
Im Netz
von
Robert Lynn
Seiten: (ca.) 44
Erscheinungsform: Neuausgabe
Erscheinungsdatum: 24.2.2014
ISBN: eBook 9783942822909
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)
Autor

Internetflirts in anonymen Chatrooms sind schön unverbindlich – aber auch ganz schön gefährlich. Denn wer weiß schon, wer sich hinter der digitalen Maske verbirgt?
Sie nahm sich viel Zeit zum Essen und Trinken, aber als sie das Geschirr in die Maschine stellte, war sie so unentschlossen wie zuvor. Mit einem Glas Wein in der Hand steckte sie die Diskette in den Rechner, auf der sie ihre Internet-Treffen mit Mark gespeichert hatte. Sie überflog alle Mails, dann las sie gründlich jedes seiner Worte. Beim dritten Durchgang stutzte sie.
Die Jahrtausendwende steht ganz im Zeichen digitaler Kommunikation. Ohne das World Wide Web geht gar nichts mehr – nicht einmal die Suche nach dem passenden Partner. So glaubt auch Lisa Schenk im Netz endlich fündig geworden zu sein, denn mit Mark zu chatten trifft sie mitten ins Herz. Aber so wundervoll ihr Datenaustausch ist, irgendwann steht die Frage nach einem persönlichen Kennenlernen auch im virtuellen Raum. Doch bevor es zu einem Treffen kommt, macht Lisa eine folgenschwere Entdeckung …
»Im Netz« ist der sechsundzwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – another one bytes the dust!
Details
- Titel
- Im Netz
- Autor
- Robert Lynn
- Seiten
- 44
- Erscheinungsform
- Neuausgabe
- Preis (eBook)
- 2,99 EUR
- ISBN (eBook)
- 9783942822909
- Sprache
- Deutsch
Leseprobe
Im Netz
Halb zwei am Morgen waren die Straßen leer. Über die Osdorfer Landstraße und den Holstenkamp fuhr Lisa nach Eimsbüttel. Das Spiel und ihr Vater hatten ihr gutgetan. Immer wenn sie mit ihm zusammen war, packte sie die schale Erinnerung an die Männer in Watte, die ihr während des Tages begegnet waren, und legte sie beiseite.
Sie hielt vor ihrem Haus in der Eichenstraße. Das Café Strauss war schon dicht, und die Kellnerin der Eckkneipe gegenüber trieb die letzten Gäste ins Freie. Sie fand einen Parkplatz direkt vor der Tür. Auf der Treppe ahnte sie schon, was ihr bevorstand: Die Watte um ihren Zorn auf Penndorfs unverschämte Anmache würde sich auflösen.
Schlaflosigkeit, Wälzen im Bett, rasende Gedanken. Diesmal nicht, schwor sie sich. Schon gar nicht wegen Rudger Penndorf.
Ihr war, als ob das Parkett knarzte, als sie im Flur zur Garderobe ging und den Mantel aufhängte. Vier große Räume hatte sie für sich, und jeder hallte in dieser Nacht verschieden. Sie entkleidete sich, duschte und zog vor dem großen Spiegel sorgfältig die Lippen nach. Dann schlüpfte sie in den pfirsichfarbenen Seidenpyjama. In der Küche schenkte sie Rotwein in ein Ballonglas, die Marke ihres Vaters. Zwölf Flaschen hatte er ihr geschenkt, dies war die vorletzte.
Am PC wählte sie den ersten Chatroom an, der ihr in den Sinn kam. Ihrer Erfahrung nach war es der mit den interessantesten Nachtfalken und den wenigsten Freaks und Perversen, auf die man in der Anonymität des Netzes immer gefasst sein musste. Sie klinkte sich ein. Hier hieß sie Michelle.
