
Grüne Hölle Hagenbeck
von
Frank Göhre
Erscheinungsform: Neuausgabe
Erscheinungsdatum: 3.3.2014
eBook-Preis: US$ 1,99 EUR
ISBN: eBook 9783942822572
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)
Autor

Ein toter Hund, ein einsamer Kommissar, ein militanter Rentner und eine nackte Leiche – im Hamburger Zoo geht’s gefährlicher zu als in freier Wildbahn!
»Ich setz' uns einen Espresso auf«, sagte sie und drängte ihren Vater, am Küchentisch Platz zu nehmen. Der alte Oskar zog vorher noch die Kühlschranktür auf und angelte sich eine Ritter Sport aus dem Seitenfach.
»Trauben-Nuss«, maulte er. »Da geht viel unter die Prothese.«
»Bitte, Vater, dann lass es.«
»Schokolade ist Nervennahrung, und für deinen Hermann brauche ich welche wie Drahtseile.«
Opa Oskars Schwiegersohn ist ein wahres Ekelpaket! Der Regionalchef des Privatfernsehsenders RAW vernachlässigt seine Vaterpflichten und betrügt seine Ehefrau nach Strich und Faden. Ein nicht unübliches Verhalten in der Branche, schließlich gibt es im Medienzirkus genug (Frei)Willige für einen karriereförderlichen Seitensprung. Dass auf diesen ein tödlicher Fall folgen kann, erfahren die Gäste des RAWschen Sommerfestes im Tierpark Hagenbeck auf unschöne Weise. Wie gut, dass Kriminalhauptkommissar Fedder sogleich zur Stelle ist, denn zusätzlich zum Leichenfund gibt es eine Vermisstenmeldung: Hermann Heinzes kleiner Sohn ist verschwunden ... ob Opa Oskars schokoladegestählten Nerven das aushalten?
»Grüne Hölle Hagenbeck« ist der siebenundzwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – auf zur Raubtierfütterung!
Details
- Titel
- Grüne Hölle Hagenbeck
- Autor
- Frank Göhre
- Erscheinungsform
- Neuausgabe ISBN (eBook): 9783942822572
- Dateigröße
- 754 KB
- Preis (Ebook)
- US$ 1,99
- Sprache
- Deutsch
Leseprobe
Grüne Hölle Hagenbeck
Die Frau war schmal und trug einen auf Taille geschnittenen mausgrauen Mantel. Um ihren Hals hatte sie einen in Herbstfarben gehaltenen Schal gelegt, der überaus sorgfältig zurechtgezupft war. Ihre Hände steckten in hellbraunen Handschuhen. Eine Hand umklammerte den Knauf eines knotigen Spazierstocks.
»Es ging alles so furchtbar schnell«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Lassen Sie sich Zeit«, meinte Fedder beruhigend, Kriminalhauptkommissar Jörg Fedder, Morddezernat, Sternzeichen Jungfrau. In knapp vier Wochen würde er seinen vierzigsten Geburtstag feiern können, wenn er ihn denn feierte. Er war noch immer unentschieden.
»Ich weiß nicht, ich weiß es wirklich nicht.« Die Frau schluckte, und Fedder registrierte, wie sie ihre schwarzlederne Handtasche aufklappte und ein Papiertaschentuch herausnestelte. Warum nur zog sie ihre Handschuhe nicht aus? Sie hatte den Stock neben sich an den Stuhl gelehnt, gleich musste er fallen.
»Einfach der Reihe nach«, sagte Fedder. Die vermutlich weit über sechzigjährige Frau betupfte ihre Augenwinkel. Der Spazierstock rutschte weg. Die Frau zuckte erschrocken zusammen.
Fedder war schon aufgestanden und bückte sich nach dem Stock. Sein Hosengürtel mit der quadratischen Silberschnalle drückte. Seit Weihnachten hatte er kontinuierlich an Gewicht zugelegt, und er wusste nur zu genau, warum. Er aß unregelmäßig und vor allem abends zu viel. Mindestens dreimal in der Woche verleitete ihn sein ehemaliger Kollege Peter, »Pit«, Gottschalk zu einem kleinen nächtlichen Kaltgetränk bei sich zu Hause, zu dem er seinem Verständnis nach »winzige Häppchen« bereitstellte. Mal waren es Platten mit Parmaschinken, Salami und vorzüglichen italienischen Käsesorten, mal gab es geräucherte Pfeffermakrelen, Schillerlocken und einen Berg Kieler Sprotten, die Gottschalk mit hauchdünnen Knoblauchscheibchen garniert hatte. Oder er servierte Holsteinischen Landschinken, ungarische Würste und Tiroler Speck zu daumendick geschnittenen Scheiben Pfister-Brot, das ihm Broszinski gelegentlich aus München mitbrachte. Jan Broszinski, auch ein Exkollege, Fedders damaliger Vorgesetzter, der seit Jahren kreuz und quer in der Welt herumreiste, um seine seinerzeit plötzlich verschwundene Lebensgefährtin Birte aufzuspüren, immer noch vergeblich. Eine tragische Geschichte.
