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Titel: Ruf des Abendwindes

Ruf des Abendwindes

Der dunkle Zauber Afrikas

von Cornelia Canady

Seiten: (ca.) 331
Erscheinungsform: Neuausgabe
Erscheinungsdatum: 14.11.2012
ISBN: eBook 9783942822039
Format: ePUB und MOBI (ohne DRM)

US$ 5,99

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Autor

Autor: Cornelia Canady
Cornelia Canady (Autor)
4 eBooks
Übersicht Leseprobe Autor

Julia, durch eine gescheiterte afrikanische Liebe bitter enttäuscht, versucht nach Jahren im Urwald wieder in Deutschland Fuß zu fassen. Doch vergeblich: Die Sehnsucht ruft sie zurück auf den Schwarzen Kontinent. Sie ist entschlossen, auch ohne ihren Geliebten Tahim als Tourismus-Pionierin ihr Glück zu machen. Doch gerade als sie die ersten Hürden genommen hat, flammt der Bürgerkrieg wieder auf, der Zentralafrika seit langem in seinen Klauen hat. Vor Julias Haustür wird eine junge Mutter brutal getötet, und Julia beginnt an ihrer neuen Heimat zu verzweifeln. Da zeigt Afrika seine Magie der Extreme - denn ausgerechnet durch diesen Vorfall kommt die Liebe zurück in Julias Haus ...

Details

Titel
Ruf des Abendwindes
Untertitel
Der dunkle Zauber Afrikas
Autor
Cornelia Canady
Seiten
331
Erscheinungsform
Neuausgabe
Preis (eBook)
5,99 EUR
ISBN (eBook)
9783942822039
Sprache
Deutsch

Leseprobe

Cornelia Canady

Ruf des Abendwindes

Roman

***

Meiner geliebten Mutter gewidmet


Du sollst wissen, dass du mein Herz berührt hast. Ich glaube an das Herz, es hat immer recht.
Henry Miller an Hoki Tokuda