Hallo, zusammen! – Michelle
Hallo, Michelle, lange nichts von dir gehört. Wie gehts? – Amazone
Gut, tippte sie. Danke, Amazone. Wer ist da? – Michelle
Die anderen stellten sich vor: Bertrand aus Duisburg hatte sein Pseudonym nach dem englischen Philosophen Bertrand Russell gewählt. Mark, ein Neuer aus Hamburg, hasste angeblich Pseudonyme und behauptete, das sei sein wirklicher Name. Sonne war Werbefuzzi in Düsseldorf und vagabundierte im Netz auf der Suche nach normalen Menschen. Ein Münchner, auch neu, nannte sich Thoma. Bei der Vorstellung setzte er ein Icon hinter seinen Namen, ein lächelndes Gesicht aus Klammern und Punkten.
Worum gehts gerade? – Michelle
In gewisser Weise um deine Frage von eben, antwortete Amazone. Wer ist da? Zum Beispiel: Sind John F. Kennedy und Marilyn Monroe in der Hölle oder im Himmel, und was treiben sie gerade. Was meinst du?
Was für ein absurdes Problem, dachte Lisa. Abseitig. Genau das, was ich brauche.
Sie singen ein Duett, tippte sie. Happy deathday, Mister President. Marilyn im Himmel, John in der Hölle.
Das ist eine ziemliche Entfernung. – Mark
Himmel und Hölle? Die liegen dicht beieinander. Ist das etwa neu für dich? – Michelle
Es wurde drei Uhr, vier. Neue kamen hinzu, zwei Frauen und vier Männer. Sie unterhielten sich über Versace, die Neutrinostrahlung der Sonne und die Frage, ob Verona Feldbusch ein Kunstgeschöpf des Cyberspace war oder aus Fleisch und Blut, von Dieter Bohlen erschaffen. Thoma wollte wissen, wie real er für die anderen sein konnte, wenn er sich ihnen nur über Keyboard und Monitor näherte.
Lisa fühlte sich wohl. Im warmen Schein der Schreibtischlampe flitzten Fragen und Geständnisse über den Bildschirm, wurden aufgegriffen, gedreht und gewendet, kommentiert, manchmal mit Icons belächelt, aber nie ins Lächerliche gezogen. Lautlose, gefahrlose Intimität aus elektrischen Impulsen. Sie stellte sich Gesichter vor, die zu den Worten passten, Narben, Haare, Kleidung. Was trug Amazone um vier Uhr morgens, rauchte Mark, trank Sonne einen Roten wie sie? Es war gut, nichts von ihnen zu wissen, und besser, dass sie nichts von ihr wussten. Sie konnte sich Fantasiebilder zurechtspinnen und ihre Grenze ziehen, wo sie wollte, unbehelligt. Wenn ihr danach war, gewährte sie Einblicke. Nur wenn sie wollte, sonst nicht. Wenn einer unverschämt wurde, genügte ein Druck auf den Power-Knopf ihres PC, um ihn aus ihrem Leben zu verbannen. Keine Gefahr.
Sie spürte, wie Thoma aus München sich auf sie einpegelte. Er schrieb sie öfter an als alle anderen, seine Fragen und Geständnisse wurden persönlicher. Er versuchte, sich in ihre Gedanken zu winden und darin Spuren zu hinterlassen. Langsam beschlich sie ein Gefühl wie von einer dünnen Schleimschicht, die sich über sie legte. Die meisten anderen reagierten amüsiert; ein Smiley von Amazone blitzte auf, Ritsch ratsch Reißverschluss kam von Sonne, Machomacho von einer Neuen aus Neumünster. Es war halb fünf, Lisa dachte über eine gepfefferte Abschiedszeile nach, einen Blattschuss für Thoma. Der Kriecher sollte waidwund in die Kissen sinken.
Mark aus Hamburg hatte in der letzten halben Stunde weder Icons noch Kommentare beigesteuert und auch nicht versucht, dem Chat eine andere Richtung zu geben. Er hielt sich raus, war vielleicht schon im Bett. Aus irgendeinem Grund war Lisa enttäuscht. Er kam als Einziger aus ihrer Stadt, und sie hatte gehofft …
Thoma, altes Haus? – Mark
Mark, junge Hütte, was willst du? Du störst. – Thoma
Mit Absicht, mein bayerischer Freund. Lass Michelle einfach mal in Ruhe, gell? Ich glaube, sie passt nicht zu deinem Stil. – Mark
Ach was? Wer oder was ist denn mein Stil? Wenn du das beurteilen kannst, Preuße. – Thoma
Lisa beugte sich vor und schenkte, ohne hinzusehen, den Rest Rotwein in ihr Glas. Sie nahm einen Schluck. Zeit genug war, Mark schien seine Antwort sorgfältig zu erwägen. An allen zugeschalteten Rechnern herrschte Funkstille. Die anderen waren ebenso gespannt wie sie. Jetzt!
