, nonchalant auf einem Diwan ruhend, oft arrogant und herablassend, seine exklusive Kundschaft. Missliebige wies er ab. Ohne Voranmeldung empfing er grundsätzlich niemanden, und wenn ihm danach war, ließ er auch hochgestellte Damen stundenlang in seinem Vorzimmer antichambrieren. Seit über zehn Jahren gab es ihn nun schon, den Herrn Worth, und jeder in Europa, der etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, trug seine Kreationen. Die Mädchen waren fasziniert!

Sofia hatte die neueste Ausgabe ihrer Lieblingszeitschrift vor sich. Sie verschlang die dritte Fortsetzung von Die zweite Frau.

»Bitte«, sagte Olga flehend, »lies schnell, ich bin so gespannt, wie es weitergeht.«

»Ja, gleich, nur noch eine Seite.« Als Sofia ihrer ungeduldigen Freundin das Heft reichen wollte, schlug sie zufällig eine Seite auf, auf der die Großfürstin Marie, Schwester des russischen Zaren, in einem Worth-Modell abgebildet war. »Nur noch einen Moment!«, rief sie. »Sieh dir das Kleid an. Hast du schon einmal so etwas Schönes gesehen?«

Auch Olga vergaß für einen Augenblick die Lektüre. »Es ist unglaublich«, sagte sie. »Was das wohl kosten mag?«

Sofia, die bereits verlobt war mit Alfred von Benning, Erbe der Benningbank, rief plötzlich: »Bisher hatte ich noch keine Vorstellung von meinem Brautkleid! Nun weiß ich es. Ich wünsche mir für meine Hochzeit ein Kleid von diesem Mann!«

Ihre Freundin starrte sie entgeistert an. »Du bist ja übergeschnappt, Sofia. Wie soll das denn gehen? Und das ist sicher viel zu teuer.« Die Zeitung hatte des Öfteren von den astronomischen Preisen der Kleider berichtet.

»Du hast doch gelesen, dass er sogar Entwürfe nach Amerika liefert. Also wird es wohl auch nach Berlin möglich sein. Und du weißt, Papa kann mir keinen Wunsch abschlagen.«

Seit Jahren verkehrte Professor Abraham im literarischen Salon der inzwischen greisen Fanny Lewald, in dem sich die gesamte geistige Elite Berlins traf. Auch Frau Herzberg war dort regelmäßig, und ein paarmal durften Olga und Sofia sie begleiten. Sie hörten von Henriette Herz und Rahel Varnhagen, deren Salons bereits Anfang des neunzehnten Jahrhunderts Geschichte schrieben: Frauen, die, wie Olga staunend erfuhr, ihren Ehemännern geistig und gesellschaftlich ebenbürtig waren, ihren eigenen Neigungen nachgehen und sich selbst entfalten konnten. Was für eine Welt sich ihr da erschloss! Noch ahnte Olga nicht, dass ein Samenkorn in ihrem Inneren gelegt war, das eines Tages aufgehen und ihr Leben bestimmen sollte. Tief beeindruckt schrieb sie darüber in einem Brief nach Potsdam. Dass sie begann, von einem solchen Leben zu träumen, verschwieg sie Gott sei Dank. Ihre Mutter wäre sonst wohl zu der Überzeugung gelangt, das Kind hätte den Verstand verloren.

Ihre Mutter schrieb regelmäßig. Ich habe eine neue Aufgabe gefunden, berichtete sie eines Tages. In der Nachbarschaft wohnt eine reizende alte Dame, deren Sohn in Ostpreußen lebt. Er arbeitet dort auf einem Gestüt. Sie ist viel allein, und ich kümmere mich um sie. Nun ist mein Leben nicht mehr so einsam. Wir reden über unsere Kinder (obwohl er schon über vierzig ist, spricht sie immer von ihrem »Kind«), wir gehen zusammen spazieren, spielen Karten und tauschen unsere Lektüre aus.

Olga freute sich für ihre Mutter. Ihr anfänglich schlechtes Gewissen, wenn sie zu begeistert von ihrem neuen Leben berichtete, quälte sie nun nicht mehr.

Ihre Schüchternheit wich bald einem gesunden Selbstbewusstsein. »Du hast kein Geld und bekommst keine Mitgift«, hatte Sofia gesagt, »das ist blöd. Aber du bist bildhübsch. Das ist doch schon mal was. Und dumm bist du auch nicht. Du wirst bald überall eingeladen sein, dafür werde ich sorgen. Also, ich bin mir ganz sicher, dass du mal eine gute Partie machen wirst.«

Olga wurde tatsächlich immer hübscher. In den letzten Monaten war sie ein ordentliches Stück gewachsen. Ihr Babyspeck war verschwunden, was wohl auch der nicht gerade üppigen Kost in dem Pensionat zuzuschreiben war. In ihrem herzförmigen Gesicht funkelten unter schön geschwungenen Brauen große grau-grüne Augen, und ihr voller kirschroter Mund schien immer zu lachen, wobei sich ihr kleines Naschen kräuselte. Die dunklen prachtvollen Haare trug sie in Schnecken über den Ohren. Und als sie und Sofia abends einmal die Flechten lösten und die Locken heimlich zu Hochfrisuren aufsteckten, bemerkte sie zu ihrer Freundin: »Du hast recht, so übel sehe ich wirklich nicht aus.«

Zu Olgas Kummer würde Sofia das Pensionat bald verlassen. Ihre Hochzeit mit Alfred von Benning war für den kommenden Juni festgesetzt, wenn dieser seine Ausbildung bei der Rothschildbank in Frankfurt beendet hatte. »Es wird hier todlangweilig sein ohne dich«, jammerte Olga. »Und wer weiß, mit wem ich dann mein Zimmer teilen muss. Ich werde dich ganz schrecklich vermissen.«

Sofia musste lachen. »Ich wohne doch ganz in der Nähe, und wir werden uns so oft wie möglich sehen, versprochen. Es ist ja nur noch ein Jahr, dann hast du es auch hinter dir.« Es war natürlich keine Frage, dass Olga eine von Sofias Brautjungfern sein würde. Ihre Bedenken, dass sie kein Geld für ein passendes Kleid habe, wurden von Sofia sofort zerstreut. »Mein Vater bezahlt für alle Brautjungfern die Kleider, also mach dir darüber keine Gedanken.«

Olgas neue Zimmergefährtin, Irma Gruber, ein pummeliges, ziemlich unbedarftes Mädchen, kam aus Weimar. Sie ist ein wenig provinziell, berichtete sie ihrer Mutter, und nicht so lustig wie Sofia. Ich kann nicht viel mit ihr anfangen. Aber als Irma auftaute und so nebenbei erwähnte, dass ihr Großvater ein enger Freund von Goethe gewesen war, war Olga hellauf begeistert. Da schlief neben ihr eine Person, die verwandt war mit jemandem, der Goethe gekannt hatte! Und noch dazu mit ihm eng befreundet gewesen war.

»Wie war er, los, erzähl mal.« Olga bedrängte Irma immer wieder. Die aber hatte ihren Großvater kaum gekannt und keine Ahnung, wie Goethe so war. »Aber irgendwas musst du doch wissen«, insistierte Olga.

Irma erkannte ihre Chance, der schönen und so gescheiten Olga zu imponieren, und begann, Geschichten zu erfinden, die so haarsträubend waren, dass der Geheimrat von Goethe sich im Grabe umdrehen musste. Vorsichtshalber vereinbarte sie mit ihrer faszinierten Zuhörerin absolutes Stillschweigen. »Das ist streng vertraulich, weißt du. Mein Großvater hat mir das alles unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt. Also kein Wort zu niemandem und vor allem nicht zu Professor Abraham.«

 

Nicht einmal Sofia erzählte Olga von ihrem aufregenden Geheimnis. Das lag weniger an ihrer Verschwiegenheit als daran, dass sie ihre Freundin zur Zeit kaum zu Gesicht bekam. Die Hochzeitsvorbereitungen nahmen diese dermaßen in Anspruch, dass sie für fast nichts anderes mehr Zeit hatte. Die Gästeliste wurde immer länger. Von überallher kamen Verwandte und Freunde, die standesgemäß untergebracht werden mussten, denn nur die engsten Verwandten konnten im Herzberg'schen Palais wohnen, wo die Braut Soirée stattfinden würde. Die Anproben für das Brautkleid – natürlich hatte Anton Herzberg seiner Tochter den Wunsch erfüllt, bei Worth einen Entwurf zu bestellen – nahmen Stunden in Anspruch. Sogar die Kleider für die Brautjungfern waren von dem Meister entworfen worden.

Olga saß mit Sofia in deren Mädchenzimmer, das nun bald verwaist sein würde. »Du kannst nach der Soirée hier in meinem Zimmer schlafen. Alfred und ich reisen ja in der Nacht noch nach Zoppot. Wir haben dort eine Suite im Grand Hotel. Du weißt, ich liebe das Meer.«

»Ja, meinst du denn, Fräulein Kremer erlaubt das?« Olga blickte ihre Freundin zweifelnd an. »Gestern hat mich sogar die Frau Wagenheim gerügt, weil ich jetzt öfter, als es die Hausordnung erlaubt, unterwegs bin. Die Kremer hat mich wohl verpetzt.«

»Keine Sorge, meine Mutter hat diesbezüglich Frau Wagenheim eine Note geschrieben. Sie hat auch erwähnt, dass du eine große Hilfe bist und mir bei wichtigen Entscheidungen zur Seite stehst.«

Olga lachte hell auf. »Hoffentlich fragt sie mich nicht mal, bei welchen.«

Sofia, die sich wahrlich nicht über mangelnde Hilfe beschweren konnte, wollte überall mitreden. Kein Blumenschmuck in der Kirche und im Haus durfte ohne sie ausgesucht werden. Das Hochzeitsmenü wurde mehrere Male geändert, und bei der Tischordnung durfte ihr nur ihre Mutter helfen. Die hatte ihrem Mann schon erklärt, nach der Hochzeit einen zweimonatigen Kuraufenthalt zu benötigen!

»Du bist zwischen zwei sehr netten Herren platziert«, sagte Sofia. »An einer Seite hast du Alfreds Trauzeugen, Magnus von Berg. Er sieht toll aus und ist ziemlich reich. Leider soll er so gut wie verlobt sein, hat Alfred mir geschrieben.« Sie machte ein betrübtes Gesicht. »Der hätte mir für dich gefallen. Der andere ist ein Cousin von mir, Hans Herzberg. Er sieht zwar nicht so gut aus wie Magnus, aber er ist genauso reich und außerdem noch zu haben.«

Olga musste wieder lachen. »Ach Sofia, was machst du dir nur für Gedanken. Ich will nichts weiter als mich auf deiner Hochzeit amüsieren und tanzen, möglichst die ganze Nacht. Es ist das erste große Fest in meinem Leben. Ich bin schrecklich aufgeregt.«

»Na, was meinst du, was ich bin? Wenn wir von unserer Hochzeitsreise zurück sind, ist unsere Wohnung in der Schlossstraße fertig. Alfred hat sie ganz nach meinen Wünschen einrichten lassen. Mein Boudoir wird einfach himmlisch. Die Wände sind bespannt mit hellblauem Damast und die Möbel mit dem gleichen Stoff bezogen. Die dunkelblauen Samtportieren vor den Fenstern sind mit Goldlitzen besetzt. Und die Salons, welch eine Pracht … Ach, was erzähl ich dir, bald wirst du es ja selbst zu Gesicht bekommen.«

Der Diener hatte mittlerweile Tee und Gebäck serviert und Sofias Redestrom kurz unterbrochen. »Das Fräulein Schmid wäre jetzt da.«

»Sie soll bitte warten, bis die anderen kommen«, sagte Sofia freundlich, »dann führen Sie alle herauf.« Die »anderen« waren drei Freundinnen von Sofia, die auch als Brautjungfern fungierten und heute zum letzten Mal ihre Kleider anprobieren sollten, die Fräulein Schmid nach dem Entwurf von Worth angefertigt hatte.

Der Diener hatte sich gerade entfernt, als kurz darauf die Tür aufflog und ein junger, gut aussehender Mann hereinstürmte.

»Alfred!« Mit einem Jubelschrei fiel Sofia ihrem Bräutigam um den Hals. »Du bist da! Endlich!«

»Ja, gerade angekommen. Du siehst, ich bin noch in Reisekleidung. Unten wartet meine Droschke. Aber du solltest die Erste sein, die ich nach meiner Rückkehr begrüße. Oh, du hast Besuch?«

»Ja, das ist Olga, ich habe dir von ihr geschrieben.«

»Das kann man wohl sagen.« Alfred lachte. »Kein Brief, wo nicht etwas von Ihnen drinstand.« Er reichte Olga die Hand. »Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen. Oder darf ich du sagen?«

»Natürlich.« Olga lächelte schüchtern. Was für ein netter Mann, dieser Alfred von Benning. Sofia hatte so viel über ihn erzählt, dass sie meinte, ihn schon ewig zu kennen. In dem Moment klopfte es, und der Diener führte Fräulein Schmid und Sofias Freundinnen herein.

»Vor so viel Weiblichkeit kann ich nur fliehen«, sagte Alfred schmunzelnd, nachdem er alle begrüßt hatte. »Leb wohl, Liebste. Meine Damen … Auf bald!«

Die Anprobe verlief zur vollsten Zufriedenheit von Sofia. Fräulein Schmid hatte hervorragende Arbeit geleistet. Die rosafarbenen Seidenkleider, eng bis über die Taille, dann auslaufend in einen weit schwingenden Rock, saßen perfekt. Halsausschnitt, Ärmelenden und Saum waren mit Rüschen aus dem gleichen Stoff besetzt. Auch die passend eingefärbten Schuhe sowie die Blüten für die Hochfrisuren hatte Fräulein Schmid mitgeliefert.

»Wunderschön seid ihr alle«, rief Sofia nach einer Weile, »aber jetzt müsst ihr gehen! Es ist ja noch so viel zu tun.«

Olga verabschiedete sich als Letzte. Ihre Wangen glühten. »Noch nie habe ich ein so schönes Kleid angehabt«, sagte sie. »Ich danke dir, Sofia, für alles.«

»Ach, nun werd mal nicht sentimental, mein Schatz. Du wirst es mir zwar wieder nicht glauben, aber von allen bist du die Hübscheste.«

»Findest du wirklich …?«

»Ja, das finde ich. Und du wirst einen Haufen Verehrer haben, wart's nur ab.« Sofia war sich da ganz sicher.

An diesem Abend schrieb Olga mal wieder einen Brief an ihre Mutter. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Vor einiger Zeit hatte ihre Mutter ihr mitgeteilt, dass ihre Freundin, Frau Lindner, innerhalb kurzer Zeit gestorben war: Sie hat nur noch auf ihren Sohn gewartet, der auf meine Depesche hin sofort aus Ostpreußen anreiste, dann hat sie ihre Augen für immer geschlossen. Ich bin tieftraurig. Olga war so beschäftigt gewesen mit Sofias Hochzeit, dass sie den Kummer ihrer Mutter regelrecht vergessen hatte.

Liebe Mama, heute war die letzte Anprobe unserer Kleider für Sofias Hochzeit. Schade, dass du nicht bei der Soirée dabei sein und mich in meinem Kleid sehen kannst. Es ist so wunderschön, und Sofia sagt, ich wäre darin sehr hübsch. Bitte halte mich nicht für eingebildet, ich glaube, sie übertreibt. Aber ich darf das Kleid behalten, und wenn ich in den Ferien nach Hause komme, wirst du es an mir sehen können. Ich bin furchtbar aufgeregt. Es kommen so viele fremde Menschen von überallher. Heute habe ich den Bräutigam von Sofia kennengelernt. Er ist sehr nett und sieht gut aus, wenn er auch nicht so groß ist, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Er hat ein ansprechendes Gesicht und liebe Augen, und ich glaube, dass Sofia sehr glücklich mit ihm wird (Ich hoffe es zumindest). Wenn du diesen Brief bekommst, ist das große Fest vorbei, und dann kommt schon mein nächster Brief, in dem ich dir alles berichten werde.

Es umarmt dich ganz fest deine dich liebende Tochter Olga.

PS: Sei nicht mehr so traurig, ich bin ja bald bei dir.

 

Olga hatte schlecht geschlafen. Von Albträumen geplagt, war sie immer wieder schweißgebadet aufgewacht. Einmal war sie auf Sofias Schleier getreten, ein anderes Mal in der Kirche gestolpert. Sie konnte plötzlich keinen Walzer mehr tanzen, ihre Füße klebten am Boden; und als sie wach lag, stellte sie sich vor, ein Rotweinglas würde sich über ihr herrliches Kleid ergießen und es völlig ruinieren.

Die Trauung war auf den Nachmittag festgesetzt. Olga quälte sich durch den morgendlichen Unterricht. Sie war unaufmerksam und musste eine Rüge von Fräulein Kremer einstecken. »Etwas mehr Aufmerksamkeit, Fräulein von Oerzen, wenn ich bitten darf.« Die Lehrerin schlug ihr mit dem Lineal auf die Hand, nicht sehr fest, aber hart genug, um einen roten Striemen auf der kleinen weißen Hand zu hinterlassen. »Sie scheinen mit Ihren Gedanken ja gar nicht bei der Sache zu sein.« Ihre Stimme war schneidend. »Was habe ich Sie eben gefragt?«

Olga lief hochrot an. »Entschuldigung, Fräulein Kremer, ich … ich habe sehr schlecht geschlafen …«, stotterte sie.

»So, so, die Hochzeitsfeierlichkeiten scheinen Sie ja schon vorher reichlich mitzunehmen. Wie soll das denn erst morgen sein, nach dem großen Fest?«

»Die Frau Herzberg hat Frau Wagenheim gebeten, mich für morgen zu beurlauben.« Olgas Stimme zitterte. Gleich würde sie in Tränen ausbrechen.

Auf den bleichen Wangen des ältlichen Fräuleins erschienen rote Flecken. Mit den Worten: »Davon ist mir nichts bekannt. Ich werde mich vergewissern, ob Sie die Wahrheit sagen«, verließ sie das Klassenzimmer. Olga war jetzt kurz davor, die Fassung zu verlieren.

»Reg dich nicht auf, die alte Hexe ist nur neidisch, weil du auf die tolle Hochzeit eingeladen bist«, tröstete Irma ihre neue Freundin, die bleich mit dunklen Schatten unter den Augen neben ihr saß.

Kurz darauf erschien die Lehrerin wieder. Sie war schneeweiß im Gesicht und hatte ihre dünnen Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Die Pensionsmutter hatte sie leicht zurechtgewiesen. Das war noch nie passiert. »Sie scheinen mir etwas zu streng mit der kleinen Oerzen«, hatte sie gesagt. »Das Kind ist eine Halbwaise und sehr aufgeregt vor der Hochzeit ihrer besten Freundin. Es ist das erste große Fest, das sie besuchen darf. Das Haus Herzberg gehört zu den ersten Adressen Berlins. Ich kann den Umgang nur begrüßen.« Sie war an das Fenster getreten und hatte zum Himmel geschaut. »Was für ein schöner Tag, um zu heiraten«, sagte sie wie zu sich selbst. »Übrigens ist mir beim Frühstück aufgefallen, dass Olga sehr elend aussieht. Sagen Sie ihr, dass ich sie heute vom Unterricht befreie. Sie soll sich vor dem großen Ereignis noch ein wenig ausruhen. Ich erwarte sie dann morgen zum Nachmittagsunterricht zurück. Ach übrigens, sie wird im Herzberg-Palais nächtigen.«

Ohne eine Erwiderung hatte Fräulein Kremer das Zimmer der Pensionsmutter verlassen. Sie kochte vor Wut! »Sie können auf Ihr Zimmer gehen«, sagte sie jetzt mit harter Stimme zu Olga. »Man erwartet Sie morgen Mittag zurück. Aber pünktlich, wenn ich bitten darf.«

Sofia war eine hinreißende Braut. Wie eine Puppe sah sie aus in ihrem Traum von einem Brautkleid. Dreißig Meter weißer Damast waren nötig gewesen, um dieses Meisterstück der Schneiderkunst herzustellen. Unter der eng geschnürten Taille bauschte sich ein weiter geraffter Rock, der mit weißen Blüten besetzt war. Die Coiffeuse hatte ihr leuchtend rotes Haar zu einer prachtvollen Hochfrisur aufgetürmt, auf der ein Myrtenkranz saß, an dem der Schleier befestigt war. Ihre lustigen kleinen Sommersprossen waren überdeckt von leichtem Puder, sodass ihr Gesicht mit den großen grünen Augen dem einer Porzellanpuppe ähnelte. Sie sah einfach entzückend aus. Die Trauung war ergreifend. Eine berühmte Sängerin sang Mozarts Ave Maria, und Frau Herzberg schluchzte laut. War es vor Rührung oder aus Erschöpfung? Herr Herzberg war sich da nicht so sicher.

Der anschließende Empfang fand im Park des Herzberg-Palais statt. Es war ein angenehm warmer Frühsommertag, und die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel. Auf der überdachten, von Säulen getragenen Terrasse nahm das strahlende Brautpaar die Glückwünsche der Gäste entgegen. Hier und dort hatten sich plaudernde Grüppchen gebildet, einige Paare flanierten über die Kieswege oder fanden sich zusammen im Schatten einer blühenden Kastanie. Scharen von befrackten Dienern servierten Champagner, kleine Erfrischungen und Kanapees.