***

Abschied von Maria

Allmählich fügten sich verschwommene Konturen zu einem Bild zusammen: Ein rundes Gesicht unter einer weißen Haube schwebte über mir und musterte mich mit einem eingefrorenen Lächeln. Ich nahm Geräusche wahr, Stimmen, ein unerträgliches Rauschen. Plötzlich schlug mich jemand flach auf die Wangen.
»Frau von Laue … aufwachen!«
Ich zuckte zusammen. Ich lag in einem Bett mit Gittergestell, in einem weiß gekalkten, karg möblierten Zimmer, und die schwach nach Medizin und Mittagessen riechende Frau war mir fremd. Beunruhigt fragte ich sie: »Was ist denn los?«, und dabei schnürte eine böse Ahnung mir die Kehle zu.
Die Frau im hellen Kittel beugte sich zu mir herunter und richtete etwas an meinem Arm, sodass ein stechender Schmerz ihn durchfuhr. So stechend wie der Schmerz kamen meine Erinnerungen zurück. Mein Baby, Maria, ungeborene Tochter meiner großen Liebe! Unwillkürlich tastete ich über meinen Bauch, den ich prall und rund in Erinnerung hatte. Was ich spürte, war ein flacher, eingefallener Ballon, in dem es zog und wie Feuer brannte.
»Mariaaaaa! Wo ist mein Baby?«, schrie ich die Schwester an. »Wo ist mein Baby?« Ich krallte mich in ihren Arm.
»Ist ja gut, Frau von Laue.« Sanft entzog sie sich meiner Umklammerung. »Sie hatten einen Autounfall.«
»Was habt ihr mit meiner Tochter gemacht? Wo habt ihr sie hingebracht?«, schrie ich.
»Sie haben Ihre Tochter verloren. Das ist sehr, sehr traurig, aber Sie werden darüber hinwegkommen. Bei allem Unglück hatten Sie einen Schutzengel. Sie haben innere Verletzungen, die bald wieder ausheilen werden, Sie können weitere Kinder bekommen.«
»Das ist nicht wahr!«, wehrte ich verzweifelt ab und grub meine Hände ins Gesicht, bis es schmerzte. »Wo ist mein Baby?«, wiederholte ich böse und eindringlich. Ich hasste diese Person, die mich einzulullen versuchte. Suchend sah ich mich im Zimmer um nach Hinweisen auf Maria. Aber da war nichts.
»Ihr habt sie umgebracht!«, rief ich verzweifelt.
Und dann schrie ich. Als die Schwester mich in die Arme nehmen wollte, stieß ich sie so grob zurück, dass sie taumelte. In der Tür erschien ein Mann in weißem Kittel.
»Ich habe es ihr gerade erklärt«, entschuldigte sich die Schwester.
»Schon gut, Schwester Erika, lassen Sie uns bitte einen Moment allein!« Der Mann hatte eine beruhigende Stimme. Er sah mich besorgt an und berührte sacht meine Schulter. »Ich bin Ihr Arzt, Frau von Laue. Leider gab es keine Rettung mehr für Ihre kleine Tochter, wir haben alles versucht. Es ist sehr schnell gegangen, sie musste sich nicht quälen!«
Während er tröstend meine Hand hielt, zerbrach ich in tausend Stücke.
»Wir hatten Glück, dass wir Sie durchgebracht haben! Sie haben einen Milzriss und starke innere Blutungen.« Der Arzt fühlte meinen Puls. Dann verschwand er.
Ich war wie betäubt. Eine gütige Wolke umhüllte meine Seele. Ich wollte nur noch sterben, wollte zu meinem Kind, das so plötzlich aus meinem Bauch gerissen worden war. Maria! Plötzlich sah ich sie ganz deutlich vor mir. Sie sah mich liebevoll an und breitete ihre Ärmchen nach mir aus. Ihr Blick war ganz aufmerksam, und sie verstand jedes Wort, als ich anfing, mit ihr zu sprechen.
Meine schöne, kleine Tochter, weißt du noch, was wir alles vorhatten? Wir wollten zusammen nach Afrika zurück, in das Land des trockenen Harmattan-Windes und des geheimnisvollen Oubangui-Flusses, in das Land, das mein Zuhause ist und das auch deines werden sollte. Vielleicht bist du jetzt schon dort.
Vielleicht bestaunst du schon die Vielfalt der Blüten und der Früchte, der Tiere. Siehst du deinen Vater? Tahim, meine große Liebe… Icham heißt er noch, das heißt Josef auf Arabisch, deshalb nenn ich dich Maria, weil ihr zusammengehört, so wie auch ich zu ihm und dir gehöre! Aber das habe ich dir ja schon erzählt. Du weißt ja schon so vieles von deinem Vater, und er weiß nichts von dir - nicht, dass du schon die Hitze Afrikas kennst und auch die Krankheiten, dass du schon Malaria hattest, dass du die Angst vor dem großen Urwald kennst und auch den Gesang der Pygmäen, wenn sie von der Jagd zurückkommen, den Schrei des Kronenadlers und das heisere Bellen der Gorillas …