Hamburg war nie preußisch, aber vier Jahre lang französisch. Das nur nebenbei. Ich glaub, ich weiß, was dir fehlt. – Mark
Da schau her, er weiß, was mir fehlt! Bitte, Mark, lass mich nicht warten, sag schon, was mir fehlt! – Thoma
Ehrlich? – Mark
Sauhund! – Thoma
Zehn nackte Friseusen – mit richtig feuchten Haaren la la la … – Mark
Thoma floh aus dem Chatroom, als die anderen lachende Icons und Bayernwitze über ihn ausschütteten. Lisa trank den Wein und genoss ihr warmes Gefühl. Sie war immer noch nicht müde, aber das machte nichts.
Mark, ich wusste gar nicht, dass Hamburg mal französisch war. Wieso und wann? – Michelle
Der leere Monitor flimmerte. Dann erschien eine E-Mail-Adresse mit Nachtrag: Alle anderen weggucken! Die Adresse ist nur für dich, Michelle! Damit kein Missverständnis aufkommt: versteh das bitte nicht als Anmache. Ich hab nur einfach keine Lust auf die Thomasse dieser Welt, wenn ich mit dir rede. Zu deiner Frage: Von 1810 bis 14 waren wir von den Truppen Napoleons besetzt. Morgen Abend? Und tschüs – Mark
Lisa überlegte lange. Dann speicherte sie die Adresse und verabschiedete sich aus dem Chat.
»Sie sehen müde aus«, flüsterte Condermann in Lisas Ohr. »Harte Nacht gehabt?«
Jeder andere wäre unter ihrem Blick zu Eis erstarrt, Condermann nicht. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd, klein, fett und hässlich, aber unberührbar von Zurückweisungen oder Kritik. Lisa trat ans Fenster und starrte auf den gekräuselten Spiegel des Sonninkanals, der den grauen Himmel in Splitter zerlegte. Müde war sie, aber nicht leer wie sonst.
Hinter ihr füllte sich der Konferenzraum mit dem Planungsstab der Arona Versicherungs AG, Niederlassung Nord. Alles Männer. Anschwellendes Gemurmel: der DAX, die Zinsängste der Wall Street, argentinische Poloponys, spanischer Brandy, der neue Stairmaster im firmeneigenen Fitnessstudio.
Lisa hörte das typische Schlurfen, als Dr. Döbler hereinkam, und ein Rascheln. Sein Assistent richtete die Flipchart für eine Präsentation her. Sie setzte sich neben Condermann und drehte die Beine weg. Der kleine Lüstling hatte Meetings schon dafür benutzt, sein Knie an ihr zu reiben.
»Moin«, sagte Döbler. »Herrschaften, ich habe Frau Dr. Schenk zur Wochenkonferenz eingeladen. Hallo, Lisa. Mir ist klar, dass einige hier nicht glücklich sind, wenn die Innere Abteilung in unseren Jagdgründen wildert. Aber es hat sich schon zweimal ausgezahlt, und der Vorstand meint völlig zu Recht, dass Außenstehende die richtige Medizin gegen Betriebsblindheit sind. Gut. Heute steht Feindaufklärung auf der Agenda. Norbert, lass jucken.«
Döblers Assistent versorgte die Runde mit Charts, Diagrammen und Einschätzungen über Konkurrenzprodukte in den Bereichen Lebens- und KFZ-Versicherung. Nach einer Stunde gab Döbler den Startschuss zum Brainstorming. Unter dem Tisch suchte Condermanns Knie vergeblich nach Lisas Schenkel. Die Taschenrechner der Mathematiker klickten. Alle Vorschläge, die auf den Tisch kamen, zielten auf innovative Einzelklauseln, mit denen die Angebote der Konkurrenz zu schlagen wären. Schnell wurde die Debatte technisch. Döbler blinzelte Lisa zu.