Olga hatte sich etwas abseits vom Trubel auf eine Bank gesetzt. Sie war glücklich. Alles war gut gegangen, ihr war kein Malheur passiert, und nun konnte sie entspannt das gesellschaftliche Treiben betrachten. Noch nie hatte sie so viele herrliche Roben gesehen. Nicht einmal in der Gartenlaube. Eine wandelnde Pracht war das - die mit Reseda gefärbte Seide, der violette Voile, hellblaue Damast und mauve schillernde Taft. Es raschelte und rauschte, und das Klirren der aneinanderstoßenden Champagnergläser mischte sich mit dem Lachen der Gäste. Es herrschte eine heitere Atmosphäre.

Olga dachte an ihre Mutter. Wie schade, dass sie das nicht miterleben konnte. Sie war doch noch so jung, gerade mal sechsunddreißig, und schon sechs Jahre Witwe. Was für ein grausames Schicksal. Olga hatte kurz die Augen geschlossen und bekümmert geseufzt, als plötzlich eine große männliche Gestalt vor ihr stand, zwei volle Champagnergläser in der Hand. »Sie scheinen traurig zu sein, gnädiges Fräulein. Darf ich Sie ein wenig aufheitern?«

Olga errötete. Mein Gott, wie peinlich ihr das war! »Ich habe nur für einen Augenblick an etwas Trauriges gedacht«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist schon vorbei.«

»Magnus Berg«, stellte der junge Mann sich jetzt mit einer Verbeugung vor, »und Sie sind Olga, meine Tischdame für heute Abend.«

»Woher wissen Sie das denn?«

»Oh, ich habe meine Erkundigungen eingezogen. Erlauben Sie?« Er ließ sich neben Olga auf der Bank nieder und reichte ihr ein Glas.

»Ich weiß nicht, ich habe noch nie Champagner getrunken.« Olga sah ihn zweifelnd an.

»Irgendwann ist immer das erste Mal.« Er lachte, und sein schön geschwungener Mund entblößte eine Reihe blendend weißer Zähne. »Prosit. Auf einen schönen Abend!«

Olga nippte an ihrem Glas und betrachtete ihr Gegenüber. Eben, gegen die gleißende Sonne, hatte sie nur die Umrisse eines groß gewachsenen, schlanken Mannes erkennen können. Sofia hatte wahrlich nicht übertrieben. Was für ein Mann! Magnus von Berg war von bestechendem Aussehen. Das dunkle Haar trug er streng nach hinten gekämmt. Sein schmales aristokratisches Gesicht war glatt rasiert, und unter dichten Augenbrauen leuchteten tiefblaue Augen, die Olga spöttisch ansahen.

»Nun, habe ich den Test bestanden?«

Olga musste lachen. »Sofia hat gesagt, Sie sähen toll aus. Es stimmt.«

»Danke.« Magnus war amüsiert. »So direkt hat mir das noch keine Dame gesagt. Aber wenn Sie mir versprechen, mich nicht zu verraten, sage ich Ihnen jetzt auch etwas.« Er senkte seine Stimme. »Sie waren die hübscheste unter den Brautjungfern. Und wenn Sie nicht schon meine Tischdame wären, würde ich jetzt die Tischkärtchen austauschen.«

Olga schoss wieder das Blut ins Gesicht. Komplimente von jungen Männern war sie nicht gewöhnt. Und so unverblümte schon gar nicht. »Danke, wie nett von Ihnen«, war alles, was ihr dazu einfiel. Sie kam sich total blöd vor. Auf so eine Situation sollte man im Mädchenpensionat vorbereitet werden, dachte sie bei sich, das wäre wirklich wichtiger, als die Sitten bei Tisch zu lernen.

Magnus ignorierte ihre Verlegenheit und redete unbefangen weiter. Nach dem dritten Schluck Champagner verlor auch Olga ihre Schüchternheit. Sie plauderte über die Schule, den schrulligen Professor Abraham und das vertrocknete Fräulein Kremer. Ab und an lachte Magnus laut auf. Was war das doch für ein witziges, entzückendes Mädchen, Sofias beste Freundin.

»Wo ist denn Ihre Braut, ist sie auch hier?«

»Welche Braut?« Magnus sah Olga leicht befremdet an.

»Sofia sagte, Sie seien so gut wie verlobt.« Olga war völlig unbefangen. Es interessierte sie einfach, wie die Frau aussah, die dieser Mann heiraten wollte.

»Ach, Sie meinen Katharina von Wüst. Wir sind noch nicht verlobt. Unsere Familien sind seit Jahren befreundet, und man würde eine Verbindung zwischen uns wohl sehr begrüßen.« Die eben noch so heitere Stimmung war verflogen.

Magnus machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber lassen wir das Thema. Mischen wir uns unters Volk. Ich werde Sie mit einigen interessanten Gästen bekannt machen. Vorausgesetzt natürlich, Sie kennen sie noch nicht.«

»Ich kenne hier fast niemanden«, sagte Olga.

Sie erlebte den Abend wie in einem Rausch. Ihre Tanzkarte war im Nu voll, allerdings hatte Magnus kaum Platz für andere Bewerber gelassen. Hans Herzberg, Sofias Cousin, bemühte sich eifrig um sie, aber gegen Magnus hatte er keine Chance. Dieser absolvierte einige lästige Pflichttänze, und wenn Olga mit anderen Herren über das Parkett flog, ließ er sie nicht aus den Augen.

Sofia war das nicht entgangen. »Was ist denn mit Magnus los?«, fragte sie Alfred. »Er verfolgt Olga ja geradezu.«

»Ich glaube, er hat Feuer gefangen, so kenne ich ihn gar nicht«, sagte dieser amüsiert. »Sie ist aber auch wirklich reizend, deine kleine Freundin.«

»Ich denke, er ist verlobt«, erwiderte Sofia. »Wenn er es wagt, meiner Olga Kummer zu machen, werde ich zur Furie. Sag ihm das bitte.« Sofia war offensichtlich beunruhigt.

»Er ist ein Ehrenmann«, meinte Alfred. »Einen Skandal kann er sich nicht leisten.«

»Weißt du, was meine Großmutter immer gesagt hat? Unsere Gesellschaft hält es mit vornehmen Sündern wie mit Meißner Porzellan. Je öfter gekittet, umso begehrter!«

Darauf wusste Alfred keine Antwort mehr.

In einer Tanzpause zog Magnus Olga auf eine Récamière am Rande des Tanzsaales. Ihr Gesichtchen glühte. Mit ihrem rosa Fächer fächelte sie sich Luft zu; ihre Augen strahlten. »Oh Magnus, es ist so wundervoll. Ich komme mir vor wie in einem Märchen. Ist Ihnen auch so warm?«

»Es geht«, sagte er und lachte leise, »aber ich tanze ja auch nicht so wild wie Sie.« Er nahm ihre Hand. »Morgen reise ich zu meiner Mutter nach Schloss Hainwerder. Ich muss mich um dringende familiäre Angelegenheiten kümmern und werde eine Weile dort bleiben. Darf ich Ihnen schreiben?«

Olga blickte ihn erschrocken an. »Nein, das geht nicht. Wir dürfen nur Post von Eltern oder Geschwistern bekommen.«

»Dann bin ich ab sofort Ihr Bruder.«

»Das geht auch nicht. Jeder in dem Pensionat weiß, dass ich keine Geschwister habe.«

»Mir wird schon etwas einfallen. Sagen Sie doch, ich sei ein plötzlich aufgetauchter Erbonkel.«

Olga war entsetzt. »Bitte tun Sie das nicht. Die Briefe werden manchmal geöffnet. Erst vor kurzem ist ein Mädchen sofort nach Hause geschickt worden, weil sie Post von einem Verehrer bekommen hat. Ich kann es meiner Mutter nicht antun, aus dem Pensionat geschmissen zu werden.«

Die Musik hatte wieder begonnen zu spielen, und Hans Herzberg holte Olga zu der ihm versprochenen Polka. Spät nachts, als sie glücklich und erschöpft in Sofias Himmelbett lag, überschlugen sich ihre Gedanken. Immer wieder hörte sie die Worte, die Magnus ihr zum Abschied ins Ohr geflüstert hatte: »Ich werde einen Weg finden, Sie wiederzusehen.« Es dauerte lange, bis sie in einen bleiernen Schlaf fiel.

Die nächsten Wochen erlebte Olga wie in Trance. Ihr erster Gedanke am Morgen und ihr letzter am Abend galt Magnus. Sie war unsterblich verliebt, aber sie wusste, es konnte nicht sein. Ihrer Mutter hatte sie einen begeisterten Brief über die Hochzeit geschrieben. Magnus erwähnte sie mit keiner Silbe. Wozu auch? Sie musste versuchen, ihn aus ihren Träumen zu verbannen. Sie wusste, dass manchmal auch ausgehende Briefe geöffnet und kontrolliert wurden. Fräulein Kremer war dafür zuständig, und dieser traute sie nicht über den Weg. Seit Sofias Hochzeit war sie noch mehr darauf bedacht, Olga bei einer Verfehlung zu ertappen, und dass diese ihr keinen Anlass zur Klage gab, schien sie noch mehr zu verbittern.

Auch Irma gegenüber, mit der sie jetzt enger befreundet war, erwähnte sie seinen Namen nicht. Bereitwillig berichtete sie über das rauschende Fest, wer alles aus der Berliner Gesellschaft da gewesen war, und die prachtvollen Roben beschrieb sie in allen Einzelheiten. Auch dass sie das erste Mal Champagner getrunken hatte, verschwieg sie nicht.

»Hattest du denn gar keinen Flirt?«, wollte Irma wissen. »Hat sich keiner der Herren für dich interessiert?«

»Oh doch, da waren viele«, sagte Olga ausweichend, »aber richtig geflirtet, nein, das habe ich nicht.« Damit musste Irma sich zufriedengeben.

Wie gern hätte Olga ihrer neuen Freundin von Magnus erzählt, wie sehr er sie beeindruckt hatte und dass er ihr schreiben wollte. Aber sie wusste, Irma hätte sie nur ausgelacht. »Er ist so gut wie verlobt, sagt Sofia? Da kannst du sicher sein, er will dich nur benutzen. Vergiss ihn!« Das wären mit Sicherheit ihre Worte gewesen.

Die provinzielle Irma hatte sich als kluge und interessante Person herausgestellt. Nächtelang hatten sie über die Unterdrückung der Frauen diskutiert. »Wir sind nur dazu da, den Männern zu dienen. Sanftmütig und gehorsam sollen wir sein, umsichtige Hausfrauen und musterhafte Gattinnen; dazu werden wir hier doch gedrillt vom Oberfeldwebel Kremer!« Immer wieder redete sie sich in Rage. »Meine Brüder studieren, aber wir Frauen sind angeblich zu blöd dazu.«

»Ja, würdest du das denn wollen? Studieren meine ich?« Olga hatte bisher nie daran gezweifelt, dass die Berufung der Frau in der Familie lag. Die Besuche im Salon der Fanny Lewald, wo sie von Henriette Herz und Rahel Varnhagen gehört hatte, Frauen, die ihren Männern geistig und gesellschaftlich ebenbürtig waren, hatten in ihr zwar den Wunsch keimen lassen, vielleicht auch einmal einen solchen Mann zu finden, aber zu studieren oder womöglich einen Beruf zu erlernen war ihr noch nie in den Sinn gekommen.

»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Irma eines Tages, »aber ich weiß, was ich nicht will.« Sie erzählte, dass ihre Eltern sie verlobt hätten mit einem wesentlich älteren Mann. »Ich bin sechzehn, Olga«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Mir graut davor, einem alten Mann den Haushalt zu führen und ihm auch sonst zu Diensten zu sein. Keiner hat mich gefragt, ob ich das will.« Sie schluchzte auf. »Ich werde verkümmern, geistig und seelisch. Was soll ich bloß tun?«

Olga war entsetzt. »Das würde meine Mutter mir nie antun«, sagte sie. Aber plötzlich fiel ihr etwas ein. Hatte diese in ihren letzten Briefen nicht öfter einen Herrn erwähnt, einen Witwer mit zwei kleinen Kindern, der sich mehrmals nach ihr erkundigt hatte? Ihre Mutter würde doch wohl nicht wollen …? Sie verdrängte diesen Gedanken sofort. Aber Irma hatte eine Saat gesät, die langsam aufging. Sie wollte sich nicht mit einem ungeliebten Mann verheiraten lassen. Wenn es so weit kommen sollte, würde sie mit Sofia darüber sprechen. Die müsste ihr helfen. Wie, das wusste sie auch nicht. Erst einmal musste sie das Pensionat hinter sich bringen, dann würde man weitersehen. Schließlich war sie ja noch nicht einmal siebzehn.

Außer von ihrer Mutter bekam Olga Post von Sofia. Diese hatte Erlaubnis, ihr zu schreiben. Sie berichtete begeistert von Zoppot: Der Kaiser ist da mit seiner Familie und der ganzen Entourage. Er hat hier eine Sommerresidenz. Gestern habe ich die Kronprinzessin mit ihrem Gefolge auf der Promenade gesehen. Du weißt, sie ist die Tochter der englischen Königin Victoria und heißt wie ihre Mutter. Der Kronprinz soll sie angeblich Vicky nennen. Du glaubst gar nicht, wie elegant die Frauen hier sind. Sofia erzählte von reizenden Bekanntschaften, die sie gemacht hatten. Am Abend würde man gemeinsam tanzen gehen oder im Hotel Whist spielen. Und überhaupt sei alles ganz wunderbar und sie überglücklich.

 

Es war ein paar Tage vor Ferienbeginn, als die Bombe platzte. Olga war blendender Laune.

Morgen sollte Sofia aus Zoppot zurück sein. Sie hatten vereinbart, sich am Nachmittag zum Tee im Herzberg-Palais zu treffen.

»Fräulein von Oerzen, Sie sollen zur Frau Wagenheim kommen.« Das Stubenmädchen stand in der Zimmertür. »Und zwar sofort!«

»O Gott!« Irma blickte ihre Freundin erschrocken an. »Hast du was ausgefressen?«

»Ich bin mir keiner Schuld bewusst«, sagte Olga fröhlich. »Bin gleich wieder da.«

»Wer ist Magnus von Berg?« Fräulein Kremer stand neben der Pensionsmutter, in den zitternden Händen einen geöffneten Brief. Er musste von Sofia sein. Olga sah es an dem rosa Papier. Ihr war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. »Los, reden Sie. Wer ist Magnus von Berg?«

»Er ist ein Freund von Alfred von Benning … sein Trauzeuge. Ich kenne ihn kaum …« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

»So, Sie kennen ihn kaum. Na, dann hören Sie mal gut zu.« Sie faltete einen weißen Bogen auseinander und begann laut zu lesen: Geliebte Olga, ich habe Sofia gebeten, Ihnen diese Zeilen zukommen zu lassen. Irgendwie will sie den Brief in das Pensionat schmuggeln, ohne dass das vertrocknete Fräulein Kremer ihn erwischt. Fräulein Kremer holte empört Luft, bevor sie weiterlas: Wann kann ich Sie wiedersehen? Ich denke Tag und Nacht an Sie. Bitte geben Sie Sofia Bescheid, wann und wo ich Sie treffen kann. Ich werde da sein. Ich liebe Sie, Ihr Magnus von Berg.

Mit einem leisen Seufzer war Olga zu Boden gesunken. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf der Chaiselongue der Pensionsmutter, die sich über sie beugte und ihr ein Riechfläschchen unter die Nase hielt. Schlagartig kehrte ihr Gedächtnis zurück. »Das ist eine schlimme Sache, mein Kind«, sagte Frau Wagenheim bekümmert. »Sie kennen die Statuten des Hauses.«

»Ich werde das Pensionat verlassen.« Olga hatte sich aufgesetzt und versuchte, ihre in Unordnung geratenen Kleider zurechtzuziehen. »Ich bin mir aber keiner Schuld bewusst, denn ich habe Herrn von Berg zu keiner Zeit ermutigt, Derartiges zu schreiben.«

»Der Brief schien mir aber ziemlich eindeutig.«

»Das mag so scheinen, aber ich habe den Herrn wirklich nur auf Sofias Hochzeit gesehen und danach nie mehr. Auch wenn Sie mir erlaubten, hierzubleiben, Frau Wagenheim, das ›vertrocknet‹ würde mir das Fräulein Kremer niemals verzeihen. Und dem möchte ich mich ungern aussetzen.« Sie stand auf und wandte sich zum Gehen. »Sie erlauben doch?«, sagte sie, nahm Sofias und Magnus' Briefe, die neben ihr auf dem Schreibtisch lagen, an sich und kam so einem »Nein« der Pensionsmutter zuvor. »Das ist meine Post! Leben Sie wohl, Frau Wagenheim. Sie waren immer sehr nett zu mir. Ich werde jetzt packen und den nächsten Zug nach Potsdam nehmen.«

 

Die Fahrt war eine Tortur. Die Abteile, stickig von der sommerlichen Hitze, waren überfüllt. Olga saß eingeklemmt zwischen einer jungen Frau, deren kleines Kind ununterbrochen schrie, und einem nach Bier und Schweiß riechenden dicken Mann, der die ganze Fahrt über schlief und laut schnarchte. In Olgas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Wie konnte Magnus es wagen, ihr so etwas zu schreiben. Schließlich war er so gut wie verlobt. Wie sollte sie das bloß alles ihrer Mutter erklären? Sie war verzweifelt.

Es war schon dunkel, als sie sich ihrem alten Zuhause näherte. Die Vordertür war verschlossen, und im Haus brannte kein Licht. Mama wird doch wohl nicht schon zu Bett gegangen sein, dachte sie, als sie auf die kleine Gartenlaube zuging, in der immer ein Schlüssel für den hinteren Eingang versteckt lag. In der Laube flackerte eine Kerze, und zwei aneinandergeschmiegte Gestalten unterhielten sich leise. Das war doch die Stimme eines Mannes! Er musste gerade etwas Lustiges gesagt haben, denn eine Frau lachte hell auf. Olga erstarrte. »Mama, bist du das?«, rief sie.

»Olga, was machst du denn hier?« Carla von Oerzen war erschrocken aufgesprungen. »Sind denn schon Ferien?«

Olga brach in Tränen aus. »Nein, die Ferien fangen erst nächste Woche an«, sagte sie mit erstickter Stimme und schlang die Arme um den Hals der Mutter. »Bitte sei mir nicht böse, ich werde dir alles erklären.«

»Nun beruhige dich erst mal, mein Herz. Lass uns ins Haus gehen, ich habe dir auch etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Der fremde Mann hatte sich die ganze Zeit schweigend im Hintergrund gehalten. »Ich lasse euch wohl besser allein.«

Seine sonore Stimme unterbrach Olgas verzweifeltes Weinen. Bevor sie fragen konnte, wer das denn sei, sagte ihre Mutter: »Nein, Kurt, bitte bleib. Was ich meiner Tochter zu sagen habe, betrifft schließlich auch dich.« Und zu Olga gewandt fuhr sie fort: »Das ist übrigens Kurt Lindner. Wir haben vor einer Woche geheiratet.«

Bis tief in die Nacht saßen die drei beisammen in der gemütlichen kleinen Wohnstube. Carla hatte ihrer Tochter einen Beruhigungstee gekocht, dann begann sie zu erzählen.

»Ich habe dir doch geschrieben, dass meine Freundin, Frau Lindner, so plötzlich gestorben ist. Kurt ist ihr Sohn. Er kam gerade rechtzeitig, um sie noch einmal lebend zu sehen. Dann ist sie friedlich in seinen Armen eingeschlafen.« Sie berichtete weiter, wie sie sich beide Hals über Kopf ineinander verliebt hätten. »Ein coup de foudre sozusagen.«

»Ich bin seit einigen Jahren verwitwet«, sagte Kurt. »Und eigentlich wollte ich nie wieder heiraten. Aber als ich deine Mutter sah …«, er sah Carla verliebt an, » … da war es um mich geschehen. Man soll niemals nie sagen.« Er lachte glücklich.

»Warum hast du mir nichts geschrieben? Ich wäre doch zu eurer Hochzeit gekommen«, sagte Olga.

»Ach, es war so schwer, das alles zu Papier zu bringen. Ich habe es ein paarmal versucht. Und dann habe ich mich entschlossen, es dir persönlich zu sagen.« Carla schwieg einen Moment. »Wir konnten auch nicht warten bis zu deinen Ferien. Kurt muss morgen nach Ostpreußen abreisen. Sein Urlaub ist vorbei, und er wird in Weischkehmen dringend gebraucht. Er ist dort Gestütsmeister. Nach deinen Ferien und wenn hier alles geregelt ist, werde ich da mit ihm leben. Du bist ja noch ein Jahr bei Frau Wagenheim.«

»Dann kannst du, wenn du keine anderen Pläne hast, zu uns kommen«, warf Kurt ein.