Er weiß nur, dass du unser größter Wunsch warst, der sich formte aus Schweißperlen, Spermien und Seufzern leidenschaftlicher Umarmungen, als wir uns im Dschungelhaus am Oubangui liebten. Wie ähnlich du ihm siehst, meine kleine Tochter. Du hast seine samtige, olivfarbene Haut, seinen sinnlichen Mund mit den festen Lippen, die bei jedem Kuss so weich und verzehrend wurden. Noch kann ich nicht erkennen, ob du meine grün schillernden Augen hast oder seine schwarzen, voll orientalischer Unergründbarkeit.
Erinnerst du dich, wie wir nach Europa zurückmussten, weil meine Zeit in Afrika abgelaufen war, und in der kleinen Wohnung in München landeten? Oft habe ich dir afrikanische Musik vorgespielt. Du hast sie genauso geliebt wie ich, du hast gestrampelt zu dem Zouk: Oti entre OK … on sort KO oder Francos Rumba aus Zaire: Mpata Ezangi… ma femme et son chauffeur… und zusammen sind wir herumgewirbelt, sodass ich dich mit beiden Händen umschlingen musste, damit mein dicker Bauch nicht allein davonflöge.
Weißt du noch, wie wir tief im Dschungel nach einer erfolgreichen Antilopenjagd mit meinen kleinen Pygmäenfreunden im Lager zusammensaßen, die am Feuer ihre Kinder wiegten? Da warst du acht Wochen alt. Reihum wurden Märchen erzählt, zum Beispiel vom Mango- und dem Zitronenbäumchen: Mángò - ndímò.wà.kpôkpô. Das ging so:
Der Wind blies eines Tages so stark, dass er alles aufwirbelte und mit sich nahm. Dabei war auch ein kleiner Samen des Zitronenbaumes. Weil der Wind von weither kam und abends müde war, legte er alles ab, und das Körnchen fiel genau unter einen Mangobaum. Als dies der Mangobaum sah, war er nicht zufrieden und wollte, dass der Samen wieder verschwände. Aber der blieb und wuchs.
Die Trockenzeit kam, und aus dem Samen wuchs ein kleines Bäumchen. Dann kam die Regenzeit, und damit kamen auch die Raupen. Sie fraßen den kleinen Zitronenbaum fast kahl. Da rief er verzweifelt nach dem Chef der Raupen und beklagte sich, dass sie doch besser den großen Mangobaum fressen sollten, weil er böse mit ihm war. So zogen die Raupen in den großen Mangobaum und begannen ihn zu fressen.
Eines Tages kam der Wind zurück und blies so stark wie nie. Der große Mangobaum, der schon oft unter dem Wind gelitten hatte, konnte ihm nicht wie früher widerstehen, denn er war von den Raupen ziemlich zerstört. Noch einmal blies der mächtige Wind, und da zerbrach der Mangobaum und stürzte zu Boden. Er fiel auf den kleinen Zitronenbaum unter ihm und alle beide waren verloren.
Mich machte die Geschichte damals sehr traurig, obwohl sie ja nur ein Gleichnis war, ein altes Märchen der Waldmenschen, das der weise Pygmäenhäuptling Majeke seinen Enkelkindern erzählte. Verluste machten mich immer traurig.
Ahnte ich damals, dass auch wir uns trennen müssten, meine geliebte Tochter? Wo blieb meine Liebe nun, die doch so groß war? Wo konnte ich sie leben? Meine Liebe zu dir, zu Tahim, zu Afrika? Wie sollte ich leben ohne dich, mein Kind? Hatte mir doch die Trennung von deinem Vater bereits das Herz zerrissen.
Welch unsägliches Glück hattest du mir geschenkt, geliebte Tochter, als du langsam in mir wuchsest, welch ungeheurer Trost inmitten meiner Verzweiflung darüber, dass ich Afrika verlassen, mich von Tahim trennen musste. Nie würde ich diese Verzweiflung vergessen, als ich meine Holzkisten packte und dann vom Flugzeug aus wie ein Schlosshund heulend ein letztes Mal auf die Zentralafrikanische Republik hinuntersah - und nie das Glück, das ich gleichwohl durch dich erfuhr. Du wurdest zu meiner einzigen Hoffnung, für dich lohnte es sich zu leben. Ich wollte dir die Augen öffnen für die Schönheiten der Welt und dir Kraft geben für dein kleines Leben.