»Frau Dr. Schenk?«
»Prämienfreie Policen vielleicht?«, schlug Lisa vor. »Auf zwei Jahre?«
Aufruhr brach los. Döbler sorgte für Ruhe und überließ Lisa die Bühne. Sie bat die elf Männer, ihre Idee vorurteilsfrei und offen zu durchdenken: Zehnjahresverträge, davon zwei beliebig wählbare Jahre ohne Prämienzahlung; die restlichen acht mit einem Prämiensockel, der leicht über dem der teuersten Konkurrenz lag, plus Anpassungsklausel; bei vorzeitiger Kündigung Nachzahlung von zwei Monatsprämien pro beitragsfreies Jahr und eine mäßige Bearbeitungsgebühr; Auszahlung sechs Monate nach Vertragsende.
»Langfristige Kundenbindung«, schloss Lisa, »eindeutige Wettbewerbsvorteile national und verbesserte Chancen europa- und weltweit. Nach meinem ersten Überschlag rechnet es sich. Aber ich will den Mathematikern nicht vorgreifen.«
»Völlig meschugge«, flüsterte Condermann durch das allgemeine Geraune in ihr Ohr. »Könnte aber klappen, Döbler ist hin und weg. Obwohl Sie so müde sind. Was war letzte Nacht nur los. Vitamin F? F für …«
»Pass auf, dass du dir keinen Knoten reinmachst, Ringelschwänzchen«, sagte Lisa laut und klar.
Cindy Krautwelsch zupfte das flauschige Handtuch zurecht, legte frische Unterwäsche und den Bademantel bereit und stellte die Dusche auf die Lieblingstemperatur ihrer Chefin ein. Der Arona-Konzern stellte seinen besten Leuten ab Abteilungsleiterebene ein Bad und einen winzigen, aber luxuriös ausgestatteten Umkleideraum zur Verfügung. Lisa war sehr gut in ihrem Job und genoss dieses Privileg seit zwei Jahren. Sie zog sich aus.
»Gib meine Notizen von dem Meeting in den Computer ein und drucke sie aus«, sagte sie, während sie den rechten Strumpf vom Bein schälte. »Die zeichne ich nachher ab. Dann möchte ich, dass du meine Idee als Präsentation für den Bereichsleiter ausarbeitest. Nach der Mittagspause. Gehts dir gut?«
Cindy war im sechsten Monat schwanger. Seit Wochen kämpfte sie mit Übelkeit und Schwindelanfällen, aber es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, Lisa damit zu behelligen. Dafür mochte sie ihre Chefin zu gern.
»Mir gehts klasse. Das Blag rumort schon, macht aber nichts. Wie ist es gelaufen?«
»Ganz gut. Bis auf Condermann.«
Cindy verdrehte wissend die Augen.
Lisa duschte und zog sich um. Im Vorzimmer scheuchte sie Cindy vom PC auf und befahl sie sofort in die Kantine zum Mittagessen mit anschließendem Spaziergang. Das Kind braucht frische Luft, sagte sie. Als Cindy gegangen war, paraphierte sie die Notizen von dem Meeting und legte sie in ihrem Privatordner ab. Dann warf sie den Mantel über und zog die Kupferspange aus ihrem Haar.
Auf der Amsinckstraße rauschte der Verkehr. Nieselregen verschleierte die Großmarkthalle gegenüber, eine mächtige Welle aus Beton und Glas. Lisa lehnte am Geländer der Brücke, die den Zufluss des Sonninkanals in den Mittelkanal überspannte. Laster donnerten vorüber. Feine Tropfen sprenkelten Lisas schwarze Mähne. Sie blickte auf das Wasser. Von einer kaum merklichen Strömung getrieben, dümpelte ein durchweichter Pappdeckel mit einem Gebinde frischer Lilien auf den kurzen Wellen und driftete unter die Brücke. Lisa erwog, auf die andere Seite zu wechseln, um die Blumen wiederzusehen. Sie schüttelte den Kopf und machte sich auf den Rückweg.