»Ich werde nicht mehr in das Pensionat zurückkehren«, sagte Olga mit tonloser Stimme. »Es ist etwas Schreckliches passiert.«

Carla, die gerade noch etwas zu trinken holen wollte, blieb wie erstarrt stehen. »Um Gottes willen, Kind, was ist los?«

»Bitte glaub mir, an dem, was passiert ist, habe ich keine Schuld.« Und nun erzählte Olga alles: von der Hochzeit, von Magnus, in den sie sich hoffnungslos verliebt hatte, obwohl sie wusste, dass es nicht sein durfte. »Deshalb habe ich ihn nie erwähnt. Ich habe wirklich versucht, ihn zu vergessen«, sagte sie verzweifelt. »Und dann kam gestern Sofias und Magnus' Brief. Er ist doch praktisch verlobt, Mama, wie kann er mir denn so etwas schreiben«, sagte sie und begann zu weinen. Sie hatte ihrer Mutter den Brief gegeben, den diese nun, dicht an die Petroleumlampe haltend, laut vorlas.

»Wenn er ein Ehrenmann ist«, brach Kurt das darauffolgende Schweigen, »dann hat er vorher seine Verlobung gelöst. Und wenn nicht, vergiss ihn, Olga. Du bist noch so jung und genauso hübsch wie deine Mutter.« Er strahlte seine Frau an. »Glaub mir, ein anderer Prinz wird dein Herz erobern und dich auf sein Schloss entführen.«

Er ist nett, der neue Mann meiner Mutter, dachte Olga, ich mag ihn. »Verstehst du, Mama, dass ich niemals in das Pensionat zurück kann?«, sagte sie jetzt. »Erstens verbietet es die Hausordnung, auch wenn Frau Wagenheim mir glaubt, dass ich unschuldig bin. Jeder wird inzwischen von dem skandalösen Brief wissen. Und das Fräulein Kremer wird mir das ›vertrocknet‹ niemals verzeihen und mir das Leben zur Hölle machen.« Bei dem Gedanken an die empörte Lehrerin musste sie schon wieder lachen. »Sie ist wirklich ein Besen. Irma nennt sie eine alte Hexe.«

Kurt hatte sich erhoben. »Ihr Lieben, morgen ist auch noch ein Tag. Vor meiner Abreise komme ich vorbei, und wir besprechen, was zu tun ist. Gute Nacht, Liebste«, sagte er und umarmte seine Frau. Dann wandte er sich an Olga: »Sei nicht traurig, Kleines. Glaub mir, das Leben geht weiter, und alle Probleme lösen sich ganz von allein.«

Es dämmerte bereits, als Olga, vollkommen erschöpft, in einen traumlosen Schlaf fiel.

1871

Die Trauung von Magnus und Olga fand in Magnus' Stadthaus am Berliner Tiergarten statt. Dem Ereignis waren turbulente Wochen vorausgegangen. An dem Morgen, als Kurt sich von seiner neuen Familie verabschiedete, hatte er Olga in die Arme genommen. »Sei nicht so traurig, kleines Mädchen. Spätestens in einem Monat kommt Carla zu mir nach Weischkehmen. Sie könnte mir keine größere Freude machen, als dich mitzubringen.«

»Danke.« Olga schluckte ihre Tränen herunter. »Ich danke dir sehr.«

Einige Tage später, es war ein heißer Tag, und in dem kleinen Haus herrschte eine stickige Hitze, saß Olga mit ihrer Mutter in der mit Efeu bewachsenen Laube, die unter einer großen Linde stand. Dort war es angenehm kühl. Den ganzen Tag hatten sie Kisten gepackt, aussortiert, was mit sollte nach Ostpreußen und wovon sie sich trennen wollten. Erinnerungen an Ellart von Oerzen wurden wach, und einige Tränen waren vergossen worden. Olgas anfänglicher Kummer über das unrühmliche Ausscheiden aus dem Pensionat und den skandalösen Brief von Magnus war der Vorfreude auf ihr neues Leben gewichen. Carla hatte ihren Stickrahmen genommen, sie konnte einfach nicht untätig sein. Sie begann zu erzählen. »Nach all dem, was ich von Kurt über Ostpreußen gehört habe, muss es dort herrlich sein. Ein unendlich weites Land mit furchtbar netten Menschen. Nach dem Tod von Kurts Frau haben sich die Goelders, ihnen gehört Weischkehmen, seiner angenommen. Inzwischen sind sie befreundet, und er nimmt auch an ihrem gesellschaftlichen Leben teil. Er hat mir erzählt, sie hätten zwei reizende kleine Jungen und wünschten sich sehnlichst noch eine Tochter.« Sie schwieg eine Weile. »Du weißt, er ist dort Gestütsmeister und liebt seine Tiere sehr. Es geht ihm schrecklich zu Herzen, wenn einer seiner Lieblinge krank ist oder sogar stirbt.«

»Er ist nett, dein Kurt«, sagte Olga. »Ich mag ihn und freue mich wirklich sehr für dich, Mama.«

In dem Moment hörten sie vor dem Haus eine Kutsche halten. »Wer mag das denn sein?«, fragte Carla erstaunt. »Willst du mal nachsehen, Liebes?«

Olga war schon aufgesprungen und um das Haus geeilt. »Magnus …!«, hörte Carla ihre Tochter rufen. Sie ließ den Stickrahmen sinken. Sollte das wirklich …?

Olga kam mit einem jungen, hoch gewachsenen Mann an der Hand auf die Laube zu. Ihr Gesicht glühte. »Mama, das ist Magnus von Berg«, sagte sie strahlend. »Er ist hier, um bei dir um meine Hand anzuhalten.«

Als Magnus seiner Mutter mitgeteilt hatte, dass er nicht gedachte, Katharina von Wüst zu heiraten, hatte sie ihm eine schreckliche Szene gemacht. »Ich bin nicht mit ihr verlobt«, hatte er auf die Vorwürfe geantwortet, er würde ein Versprechen brechen. »Ich mag Katharina, ohne Zweifel«, sagte er, »und vor einiger Zeit war ich auch noch bereit, deinem Wunsch nach dieser Verbindung nachzukommen. Aber ich habe mich verliebt und werde alles daran setzen, Olga von Oerzen zu meiner Frau zu machen.«

»Wer ist denn dieses Mädchen überhaupt, ich habe den Namen noch nie gehört. Hat sie Vermögen?«

»Nein, soweit ich weiß, hat sie nicht einmal eine Mitgift«, antwortete er. »Was ist daran so wichtig?«

»Du scheinst zu vergessen, wie reich Katharina ist. Euer beider Vermögen würde dich zu einem mächtigen Mann machen.«

Magnus sah seine Mutter verständnislos an. »Du glaubst doch nicht etwa, ich hätte Katharina ihres Geldes wegen geheiratet? Du kennst mich wirklich schlecht.« Er hatte sich erhoben und ging erregt auf und ab. »Ich will nicht ohne Liebe leben wie du, Mama«, sagte er kalt. »Übrigens, ich habe Geld genug. Und vergiss nicht, Hainwerder gehört mir.«

Dieser Stachel saß tief bei der alten Baronin. Sein Vater hatte es allein ihm vererbt und seiner Frau nur lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Bei einer Verehelichung von Magnus sollte ihr der linke Seitenflügel zugewiesen werden. Seine Mutter hatte ihm mit versteinertem Gesicht zugehört. So hatte Magnus noch nie mit ihr gesprochen.

»Mein Entschluss steht fest. Ich werde noch heute nach Potsdam abreisen und um ihre Hand anhalten«, fuhr er fort. »Vorher allerdings werde ich Katharina informieren. Sie hat ein Recht, es von mir persönlich zu erfahren. Das bin ich ihr schuldig.«

Die Baronin hatte sich wieder gefasst. »Wann hast du die Absicht, diese … dieses Mädchen zu heiraten? Soll das Ganze etwa hier auf Hainwerder stattfinden?« Ihre Augen funkelten böse in ihrem wächsernen Gesicht.

»Eigentlich hatte ich das vor«, sagte Magnus ruhig, »aber unter diesen Umständen werde ich meine Pläne ändern. Ich lasse dich wissen, wann und wo die Vermählung stattfindet.

Es liegt an dir, ob du daran teilnimmst.« Er war, ohne seiner Mutter die Hand zu reichen, zur Tür gegangen, und bevor er sie behutsam hinter sich schloss, sagte er noch: »Sollte ich dich vor meiner Abreise nicht mehr sehen, dann leb wohl.«

Als die Kutsche vorfuhr, um ihn zur Bahnstation zu bringen, ließ ihm seine Mutter von ihrem alten Diener ausrichten, sie sei unpässlich und könne ihn nicht persönlich verabschieden, wünsche ihm aber eine gute Reise.

»Leben Sie wohl, Herr Baron«, sagte der Diener betrübt. »Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute.«

Magnus musste lächeln. In diesem Schloss haben die Wände Ohren, dachte er. Wahrscheinlich hatte sich der Streit mit seiner Mutter bereits Wort für Wort in der Küche herumgesprochen, war von dort in das Gesindehaus weitergetragen worden und würde in der nächsten Zeit für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Er wusste, seine Mutter war im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater und ihm beim Personal nicht sehr beliebt. Sie war eine geborene Prinzessin Lutkowa aus dem Baltikum und hatte sehr reich, aber nicht standesgemäß geheiratet und das ihr Leben lang nicht verwunden. In ihrer Jugend war sie eine Schönheit gewesen, und ihr Mann hatte sie vergöttert. Aber sie hatte ihn nicht geliebt, und so war die Ehe nicht sehr glücklich gewesen. Aber auch Magnus' und Olgas Verbindung sollte unter keinem guten Stern stehen.

Die Hochzeit fand in kleinstem Kreis statt. Sofia und Alfred von Benning fungierten als Trauzeugen. Sofias Eltern, Irma, die extra ihre Ferien in Weimar unterbrach, und ein paar enge Freunde von Magnus waren dabei. Und natürlich Olgas Mutter, die in ein paar Tagen Potsdam für immer verlassen würde. Kurt war leider in Weischkehmen unabkömmlich, was Olga von Herzen bedauerte. Die alte Baronin von Berg war, wie erwartet, der Hochzeit ferngeblieben. In einem höflichen Brief bedauerte sie, nicht kommen zu können. Sie fühle sich gar nicht wohl und könne deshalb unmöglich eine so beschwerliche Reise antreten. Sie wünsche dem Brautpaar alles Gute. Die Kälte dieses Briefes war ein unglaublicher Affront. Die Einzige, die das nicht störte, war Olga. Sie schwebte auf Wolken, nichts, aber auch gar nichts konnte ihr Glück trüben. Zur Hochzeit hatte Magnus ihr einen großen Diamantring geschenkt. Ein Stück von erlesener Schönheit. Nicht einmal Sofia besaß ein vergleichbares Schmuckstück!

 

Bald kam der erste Brief ihrer Mutter aus Weischkehmen, dem noch viele folgen sollten.

Meine geliebte Tochter, die Reise hierher war recht anstrengend, obwohl die erste Klasse doch ganz komfortabel war. In Thorn und Alienstein musste ich umsteigen, aber dann ging es direkt bis nach Insterburg. Kurt holte mich in einer offenen Kutsche ab. Das Wetter war herrlich, und so konnte ich die Fahrt durch die wunderschöne Landschaft richtig genießen. Diese unendliche Weite, die leuchtenden Kornfelder und saftigen Weiden – die ganze Landschaft ist von einer unglaublichen Schönheit. Ich bin tief beeindruckt. Weischkehmen ist noch viel schöner, als Kurt es beschrieben hat! Nicht nur das Herrenhaus und der Garten, auch unser neben den Stallungen liegendes kleines Haus – alles ist bewachsen mit wilden Rosen. Sie stehen gerade in voller Blüte, und es duftet und leuchtet, dass einem ganz schwindelig werden kann vor lauter Wonne.

Die Goelders sind reizende Leute. Gleich am Tag unserer Ankunft haben sie zu meinem Empfang ein Abendessen gegeben. Ich fühle mich hier sehr willkommen. Ist das nicht schön? Goelders haben zwei nette kleine Jungen. Carl, er ist sechs und ein rechter Wildfang, und Georg, zwei Jahre jünger, der mir ein wenig stiller scheint. Kurt ist sehr lieb zu mir. Ich habe wieder angefangen zu reiten. Ich bin glücklich, mein Kind. Schreib mir bald, wie es dir so ergeht in der »großen Welt«. Liebe Grüße, auch von Kurt, an euch beide.

Deine dich sehr liebende Mutter.

 

Die Bergs führten ein luxuriöses Leben. Es war der Beginn der Gründerzeit, und Magnus begann durch Beteiligungen an aufstrebenden Industrieunternehmen sein ererbtes Vermögen noch beträchtlich zu vergrößern. Nicht einmal der spätere Niedergang einiger Unternehmen im Jahr 1874 sollte ihm finanzielle Einbußen bringen. Er betete seine junge, schöne Frau an. Sie war nicht nur geistreich und amüsant, sie war auch eine wundervolle Geliebte, die ihn alle seine früheren Amouren vergessen ließ. Ihre Nächte waren voller Leidenschaft, und oft krochen die ersten Sonnenstrahlen durch die geschlossenen Seidenvorhänge, wenn sie endlich in einen erschöpften Schlaf fielen. Magnus überhäufte Olga mit teuren Kleidern und Juwelen. Zu ihrem siebzehnten Geburtstag überraschte er sie mit großen Diamantohrringen, passend zu ihrem Ring, seinem Hochzeitsgeschenk. Es verging kein Abend ohne Theater- oder Opernbesuche oder eine Einladung zu großen Diners oder Soiréen. Jeder wollte die junge Frau kennenlernen, die den begehrten Magnus von Berg so fasziniert hatte, dass er sie dermaßen überstürzt und ohne angemessene Verlobungszeit geheiratet hatte.

Vor Kurzem waren sie bei Hofe eingeladen gewesen. Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte sich wohlwollend geäußert über die »entzückende kleine Berg«, was ihm einen strengen Blick seiner Gattin Victoria einbrachte. Magnus nahm sich vor, seiner Mutter davon zu berichten, vielleicht würde die ungeliebte Schwiegertochter in ihren Augen dadurch etwas aufgewertet.

Im Tiergarten, ganz in der Nähe seines Hauses, besaß Magnus einen Reitstall, in dem er mehrere Pferde stehen hatte. Fast täglich ritten er und Olga zusammen aus. Sie liebte es, bei Wind und Wetter durch den Wald zu galoppieren. Kein Hindernis war ihr zu hoch, um übersprungen zu werden. Sie war wild und von ungezügeltem Temperament. Magnus war fasziniert von ihr.

Anfänglich sahen sich Sofia und Olga regelmäßig, vor allem bei den abendlichen Gesellschaften, aber seit Sofia schwanger war, wurden ihre Treffen seltener. Die eine war erfüllt vom Glück einer werdenden Mutter mit den dazugehörigen Begleiterscheinungen wie gelegentlichem Unwohlsein und Müdigkeit, die andere konnte an nichts anderes denken als an ihr Vergnügen und kostete das neue aufregende Leben in vollen Zügen aus.

Am Morgen hatte Magnus eine Note von Alfred von Benning erhalten. »Es tut mir leid, mein Herz«, sagte er bedauernd. »Alfred will mich sehen. Es scheint dringend zu sein. Du musst allein ausreiten.«

Olga, die bereits ihr Reitkostüm anhatte, lächelte ihn an. »Das ist schade, Liebster, aber kein Problem. Ich werde Sofia besuchen. Wir haben uns ewig nicht gesehen.«

Sofia von Benning saß in ihrem an das Schlafzimmer angrenzenden hellblauen Boudoir, vor sich ein üppiges Frühstück. Sie hatte noch keine Toilette gemacht. Es war ja reichlich Zeit, bis Alfred zum Mittagessen nach Hause kommen würde. Sie verschlang gerade die dritte Fortsetzung des tragischen Liebesromans Goldelse von Eugenie Marlitt in der neuesten Ausgabe der Gartenlaube, als Olga hereinstürmte. Sofia erhob sich, so schnell es ihre Leibesfülle erlaubte, und empfing ihre Freundin mit offenen Armen. »Olga, wie schön, dich zu sehen. Was für eine Überraschung.« Zu dem Diener, der wartend mit vorwurfsvollem Gesicht an der Tür stand – die Baronin hatte es abgelehnt, sich anmelden zu lassen! –, sagte sie: »Bitte, Wilhelm, bringen Sie noch ein Gedeck. Du frühstückst doch mit mir, Olga?«

»Nein danke, das habe ich vorhin schon ausgiebig mit Magnus getan. Aber ich nehme gern eine Tasse Tee.« Sie lachte. »Schließlich will ich nicht so kugelrund werden wie du. Langsam wirst du ja zu einer kleinen Tonne.«

»So ist das eben, wenn man schwanger ist. Warte nur, wenn es bei dir so weit ist.«

»Hoffentlich nicht so bald.« Olga verdrehte die Augen. Eine Schwangerschaft war das Letzte, was sie sich jetzt wünschte. Aber süß sah sie aus, ihre Freundin, wie sie da thronte, ihr Bauch verhüllt von einem weiten rosafarbenen Negligé, mit den wilden roten Locken, die ihr ungebändigt bis über die Schultern fielen.

Sofia hatte sich wieder in ihren Sessel gekuschelt. »Nun erzähl mal, was so los ist in Berlin und was ich in den letzten Wochen alles versäumt habe. Wie geht es übrigens deiner Mutter? Ist sie gut angekommen in Ostpreußen?«

»Ja, sie ist ganz begeistert. Die Goelders sind reizend, mit Frau Goelder hat sie sich schon angefreundet. Und Kurt liebt und verwöhnt sie. Ich bin sehr froh, dass sie noch einmal ihr Glück gefunden hat. Und Weischkehmen muss wunderschön sein, alles ist bewachsen mit wilden Rosen, und sie will, dass wir sie möglichst bald besuchen.«

»Na, dann nichts wie hin«, sagte Sofia und lachte hell auf, »bevor du tatsächlich schwanger wirst.«

»Nun mal den Teufel nicht an die Wand.« Olga wurde leicht ungehalten. Warum sollten plötzlich alle Kinder kriegen, nur weil Sofia das so herrlich fand! »Magnus sagt, sobald es seine Geschäfte erlauben, werden wir Mama besuchen.« Ihr Unmut war sofort wieder verflogen, und sie begann jetzt den neuesten Klatsch aus dem Pensionat zu erzählen, mit dem Irma sie ständig versorgte. »Stell dir vor, die Kremer ist geflogen.«

»Wie geflogen?« Sofia verstand nicht.

»Na, die Wagenheim hat sie rausgeschmissen.«

»Warum?«

»Die Kremer hatte wieder mal ein Mädchen besonders schikaniert, und das war nicht so ein Lämmchen wie ich.« Olga lachte. »Das hat ihr eine freche Antwort gegeben. Daraufhin hat die Kremer ihm eine geknallt. Das Mädchen hatte eine geplatzte Augenbraue und ein blaues Auge. Der Arzt musste kommen und die Kremer gehen. Sie wäre als Pädagogin untragbar, hat die Wagenheim gebrüllt.«

»Da wird Irma aber froh sein«, meinte Sofia schmunzelnd. »Sie hat die Kremer doch gehasst.«

»Das stimmt. Und noch eine gute Nachricht. Du weißt doch, dass die Arme von ihren Eltern mit einem uralten Mann verlobt wurde. Fast fünfzig war der!« Sie machte ein angeekeltes Gesicht.

»Was heißt ›war‹?«, fragte Sofia.

»Er ist gestorben. Irma ist selig! Jetzt kann sie, ohne ungehorsam zu sein, erstmal abwarten.« Olga hatte ihre Stimme gesenkt. »Sie korrespondiert, natürlich postlagernd, mit einer Louise Otto, einer Feministin. Du kennst ja ihre revolutionären Ideen!«

»Ja, natürlich …« Sofia rollte mit den Augen. »Woher kennt sie überhaupt solche Leute?«

»Im Zug nach Weimar hat sie eine liegen gelassene Zeitung gefunden. Ich glaube, das Sächsische Tageblatt oder so ähnlich. Und darin hat sie in einem Artikel dieser Frau Otto gelesen, dass Frauen mehr Rechte haben sollten und sich zusammenschließen müssen. Das war natürlich Wasser auf ihre Mühlen. Ich glaube, ihr Problem ist, dass sie zu viel Verstand hat.«

Sofia machte ein bedenkliches Gesicht. Mit dieser neumodischen Frauenbewegung hatte sie nicht viel im Sinn, und Irmas Probleme fingen an, sie zu langweilen. »Die täte gut daran, sich einen netten Mann zu suchen, anstatt die Welt verbessern zu wollen«, sagte sie und wechselte schnell das Thema.

Während sie tratschten und lachten, saß Magnus bei Alfred in dessen Büro. »Was gibt es so Dringendes, mein Lieber?«, fragte er seinen Freund.

»Setz dich erstmal. Was nimmst du, Cognac oder Kaffee?«

»Erstmal Kaffee«, antwortete Magnus. »Ich will alle meine Sinne beisammenhaben, wenn du mich so dringend sehen möchtest.«

Die beiden hatten sich jeder eine Zigarre angezündet, der Kaffee war serviert, und Alfred begann. »Du weißt von Bismarcks Plänen bezüglich des Kurfürstendamms?«

»Natürlich, die Presse berichtet ja ständig darüber. Eine Champs-Élysées will er bauen.« Er lachte.