Der Flug der Amsel

In Ollis schöner Altbauwohnung erholte ich mich langsam von den Strapazen. Allmählich heilten die körperlichen Wunden. Was nicht heilte, war die Wunde meines Verlustes. Immer wieder drehten sich meine Gedanken im Kreis, jeden Morgen wachte ich schweißgebadet aus Albträumen auf. Mami half mir sehr in dieser Zeit. Aufmerksam und feinfühlig war sie immer für mich da. Dabei litt sie darunter, dass ich mich abgekapselt hatte und sie kaum besuchte, obwohl sie in der Nähe wohnte. Ich aber wollte allein sein.
Erstaunlicherweise war Ngonga, mein kleines Nilpferd, ein großer Trost. Dieses hübsche Hippo aus Acajou-Holz, stolz aufgerichtet, schmuck im geschnitzten Anzug und fest auf beiden Hinterfüßen stehend, hatte ich vor fünf Jahren auf dem Markt in Bangui erstanden, und seither war es mein ständiger Begleiter. Seinen Namen hatte es von meinen Pygmäenfreunden, Majeke und seiner kleinen Tochter Esakola, erhalten. »Ngonga« bedeutet in ihrer Sprache, dem Aka-Dialekt, »Nilpferd«, und es hatte sich unzählige Male als geradezu magischer Glücksbringer erwiesen. Einmal hatte Ngonga sogar für einen rettenden großen Regen gesorgt, der die trockenen Bachläufe endlich wieder füllte, Fische hineinzauberte und die Jagd am nächsten Tag zu einem großen Erfolg machte. Auch jetzt wirkte er beruhigend auf mich. Er stellte die einzige Verbindung zu meiner glücklichen Zeit in Afrika dar, zu dem Menschen, der die eine große Liebe meines Lebens war.
Zum Glück wurde ich von meinem Kummer durch die Notwendigkeit abgelenkt, mir eine Arbeit zu suchen. Mein eigenwilliger Lebensstil machte es mir nicht gerade leicht, etwas Passendes zu finden. Ich hatte kleinbürgerliches Spießertum immer schon gehasst und neigte dazu, mit allem zu brechen, was mir öfter als zweimal gegen den Strich ging, wozu auch meine zwei weit zurückliegenden Ehen gehörten.
Bei meiner Arbeitssuche zeigte sich, dass ich mit meinen 37 Jahren und einem nicht sehr geradlinigen Lebenslauf gar nicht so leicht zu vermitteln war. Dabei hatte ich keine hohen Ansprüche. Ich hätte sogar einen Job als Nachtportier angenommen. Immerhin sprach ich drei Sprachen fließend. Irgendwas musste sich doch finden lassen. Meine Geldvorräte neigten sich dem Ende zu, und ich brauchte dringend eine eigene Wohnung. Olli würde bald von einem Auslandsaufenthalt zurückkommen. Spätestens dann musste ich umziehen, denn ich brauchte Ruhe. Außerdem hätte ich es nicht ertragen, ständig seiner kleinen Tochter zu begegnen.
Frustriert beschloss ich, mein letztes Geld in ein Flugticket nach Moskau zu investieren, wo ich meinem Vater einen Besuch abstatten wollte. Seit ich vor fast sechs Monaten aus Afrika zurückgekommen war, hatte ich abgesehen von einem Brief keinen Kontakt mehr zu ihm, und er fehlte mir sehr. Von ihm hatte ich meinen Wagemut geerbt, er hatte mir immer vorgelebt, dass alles möglich ist, wenn man es will. Mein Vater war ein Mensch, der jeden Tag intensiv erlebte und mit seiner Spontaneität andere Menschen an den Rand der Verzweiflung trieb. Er machte, was er wollte, und erreichte tatsächlich alles, wenn nicht mit Humor, dann mit seinem Charme. Er hatte sein Leben immer so gelebt, ob in Armut, Reichtum, Einsamkeit oder in vier Ehen mit neun Kindern. Oh, wie sehnte ich mich danach, in seine wunderschönen, spöttischen grünen Augen zu sehen, in sein strenges, dunkles Gesicht mit dem südamerikanischen Flair.
Zuvor hatte ich noch ein Vorstellungsgespräch. Zwei langweilige Typen in grauen Anzügen hielten mich für überqualifiziert und zögerten, mir eine Stelle anzubieten, aber ich konnte sie überzeugen, dass sie genau das Richtige für mich war. Bei allem Kummer hatte ich mein verführerisches Lächeln noch nicht verlernt. Und so erhielt auch ich, ganz der Vater, was ich mir wünschte.
Mit einem riesigen Sonnenblumenstrauß und einer Flasche Schampus tauchte ich bei Mami auf, um mit ihr meinen Erfolg zu feiern. Dünn war sie geworden, zart und zerbrechlich. Ich gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Der vertraute Geruch nach Bratwurst und Zigaretten in ihrer behaglichen Küche brachte etwas Verlässliches in mein unstetes Zigeunerleben. Das tat mir unendlich gut, und dankbar lächelte ich Mami zu.