In der Kantine wählte sie Cordon bleu, Salat und Soda. Sie fand einen Einzeltisch, lächelte Cindy zu, die sich mit anderen Sekretärinnen eine kalte Platte teilte, und stocherte appetitlos in ihrem Essen. Sie ernährte sich schlecht und fand sich viel zu dünn für ihre Größe. Trotzdem fing sie immer wieder die gewissen Blicke von den Männern ein, wenn auch nicht so viele und offen lüsterne wie die Kleine mit den violetten Fingernägeln am Nebentisch.
Sie arbeitete in der Revisionsabteilung. Langes strohblondes Haar, Babyface, endlose Beine und diese Figur, bei deren Anblick die Kerle an heilige Huren denken würden, bis sie in zwanzig Jahren aus dem Leim ging. Wie war gleich ihr Name? Susi Speichert. Susi saß mit vier Damen aus ihrer Abteilung zusammen. Sie waren gut bei Stimmung, alle um die vierzig und dabei, den Kampf gegen die Pfunde aufzugeben. Ab und zu beteiligte Susi sich am Gespräch, die meiste Zeit tauschte sie Blicke mit Typen, schlug die Beine übereinander und fummelte an ihrem Ausschnitt. Lisa nickte Ilona Moldt zu, der stellvertretenden Leiterin der Revision, die sie flüchtig kannte. Ilona versicherte sich, dass Susi mit Blicketauschen beschäftigt war, verdrehte die Augen, verschränkte die Hände hinter dem Hals und wackelte mit ihrem mächtigen Busen. Susi merkte nichts, Lisa kicherte in den Salat. Am Nachmittag diktierte sie Cindy einige Briefe, ging mit ihr die Präsentation für den Bereichsleiter durch und skizzierte anhand der BitCom-Unterlagen, die Penndorf ihr überlassen hatte, ein Organogramm für die Installation des neuen EDV-Netzes. Bis zur Fertigstellung würde es sie noch vierzehn Tage Schufterei kosten. Um halb fünf schickte sie Cindy nach Hause mit der strengen Auflage, sich hinzulegen. Keinesfalls sollte sie sich wieder von ihrem Mann beschwatzen lassen, ihn zum Treffen seines Modelleisenbahnclubs zu begleiten.
Zwischen sechs und sieben leerte sich das Gebäude. Erfahrungsgemäß blieben um diese Zeit nur die leitenden Angestellten und einige junge Wölfe, die an ihrer Karriere bastelten. Gegen halb neun ließ das Donnern des Verkehrs auf der Amsinckstraße nach. Dreißig Minuten später speicherte Lisa ihre letzte Datei, reckte sich und gähnte. Genug für heute. Sie räumte auf und goss die Blumen. Im Bad schminkte sie sich ab, wusch Gesicht und Hände, legte neues Rouge auf und zog die Lippen nach. Ihr fiel ein, dass sie seit Wochen ihrem Bruder einen Brief schuldete. Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch, aber nach zwei Sätzen zerknüllte sie das Papier. Warum ging sie nicht nach Hause? Es dauerte eine Weile, bis sie sich den Grund eingestand. Aus ihrer Handtasche zupfte sie einen Zettel. Ihr PC war noch eingeschaltet. Sie tippte die Adresse ein.

Robert Lynn
Robert Lynn, 1949 in Chemnitz geboren, lebt seit 1957 mit wachsender Begeisterung in Hamburg, hat aber immer wieder längere Zeit in den USA und in Frankreich verbracht. Neben dem Schreiben ist er als Lehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Freizeit gehört ganz der Familie und seinen sportlichen Hobbies – statt mit dem Auto ist er mit einem Tourenrad unterwegs, spielt außerdem Squash und fährt Ski. Für »Der Samurai im Elbberg« – bei den »hey! shorties« unter dem Titel »Todestage« erschienen – erhielt er 2002 den »Marlowe« als Literaturpreis für Kriminalliteratur, mit »Die Meute im Nacken« von 1998 wurde er für den »Friedrich-Glauser-Preis« nominiert.Foto: (c) privat