»Die Idee ist gar nicht so schlecht«, warf Alfred ein. »Eine Prachtstraße vom Tiergarten bis zum Grunewald würde unserer ständig wachsenden Stadt ein neues Gesicht geben. Schließlich haben wir jetzt einen Kaiser, und Berlin würde bei Staatsbesuchen ganz anders dastehen.« Sie schwiegen eine Weile. »Du weißt, ich habe meine Verbindungen«, nahm Alfred das Gespräch wieder auf. »Bismarck hat dem Kabinett bereits die Breite des auszubauenden Kurfürstendamms mit dreiundfünfzig Metern zwischen den Häuserfronten vorgelegt – für Vorgärten, Fußgänger- und Reitweg sowie eine Mittelpromenade und eine Fahrbahn. Man geht davon aus, dass das Kabinett es bald genehmigt.« Er musste lächeln. »Das ist zwar bei Weitem nicht so breit wie die Champs-Élysées, aber doch ganz beachtlich, was aus dem Knüppeldamm einmal werden soll.«

»Wieso Knüppeldamm?« Magnus blickte ihn fragend an.

»Ach, das weißt du nicht? In früheren Zeiten hieß der Kurfürstendamm Knüppeldamm. Einem Kurfürsten war der Tiergarten als Jagdrevier zu klein geworden. Er ließ sich im Grunewald das Jagdschloss Zum grünen Wald bauen. Daher auch der Name Grunewald. Natürlich musste von dort eine Verbindung zum Berliner Stadtschloss geschaffen werden. Da der Weg durch zum Teil sumpfiges Gelände führte, wurde er mit Knüppeln befestigt, damit die kurfürstlichen Reiter nicht im Morast versanken. Und irgendwann benannte ein Kurfürst den Knüppeldamm um in Kurfürstendamm.«

»Interessant«, sagte Magnus, »da habe ich ja wieder etwas dazugelernt. Aber um mir das alles zu erzählen, hast du mich doch sicher nicht herbeordert.«

»Nein, natürlich nicht. Jetzt wird es erst richtig interessant. Wie du weißt, scheiterte bisher der Ausbau der Straße an der Finanzierung. Bismarck wird die Genehmigung vom Kongress nur unter der Bedingung bekommen, dass er eine private Finanzierung auf die Beine stellt. Gestern also war mein Freund John Booth hier. Du weißt, der Besitzer der großen Baumschule.«

Magnus nickte.

»Er ist der Vertrauensmann eines Bankenkonsortiums unter der Leitung der Deutschen Bank.« Alfred holte tief Luft. »Man hat mich, beziehungsweise unsere Bank, aufgefordert, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Willst du mit einsteigen?«

»Wo ist der Profit?« Magnus blickte seinen Freund skeptisch an.

»Habe ich dir jemals ein Geschäft ohne Gewinn vorgeschlagen?« Alfred musste lachen. Niemand in der Berliner Gesellschaft ahnte auch nur im Geringsten, was für ein gerissener Geschäftsmann der schöne, charmante Baron von Berg war.

»Nun sag schon, mach es nicht so spannend.« Magnus war gespannt, was sein Freund ihm anbieten würde.

»Also hör zu. Das Konsortium erhält als Sicherheit für die Finanzierung der Bauarbeiten ein Vorkaufsrecht für 234 Hektar Grunewaldgelände zur Anlage einer Villenkolonie. Das ist klug ausgedacht. Dann endet der neue Prachtboulevard nämlich nicht im Wald, sondern in einem neuen Siedlungsgebiet.« Alfred nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre. »Glaub mir, die Sache wird ein Riesengeschäft. Ich habe mir bereits eine Option auf zwei Grundstücke geben lassen. Eines am Haiensee und eines am Kurfürstendamm. Jetzt, wo Sofia ein Kind erwartet, wird unsere Wohnung in der Schlossstraße bald zu eng sein, die gesellschaftlichen Verpflichtungen werden immer größer. Ich werde mir dort ein Stadtpalais bauen.«

Die Männer rauchten einige Minuten schweigend. »Gut«, sagte Magnus schließlich. »Was meinst du, mit wie viel soll ich einsteigen?«

»Hunderttausend Goldmark dürften für den Anfang genügen.«

 

Die Morgensonne fiel, gefiltert durch das Maigrün des riesigen Kastanienbaumes vor dem geöffneten Fenster, in den hellen, mit zierlichen Biedermeiermöbeln eingerichteten kleinen Salon. Es war Olgas Lieblingszimmer, im ersten Stock ihres prachtvollen Hauses. Hier fühlte sie sich wohl, las stundenlang oder schrieb Briefe. Die Salons im Erdgeschoss, die Bibliothek und das riesige Speisezimmer, gedacht für große gesellschaftliche Anlässe, waren ihr für den täglichen Gebrauch zu pompös.

Wie jeden Morgen nahmen sie und Magnus ihr Frühstück hier in ihrem Salon ein. Olga war schlecht gelaunt. »Muss ich denn wirklich mit nach Hainwerder, Magnus?« Sie blickte ihn flehend an. »Du weißt doch, deine Mutter kann mich nicht ausstehen.«

»Sie kennt dich doch noch gar nicht, mein Schatz. Du wirst sehen, sie wird dich sofort in ihr Herz schließen.«

»Das wage ich zu bezweifeln.« Sie war aufgesprungen und lief, ihre Tasse in der Hand, im Zimmer auf und ab. Ihr Busen wogte unter dem leichten Musselinkleid, und das ovale, von braunen Locken umrahmte Gesicht, sonst von vornehmer Blässe, war vor Erregung leicht gerötet. »Sie wird mir nie verzeihen, dass ihr herrlicher Sohn, Schlossherr von Hainwerder, mich, die Tochter eines verarmten Landadeligen, der vermögenden Gräfin Pumpelmus vorgezogen hat. Sag ihr, ich bin unpässlich; sie wird entzückt sein.«

Magnus lächelte amüsiert. Reizend sah sie aus, seine kleine Frau, wenn sie so wütend war. »Sie heißt Katharina von Wüst, meine Süße, und nicht Pumpelmus! Ich hätte sie wahrscheinlich auch nicht geheiratet, wenn du mir nicht über den Weg gelaufen wärest. Und wie du weißt, ist sie inzwischen glücklich verlobt mit einem anderen Herrn. Wir sind wirklich in Freundschaft auseinandergegangen.« Er hatte Olga auf seinen Schoss gezogen. »Komm, sei ein liebes Kind. Mama hat uns zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie plant ein großes Fest. Der Herzog kommt mit seiner ganzen Familie. Es wäre ein zu großer Affront, wenn du nicht erscheinen würdest. Du wirst sehen, ihr werdet euch bald gut verstehen.«

Jetzt brach Olga in schallendes Gelächter aus. »Das glaubst du doch wohl selbst nicht! Aber gut, wenn dir so viel daran liegt, wann reisen wir ab?«

»Übermorgen. Und denk daran – große Toilette. Es gibt ein Konzert und einen Ball. Am Tag werden wir ausreiten, und sicher wird auch Krocket gespielt.«

»Gut, ich werde Anna Anweisung geben zu packen.«

Sie trafen am frühen Nachmittag in Hainwerder ein. Es war ein warmer Spätsommertag, und das Schloss präsentierte sich in erhabener Schönheit. Die breite Kiesauffahrt war gesäumt von üppig blühenden Rhododendronbüschen, und rechts und links des Eingangsportals standen große, mit bunten Blumen bepflanzte Amphoren. Mehrere Lakaien stürzten herbei, um das Gepäck abzuladen. Franz, der alte Diener, bereits im Frack mit weißer Weste, öffnete den Wagenschlag und begrüßte seinen Herrn und dessen junge Frau. Die große, mit edlen Teppichen ausgelegte Halle war angenehm kühl. »Die Frau Baronin hat Ihnen Ihre früheren Räume herrichten lassen«, sagte Franz, während er voraus die Freitreppe nach oben schritt. »Sie erwartet sie in einer Stunde im Blauen Salon.«

»Und wie ist das weitere Programm?« Magnus sah auf seine Taschenuhr.

»Ab fünf Uhr Tee auf der Terrasse, die Jugend wird Krocket spielen. Um sieben Empfang im Gartensaal, um acht Konzert, danach Diner im großen Speisesaal und anschließend der Ball im Blauen Salon.«

»Wie viele Gäste werden erwartet?«

»Wir haben Anweisung, für sechzig Personen zu decken. Sie wissen, dass der Herzog kommt?«

»Oh ja!« Magnus lachte vergnügt.

»Seit der Herr Baron in Berlin lebt, hatten wir keine so große Gesellschaft mehr«, fuhr Franz fort. Er räusperte sich verlegen. »Wir freuen uns alle sehr, Sie einmal wiederzusehen und die junge Frau Baronin kennenzulernen.«

»Danke, Franz.« Magnus sah erneut auf seine Uhr. »Sagen Sie meiner Mutter, wir werden pünktlich sein.« Es war drei Uhr, also wollte sie Olga erst einmal allein sehen. Und das im Blauen Salon, dem größten und beeindruckendsten Raum im ganzen Schloss. Das war wieder mal typisch für seine Mutter!

Während er mit dem Diener plauderte, hatte Olga sich staunend in Magnus' altem Reich umgesehen. Der ganze Raum war rot. Möbel, Teppiche, selbst die schweren Vorhänge trugen die Farbe eines gereiften Burgunders. Unter einem Kristalllüster stand ein schwerer Schreibtisch aus Ebenholz mit goldenen Beschlägen. An den Wänden befanden sich Regale mit in Leder gebundenen Büchern, auf den Buchrücken mit Gold eingestanzte Titel. Durch eine Tür sah sie ein breites Bett aus dunklem Holz, dessen gedrechselte Pfosten einen Baldachin aus rotem Samt trugen.

Sie trat an eines der hohen Fenster. Auf einem weitläufigen, kurz geschnittenen Rasen waren Lakaien damit beschäftigt, die kleinen eisernen Tore für das Krocketspiel aufzustellen. Schmale Kieswege führten zu einem von Trauerweiden umgebenen Teich, auf dem weiße Schwäne ihre Bahnen zogen. Am Rand der Wege, aufgereiht wie Soldaten, wuchsen kugelförmig geschnittene Buchsbäumchen, dazwischen waren Blumenrabatten in leuchtenden Farben angelegt.

Der Diener war gegangen, und Magnus trat hinter seine Frau. »Gefällt es dir?«, fragte er und legte die Arme um sie.

»Es ist wunderschön. Warum bist du von hier fortgegangen?«

»Ach weißt du, nachdem mein Vater gestorben war, hat mich nichts mehr hier gehalten. Meine Mutter ist kein sehr warmherziger Mensch. Meine Freunde waren ihr zu laut und wohl auch nicht fein genug.« Magnus war frei von jedem Dünkel. Das hatte er wohl von seinem Vater, dessen bester Freund sein Stallmeister war. »Das Schloss gehört zwar mir, wie du weißt, aber ich hatte keine Lust, mir ständig Vorhaltungen anzuhören über meinen nicht standesgemäßen Umgang. Und die alten pensionierten Hofdamen, Geheimräte und Offiziere, die täglich beim Whistspiel oder anderen Vergnügungen hier rumsitzen, haben mich zu Tode gelangweilt.«

»Und nun bringst du auch noch eine nicht standesgemäße Frau in dieses herrliche Haus.« Olga lachte. »Deine Mutter muss ja Qualen ausstehen.« Sie hatte sich von Magnus gelöst. »Gehen wir uns umkleiden, sonst kommen wir zu spät zur Audienz«, spottete sie. »Dann habe ich ja noch schlechtere Karten.«

Ihre lockeren Reden konnten Magnus nicht täuschen. Er sah ihr an, dass sie Angst hatte vor der ersten Begegnung mit seiner Mutter.

Der Blaue Salon war ein Saal von beträchtlicher Größe. Die mit mattblauem Damast bezogenen Sitzmöbel standen aufgereiht an den weißen, mit Gold eingefassten Wänden, dazwischen befanden sich hohe Palmen und Säulen mit üppigen Blumengestecken. Am Ende des langen Raumes stand Tatjana von Berg hoch aufgerichtet in einer hellgrauen Taftrobe; auf dem aufgetürmten weißen Haar lag ein Spitzentuch in der Farbe des Kleides. Sie war eine imposante Erscheinung. Olga hatte sich für ein weißes Musselinkleid entschieden, am Gürtel eine rosa Rose. In ihrer weiß behandschuhten Hand hielt sie einen weißen Sonnenschirm aus Brüsseler Spitze, der mit rosa Seide gefüttert war. Sie sah bezaubernd aus.

Während sie den etwa dreißig Meter langen Raum durchschritten, dachte Magnus, dass seine Mutter sich das wirklich fein ausgedacht hatte, und zu Olga sagte er leise: »Keine Angst, Liebling, sie beißt nicht, auch wenn es so aussieht.«

In letzter Sekunde machte die alte Dame einen Schritt auf die beiden zu und wandte Magnus ihre Wange zur Begrüßung zu. Ihre Hände hielt sie in den üppigen Falten ihres Rockes verborgen, als wollte sie eine Umarmung vermeiden. »Wie schön, dass du kommen konntest, Magnus«, sagte sie. Dann reichte sie ihrer Schwiegertochter langsam eine beringte weiße Hand. »Willkommen auf Hainwerder«, hörte Olga, die sich mit einem tiefen Knicks über die knochigen kalten Finger beugte. Später erzählte sie Sofia, dieses »Willkommen« hätte geklungen, als hätte ihre Schwiegermutter vorher einen Giftbecher gemixt.

Während sie Platz nahmen, war Franz mit einem Tablett voller kühler Getränke lautlos durch eine kleine Seitentür hereingekommen. Die Baronin begann locker zu plaudern. »Weißt du, Magnus, das ganze Haus ist voller Unruhe. Überall Personal. Es kommen ständig Gäste an. Hier ist der einzige Raum, in dem wir uns ungestört unterhalten können. Wie du siehst, ist er schon für den Ball hergerichtet.«

»Du willst dich doch wohl nicht bei mir beklagen«, sagte Magnus spöttisch, »das Fest war schließlich deine Idee. Übrigens herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag.«

»Ach, in meinem Alter sollte man so einen Tag gar nicht mehr feiern.« Die alte Dame machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du weißt, dass der Herzog mit seiner Familie kommt? Er bringt seinen Hausgast mit, den berühmten Johannes Brahms. Er wird uns heute Abend einige seiner Kompositionen vorspielen.« Sie wandte sich Olga zu. »Sie werden wohl noch nicht von ihm gehört haben.«

Olgas Gesicht wurde eine Spur blasser. Sie richtete sich zu voller Größe auf. »Da muss ich Sie enttäuschen, Frau Schwiegermutter. Ich kenne Herrn Brahms persönlich aus den Salons der Herzbergs und der Fanny Lewald.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Ich nehme an, Sie haben von ihr noch nicht gehört.«

»In der Tat, nein«, sagte die Baronin leicht irritiert. Der Ton dieser jungen Person gefiel ihr überhaupt nicht. Offensichtlich musste sie schwereres Geschütz auffahren, um sie in die Schranken zu weisen. »Und was macht man sonst so in dem Salon der Frau Lewald. Tauschen Sie Stickmotive aus oder …?«

Olga unterbrach sie. »Nein, wir sticken nicht und sprechen auch nicht über Kochrezepte. Wir sprechen über die Gleichberechtigung der Frauen und diskutieren Aussprüche von Schlegel, nämlich dass, solange die Männer roh sind, die Frauen kokett bleiben müssen, was uns so gar nicht behagt. Oder von Nietzsche, der empfiehlt: ›Gehst du zum Weibe, vergiss die Peitsche nicht.‹ Aber vielleicht haben Sie Letzteres zufällig gelesen und falsch interpretiert.«

Magnus sah seine Frau entgeistert an. Nun war sie entschieden zu weit gegangen! Das Gesicht seiner Mutter überzog sich mit einer wächsernen Blässe. Sie wandte sich an ihren Sohn, als wäre außer ihnen beiden keine weitere Person im Raum. »Ich bitte doch dem Herzog gegenüber um den nötigen Respekt.«

Das brachte Magnus zum Lachen. »Du scheinst meinen letzten Brief nicht bekommen zu haben, Mama. Wir verkehren in Berlin bei Hofe. Letzte Woche hat der Kronprinz lange mit Olga geplaudert.«

Die warf ihm einen dankbaren Blick zu. Sie kochte. Das Ganze war ja schlimmer als erwartet.

In dem Moment stürzte eine hoch gewachsene junge Frau im Reitkostüm herein. »Ah, da kommt ja Katharina!«, rief die Baronin, und zu Magnus gewandt sagte sie: »Ich dachte, du würdest dich freuen, sie zu sehen.« Mit ausgebreiteten Armen ging sie ihrem Gast entgegen.

Olga erstarrte. Was hatte die alte Hexe sich denn noch ausgedacht, um sie zu demütigen? Das war wirklich der Gipfel. Sie erhob sich. Abreisen wollte sie, sofort! Aber ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war die junge Frau mit offenen Armen auf sie zugegangen. »Du bist also Olga«, sagte sie. »Du bist noch hübscher, als Magnus dich mir beschrieben hat.« Sie strahlte Olga an. »Weißt du überhaupt, vor was für einer Dummheit du uns beide bewahrt hast?«

Hinter ihr hatte ein stattlicher Mann in Magnus' Alter den Saal betreten. »Das ist Heino von Wallersdorf, mein Verlobter. Wir heiraten in zwei Monaten. Ich bestehe darauf, dass ihr zu unserer Hochzeit kommt.«

Die Baronin wahrte mühsam die Contenance. Das hatte sie sich alles ganz anders vorgestellt. Mit einem schiefen Lächeln verabschiedete sie sich von den jungen Leuten, die sich bereits blendend unterhielten. »Lasst euch nicht stören, Kinder«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Ich muss mich noch ein wenig ausruhen, bevor wir den Tee nehmen.« Sie verschwand durch die Seitentür, und außer Magnus merkte niemand, dass sie einer Ohnmacht nahe war.

 

»Liebling, ich fürchte, du bist vorhin ein wenig zu weit gegangen«, sagte Magnus, als sie sich für den Abend umzogen.

»Verzeih, Liebster, du magst recht haben. Aber du musst zugeben, deine Mutter hat mich behandelt wie eine dumme, dahergelaufene und unerzogene Gans. Ich konnte nicht anders, ich musste mich wehren. Die Fronten sind jetzt geklärt. Ich werde niemals mehr hierherkommen. Es tut mir leid.«

Er nahm sie in seine Arme. »Du bist einfach unwiderstehlich, wenn du wütend bist.« Anstatt ihr das Mieder zuzuhaken, worum sie ihn gebeten hatte, warf er es zu Boden. »Komm«, sagte er mit rauer Stimme, »einen Moment haben wir noch Zeit.« Er begann, ihre Brüste zu streicheln, dann glitten seine Hände tiefer.

Sie hatte die Augen geschlossen und bedeckte seinen Hals und seine Brust mit kleinen feuchten Küssen. »Nimm mich«, stöhnte sie. »Schnell, nimm mich.«

Sie liebten sich erst im Stehen, dann trug er sie zu dem Himmelbett. Die Welt um sie herum versank.

Aller Unmut fiel endgültig von Magnus ab, als seine Frau fertig angekleidet vor ihm stand. Sie sah hinreißend aus. Sie trug eine Robe aus mit Reseda gefärbtem Seidenstoff, die eine nicht allzu lange Schleppe besaß. Weite, offene mit einer gleichfarbigen Spitze gefütterte Ärmel fielen bis über ihre Hüfte herab und ließen ihre zarten Arme frei. Das viereckige Dekolleté über dem eng geschnürten Oberteil verhüllte nur knapp die weißen üppigen Brüste. Lange, tropfenförmige, mit Diamanten besetzte Smaragdohrringe machten das Bild komplett.

»Wenn du meine Mutter nicht umbringst, ich meine, verbal«, flüsterte Magnus ihr ins Ohr, »dann nehme ich dich mit.«

Sie schritten die Treppe hinunter, als der Herzog mit seiner Entourage die Halle betrat. Während die Baronin ihn überschwänglich begrüßte, erblickte er Magnus und Olga, die auf der letzten Stufe der Treppe stehen geblieben waren, um die Begrüßung nicht zu stören. »Magnus«, rief der Herzog laut, den Redestrom seiner Gastgeberin unterbrechend, »wie schön, Sie auch einmal wiederzusehen! Und was haben Sie für eine bezaubernde Frau. Warum haben Sie sie uns denn so lange vorenthalten?« Er war auf die beiden zugegangen.

Olga versank in einen tiefen Knicks, und Magnus blickte in Richtung seiner Mutter, die fassungslos zu ihnen herübersah. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen, und ihre Lider zuckten. Das Ganze dauerte nur Sekunden, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt und fuhr fort, die anderen Gäste willkommen zu heißen.