»Ich habe einen Job.«
»Na, siehst du, meine Liebe, es geht wieder aufwärts! Du bist jung und musst weiterkommen!«
Wir stießen an, und dann umarmte ich sie zärtlich. Tränen liefen mir über die Wangen, während wir uns schweigend umschlungen hielten. Sie schaukelte mich sanft hin und her und gab mir den Trost, den nur eine Mutter geben kann.
Dabei brauchte sie ihn selbst, denn sie war, obwohl sie dies nicht zeigte, sehr krank. Sie hatte Darmkrebs, und die breitflächigen, lilafarbenen Flecken an den Beinen waren Raucherbeinsymptome. Trotzdem qualmte sie wie ein Schlot und brachte mich damit zur Verzweiflung. Immer wieder ermahnte ich sie, damit aufzuhören und mehr zu essen, natürlich ohne Erfolg.
Während wir gemütlich beisammensaßen, rief mein Bruder Thomas an. Er wohnte im Ruhrgebiet und ich sah ihn nicht oft. Freudig überrascht erfuhr ich, dass er in München war, ebenso wie mein in Hamburg lebender Bruder. Beide Brüder gemeinsam unterwegs, und auch noch zusammen in München, war sonderbar. Ja, sonderbar. Hätte ich gemusst, mit welcher Botschaft sie wenig später in Mamis Wohnung auftauchten, wäre ich ihnen nicht so froh entgegengelaufen. Beim Anblick ihrer bedrückten Gesichter erstarb mein Lachen.
»Du musst stark sein, Schwesterherz. Manchmal kommt alles auf einmal!«, sagte Thomas leise und mit Tränen in den Augen, während er mich in seinen Armen festhielt.
Ich wollte nichts hören - und wusste es doch schon, bevor er es mir sagte: Vater war gestorben.
Hörte das Leid nie mehr auf? Wie viel konnte ein Mensch ertragen, und woran ging er zugrunde, wenn er es nicht mehr schaffte? In der folgenden Zeit erlebte ich meinen Schmerz in immer neuen Wellen, die mich erfassten und in abgrundtiefe Verzweiflung rissen. Warum das ganze Unglück? Hatte es mit mir zu tun, dass meine Liebsten mich für immer verließen? Was haftete mir an, dass der Tod diejenigen traf, die mir am nächsten waren? Ständig quälten mich Fragen. Was wäre gewesen, wenn …? Ich war tief in eine Innenwelt abgetaucht und nahm wenig wahr von dem, was um mich herum passierte.
Als ich eines Tages die kräftige Oktobersonne auf mir spürte, erwachte ich zu neuem Leben. Kraft stieg in mir auf und die Gier, aus dem Unglück emporzutauchen. Beschwörend drückte ich Ngonga an mich und gab ihm einen Kuss auf die Nase. »Du weißt, was zu tun ist, mon cher fétiche. Aide-moi!«
Ich reinigte die Wohnung, und dann nahm ich ein Bad, um den Reinigungsprozess an mir fortzusetzen. Dabei stiegen mir Erinnerungen an meine Kindheit, an meinen Vater und seine Beerdigung empor, die ich erstmals mit Wehmut ertragen konnte. Die Pastorin hatte eine wunderbare Rede unter einer hellgrün zitternden Birke gehalten, und beim letzten Amen flog laut trällernd eine Amsel aus den Zweigen in die untergehende Abendsonne. Ich war nach wie vor fest davon überzeugt, dass sie die Seele meines Vaters stahl, als diese auf dem Weg in den ewigen Frieden war, und mit ihr davonflog. So würde mein geliebter Vater in meiner Nähe bleiben, Amseln gab es schließlich überall, und ich würde ihn eines Tages Wiedersehen. Nicht als Schatten der Verstorbenen wie bei Sartre … er würde mit seinem Charisma und seiner Unverfrorenheit in mir weiterleben! Das hatte ich ihm in jenem Augenblick versprochen.
Mein rituelles Reinigungsbad war der erste wichtige Schritt in ein neues Leben. Als ich in den Spiegel sah, nahm ich Anzeichen meiner früheren Schönheit wahr. Für wen aber wollte ich schon schön sein, wenn nicht für Tahim, meine große Liebe in Afrika, in Bangui? Eine neue konnte es nach dieser nicht geben, nicht in dieser Intensität und Leidenschaft, und etwas anderes wollte ich nicht. Mein Blick glitt an meinem Körper hinunter, der sich nach einer zärtlichen Umarmung und heftiger Liebe sehnte, fiel automatisch auf meinen Bauch, der wieder straff und flach war, und schon trieb es mir die Tränen in die Augen. Würde ich denn nie vergessen können? Tahim, Afrika, Maria, Vater! Verluste, die mir so wehtaten, dass ich jede Sekunde hätte schreien können … Ich musste da durch, irgendwie …

