
Asphaltdichter
von
Ingvar Ambjørnsen
Erscheinungsform: Neuausgabe
Erscheinungsdatum: 11.3.2014
eBook-Preis: US$ 5,99 EUR
ISBN: eBook 9783942822862
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)
Autor

Die Gedanken sind frei! Für Peter und den Prof ist künstlerische Freiheit ein wichtiges Gut. Unvorstellbar also, dass Prof die Manuskripte von Norwegens jüngster literarischer Hoffnung gestohlen haben soll. Doch genau das wird ihm angelastet. Was die Sache nicht einfacher macht: Er hat das beste Motiv der Welt.
»Peter?«
»Am Apparat«, sagte ich. »Du, ich geb das ja nur verdammt ungern zu, aber ich brauche einen Rat. Die Sache ist die ...«
»Die Sache ist die, dass der Prof vor zehn Minuten hier angerufen hat«, fiel mein Vater mir ins Wort. »Das ist die Sache.«
Ich stöhnte vor Erleichterung. »Alles in Ordnung?«
»Alles wäre wohl haarscharf übertrieben. Er war gerade in der Helgesensgate aufgewacht. Auf dem Rücksitz in einem geklauten Auto. Sag mir eins: Was habt ihr gestern Abend eigentlich eingeschmissen?«
Eine gute Frage! Und was genau ist eigentlich geschehen, nachdem Prof Erlandsen seine Freundin auf der Party beim Knutschen mit einem anderen Kerl erwischt hat? Jarle Svennes ist der neue Star und das viel gelobte Enfant terrible der Osloer Dichterszene – harte Konkurrenz für den Prof! Als kurz darauf in Jarles Wohnung eingebrochen wird und dessen Manuskripte gestohlen werden, gerät der Prof unter Hauptverdacht. Selbstverständlich will Peter seinem Freund helfen und setzt alle Hebel in Bewegung, um den wahren Schuldigen zu überführen. Dabei findet er in einer legendären Gestalt der künstlerischen Halbwelt einen unverhofften Verbündeten …
»Asphaltdichter« ist der neunte Band der Jugendkrimi-Reihe Peter und der Prof – wer schreibt, bleibt!
Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs
Details
- Titel
- Asphaltdichter
- Autor
- Ingvar Ambjørnsen
- Erscheinungsform
- Neuausgabe ISBN (eBook): 9783942822862
- Dateigröße
- 1278 KB
- Preis (Ebook)
- US$ 5,99
- Sprache
- Deutsch
Leseprobe
Asphaltdichter
Abgesehen von zwei Tauben, die sich um einen Pizzarest zankten, war die Straße wie ausgestorben. Fast alle Fenster in der Bäckerei standen offen, aber es war mäuschenstill. Kein Radio lief, keine Musik, nichts. Ich ging durch den Torweg in den Hinterhof. Eine schwarzrote Flagge, die jemand aus einem Fenster im zweiten Stock hängen ließ, bewegte sich leicht im Wind, ansonsten stand auch hier die Welt still. Die Sonne schien zwar, aber mir kam das alles fast unheimlich vor; so als ob alle anderen die Stadt verlassen hätten oder an einer geheimnisvollen Seuche eingegangen wären.
Die Tür zur alten Bäckerei, die wir in der Nacht als Tanzsaal benutzt hatten, stand halb offen. Vorsichtig ging ich hinein. Hier war jemand. Sehen konnte ich niemanden, aber ich hatte das einfach im Gefühl. Ich blieb stehen und horchte. Draußen auf der Straße fuhr ein Auto vorbei, aber ich hörte noch ein anderes Geräusch und das stammte aus diesem Raum. Schnarchen. Nein, kein Schnarchen, irgendwer holte keuchend Atem. Irgendwer schlief tief. Mit offenem Mund. Die große Halle kam mir seltsam leer und fremd vor, jetzt, wo keine Musik mehr lief und alle nach Hause gegangen waren. Die Anlage war weggeräumt worden, der Boden war sauber gefegt. Ein schwaches graugelbes Licht fiel durch vier verdreckte Fenster ganz oben unter der Decke. Auf einer niedrigen Bühne, die sich die Hausbewohner selber gebaut hatten, standen einige riesige Pappkartons und offenbar stammte das Geräusch aus einer von ihnen. Hier gab es ganz einfach kein anderes Versteck. Schlief der Prof in einem Pappkarton? Ich kapierte überhaupt nichts mehr.
Er lag nicht in einem Pappkarton, sondern hinter den Kartons auf einer dünnen Gummimatte. Und es war nicht der Prof. Sondern Filla. Allein war er auch nicht, sein Gesicht war in einer zitronengelben Mähne vergraben, über seinem Oberschenkel lag eine Frau, die löchrige Jeans anhatte. Zum Glück waren beide angezogen unter seiner abgenutzten Lederjacke, die sie als Bettdecke benutzten, sonst hätte ich es verdammt peinlich gefunden, sie wecken zu müssen. Und das musste ich jetzt. Der gute alte Filla! Wenn man alle von uns, die in Løkka, Bjølsen und Torshov zusammenhingen, als Kartenspiel ansah, dann war Filla zweifellos der Joker. Viele Jahre lang war er mein erbitterter Feind gewesen. Aber dann hatte er dem Prof und mir auf eine seltsame Weise das Leben gerettet und wir waren gute Freunde geworden. Um ganz ehrlich zu sein hatten der Prof und ich Filla auch zweimal retten können. Wenn auch nicht gerade vor dem Tode, dann doch vor ziemlich unangenehmen Begegnungen mit der Bullerei. Filla hatte schon als kleiner Junge schnell und hart zugelangt, und auf welcher Seite des Gesetzes er sich gerade befand, sah er ziemlich locker. Lange Zeit hatte er sich auch ziemlich heftig zugedröhnt, im letzten Jahr dagegen war er einigermaßen nüchtern geblieben. Jetzt allerdings stank er dermaßen nach schwarz Gebranntem, dass mir die Augen tränten. »Filla! FILLA!«
Er kam langsam an die Oberfläche. Zwinkerte eine Runde mit den Augen, dann starrte er mich genervt an. Seine Süße murmelte irgendwas im Schlaf und drehte sich zur Wand. Filla stützte den rechten Ellbogen auf den Boden und das Kinn in die Hand. »Tut mir Leid, Pettersen, heute komme ich ausnahmsweise nicht mit zur Sonntagsschule.«
»Ja, verflixt«, sagte ich. »Dann kriegst du aber auch kein Fleißkärtchen!«
Filla fummelte in seiner Jackentasche herum und zog seinen Tabak hervor. »Was willst du eigentlich von mir?«
»Ich suche den Prof. Der ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen.«

Ingvar Ambjørnsen
Ingvar Ambjørnsen wurde 1956 in Norwegen geboren. Nach einer kurzen Schulkarriere begannen lange, unruhige Jahre in den Randgruppen der Gesellschaft, seiner informellen Ausbildung zum Schriftsteller. Inzwischen gilt er nicht nur in Norwegen als erfolgreicher Autor. Seit 1985 lebt er in Hamburg und erhielt u. a. nach dem Hamburger Literaturstipendium 1986 das Literaturstipendium 1988 der Stadt Lübeck mit Stadtschreiberwohnung im Buddenbrook-Haus, darüber hinaus wurden seine »Elling«-Romane verfilmt.Zuletzt erschien von ihm der Roman »Die Nacht träumt vom Tag« im Hamburger Nautilus Verlag.
(C) Autorenfoto: Christine Poppe