»Du hast ihr unbewusst den Todesstoß versetzt«, sagte Magnus, als sie durch die Salons in den Gartensaal schritten. »Nach dem Auftritt eben wird sie dich in Ruhe lassen. Einen Augenblick dachte ich, sie fällt tot um.«

Der Abend war für Olga ein durchschlagender Erfolg. Alle waren entzückt von ihr, und ihre Tanzkarte war im Nu voll. Sogar der Herzog hatte sich als einer der Ersten eingetragen. Johannes Brahms gab ein umjubeltes Konzert. Schon bei dem Empfang hatte er Olga angesprochen. »Ich meine, Sie zu kennen, gnädige Frau«, hatte er gesagt, »bitte helfen Sie mir herauszufinden, woher.«

»Ich verkehre im Salon der Herzbergs in Berlin und habe Sie dort spielen gehört. Damals war ich noch unverheiratet. Darf ich Sie mit meinem Mann, Baron von Berg, bekannt machen?«

»Ah, jetzt entsinne ich mich. Sie waren zusammen mit Ihrer reizenden rothaarigen Freundin dort und besuchten damals ein Mädchenpensionat in Berlin.«

»Ja«, sagte Olga, »Sofia Herzberg ist meine Freundin, und inzwischen sind wir beide glücklich verheiratet.«

All das wurde von der Baronin mit Argusaugen beobachtet. Aber sie bewahrte Haltung. Bei den Glückwünschen zu ihrer entzückenden Schwiegertochter sagte sie: »Ja, sie ist wirklich bezaubernd«, und wechselte sofort das Thema.

Magnus und Olga reisten am nächsten Morgen ab. Seine Mutter wünschte noch nicht gestört zu werden, und so schrieb Magnus ihr eine kurze Notiz. Dringende Geschäfte riefen ihn zurück nach Berlin. Schließlich konnte er ihr nicht sagen, dass seine Frau keine Stunde länger mit ihr unter einem Dach bleiben wollte. Eine Empfehlung von seiner Frau, das Fest wäre wundervoll gewesen, fügte er noch hinzu, und wenn sie ihn brauche, möge sie depeschieren, er würde dann sofort kommen. Dass sie von weiteren Einladungen Abstand nehmen möge, unterließ er zu erwähnen, obwohl Olga darauf bestanden hatte. »Es reicht.« Magnus lachte. »Sie hat auf der ganzen Linie verloren. Du warst der Erfolg des Abends. Katharina ist geradezu vernarrt in dich, und vom Herzog will ich gar nicht reden. Das verwindet meine Mutter nie.«

 

Zurück in Berlin, erwartete sie ein Stapel Post: Einladungen zu den Portalis, den Arnims und Königsmarcks, zu Theater- und Opernpremieren und ein dicker Brief von Olgas Mutter aus Ostpreußen. Obenauf lag die Geburtsanzeige von Sofias und Alfreds Tochter. Sie musste mit der heutigen Post gekommen sein. »Es ist ein Mädchen und heißt Nina!«, rief Olga. »Gleich morgen werde ich Sofia besuchen und ihre Brut begutachten.«

Während Magnus die Börsenzeitung studierte, las Olga den Brief ihrer Mutter. Wann besucht ihr uns endlich?, schrieb sie. Die Rosen beginnen zu verblühen, und der Herbst kündigt sich bereits mit wilden Stürmen an. Aber noch ist es herrlich, die Tage sind warm, und die Baumfärbe gibt der Landschaft ein ganz anderes Gesicht. Bald beginnt die Jagdsaison, und unsere Freunde, die Goelders, würden sich über euren Besuch fast so freuen wie wir.

Olga hielt im Lesen inne. »Mama fragt, wann wir sie endlich besuchen kommen.«

Magnus blickte von seiner Lektüre auf. »Demnächst ist die Taufe bei Bennings, dann die Hochzeit von Katharina und Heino in Pommern, und dazwischen muss ich dringend nach Hamburg. Du weißt, ich habe dort Beteiligungen an einer Reederei.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht. »Und das Kurfürstendammprojekt wird in Kürze in Angriff genommen. Ich fürchte, in diesem Jahr wird es wohl nichts mehr. Im Winter nach Ostpreußen zu reisen macht wenig Sinn. Es soll dort schrecklich kalt sein. Schreib deiner Mutter, dass wir im nächsten Jahr kommen, bestimmt.« Keiner konnte ahnen, dass Olga das Land mit den wilden Rosen niemals sehen würde.

 

Es war kurz nach Weihnachten, als Olga merkte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Ihre Regel war ausgeblieben. Aber das war bei ihr nichts Ungewöhnliches. Mal kam sie gar nicht, dann mit ungeheurer Wucht, dass sie für zwei Tage das Bett hüten und alle Einladungen absagen musste. Sie hatte aufgehört, darüber Buch zu führen. Erst schob sie ihr Unwohlsein auf die Ballsaison und die damit verbundenen Anstrengungen, dann auf die exzessiven Nächte. Aber als ihre Brüste anfingen anzuschwellen, ahnte sie, dass sie schwanger war.

»Du solltest Medizinalrat Würz konsultieren«, sagte Magnus eines Morgens. »Er wird dir etwas geben, damit du wieder zu Kräften kommst.« Sie hatte stark an Gewicht verloren, sodass ihm der Gedanke an eine Schwangerschaft gar nicht in den Sinn kam.

»Ich fühle mich nicht gut.« Olga saß blass, mit dunklen Rändern unter den Augen, am Frühstückstisch. Den Teller mit einer angebissenen Scheibe Toast hatte sie weggeschoben. Allein der Anblick verursachte ihr Übelkeit.

»Ich kann das nicht mehr mit ansehen.« Magnus klingelte nach dem Diener. »Schicken Sie nach Medizinalrat Würz«, wies er ihn an. »Er möchte baldmöglichst nach meiner Frau sehen. Sie fühlt sich nicht wohl.«

Die Diagnose des Arztes war eindeutig. »Sie sind schwanger, liebe gnädige Frau. Seit wann ist Ihre Blutung ausgeblieben?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Olga müde, »aber sind Sie ganz sicher?«

»Absolut, mein Kind.« Der alte Herr sah sie besorgt an. »Ich kann deutliche Herztöne hören. Sie müssen im dritten Monat sein. Freuen Sie sich denn gar nicht? Ein Kind ist doch etwas Wunderbares.«

»Ich fühle mich so elend, wie soll ich mich da freuen?«

»Ach, das wird schon wieder. Meistens tritt die Übelkeit nur in den ersten Wochen auf. Sie müssen zu Kräften kommen, regelmäßig essen und spazieren gehen.« Er schickte sich an zu gehen. »Mein Assistent wird Ihnen eine Medizin vorbeibringen. Nehmen Sie davon dreimal täglich zehn Tropfen. Das wird Sie beruhigen.« An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Eine Empfehlung an den werdenden Vater. In einigen Tagen werde ich wieder nach Ihnen sehen.«

Magnus war außer sich vor Freude. Olga war nicht krank, sie war schwanger, wie wunderbar! »Du wirst sehen, bald geht es dir wieder besser. Du hast doch gesehen, wie Sofia in ihrer Schwangerschaft aufgeblüht ist.«

Aber nichts wurde besser. Im Gegenteil. Die Schwangerschaft war eine Tortur für Olga. Die Tropfen, die sie regelmäßig einnahm, machten sie benommen und teilnahmslos. Von ständiger Übelkeit geplagt, verbrachte sie die meiste Zeit liegend. Ihr zartes, blasses Gesicht wurde immer durchscheinender, und ihrem schlanken Körper sah man erst nach sechs Monaten an, dass dort ein kleines Wesen heranwuchs. Ihr Haar verlor seinen Glanz, und ihre sonst so wachen Augen blickten nur noch müde oder waren meist geschlossen.

Medizinalrat Würz, der auf Wunsch von Magnus jeden zweiten Tag nach ihr sah, war ratlos. »Ich kann keinerlei Krankheit bei Ihrer Frau feststellen. Das Kind wächst, die Herztöne sind normal. Sorgen Sie dafür, dass sie ausreichend Nahrung zu sich nimmt. Und vor allem darf sie die Tropfen nicht vergessen.« Dieses, sein Allheilmittel, half doch sonst bei allen möglichen Wehwehchen, wieso es hier seinen Dienst versagte, war ihm ein Rätsel. Dass diese Tropfen, ein reines Beruhigungsmittel, die Ursache für Olgas Apathie sein könnten, auf die Idee kam er nicht.

Magnus war verzweifelt. »Was kann ich nur für dich tun?«, fragte er immer wieder. Aber nichts konnte sie erfreuen. Wenn er ihr ein Geschenk mitbrachte, legte sie es achtlos zur Seite, und wenn er sie in den Arm nehmen wollte, schob sie ihn weg. Alles, jede Berührung, war ihr lästig.

Anfänglich besuchte Sofia sie regelmäßig und versuchte sie aufzuheitern. Aber ihre ausschweifenden Erzählungen über ihr Mutterglück und die Fortschritte ihrer kleinen Tochter gingen Olga dermaßen auf die Nerven, dass sie ihre Freundin bat, ihre Besuche einzuschränken.

Sofia war beleidigt. »Ich glaube, Olga ist verrückt geworden«, erzählte sie am Abend Alfred. »Sie ist vollkommen hysterisch. Sie tut, als sei die Schwangerschaft eine Krankheit. Du solltest sie sehen. Sie sieht aus wie ein Gespenst. Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.«

»Ich weiß, Magnus ist sehr beunruhigt. Er geht jetzt häufig allein aus. Berlin ist ein gefährliches Pflaster …«

»O Gott«, Sofia sah ihren Mann erschrocken an, »du glaubst doch nicht …?«

»Nein, man sieht ihn nur allein. Bis jetzt! Aber er ist ein junger Mann, und dazu auch noch reich und sehr gut aussehend. Er hat mit mir auch über Olga gesprochen. Er hofft inständig, dass sie nach der Geburt wieder die Alte wird.«

Sofia nahm sich vor, mit ihrer Freundin ein ernstes Wort zu reden. Aber erst, wenn das Kind da war. Jetzt hatte sie das Gefühl, als rede sie gegen eine Wand.

Irmas letztes Jahr im Pensionat ging bald zu Ende. Vor ihrer Abreise aus Berlin wollte sie sich von Olga verabschieden. Der Diener hatte sie mehrere Male nicht vorgelassen. »Die Frau Baronin ist unpässlich und wünscht keinen Besuch«, hatte er gesagt. Aber heute ließ sie sich nicht abweisen. »Ich will mit meiner Freundin sprechen, ›unpässlich‹ hält mich nicht davon ab«, sagte sie und lief an dem entsetzten Diener vorbei in den ersten Stock.

Auf ihr Klopfen erhielt sie keine Antwort. Leise durchschritt sie den Salon und betrat das Schlafzimmer. Nur ein kleiner Lichtstrahl fiel durch die geschlossenen Vorhänge, sodass sie erst nach einigen Augenblicken ihre Freundin erkennen konnte, die mit geschlossenen Augen auf ihrem Bett lag. Die Luft war zum Schneiden, als wäre seit Tagen nicht gelüftet worden. »Olga, Liebes, ich bin es, Irma«, sagte sie leise.

»Oh, Irma, wie schön, dich zu sehen.« Olga versuchte, sich mühsam aufzurichten, fiel aber gleich wieder ermattet in ihre Kissen zurück.

Irma hatte die Vorhänge aufgezogen und die Fenster weit geöffnet. »Du brauchst Luft, es ist herrliches Wetter«, sagte sie. Strahlendes Sonnenlicht fiel in das Zimmer, und jetzt erst erkannte sie Olgas jämmerlichen Zustand. »Was ist mit dir?«, fragte sie entsetzt. »Bist du krank? Ich denke, du bist nur schwanger?«

»Nur ist gut!« Olga lächelte gequält. »Seit Monaten geht es mir schlecht, die Tropfen von Dr. Würz helfen nicht, sie machen mich nur müde. Er hat mir strengste Bettruhe verordnet.«

Irma war ratlos. Ihre Mutter hatte fünf Kinder geboren und bei jedem Kind den Haushalt versorgt bis zum Tag der Geburt. Was war das denn für ein Schwachsinn, Tropfen und Bettruhe! »Ich 'war schon mehrmals hier«, sagte sie, »man hat mich immer abgewiesen. Aber heute bin ich einfach reingegangen. Das Gesicht eures Dieners hättest du sehen sollen. Er war einer Ohnmacht nahe.« Sie lachte. »Nur schade, dass ich das nicht beim ersten Mal schon gemacht habe. Du brauchst Luft und Bewegung. Los, steh auf und zieh dich an. Ich helfe dir. Und dann gehen wir ein wenig spazieren.«

»Meinst du wirklich …?«

»Ja, du wirst sehen, das tut dir gut. Und hör auf, diese Tropfen zu nehmen, wenigstens ein paar Tage. Vielleicht geht es dir ja dann besser.«

»Aber der Medizinalrat …«

»Sag es ihm einfach nicht, und wenn es dir wirklich besser geht, behaupte, die Tropfen hätten nun endlich gewirkt.«

Irma besuchte Olga jetzt täglich. Nachdem diese die Medizin nicht mehr einnahm, erholte sie sich zusehends. Die Müdigkeit verschwand, und auch die tägliche Übelkeit hörte auf. Jeden Nachmittag gingen die beiden im Tiergarten spazieren. Es war Frühsommer, und die Luft war mild. Sie begegneten Freunden und Bekannten in Kutschen, zu Pferd und zu Fuß. Olga begann aufzublühen. Ihr Gesicht nahm wieder Farbe an, und ihre Locken bekamen ihren alten Glanz zurück.

Magnus war glücklich. Die letzten Monate hatten ihn fast verzweifeln lassen. Seine geliebte Olga war zu einem fremden Wesen mutiert, abwesend, teilnahmslos, und seine Freude über ihr gemeinsames Kind schien sie nicht zu teilen. Er hatte doch die Frau geheiratet, die er liebte, und nicht die, die seine Eltern für ihn ausgesucht hatten, wie das in dieser Zeit üblich war! Außer Alfred und Sofia kannte er kaum ein glückliches Paar. Nun schöpfte er wieder Hoffnung, dass alles bald so werden würde wie früher. Sie nahmen wieder gemeinsam das Frühstück ein, Olga ließ ihn die Bewegungen des Kindes spüren, wenn es gegen ihren kleinen Bauch boxte. Sofia kam zu Besuch und versorgte sie mit Klatsch, und sie fing sogar wieder an, am gesellschaftlichen Leben Gefallen zu finden. Nur wenn er mehr von ihr wollte als einen Gutenachtkuss, wies sie ihn ab. »Bitte, Magnus, lass mich, mir ist gar nicht danach«, sagte sie dann.

»Ich bewundere dich«, sagte Alfred, mit dem Magnus alle seine Probleme, auch die persönlichen, besprach. »Ich liebe Sofia zwar sehr, aber ich weiß nicht, ob ich mir so ein Theater von ihr hätte bieten lassen. Das geht doch schon seit Monaten so.«

»Seit einigen Wochen geht es ihr ja viel besser, und wenn das Kind da ist, wird sich auch alles andere wieder einspielen. Ich muss und will Geduld haben.« Magnus sah seinen Freund ernst an. »Meine Eltern haben eine unglückliche Ehe geführt. Keiner hat auf den anderen Rücksicht genommen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass alles gut wird.«

Seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Die Geburt kostete Olga fast das Leben. Zwölf Stunden dauerten die Wehen, und als es das Kind endlich geschafft hatte, das Licht der Welt zu erblicken, schwor sie sich: Nie wieder will ich das mitmachen. Sie nannten ihre Tochter Maria. Olgas Brüste hatten kaum Milch, und eine Amme musste engagiert werden. Sie verkroch sich wieder in ihrem Zimmer und weigerte sich, Besuch zu empfangen. Sie fühlte sich tieftraurig und weinte viel. Im fernen Wien begann gerade der junge Siegmund Freund mit der Erforschung dieser Art von Erkrankung, die er später eine Postnatale Depression nannte. Aber noch waren diese Erkenntnisse nicht über Wiens Stadtgrenzen hinausgedrungen. Als hysterisch wurde so etwas abgetan, und dagegen gab es kein Mittel.

Anfänglich interessierte sie sich nicht einmal für ihr Kind, und auch ihren ehelichen Pflichten kam sie nur noch widerwillig nach. Immer öfter täuschte sie Unwohlsein oder Kopfschmerz vor. Die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft hatte alle Leidenschaft in ihr erlöschen lassen. »Lass mir Zeit, Magnus«, sagte sie anfangs, wenn er verzweifelt fragte, warum sie sich so verändert habe. »Ich muss mich erst einmal erholen.«

Magnus begann wieder, allein auszugehen. Immer öfter kam er spätnachts nach Alkohol und fremden Parfüms riechend nach Hause. Dann nahm er sich mit Gewalt das, von dem er meinte, dass es ihm zustehe. Am nächsten Tag war er zerknirscht, es tat ihm leid. Aber es änderte sich nichts. Olga machte keinerlei Anstalten, ihr früheres Leben wieder aufzunehmen. Und irgendwann gab Magnus es auf, um sie zu kämpfen. »Ich werde mir ein Schlafzimmer neben der Bibliothek einrichten«, sagte er eines Tages mit kalter Stimme. »Ich nehme an, es ist dir recht.«

»Aber natürlich, mein Lieber.« Man sah ihr die Erleichterung an.

»Und noch etwas, Olga, ich werde jetzt öfter aushäusig nächtigen und verbitte mir deswegen jegliche Szenen!« Niemals hatte er so zu ihr gesprochen.

»Warum sollte ich dir Vorhaltungen machen?« Olga lächelte hilflos. »Du kannst selbstverständlich machen, was du willst.«

Magnus blieb nun nächtelang weg, man sah sich nur noch unregelmäßig zu den Mahlzeiten oder im Kinderzimmer. Olgas ganzer Lebensinhalt wurde jetzt ihre Tochter. Von nun an verband sie und Magnus nur noch die Liebe zu Maria. Sie vergötterten sie geradezu, und Olga wusste, solange das Kind im Haus war, würde er sie niemals verlassen.

 

Maria war ein entzückendes Kind, fast sträflich verwöhnt von ihrem Vater. Mit fünf bekam sie ihr erstes Pony, mit sieben den ersten Pelzmantel, und als sie zehn wurde, stellte man eine französische Gouvernante ein. Sie wuchs zu einer schönen jungen Frau heran. Sie besaß die zarte Figur ihrer Mutter, wurde aber um einiges größer als diese. Ihre braunen Locken durchzogen natürliche helle Strähnen, sodass es aussah, als reflektiere sich Licht in ihrer Hochfrisur. Durch die hohen Wangenknochen wirkte ihr Gesicht herzförmig, und wenn sie lachte, entblößten ihre schön geschwungenen Lippen eine Reihe perlmuttfarbener Zähne. Ihre großen braunen Augen schienen immer zu lachen. Sie war wild und ungestüm. Man sah ihr an, sie liebte das Leben. Sie ist wie früher ihre Mutter, dachte Magnus oft. Und dann überkam ihn eine große Traurigkeit. Maria hatte eine Schar von Verehrern, aber wenn einer begann, ernsthafte Absichten zu zeigen, lachte sie nur – zur Erleichterung ihrer Mutter, der vor dem Augenblick graute, an dem ihre Tochter das Haus verlassen könnte. Dann würde das letzte Band, das Olga und Magnus noch zusammenhielt, endgültig zerreißen. »Es prüfe, wer sich ewig binde«, war ihr ständiger Mahnspruch, und Maria sagte dann immer lachend: »Keine Sorge, Mama, das ist noch lange hin.«

In ihren Kinderjahren merkte Maria nicht, dass in der Ehe ihrer Eltern etwas nicht stimmte. Sie war daran gewöhnt, dass Papa viel auf Reisen war, von denen er immer aufregende Geschenke mitbrachte. Und Mama war oft unpässlich, dann durfte sie nicht gestört und im Haus musste leise gesprochen werden. Besonders traurig war ihre Mutter, wenn Post aus Ostpreußen kam. Maria wusste, dort lebte ihre Großmutter auf einem Gut mit vielen Pferden und Tieren. Sie war glücklich da und liebte Land und Menschen. Diese Briefe las Olga ihrer Tochter immer vor. Die Post allerdings, die sie von Irma bekam, verschwand sofort nach der Lektüre im Geheimfach ihres Sekretärs. Zu aufrührerisch und revolutionär waren diese Briefe. Auf keinen Fall durften sie Magnus in die Hände fallen. In all den Jahren ihres Elends und ihrer Einsamkeit waren sie für sie ein Strohhalm, an den sie sich klammerte, wenn sie drohte, unterzugehen. Dann sah sie Irma vor sich, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben, sondern einer erneuten Zwangsverheiratung getrotzt und völlig mittellos ihr Elternhaus verlassen hatte.

Ich bin jetzt in Leipzig, berichtete sie, und habe mich dem Deutschen Frauenverein angeschlossen. Ich mache Schreibarbeiten für Henriette Goldschmid und Louise Otto. Ich bin frei!, jubelte sie. Bewunderst du mich nicht für meinen Mut, einfach wegzugehen und mich meiner »Bestimmung« zu verweigern – wie meine Eltern mir verbittert vorwerfen – eine ehrbare, brave Hausfrau zu werden? Ich wäre meines Lebens nicht froh geworden, liebste Olga, hätte ich mich dem mir erneut zugedachten Mann antrauen lassen.

Du bist zu klug für eine Frau, antwortete ihr Olga. Deine Eltern können sich nur selbst vorwerfen, dir zu viel Verstand mitgegeben zu haben.