»Danke«, sagte die Frau und umklammerte den Stock wieder. »Ich muss ja jeden Tag mit Karlchen raus – Karlchen, mein Gott! Wie kann ein Mensch nur so grausam sein? Und noch dazu eine Frau. Sie hatte so eine Lederjacke an, so eine schwarze, wie diese Motorradfahrer. Und blond war sie, ein ganz weißes Blond. Karlchen wollte ihr doch nichts.«
»Karlchen«, wiederholte Fedder. Er rückte seinen Stuhl neu zurecht und griff zu dem Notizblock, den ihm sein Versicherungsvertreter zum Jahresbeginn zugeschickt hatte: »Sie leben – wir sorgen für alles andere«.
Schön wär′s. Der Slogan war farbig auf die Blätter gedruckt, in einem satten Grün. Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen, fiel Fedder jedes Mal beim Anblick dieses Schriftzugs ein, und die Melodie des Musicalsongs setzte sich auch sofort wieder bei ihm fest: »Es grünt so grün …«
»Karlchen hat noch nie jemandem etwas getan.«
»Karlchen«, sagte Fedder noch einmal. Er räusperte sich. »Karlchen ist wer?«
»Karlchen ist mein ein und alles. Ein Dackel, ein wirklich liebes Tier.«
»Ein Hund?« Fedder legte irritiert seinen ArtPen aus der Hand, auch ein Geschenk, allerdings von Babette, einer Redakteurin der Obdachlosen-Zeitschrift Hinz & Kunzt, der er während ihrer Scheidung hilfreich zur Seite gestanden hatte. Und mit ihr auch gern intimer geworden wäre. Er sollte sie mal wieder anrufen und, statt mit Gottschalk herumzuhängen, bei ihr, Babette, Babette Sturm, – Sturm wie der Wind, ein echt heißer Wind – einen ernsthaften Anlauf nehmen. Es war verdammt lange her, dass er eine Frau in seinen Armen gehalten hatte, eine unbekleidete zumindest. »Entschuldigen Sie, aber dann – ich meine, Sie sind hier bei der Mordkommission.«
»Sie hat Karlchen ermordet! Diese Frau, sie hat Karlchen gepackt und ihm – es war so schrecklich. Sie hat ihm einfach das Genick gebrochen.« Fedder schüttelte ungläubig den Kopf.

Frank Göhre
Frank Göhre, geboren 1943 in der Tschechoslowakei und aufgewachsen in Bochum, verließ im Alter von 15 Jahren das Gymnasium, absolvierte eine Kaufmannslehre und später eine Ausbildung zum Buchhändler. In seinem 1974 erschienenen Debüt »Gekündigt« verarbeitete er seine in der Berufsausbildung gemachten Erfahrungen und wurde dafür mit dem Förderpreis für Literatur des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.Neben seinen beruflichen Tätigkeiten in der Stadtbücherei Wattenscheidt und dem Weismann/Frauenbuchverlag schrieb Frank Göhre zunächst Hörspiele, Rundfunkbeiträge und Romane.
Später zog er nach Hamburg und schrieb dort gemeinsam mit dem Regisseur Carl Schenkel das Drehbuch zu dem Kino-Thriller »Abwärts«.
Nach intensiven Recherchen im Hamburger Rotlichtmilieu veröffentlichte er die St. Pauli-Trilogie »Der Schrei des Schmetterlings«, »Der Tod des Samurai« und »Der Tanz des Skorpions«. Schon nach Veröffentlichung des ersten Bands wurde er zur ersten Garde der deutschen Spannungsschreiber gezählt. Leitmotiv der Trilogie ist die Verwicklung der handelnden Figuren in alltägliche Verbrechen, hinter denen Göhre stets die gesellschaftliche Dimension anzudeuten versteht.
Darüber hinaus fungierte er als Herausgeber der Romane von Friedrich Glauser, unterrichtete beim Freiburger Drehbuch-Workshop und hielt im Rahmen der Hamburger »Medien und Kulturarbeit« Seminare über das Drehbuchschreiben. Er war Tutor an der Drehbuch-Schreibschule in Köln und Dozent an der Ludwigsburger Filmakademie. Frank Göhre erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den »Deutschen Drehbuchpreis« für »St. Pauli Nacht« und den »Deutschen Krimi Preis« 2011 für »Der Auserwählte«.