Manchmal, wenn wieder ein Brief von Irma eintraf, in dem sie von ihrem freien Leben und den Zielen, für die sie jetzt lebte, schwärmte – obwohl es beileibe nicht ohne Entbehrungen ist, liebste Freundin –, wollte Olga ausbrechen aus ihrem goldenen Käfig. Aber das waren nur kurze Momente, dann fiel sie zurück in ihre Lethargie, und nichts änderte sich.

Es wurde immer wieder mal darüber gesprochen, Carla und Kurt Lindner in Weischkehmen zu besuchen, aber stets kam etwas dazwischen. Maria ahnte nicht, dass ihre Mutter in ihren Briefen dorthin immer von ihrer glücklichen Ehe sprach und unter allen Umständen vermeiden wollte, dass dieses Bild zerstört wurde. In ihrem letzten Brief hatte Carla berichtet, dass ihre Freundin Agathe Goelder endlich wieder schwanger sei und hoffe, eine Tochter zu bekommen. Ein paar Monate später kam ein verzweifelter Brief. Agathe war bei der Geburt des heiß ersehnten Mädchens gestorben. Olga möge sie doch nun endlich einmal besuchen und Maria mitbringen. Sie wünsche sich so sehr, ihr Enkelkind kennenzulernen. Sie sollten kommen, wenn der schrecklich lange Winter vorbei sei und die wilden Rosen wieder blühten.

Magnus erklärte sich bereit, Mutter und Tochter reisen zu lassen. Olga verfügte über keine eigenen Mittel, und es wäre in jedem Fall undenkbar gewesen, ohne seine Erlaubnis zu fahren. Dringende Geschäfte hielten ihn allerdings davon ab, sie zu begleiten. Sie hatte nichts anderes erwartet.

Olga lebte auf. Pläne wurden gemacht, auf der Rückreise wollten sie ein paar Tage in Kranz an der Ostsee verbringen. Maria war noch nie am Meer gewesen. Mutter und Tochter machten Einkäufe, eine neue Garderobe musste bestellt werden, und des Öfteren besuchten sie Sofia und Nina, die Marias beste Freundin war. Schon seit einiger Zeit waren keine Depressionen aufgetreten. Sofia hatte schon lange aufgehört, nach Olgas und Magnus' Beziehung zu fragen. Alfred hatte ihr gesagt, dass das sinnlos sei, Magnus hätte sich anderweitig orientiert. Einmal, die Kinder waren außer Hörweite, fragte sie Olga: »Weißt du, dass er eine Mätresse hat?«

»Nein, aber ich ahne es.«

Es versetzte Sofia einen Stich, das so deutlich zu hören. »Ich bin deine beste Freundin, Olga«, sagte sie. »Bitte sei mir nicht böse, dass ich es dir gesagt habe.«

»Es ist alles meine Schuld.« Olga hatte zu weinen begonnen. »Aber wenn die Melancholie über mich kommt, bin ich so hilflos, ich kann nichts dagegen tun. Das kann doch kein Mann aushalten.« Sie schluchzte: »Ich liebe ihn immer noch, Sofia, aber ich fürchte, ich habe ihn verloren.«

Sofia wusste keinen Trost.

 

Es war wenige Wochen vor ihrer Abreise. Magnus nahm mal wieder mit ihnen die Mittagsmahlzeit ein. Anna servierte gerade den Nachtisch, als es leise klopfte. Der Diener stand in der Tür. »Was gibt es Walter?«

»Eine Depesche, Herr Baron. Es scheint wichtig.«

»Das kann doch wohl warten.« Er hasste es, bei Tisch unangenehme geschäftliche Nachrichten zu erhalten, und was sollte es anderes sein.

»Es scheint wirklich dringend.« Walters Stimme war eindringlich. »Es ist aus Ostpreußen.«

Ungehalten riss Magnus das Telegramm auf. Dann wurde er blass. »Mein Gott, Olga, Liebes …!«

»Was ist?« Olga war aufgesprungen, ihre zerknüllte Serviette fest an die Brust gedrückt.

»Deine Mutter und Kurt … sie sind tot. Sie sind bei einem Brand in ihrem Haus ums Leben gekommen.«

»Oh nein, bitte nicht …« Dann fing Magnus sie auf. Sie war ohnmächtig geworden. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er sie wieder in seinen Armen hielt.

 

Olga war untröstlich. Tagelang war sie in Tränen aufgelöst. Magnus blieb zu Hause. Er machte sich Vorwürfe, jahrelang die Reisen nach Ostpreußen verhindert zu haben. Er und Maria wachten abwechselnd an ihrem Bett, aber nichts konnte ihr Trost geben.

Bald nach der Depesche kam ein Brief von Gustav Goelder. Er schrieb, wie rührend sich Carla nach dem Tod seiner geliebten Frau um das Neugeborene und seine halbwüchsigen Söhne gekümmert und wie sehr Kurt ihm zur Seite gestanden habe. Und nun seien auch sie, seine besten Freunde, nicht mehr da. So sehr haben sie sich gefreut auf den Besuch von Tochter und Enkelin. Außer sich sind sie gewesen, dass es endlich so weit war. Maria ist doch nur ein paar Jahre jünger als meine Jungen, was hätten sie für einen Spaß gehabt …

Danach fiel Olga wieder in eine schwere Depression. Sie schloss sich in ihr Zimmer ein und war für nichts und niemanden zugänglich. Magnus nahm sein früheres Leben wieder auf. Alles war wie zuvor.

Maria liebte ihre Eltern beide von Herzen, aber mit ihrem Vater verband sie ein besonderes Verhältnis. Magnus und sie waren begeisterte Reiter. Bei Wind und Wetter gingen sie zu Fuß durch den Tiergarten zu ihrem Reitstall. Von klein auf hatte sie alles mit ihrem Vater besprochen, was sie beschäftigte. Als sie ungefähr zehn Jahre alt war, begann sie zu merken, dass in der Ehe ihrer Eltern etwas nicht stimmte. »Was ist eigentlich los mit dir und Mama«, fragte sie eines Morgens, »liebst du sie nicht mehr?«

»Wieso fragst du?« Magnus war erstaunt. »Wie kommst du darauf?«

»Na ja …« – sie wusste nicht so richtig, wie sie es ihm erklären sollte – »du gehst immer allein aus, wir haben nie Gesellschaften wie die Bennings und die Kramps und …« – nach Nina von Benning war Alma Kramps ihre zweitbeste Freundin – » … und ihr habt jeder euer eigenes Schlafzimmer. Bei Ninas und Almas Eltern ist das nicht so.«

»Die Menschen sind eben verschieden«, antwortete ihr Vater ernst. »Ich habe deine Mutter einmal sehr geliebt, aber nun haben wir uns ein wenig auseinandergelebt. Du weißt ja, sie ist sehr zart und leicht ermüdet. Gesellschaften zu Hause sind ihr zuwider und Ausgehen erst recht. Und ich bin nun mal ein geselliger Mensch. Aber mach dir keine Sorgen, sonst ist alles in Ordnung.« Damit war das Thema für ihn erledigt, und Maria fragte auch nie wieder. Aber als sie älter wurde, machte sie sich ihre eigenen Gedanken.

 

Einige Jahre später, es war am Morgen des 9. März 1888, sah Magnus in der Berliner Illustrirten Zeitung die Abbildung eines Halbbluthengstes aus der Zucht Goelder in Ostpreußen. Den wollte er haben. Das war ein wunderbares Geschenk für seine Tochter zum sechzehnten Geburtstag! Nach dem Tod von Olgas Mutter war die Verbindung zu der Familie Goelder abgebrochen. Wie es dem Witwer wohl ging? Die Söhne mussten ja jetzt erwachsen sein.

»Ich werde Maria dieses Pferd zum Geburtstag schenken.« Er hielt Olga die Zeitung mit der Fotografie hin. »Stell dir vor, es ist aus der Zucht Goelder in Weischkehmen.«

»Nein, was für ein Zufall.« Olga lächelte erfreut. Es kam selten vor, dass Magnus sie in ihrem Boudoir aufsuchte, um sich mit ihr zu unterhalten. »Wie es der Familie jetzt wohl geht? Wenn ich mich recht erinnere, hatten sie zwei Söhne und eine Tochter.«

»Ja«, sagte Magnus, »daran habe ich auch gerade gedacht. Ich werde sofort an Goelder schreiben, um …« In dem Moment hörten sie durch das geöffnete Fenster einen Zeitungsjungen brüllen: »Extrablatt! Der Kaiser ist tot! Extrablatt!«

Bevor sie etwas sagen konnten, klopfte es, und Walter, der Diener, erschien, auf dem silbernen Tablett das Extrablatt. »Ich habe mir erlaubt, Herr Baron …«, sagte er. Er war tief betrübt.

 

Tagelang wurde über nichts anderes gesprochen. »Kaiser Wilhelm war schließlich einundneunzig Jahre alt«, sagte Magnus.

»Ja, so uralt, dass mit seinem Ableben schon keiner mehr gerechnet hat«, meinte Olga mit einem Anflug ihres früheren Humors. »Vor allem Kronprinzessin Victoria nicht.«

Ihr Freund Philipp Eulenburg, genannt Phili, war gerade da. Er musste lachen. »Du hast recht, Olga. Seit mehr als dreißig Jahren hofft sie, endlich Kaiserin zu werden. Wilhelm kann ein Lied davon singen.« Der neue Kronprinz war sein bester Freund. Dann wurde er ernst. »Lange wird sie wohl nicht Kaiserin sein. Friedrich Wilhelm ist schwer krank.«

»Man weiß ja, dass es ihm nicht gut geht«, warf Magnus ein. »Er befand sich wohl zur Kur im Ausland, als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt.«

»Ja, es geht ihm sehr schlecht. Er kann nicht mehr sprechen. Die Ärzte haben ihm sogar untersagt, an der morgigen Beerdigung teilzunehmen.«

»Stimmt es, dass er Krebs hat? Einige Zeitungen haben darüber berichtet.«

»Ja, Kehlkopf und Stimmbänder sind davon befallen. Er scheint furchtbar zu leiden.«

Nun fühlte Olga doch etwas Mitleid mit der neuen Kaiserin. »Die Arme, sie soll ihn ja wirklich sehr lieben.«

»Ihn ja, aber ihren Sohn weniger.« Philis Stimme klang traurig. »Sie hat sich immer wegen der Behinderung seines Armes geniert. Der arme Junge, er konnte doch nun wirklich am allerwenigsten dafür. Jahrelang wurde er von Ärzten gequält, nichts hat geholfen.« Er redete sich in Rage. »Und dann die Erzieher! Mit ihrem vollen Einverständnis haben sie ihn tyrannisiert …« Plötzlich schwieg er, als hätte er schon zu viel gesagt. »Bitte vergesst, was ich euch da erzählt habe. Wilhelm wird wohl schon bald unser neuer Kaiser sein.«

»Du glaubst wirklich, dass es so schlecht steht um Friedrich Wilhelm?«, fragte Magnus. »Dann hätten wir ja ein Drei-Kaiser-Jahr.«

 

Kurz darauf begann eine lebhafte Korrespondenz zwischen Magnus und Gustav Goelder. Fotografien wurden geschickt, und der nicht unbeträchtliche Kaufpreis wurde ausgehandelt. Am Morgen des Geburtstages sollte Dark Sparker, so hieß das Pferd, in Berlin ankommen, begleitet von Carl Goelder, dem älteren Sohn des Züchters.

Schon Tage zuvor war Magnus so nervös, dass Maria fragte: »Was hast du denn, Papa, geht es dir nicht gut?«

»Du wirst sechzehn, mein Kind, das ist ein Einschnitt in deinem Leben. Du wirst langsam erwachsen. Verstehst du nicht, dass mich das beunruhigt?«

»Nein, also wirklich nicht«, erwiderte Maria lachend, »das ist doch nur eine Zahl. Wenn ich nervös wäre, könnte man das ja noch verstehen, aber du …« Sie hielt ihren Vater für leicht übergeschnappt. Vielleicht hatte er Ärger mit seiner Mätresse. Längst wusste sie darüber Bescheid.

Erst kürzlich hatte sie ein Gespräch zwischen der Köchin Lisa und Anna, einem der beiden Stubenmädchen, belauscht. »Die gnädige Frau hat heute wieder ganz verheulte Augen gehabt«, berichtete Anna in der Küche, worauf Lisa bemerkte: »Keen Wunder nich! Der Herr Baron is mal wieder nich nach Hause jekommen. Hat wohl bei seiner kleenen Tänzerin jenächticht.« Lisa wusste Bescheid. Ihr Bruder war Portier in dem Haus, in dem Magnus für seine Geliebte eine Wohnung angemietet hatte, und so waren sie und das restliche Personal immer bestens informiert.

Maria hatte nie wieder mit ihrem Vater über die häuslichen Probleme gesprochen, aber es war ihr nicht entgangen, dass ihre Mutter schon seit einiger Zeit sehr darunter litt. Mit Nina hatte sie einmal darüber geredet, aber diese hatte nur gesagt: »Das geht dich nichts an. Du wirst deinen Vater nicht ändern können. Meine Mutter sagt, alle Männer sind so.«

»Wie, du meinst, dein Vater hat auch eine Mätresse?« Maria war entsetzt.

»Keine Ahnung.« Nina hatte mit den Achseln gezuckt und das Thema gewechselt.

Endlich war Marias großer Tag da. Ausnahmsweise nahm Olga am gemeinsamen Frühstück teil. Sie verließ sonst fast nie vor Mittag ihr Boudoir. Auf Marias Teller lag ein kleines, mit Seidenbändern verschnürtes Päckchen. »Mach es auf, mein Liebling. Es ist mein Geburtstagsgeschenk«, sagte Olga, nachdem sie ihre Tochter innig umarmt und ihr herzlich gratuliert hatte.

Maria ließ sich ihr Erstaunen nicht anmerken. Ihr Geschenk, hatte ihre Mutter gesagt. Sie sah nichts, was ein Geschenk ihres Vaters sein könnte. Dieser lächelte verschmitzt. »Nun sieh schon nach, was deine Mutter sich für dich ausgedacht hat.«

Maria hatte die Bänder gelöst und das feine Seidenpapier auseinandergefaltet. Ein kleines dunkelrotes Lederkästchen mit einem Goldrand kam zum Vorschein. Als sie es aufmachte, funkelte ihr ein großer Diamant entgegen. »Mama, das ist doch dein Ring, Papas Hochzeitsgeschenk!«

»Ja, mein Kind, ich habe ihn früher viel getragen. Aber jetzt brauche ich ihn nicht mehr. Du weißt, ich gehe kaum noch aus, und für dich fängt das gesellschaftliche Leben ja jetzt richtig an.« Für einen Moment wurde ihr Blick traurig, aber nun lächelte sie schon wieder. »Ihn nur in meinem Boudoir aufzubewahren wäre reine Verschwendung«, sagte sie. »Nun probier ihn schon an.«

Maria hatte das prachtvolle Stück über ihren Ringfinger geschoben.

»Wie wundervoll er dir steht.« Olga war begeistert. »Dir soll er Glück bringen.« Die Betonung auf »dir« war Maria, die ihrer Mutter um den Hals gefallen war, gar nicht aufgefallen.

Magnus' Gesichtsausdruck war kurz ernst geworden, aber als auch er von seiner Tochter heftig umarmt wurde, strahlte er schon wieder. »Der Ring ist von deiner Mutter.

Ich habe noch eine kleine Überraschung für dich, etwas später.«

Was mochte das denn sein? Sie sah ihre Mutter fragend an.

»Ich habe keine Ahnung, was es ist. Dein Vater hat darum ein großes Geheimnis gemacht«, schwindelte diese.

Aber ehe Maria weiter darüber nachdenken konnte, klopfte es, und die beiden Stubenmädchen kamen herein, um zu gratulieren. Hinter ihnen stand Lisa, mit einer selbstgebackenen Geburtstagstorte, auf der sechzehn Kerzen brannten. Maria war erst einmal abgelenkt.

Er hat etwas zugenommen, dachte Olga, als Magnus auf seine goldene Taschenuhr sah. Die Uhrkette spannt über seinem Bauch. Aber er ist immer noch ein schöner Mann.

Seine schwarzen Haare waren inzwischen von grauen Strähnen durchzogen. Das aristokratische Gesicht war bis auf einen hochgezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bart glatt rasiert und von den täglichen Ausritten leicht gebräunt. Aber hinter seiner randlosen Brille konnte man leichte Tränensäcke erkennen, die von seinem ausschweifenden Lebenswandel herrühren mochten.

»Zieh dich um, mein Kind. Lass uns in den Stall gehen. Ich brauche wieder mal frische Luft.« In den letzten Tagen hatte Magnus wegen wichtiger geschäftlicher Angelegenheiten seine morgendlichen Ausritte ausfallen lassen.

»Ja, Lilly muss dringend bewegt werden«, sagte Maria. Lilly war ihre betagte Lieblingsstute, die in der letzten Zeit etwas gekränkelt hatte.

»Seid bitte pünktlich zum Mittagessen zurück!«, rief Olga Maria zu, die schon an der Tür stand. »Wir müssen uns noch ein wenig ausruhen, bevor Frau Steckel kommt, um uns die Frisuren zu richten.« Am Abend fand im Hotel Kaiserhof am Wilhelmsplatz eine große Geburtstags-Soirée für Maria statt, zu der alle ihre Freunde und Verwandten eingeladen waren.

»Keine Sorge, Mama, wir sind rechtzeitig wieder da.« Sie warf ihrer Mutter eine Kusshand zu. »Und pass gut auf meinen Ring auf.«

Arm in Arm spazierten Vater und Tochter in Richtung des Reitstalles. Es war ein lauer Frühlingstag. Die Vögel zwitscherten, an den Bäumen spross das erste Grün, und die Krokusse reckten ihre farbigen kleinen Köpfe der Sonne entgegen.

»Ist es nicht ein herrlicher Tag, Papa?«, sagte Maria, »und ich habe Geburtstag.« Sie plauderte aufgeregt über dies und das. »Übrigens, mein Kleid für heute Abend ist wunderschön; danke noch mal, Papa.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Magnus hatte ihr ein Abendkleid bei Gerson, dem Modesalon Berlins, anfertigen lassen. Sogar zu den Anproben war er einige Male mitgegangen. Er wollte, dass sie an ihrem großen Tag die Schönste war. »Es ist gestern geliefert worden«, fuhr sie fort. »Nina und Alma waren gerade da, und sie finden es umwerfend. Ich habe Alma versprochen, es ihr zu leihen, wenn sie es mal braucht.«

»So, so«, warf Magnus schmunzelnd ein. »Ihr Vater ist reicher als ich, soll er ihr doch ein Kleid kaufen.«

»Ach, weißt du, sie muss immer zu ihrer Hausschneiderin gehen. Gerson findet Herr Kramp viel zu teuer. Nicht alle Väter sind so großzügig wie du!«

Als sie am Stall ankamen, stand im Hof bereits Prielke, der Stallknecht, mit dem gesattelten Rappen von Magnus.

»Ich geh und sattle Lilly!«, rief Maria und lief in den Stall. Es bereitete ihr immer ein besonderes Vergnügen, mit ihrer Stute zu sprechen und ihr ein Stück Zucker zu geben, während sie ihr das Zaumzeug anlegte. Lillys Box war leer und ihr Namensschild abgeschraubt.

»Papa, Papa!« Marias Stimme überschlug sich, als sie auf den Hof rannte. »Lilly ist weg, wo ist sie?« Dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Neben ihrem Vater stand ein gut aussehender junger Mann mit einem wunderschönen schwarz glänzenden Hengst, zwischen den Augen eine Blesse. Das Tier warf unruhig seinen Kopf hin und her und scharrte nervös mit den Hufen, während der junge Mann beruhigend auf den Hengst einsprach.

»Was für ein herrliches Pferd«, sagte Maria, die für einen Moment ihre Sorge um Lilly vergaß. »Wem gehört es?«

»Dir, mein Liebling. Es ist mein Geburtstagsgeschenk.«

Maria starrte ihren Vater entgeistert an. »Nein, das glaube ich nicht. Ist das wirklich wahr? Aber was ist mit Lilly, wo ist sie?«

»Sie steht in Wannsee auf der Koppel. Mach dir keine Sorgen, es geht ihr gut. Am Sonntag machen wir einen Ausflug und besuchen sie.«

Langsam begann Maria zu begreifen, dass dieses Prachtexemplar tatsächlich ihr gehörte. »Mein Gott, Papa, ist der schön.« Und zu dem Pferd gewandt sagte sie: »Wie heißt du denn?«

»Dark Sparker, gnädiges Fräulein«, ertönte neben ihr eine sonore Stimme, und ihr Vater sagte: »Verzeih, Maria, ich hätte euch längst bekannt machen müssen. Das ist Carl Goelder aus Ostpreußen, meine Tochter Maria. Dark Sparker stammt aus der Zucht Goelder in Weischkehmen. Du erinnerst dich sicher, deine Großmutter hat dort bis zu ihrem tragischen Tod gelebt.«

»Oh ja, natürlich …« Maria gab Goelder flüchtig die Hand und wandte sich wieder ihrem neuen Pferd zu, während die Männer sich angeregt über die Pferdezucht unterhielten. »Du gehörst jetzt mir, Sparker«, flüsterte sie und strich ihm sanft über die Nüstern. »Ich werde dich genauso lieb haben wie Lilly, das verspreche ich dir.«

Sparkers Ohren bewegten sich, als verstünde er genau, was seine neue Besitzerin ihm sagte. Die Stimme ihres Vaters holte sie aus ihren Träumen in die Wirklichkeit zurück. »Lass uns ein Stück ausreiten, Maria. Herr Goelder wird uns begleiten. Der Braune wird gerade für ihn gesattelt.«

Während sie auf das Pferd warteten, fragte Magnus den jungen Mann: »Wo logieren Sie denn in Berlin?«

»Bei meinem Vetter Victor von der Halst. Er ist Arzt und praktiziert an der Charité. Später will er sich in Insterburg niederlassen.«

Auf ihrem Ausritt begegneten sie Bekannten und Freunden zu Pferde und in offenen Kutschen, die ihnen zuwinkten. Das herrliche Wetter hatte sie herausgelockt. »Bis heute Abend!« und »Was für ein herrliches Tier!« rief man ihnen zu, während sie durch die laue Luft trabten. Hin und wieder beugte Maria sich herunter, streichelte Dark Sparker den Hals und flüsterte ihm zärtliche Worte ins Ohr.

Als sie sich von Carl Goelder verabschiedeten, sagte Magnus: »Ich würde mich freuen, wenn Sie heute Abend unser Gast wären. Und bringen Sie doch auch Ihren Vetter mit. Um acht Uhr im Hotel Kaiserhof. Cut oder Frack.«

»Wir kommen mit dem größten Vergnügen«, sagte Carl und verabschiedete sich mit einem festen Handschlag von Magnus und von Maria mit einem Handkuss.

Der Ballsaal des Hotels Kaiserhof war festlich geschmückt. Auf mannshohen Alabastersäulen thronten prachtvolle Blumenarrangements, deren betörender Duft sich mit den Parfüms der Damen mischte. Riesige Kronleuchter und auf den Tischen Kandelaber mit Hunderten von Kerzen spendeten ein warmes Licht. Ein Orchester am Ende des Saales spielte leise, während die Familie von Berg an der großen Flügeltür ihre Gäste begrüßte – Magnus im Frack mit Orden, Olga und Maria in ihren neuen Abendkleidern. So prüde die Mode für den Tag war, so freizügig waren die neuen, von dem Pariser Modeschöpfer Worth und neuerdings auch von dem jungen Poiret beeinflussten Roben für den Abend.

Maria trug einen Traum aus zartrosa Taft. Das trägerlose, eng geschnürte Mieder, rundherum mit einer Rüsche aus dem gleichen Stoff besetzt, reichte bis unterhalb der Taille. Der vorn schmale Rock, aus dem nur die Spitzen der gleichfarbigen Schuhe herauslugten – mehr galt als unschicklich – war nach hinten mit üppigen Volants zu einer Tournüre gearbeitet und endete in einer Schleppe. Mit einem perlenbesetzten rosa Fächer fächelte sie sich Luft zu, wobei der neue Diamantring mit ihren Augen um die Wette funkelte.

Olga stand ihrer Tochter in nichts nach. Bevor sie zu dem Fest aufbrachen, hatte Magnus seine beiden Damen gebeten, mit ihm allein auf den Geburtstag anzustoßen. Olga betrat den Salon als Erste. Magnus hielt den Atem an. So hatte er seine Frau seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie sah umwerfend aus. Im Gegensatz zu Maria, deren Kleid er ja schon bei den Anproben gesehen hatte, war Olgas Robe ein Geheimnis geblieben. Es hatte ihn allerdings auch nicht sonderlich interessiert. Aber damit hatte er nicht gerechnet. Gerson war ein Meisterstück gelungen. Wenn er demnächst die Rechnung beglich – sie würde nicht unbeträchtlich sein –, musste er ihm gratulieren. Das in der Taille eng geschnürte burgunderfarbene Samtkleid ließ ihre Figur noch filigraner wirken. Das tiefe Dekolleté war besetzt mit Straußenfedern in derselben Farbe, und ihre Haut schimmerte weiß wie Alabaster. Der schmale, in einer Schleppe endende Rock hatte einen Saum aus den gleichen Federn, mit denen auch der Fächer besetzt war, den sie lose in der Hand hielt. Frau Steckel hatte ihr Haar zu einer kunstvollen Hochfrisur aufgetürmt, die mit diamantenbesetzten Kämmen gehalten wurde. Um den zarten Hals trug sie ein Collier de chien aus Rubinen und Diamanten, und an ihren Ohren funkelten die dazu passenden Chandelier-Ohrringe, beides Magnus' Geschenk zu Marias Geburt. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie diesen Schmuck zuletzt getragen hatte.

»Olga, meine Liebe, du siehst hinreißend aus«, sagte er und küsste ihre Hand.

Eine zarte Röte überzog ihr Gesicht, aber bevor sie etwas erwidern konnte, wirbelte Maria herein. »Entschuldigt, ich bin ein wenig zu spät. Aber Anna hat mein Mieder nicht zubekommen. Sie ist manchmal wirklich zu ungeschickt.«

Gleichzeitig, wie aus einem Munde, riefen ihre Eltern: »Wie entzückend du aussiehst!« Was hatten sie doch für eine schöne Tochter. Man sah ihnen an, wie stolz sie waren.

Maria drehte sich und hob kokett den Rocksaum, um ihre neuen Schuhe zu zeigen. »Die will ich heute Nacht durchtanzen!«, rief sie übermütig.

Während ihr Vater den von dem Diener bereitgestellten Champagner in die Kristallgläser goss, betrachtete Maria ihre Mutter. »Mama, bist du schön! So solltest du immer aussehen. Findest du nicht auch, Papa?«

»Da bin ich ganz deiner Meinung, mein Kind. Ich habe deine Mutter lange nicht mehr so gesehen. Vielleicht findet sie ja mal wieder Geschmack an dem gesellschaftlichen Leben Berlins.« Er hatte sein Glas erhoben. »Auf meine wunderschönen Frauen und einen unvergesslichen Abend.«

Kurz darauf meldete der Diener, dass die Kutsche vorgefahren sei, und man verließ eilig das Haus.

Der Abend war ein überwältigender Erfolg. Nach dem Diner wurde getanzt. Carl Goelder hatte sich gleich nach der Begrüßung der Gastgeber in Marias Tanzkarte eingetragen. Was war das für eine entzückende Person! Er hatte sie nett gefunden, am Morgen, bei ihrem gemeinsamen Ausritt. Aber als er sie jetzt dort stehen sah, während sie mit ihren Eltern die Gäste begrüßte, war er einfach hingerissen.

Sofia traute ihren Augen kaum, als sie Olga sah. »Du siehst fantastisch aus«, flüsterte sie ihr bei der Begrüßung ins Ohr. »Wie hast du das denn hinbekommen? So habe ich dich ja seit Jahren nicht gesehen.«

Olga lächelte geheimnisvoll. »Wir reden später«, sagte sie. »Lass mich das hier erst mal überstehen.«

Nachdem beide die ersten Pflichttänze hinter sich gebracht hatten, setzten sie sich zusammen auf eine der zahlreichen Récamièren, die am Rand der Tanzfläche standen und von denen aus einige der älteren Herrschaften der Jugend beim Tanzen zusahen.

»So, nun erzähl mal«, drängte Sofia, »wer hat dir das tolle Kleid genäht?«

»Na, wer schon«, sagte Olga. »Gerson natürlich, nach einem Entwurf von Poiret, du weißt, der neue Star am Pariser Modehimmel.«

»Es ist atemberaubend.« Sofia war voller Bewunderung. »Das ist sogar Alfred aufgefallen.«

»Dann muss es ja wirklich toll sein, Alfred hat ja sonst nur einen Blick für möglichst große Banknoten.«

Sofia lachte gequält. »Oder für junge Schauspielerinnen.«

»Woher weißt du …«

»Du kennst doch die lieben Freundinnen. Man hat es mir zugetragen.«

Olga sah ihre Freundin mitleidig an. »Ich dachte, dieser Kelch ginge an dir vorüber. Aber anscheinend sind alle Männer gleich. Hast du mit ihm darüber gesprochen?«

»Ich habe ihm eine Szene gemacht, die hat sich gewaschen. Ich habe geheult und geschrien. Aber er streitet natürlich alles ab.«

Olga seufzte. »Es ist unser Los, sich alles gefallen zu lassen. Und wenn eine Frau sich das Gleiche herausnimmt, wird sie verstoßen. Irma hat recht, gegen die Unterdrückung der Frauen zu kämpfen. Wenn ich doch nur ein wenig mehr Mut hätte …«

»Würdest du denn wie Irma in einem möblierten Zimmer leben wollen, ohne geregeltes Einkommen? Nein …« Sofia schüttelte den Kopf. Dann ertrug sie lieber die Eskapaden ihres Mannes. Sie wechselte das Thema. »Was hat denn Magnus zu deinem Aussehen gesagt? Ist es ihm überhaupt aufgefallen?«

Olga errötete. »Ja, er macht mir schon den ganzen Abend Komplimente. Sieh mal, da kommt er.«

Magnus war quer durch den Saal auf sie zugekommen. »Olga, Liebste, wirst du mir den nächsten Tanz schenken?«

Sofia glaubte, sich verhört zu haben. Was waren das denn für neue Töne!

»Sie tanzen wunderbar, gnädiges Fräulein«, hatte Carl Goelder bei seinem ersten Tanz mit Maria die Unterhaltung begonnen, worauf seine Tanzpartnerin antwortete: »Bitte lassen Sie doch das gnädige Fräulein weg. Ich heiße Maria. Und wie heißen Sie?«

»Carl«, hatte er lächelnd geantwortet. »Wie schön, dass die Berlinerinnen so unkompliziert sind.«

Immer wieder hatte er sie zum Tanzen aufgefordert, und bevor er sich verabschiedete, hatte er gefragt, ob sie morgen noch einmal zusammen ausreiten könnten. »Mein Zug nach Insterburg geht erst am Abend, und ich würde mich so gern von Dark Sparker verabschieden.« Dass er eher Maria wiedersehen wollte, war seinen leuchtenden Augen anzusehen.

»Gern«, antwortete Maria, der natürlich nicht entgangen war, dass sie einen neuen Verehrer hatte. »Morgen um zehn im Reitstall. Und zum Mittagessen kommen Sie mit zu uns nach Hause, damit Sie gestärkt die Heimreise antreten können. Außerdem ist meine Mutter ganz begierig darauf, mit Ihnen über meine Großmutter zu sprechen. Sie haben sie doch gekannt.«

»Ja, und wir haben sie alle sehr gern gehabt. Sie war wie eine Mutter zu uns.«

Es war wieder ein strahlender Morgen. Carl war voller Ungeduld eine halbe Stunde zu früh zum Reitstall gekommen. Als Maria pünktlich um zehn erschien, stand er schon mit den gesattelten Pferden im Hof.

»Guten Morgen, Carl«, sagte Maria, der man die durchtanzte Nacht nicht ansah. »Sie sehen etwas blass aus. Haben Sie nicht geschlafen, oder sind Sie noch durch das Berliner Nachtleben gezogen?«

»Nein, keineswegs. Ich bin nur sehr früh aufgewacht. In Weischkehmen stehe ich immer im Morgengrauen auf. Auf einem Gut geht die Arbeit schon zeitig los.« Dass er vor Aufregung kein Auge zugemacht hatte, konnte er ja schlecht sagen.

»Übrigens, falls wir mal wieder zusammen ausreiten«, meinte Maria beiläufig, »ich sattle mein Pferd immer gern selbst.«

»Ich werde es mir merken. Aber so bald wird das ja wohl leider nicht sein.«

»Ist es nicht ein herrlicher Tag«, sagte Maria, während sie durch den sonnigen Tiergarten ritten. »Erzählen Sie doch ein wenig über Ostpreußen. Es soll dort wunderschön sein. Ich erinnere mich dunkel an die Briefe meiner Großmutter. Leider haben wir es nie geschafft, sie zu besuchen.« Sie schwieg. Fast hätte sie ihm von der Melancholie ihrer Mutter erzählt und wie traurig sie das selbst oft gemacht hatte. Aber was ging das diesen fremden jungen Mann aus Ostpreußen an?

Carl begann von den unendlichen Weiten der Landschaft zu schwärmen, von den Seen und Wäldern. »Weischkehmen ist umgeben von wilden Rosen. Es liegt direkt am Eichenwalder Forst. Mitten im Wald ist ein kleiner See, zu dem wir im Sommer reiten und wo wir schwimmen und picknicken.« Er erzählte begeistert von seiner Liebe zu den Pferden, den Jagdgesellschaften im Herbst, zu denen sich die Gutsbesitzer gegenseitig einluden, und den langen kalten Wintern.

Als die Pferde in Galopp verfielen, rief Maria: »Sie müssen nachher weitererzählen! Meine Eltern wollen das alles sicher auch hören.« Und so schwiegen sie – ab und zu tauschten sie Blicke –, bis sie erhitzt wieder im Stall ankamen.

»Lass uns du sagen«, schlug Maria auf dem Heimweg vor. »Ich bin sechzehn, und du bist wohl auch nicht viel älter.«

»Ein paar Jahre schon, ich bin vierundzwanzig«, entgegnete Carl mit einem Lachen.

»Bist du verheiratet oder verlobt?« Maria sah keinen Ring an seiner Hand.

»Weder noch. Ich habe die Richtige noch nicht gefunden.« Insgeheim dachte er, dass das so nicht stimmte. Die Richtige hatte ihm gerade das Du angeboten.

 

Die Bergs erwarteten die beiden schon ungeduldig. »War es schön, mein Kind?«, wollte Magnus wissen. »Wie geht es mit dir und Dark Sparker?«

»Wunderbar, Papa. Er ist ein herrliches Tier. Ich danke dir so sehr.«

»Und Ihre Tochter ist eine exzellente Reiterin mit einem großen Pferdeverstand.«

»Ich weiß, ich weiß, mein junger Freund.«

»Du siehst erhitzt aus, mein Liebling«, warf Olga ein. »Leg dir ein Tuch um, damit du dich nicht erkältest.«

»Aber Mama, mir geht es wunderbar. Wir sind eine Weile galoppiert, deshalb ist mir nur ein wenig warm.« Maria lachte. »Ich bin doch kein kleines Kind mehr. Du musst dich nicht immer um mich sorgen.«

Die Unterhaltung bei Tisch war äußerst anregend. Olga beteiligte sich lebhaft an den Gesprächen. Sie wollte alles wissen über ihre Mutter und Kurt, ihren Stiefvater. Sie konnte nicht genug davon hören, wie gern die Familie Goelder sie gehabt hatte und wie glücklich die beiden bis zu ihrem tragischen Tod waren.

»Fast hätten wir uns ja damals schon kennengelernt«, sagte Olga. »Die Reise nach Ostpreußen war fest eingeplant, als das schreckliche Unglück geschah.« Für einen Moment legte sich die Erinnerung wie ein trauriger Schleier über ihr Gesicht, aber dann lachte und strahlte sie wieder. Fast schien es, als flirte sie ein wenig mit ihrem jungen Gast.

Mama ist wie ausgewechselt, dachte Maria. So kannte sie ihre Mutter gar nicht. Jetzt bekam sie eine vage Vorstellung davon, wie Olga früher einmal gewesen sein musste. So, wie Tante Sofia sie ihr beschrieben hatte, wie in ihrer Jugend, vor ihrer Gemütskrankheit. Auch ihr Vater kam ihr verändert vor. Ihre Eltern, die sonst meist schweigend ihre Mahlzeiten eingenommen hatten, als seien sie Fremde, redeten plötzlich miteinander, lachten und scherzten. Irgendetwas musste geschehen sein, da war Maria sich sicher. Aber sie dachte nicht weiter darüber nach, die Erzählungen ihres Gastes zogen sie zu sehr in ihren Bann.

»Ich war schon einmal in Königsberg, geschäftlich. Ich habe dort eine Beteiligung an einer Schifffahrtsgesellschaft. Aber weiter als bis über das Haff nach Pillau bin ich nicht gekommen«, sagte Magnus. »Von Ihrem herrlichen Land habe ich leider gar nichts gesehen.«

»Warum besuchen Sie uns nicht alle einmal in Weischkehmen. Mein Vater wird entzückt sein, Sie als seine Gäste zu begrüßen.« Carl wurde ganz aufgeregt bei dem Gedanken.

»Was für eine wundervolle Idee!«, rief Olga begeistert, und Maria sagte, leicht errötend: »Dann vergiss aber nicht, dass ich mein Pferd gern selbst sattle.«

Magnus war nicht ganz so begeistert wie seine beiden Frauen. »Mal sehen, wann meine Geschäfte es erlauben. Wir bleiben in Kontakt.«

 

Als Carl sich verabschiedete, versehen mit einem Proviantkorb von Lisa für die lange Reise, versprach er, so bald wie möglich zu schreiben.

»Das wäre schön«, strahlte Maria. »Und ich berichte dir vom Berliner Gesellschaftsleben und natürlich, wie es Dark Sparker bei uns ergeht.«

Magnus und Olga nahmen noch einen Mokka in der Bibliothek. Maria hatte sich mit einem »Bis später« verabschiedet und war zu Nina gegangen, um ihr von dem morgendlichen Ausritt und dem gemeinsamen Mittagessen zu berichten.

»Ich glaube, unsere Tochter hat sich verliebt«, bemerkte Olga nach einer Weile des Schweigens. »Ob wohl mehr daraus wird?«

»So schnell schießen die Preußen nicht«, polterte Magnus »Nun mal den Teufel nicht an die Wand.«

»Maria ist sechzehn, sie ist im heiratsfähigen Alter.«

»Ja, aber Ostpreußen! Das ist doch am Ende der Welt!« Magnus sah unglücklich aus. Er zog bedächtig an seiner Zigarre. Nein, nein, so schnell schießen die Preußen nicht, beruhigte er sich und goss sich einen kräftigen Schluck Cognac ein.

 

In der Nacht nach dem Ball hatte Magnus an Olgas Tür geklopft. Sie war nicht verschlossen. Olga empfing ihn in einer Robe d'interieur, einem zartrosa Musselinkleid, über und über bestickt mit korallenfarbenen Steinen, das nur vorn lose mit Satinbändern geschlossen war. Darunter war sie nackt. Sie lag auf einer mit grünem Damast bezogenen Récamière, neben sich, auf einem zierlichen Beistelltisch, eine offene Flasche Champagner und zwei Gläser. Ihre vorher aufgesteckten Locken, nun befreit von den glitzernden Kämmen, umrahmten ihr Gesicht und fielen über Hals und Schultern. Überall brannten Kerzen. Ihr Anblick glich einem Gemälde von Renoir.

Sie streckte Magnus ihre Arme entgegen. »Ich habe dich erwartet, Liebster«, flüsterte sie.

Er sank vor ihr auf die Knie. »Wie schön du bist«, sagte er mit rauer Stimme. »Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet.«

Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen, während sie den Gürtel seines seidenen Morgenmantels löste. Ihr Kleid fiel auseinander, und sein Mund wanderte über ihren Hals zu ihren Brüsten, tiefer und tiefer.

Olga stöhnte. »Ich habe dich so vermisst, Liebster. Du glaubst gar nicht, wie sehr.«

Sie liebten sich in dieser Nacht, als hätte es kein Gestern gegeben. Die letzten Kerzen waren längst verloschen, und der Morgen graute bereits, als sie erschöpft und eng aneinandergeschmiegt einschliefen.

 

»Ich muss der gnädigen Frau das Reitkostüm aufbügeln«, berichtete Anna ein paar Tage später in der Küche.

»Na sowat, die Jnädije is doch seit Jahren nich mehr jeritten«, meinte Lisa, die seit über sechzehn Jahren im Hause Berg diente, ungläubig.

»Ja, und sie lacht und singt.« Anna hatte ihre Herrin noch nie so vergnügt und ausgelassen gesehen.

»So war se früher immer«, bemerkte Lisa, »aber seit dat Mariachen uff de Welt is, hat se ihr janz doll verändert.« Sie hatte aufgehört, mit dem Geschirr zu hantieren. »Die Melancholie hat se jekricht, die Arme, und der Herr Baron hat sich woanders Trost jesucht! So is dat mit die Männer.«

Kurz darauf hörte sie von ihrem Bruder, dass der Herr Baron schon seit Tagen nicht mehr bei seiner Tänzerin war und diese mit verheulten Augen herumlief. »Nachtijall, ik hör dir trapsen«, sagte sie zu Anna. »Ik jlobe, die Jnädije is aus ihrem Winterschlaf uffjewacht.«

Olga war wie ausgewechselt. Sie nahm wieder an den gemeinsamen Mahlzeiten teil, ließ sich bei Gerson einige neue Kleider machen und besuchte mit Magnus Opern- und Theateraufführungen.

Es war der 15. Juni, ein lauer Sommertag. Die Familie saß beim Mittagessen. Die Fenster waren weit geöffnet, um die warme Luft hereinzulassen. »Hast du Phili in der letzten Zeit gesprochen?«, fragte Olga. »Wie mag es wohl dem Kaiser gehen?«

»Phili meint, es steht sehr schlecht um ihn. Er hat ihn das letzte Mal gesehen, als er Ende Mai die Parade abgenommen hat. Er muss einen jammervollen Eindruck gemacht haben.«

»Was sagt denn der Kronprinz? Unser Freund sitzt doch sozusagen direkt an der Quelle?«

»Phili ist äußerst diskret. Er will sich dazu nicht äußern.«

In dem Moment ertönte ein lautes »Extrablatt! Der Kaiser ist tot!« zu ihnen herauf.

»Mein Gott, nun ist es doch so schnell gegangen«, sagte Olga. »Nicht einmal drei Monate war Victoria Kaiserin.« Fast hatte sie Mitleid mit der Frau, die sie nicht ausstehen konnte, und Magnus meinte versonnen: »Nun haben wir tatsächlich ein Drei-Kaiser-Jahr. Das wird es wohl nie wieder geben.«

Den Bennings war Olgas Veränderung auch nicht entgangen. »Ich glaube, sie hat ihr Schlafzimmer wieder aufgeschlossen«, sagte Alfred zu Sofia, »und ich hoffe, sie hat den Schlüssel weit weg geworfen, sonst geht das Elend bald wieder los.« Er hatte nicht das geringste Verständnis aufbringen können für Olgas, wie er sich ausdrückte, »hysterisches Verhalten«. Sofia musste sich sehr zusammennehmen, um ihm nicht ins Gesicht zu schleudern, was sie gerade dachte. Ihre Schlafzimmertür war immer offen, und trotzdem hatte er seit Jahren eine Geliebte.

»Was sagt denn Magnus?«, fragte sie, nachdem sie sich innerlich beruhigt hatte.

»Er scheint mir im Moment ganz zufrieden«, war Alfreds lapidare Antwort.

Na reizend, ganz zufrieden! Sofia befürchtete das Schlimmste. Sie wusste, nähme Magnus sein altes Leben wieder auf, würde es zu einer Katastrophe kommen.

Ein paar Tage nach diesem Gespräch saß Maria bei Nina in deren entzückendem Mädchenzimmer. Vorhänge und Bezüge der kleinen Sessel waren aus geblümtem Chintz, und in jeder Ecke lagen mit Spitze und Stickereien besetzte Kissen in allen Größen. Überall stand Nippes herum, und auf jedem freien Platz saß eine Porzellanpuppe, gekleidet in Seide und Brokat. Sie hatte sich einfach noch nicht davon trennen können.

»Ich weiß nicht, was mit Mama los ist«, sagte Maria. »Seit meinem Geburtstag ist sie so anders. Sie lacht und redet mit Papa über Dinge, die sie sonst gar nicht interessiert haben. Haben deine Eltern was gesagt? Es muss ihnen doch aufgefallen sein.«

»Keine Ahnung«, meinte Nina. Im Moment interessierte sie sich nur für eines, nämlich Victor von der Halst, den sie auf Marias Ball kennengelernt hatte. »Hast du etwas von Carl gehört?«, fragte sie ihre Freundin.

»Nein«, sagte Maria unglücklich, »er ist doch schon über vier Wochen weg und hat versprochen, sofort zu schreiben.

Bis jetzt habe ich nichts, aber auch gar nichts von ihm gehört. Ich fürchte, er mag mich doch nicht.«

»Das glaube ich nicht. Victor hat mir gesagt, dass Carl ganz hingerissen war von dir. Auch er hat noch keine Post von ihm bekommen. Er sagt, jetzt im Frühjahr ist auf dem Gestüt besonders viel zu tun. Da kommen nämlich die Fohlen auf die Welt. Er wird schon schreiben, dein Carl, bestimmt.« Nina rutschte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. »Ich muss dir was sagen, Maria«, flüsterte sie. »Du darfst es aber niemandem weitererzählen.«

»Was ist, nun sag schon.«

»Victor hat mich gestern gefragt, ob ich ihn heiraten will.«

»Was, du hast Victor allein gesehen? Ja, wann denn und wo?« Normalerweise war sie immer in der Nähe, wenn die beiden sich heimlich trafen.

»Meine Eltern waren aus, und die Dienerschaft hat in der Küche gesessen.« Ihre Stimme war kaum noch zu verstehen. Sie wusste, die Wände hatten Ohren. »Ich habe ihn zur Hintertür hereingelassen. Er war fast die ganze Nacht hier.«

Maria starrte ihre Freundin fassungslos an. »Du hast aber Mut«, sagte sie, nun ebenfalls im Flüsterton. Mein Gott, wenn Alfred von Benning die beiden erwischt hätte! Nicht auszudenken, was dann passiert wäre. Ein Duell womöglich … »Und was hast du geantwortet?«

»Ja, natürlich ja! Ich liebe ihn, das weißt du doch.« Sie blickte Maria strahlend an. »Er ist heute nach Insterburg gefahren zur Hochzeit seiner Schwester Freya. Wenn er zurück ist, will er bei meinem Vater um meine Hand anhalten. Und später will er sich in Insterburg niederlassen.« Sie war aufgesprungen und ging aufgeregt in dem Zimmer hin und her. »Ich werde dann in Ostpreußen leben. Wäre es nicht schön, wenn du in meiner Nähe wohnen würdest? Das Gut seiner Eltern, es heißt Berschallen, ist ganz in der Nähe von Weischkehmen.«

»Du bist gut«, erwiderte Maria lachend. »Bis jetzt habe ich noch keinen, der mich nach Ostpreußen holen will.«

 

Einige Tage später, die Familie saß beim gemeinsamen Frühstück, und Olga und Maria besprachen, was sie zu dem nachmittäglichen Jour fixe bei den Bennings anziehen sollten, brachte der Diener auf einem Tablett die Post.

Magnus, der wie immer morgens die Börsenberichte las, unterbrach seine Lektüre. »Für dich, Maria«, sagte er, das oberste Kuvert hochhaltend, »von deinem Verehrer aus Ostpreußen. Hat ja recht lange gedauert, dass er mal von sich hören lässt.«

Marias Gesicht war rot angelaufen, und ihr Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete, ihre Eltern könnten es hören. Sie legte den Brief achtlos neben ihren Teller.

»Ach, da ist ja auch einer für uns, Olga.« Magnus hatte das Kuvert mit seinem silbernen Brieföffner aufgeschlitzt und begann laut vorzulesen: Sehr geehrter Baron, sehr verehrte gnädige Frau, auch im Namen meines Vaters möchte ich mich von Herzen bedanken für die überaus freundliche Aufnahme in Ihrem Hause. Mein Berlin-Aufenthalt ist so für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis geworden.

Mein Vater bittet mich, Ihnen mitzuteilen, wie sehr er sich freut, dass Dark Sparker in so gute Hände gekommen ist und von einer so bezaubernden Frau geritten wird.

»Hört, hört«, sagte Magnus und schaute seine Tochter über den Rand seiner Brille hinweg an. Diese war erneut puterrot geworden und blickte verschämt auf ihren Teller.

Ihre im Schoss liegenden Hände zitterten. Magnus fuhr fort: Ich möchte meine Einladung nach Weischkehmen, die ich kurz vor meiner Abreise ausgesprochen habe, wiederholen. Mein Vater schließt sich diesem Wunsch von Herzen an.

Mit den besten Grüßen verbleibe ich Ihr sehr ergebener Carl Goelder.

»Was für ein reizender Brief«, sagte Olga und wandte sich an Maria. »Was ist, Kind, willst du deinen nicht auch aufmachen?«

»Ich lese ihn später, Mama.«

Es waren kaum fünf Minuten vergangen, als Maria aufsprang. »Ich habe keinen Hunger, bitte entschuldigt mich.« Damit stürmte sie in ihr Zimmer.

»Nun hat sie es aber doch eilig«, brummte Magnus, und Olga lächelte. »Hast du nicht bemerkt, wie sehr sie auf diesen Brief gewartet hat? Sie ist verliebt, unsere Tochter. Gewöhn dich dran!«

»Ach was, sie kennt ihn doch kaum, diesen jungen Burschen aus Ostpreußen.« Magnus war jetzt sichtlich schlecht gelaunt. Die guten Börsennachrichten, die ihn vorhin noch in eine so ausgelassene Stimmung versetzt hatten, waren vergessen.

»Jedenfalls so gut, dass sie sich das erste Mal ernsthaft für einen ihrer Verehrer interessiert.«

»Aber Ostpreußen ist doch so schrecklich weit weg«, sagte Magnus ungehalten. »Kann sie sich nicht in jemanden in Berlin oder Umgebung verlieben?« Er verschanzte sich wieder hinter seiner Zeitung, und Olga meinte beschwichtigend: »Wie sagst du immer? So schnell schießen die Preußen nicht.«

Maria hatte mit zitternden Händen das Kuvert aufgerissen. Fünf eng beschriebene Seiten fielen ihr entgegen. Carl schrieb, wie sehr er sich gefreut hätte, sie getroffen zu haben. Im Moment sei besonders viel zu tun auf dem Gestüt. Nach dem Tod von Kurt Lindner hätten sie immer noch nicht den richtigen Gestütsmeister gefunden, und er müsse sehr viel arbeiten, deshalb auch jetzt erst sein Brief. Sie möge ihm verzeihen.

Gestern habe ich Victor gesehen. Er will Nina heiraten, weißt du das schon? Falls nicht, bitte verrate mich nicht. Wenn er zurück in Berlin ist, hält er offiziell um ihre Hand an. Wir schwelgen in Erinnerung an unsere gemeinsamen Tage in Berlin und an deinen wunderbaren Geburtstagsball. Hier ist ja alles etwas ländlicher und nicht so elegant. Wusstest du, dass ich mir von Victor einen Cut leihen musste? Fast hätte ich zu deinem Fest gar nicht kommen können. Was für ein schrecklicher Gedanke! Dann hätten wir uns vielleicht gar nicht näher kennengelernt.

Er schrieb weiter, dass er auch ihren Eltern geschrieben und seine Einladung nach Weischkehmen wiederholt habe.

Leb wohl für heute, meine Schöne. Bitte schreib mir bald, dein dich sehr verehrender Carl.

 

»Lass uns zu Fuß gehen«, sagte Olga, als der Diener meldete, die Kutsche sei vorgefahren. »Es ist ja nicht weit zu den Bennings, und ich brauche etwas frische Luft.«

Arm in Arm schritten Mutter und Tochter auf dem neuen Spazierweg des Kurfürstendamms in Richtung des Benning-Palais. Neu angepflanzte Platanen spendeten einen angenehmen Schatten. Damen aus vorbeifahrenden Kutschen und ihnen bekannte Reiter grüßten und winkten.

Nachdem sie eine Weile schweigend gegangen waren, fragte Maria: »Was meinst du, Mama, wird Papa mit uns nach Ostpreußen fahren?«

»Ich weiß nicht, mein Herz. Möchtest du es denn gern?«

»Ja, ich wünsche es mir sehr. Aber Papa wird immer so brummig, wenn er von Carl spricht. Was hat er nur?« Ihre Wangen glühten.

»Ich glaube, er ist ein wenig eifersüchtig, dein Vater«, sagte Olga mit einem Lächeln. »Das ist ganz normal und wird sich schon geben. Aber was hat dein Carl denn überhaupt geschrieben?«

»Noch ist er nicht mein Carl«, erwiderte Maria und lachte, »aber vielleicht wird er es ja mal.« Jetzt erzählte sie ihrer Mutter von seinem Brief. Dass sie immer noch keinen richtigen Ersatz für Kurt Lindner gefunden hätten und er sehr viel arbeiten müsse und deshalb erst jetzt hätte schreiben können. Sie schwieg einen Augenblick, und dann brach es aus ihr heraus. »Ich bin verliebt, Mama, so verliebt wie noch nie.«

»Ich weiß, mein Kind.« Olga drückte Marias Arm.

Sie waren an dem neuen Palais der Bennings angekommen, einem der imposantesten Neubauten am Kurfürstendamm. Ein gusseiserner Zaun umgab den Vorgarten, in dessen Mitte ein Springbrunnen plätscherte. Ein gepflegter Rasen mit Blumenrabatten säumte einen breiten, geschwungenen Kiesweg. Ein mächtiges Tor, flankiert von eckigen Granitsäulen, auf denen Amphoren aus dem gleichen Stein standen, verwehrte Unbefugten den Zutritt.

In der großen, mit Carrara-Marmor ausgelegten Halle herrschte eine angenehme Kühle. Ein Diener in Livree empfing sie. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte er und führte sie in den Salon.

Hier wiederholte sich die äußere Pracht. Kostbare Teppiche bedeckten den Boden, an den Wänden hingen Gemälde alter Meister, und über der großen Sitzgruppe sahen sie einen aus chinesischer Seide gestickten Gobelin. Die Farbe der üppigen Vorhänge wiederholte sich in den Bezügen der Sessel und Bänke. Auf Etageren und Beistelltischchen standen Nippes und Blumenarrangements.

Es herrschte bereits eine angeregte Unterhaltung. Sofia eilte ihren neuen Gästen entgegen. »Wie schön, dass ihr da seid. Nina erwartet dich schon sehnsüchtig, Maria. Geh nur gleich nach oben. Alma ist auch da, sicher tauschen sie wieder Geheimnisse aus.« Zu Olga sagte sie leise: »Ich freue mich, dass du wieder die Alte bist. Blendend siehst du aus. Komm, ich stelle dich den Damen vor, die du noch nicht kennst.«

Die Unterhaltung stockte kurz, aber als Olga auf einem der zierlichen Barocksessel Platz genommen und der Diener sie mit einer Tasse Tee versorgt hatte, ging es nahtlos weiter.

»Ich habe gerade erzählt«, sagte die Frau Kommerzienrat Brachmann wichtig an Olga gewandt, »dass die Schwiegertochter des Barons von Stein … Sie wissen, wer das ist?« Olga nickte. »Also Ines von Stein hat über Nacht ihren Mann verlassen.« Sie schnaubte empört. »Sie ist mit beiden Kindern zurück zu ihren Eltern nach Hamburg gegangen.«

»Warum, was ist denn passiert?« Olga hatte in den letzten Jahren nicht allzu viel vom Geschehen in der Berliner Gesellschaft mitbekommen.

»Ihr Mann, der junge von Stein, hat sie ständig betrogen …« Frau Brachmann hielt plötzlich inne. Hatte der Baron von Berg nicht auch …? Aber Olgas unbeteiligtes Gesicht ließ sie fortfahren. »Außerdem soll er ein Spieler sein. Ihre ganze Mitgift hat er verspielt. Aber trotz alledem, da geht man doch nicht. Man hat doch eine Verantwortung!«

»Und nur einen Zettel hat sie hinterlassen, in der Halle, auf dem Tisch. DU KANNST MICH MAL! stand drauf. Bevor der Baron morgens nach Hause kam, hatte das Personal ihn gelesen und dafür gesorgt, dass die halbe Stadt es schon vor ihm wusste«, berichtete eine der Damen.

»Bravo!«, sagte eine elegante junge Frau, die Olga gegenübersaß. »Endlich wagt es einmal jemand, sich zu wehren.«

Frau Brachmann, eine füllige Matrone in den Sechzigern, blickte diese entgeistert an. Alle sprachen jetzt durcheinander.

»O Gott, das würde ich nie wagen.«

»Das kann man doch unmöglich gutheißen.«

»Ich wüsste gar nicht, wo ich hingehen sollte.«

»Also, wenn das Schule macht, ist ja die halbe Stadt verwaist«, sagte eine, was einen Heiterkeitsausbruch unter den Damen auslöste und die angespannte Stimmung etwas entschärfte.

»Ich finde es ungeheuer mutig«, warf Olgas Gegenüber nun ein. »Man muss sich von den Männern doch nicht alles gefallen lassen. Die junge Baronin hat offensichtlich Eltern, die Verständnis für sie zeigen. Aber kaum einer Frau ergeht es so. Wir Frauen müssen mehr Rechte bekommen in unserer Gesellschaft.«

»Also, Fräulein von Brüning«, fiel ihr Frau Brachmann empört ins Wort, »wir wissen ja, dass Sie sich für die Frauenrechte einsetzen. Sie sollten ihre Energie besser darauf verwenden, einen Ehemann zu finden!«

»Wer sagt denn, dass ich einen suche?«, antwortete diese ruhig.

Die Frau Kommerzienrat starrte ihr Gegenüber entsetzt an. Die war ja genauso unmöglich wie die von Stein!

Zu Sofias Erleichterung unterbrachen neu angekommene Gäste die erregte Diskussion. Die Gemüter hatten sich beruhigt, und man sprach über allgemeine Themen.

Währenddessen hatte Maria ihren Freundinnen Carls Brief vorgelesen.

»Siehst du«, sagte Nina, »er liebt dich. Ich habe es dir doch gesagt«, und Alma, die in alles eingeweiht war, bemerkte traurig: »Was mache ich bloß, wenn ihr beide in Ostpreußen lebt, so schrecklich weit weg.«

»Also, bisher hat er mir noch keinen Antrag gemacht«, meinte Maria lachend. »Mein Vater sagt immer, so schnell schießen die Preußen nicht.«

Aber Alma fürchtete, dass es bald so weit sein würde. Der Brief sprach doch Bände.

Auf dem Heimweg fragte Olga ihre Tochter, ob sie das Fräulein von Brüning kenne, die junge hübsche Person, ihr Gegenüber beim Tee.

»Ich habe von ihr gehört. Sie setzt sich für die Frauenrechte ein. Kürzlich stand etwas über sie in der Zeitung.«

»Eine interessante Frau«, sagte Olga. »Die gefällt mir.«

 

Victor war aus Insterburg zurück. Sein erster Weg führte ihn in das Haus Benning. Er hatte seinen Besuch schriftlich angekündigt, also konnte er sicher sein, dass er erwartet wurde. Der Diener nahm seine Visitenkarte auf einem silbernen Tablett entgegen. Einen Augenblick später führte er ihn in die Bibliothek.

»Was kann ich für Sie tun, junger Freund?«, begrüßte ihn Alfred von Benning jovial. Diese Frage stellte er immer. Die meisten Besucher wollten etwas von ihm; im Zweifelsfall war es Geld. »Nehmen Sie doch Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Sherry vielleicht?«

»Nein, vielen Dank.« Victor war sichtlich nervös. Nina hatte ihm gesagt, ihr Vater wisse nichts von seinen Absichten.

»Nun, was gibt's? Ich höre, Sie waren gerade in Insterburg auf einer Hochzeit. Nina hat davon gesprochen.«

»Ja, meine Schwester hat geheiratet. Und das ist auch der Grund, warum ich hier bin.«

»So, so«, sagte Benning leicht erstaunt. Wollte der junge Mann einen Kredit, weil er eine Familie gründen und ein Haus kaufen wollte?

Victor war aufgesprungen. Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Stuhl. »Ich möchte auch heiraten. Ich bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter.«

Benning starrte ihn entgeistert an. »Das kommt aber jetzt ein bisschen plötzlich«, sagte er. »Haben Sie schon mit Nina gesprochen?«

»Ja, selbstverständlich. Wir lieben uns.«

Benning hatte sich einen Cognac eingeschenkt und ging nun auf und ab. Er musste sich erst mal beruhigen. »Ich höre, Sie sind Arzt in der Charité …«

Jetzt kam der schwierigere Part. Nina hatte Victor gewarnt. »Ja, noch für ein paar Monate. Dann werde ich mich niederlassen. Aber nicht in Berlin, sondern in Insterburg.«

»Waaaas … In Insterburg? Das kommt überhaupt nicht in Frage. Meine Tochter will nach Ostpreußen?« Für einen Moment hatte Benning die Contenance verloren. Er war auf seinen Sessel gesunken, und alle Autorität, die er noch vor wenigen Augenblicken ausgestrahlt hatte, war verschwunden. »Können Sie meine Tochter denn überhaupt standesgemäß ernähren?« Er hatte sich wieder gefasst. »Natürlich kann sie eine stattliche Mitgift erwarten …«

»Ihre Mitgift interessiert mich nicht«, unterbrach ihn Victor ruhig. »Ich werde mit Sicherheit genug verdienen, um sie, wie Sie sagen, standesgemäß zu unterhalten. Es gibt nicht so viele Ärzte in Insterburg und Umgebung. Herr von Benning, ich liebe Ihre Tochter, und sie liebt mich. Bitte geben Sie uns Ihre Erlaubnis zu unserer Hochzeit.«

Ende der Leseprobe aus 288 Seiten  - nach oben

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Autor: Maja Schulze-Lackner

Maja Schulze-Lackner

Maja Schulze-Lackner wurde in Berlin geboren. 1966 eröffnete sie mit ihrer ersten selbst entworfenen Kollektion das Modegeschäft "Maja of Munich". Neben ihrer Tätigkeit als Designerin und Geschäftsfrau schrieb sie auch für die Bunte, Die Welt und Elle. 1995 beendete sie ihre Laufbahn als Modedesignerin und begann als Autorin zu arbeiten. Nach drei erfolgreichen Ratgebern erzählte sie in dem Bestseller "Und Wunder gibt es doch" die Geschichte ihrer ostpreußischen Familie. Nach dem großen Erfolg des Buches schilderte sie in drei weiteren Romanen die bewegten Zeiten in Ostpreußen Ende des 19. Jahrhunderts. Maja Schulze-Lackner lebt mit ihrem Mann in München.
www.schulze-lackner.de

Foto: © Michael Doster
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