Vier Stadtmusikanten aus Afrika

Zeppelinstraße hieß meine neue Heimat, wo ich ein schönes Appartement mit Terrasse und Blick über die glitzernde Isar am Deutschen Museum gefunden hatte. »Yeahhhh!«, rief ich Ngonga zu und stellte ihn auf das Fensterbrett, damit er den schönen Ausblick aus unserer Wohnung genießen konnte.
»Yippiehhh!«, schrie ich ihm noch einmal zu, damit er es auch wirklich hörte, bei so einem Holztier wusste man schließlich nie. Ganz offensichtlich hatte er bei unserer letzten Wohnungsbesichtigung als Glücksbringer ganze Arbeit geleistet. Und nicht nur als Wohnungsbeschaffer. Denn neuerdings gab es einen Mann in meinem Leben, Veit, wenn auch nur als Internetbekanntschaft.
Inzwischen waren auch meine fünf riesigen Überseekisten von der Zentralafrikanischen Republik nach Deutschland gelangt, und ich wühlte darin nach afrikanischen Kleinodien. Voll wehmütiger Freude umgab ich mich mit exotischen Düften. Tausend Erinnerungen stiegen in mir auf, als ich Kiste um Kiste begutachtete.
So erhielt Ngonga einige Gefährten: Elefant Duli, aus einem großen Stück Sapelliholz handgeschnitzt; Ngúâ, das knuffig-eckige Waldschwein aus dem Lobaye-Gebiet, und schließlich noch Línzí, Hüterin des Schatzes und des Hauses, die kleine bunte Tonschlange. Diese vier afrikanischen Mitglieder unserer Reisegemeinde, unzertrennlich wie die Bremer Stadtmusikanten, trugen Pygmäennamen. Meine kleinen Pygmäenfreunde hatten sie mir verraten, und ich hatte sie nicht vergessen. Nun standen die Tiere auf einem Münchner Fensterbrett und starrten gebannt hinaus. Was würden sie hier wohl erleben?
Mehr wollte ich aus meinen Kisten nicht auspacken, ich war noch nicht bereit, allzu viel Afrika und damit schmerzende Erinnerungen zuzulassen. Lediglich den schönen Stoff in den warmen Farben der Savanne zog ich heraus. Der passte wunderbar auf mein neues Bett, das ich mir in Einzelteilen hatte liefern lassen und mühsam zusammengebaut hatte. Und dann erlaubte ich noch dem kleinen Intarsientisch, den ich in Bangui selbst gebaut hatte, mitsamt den dazugehörigen Bischofsstühlen, meinem Zimmer eine exotische Behaglichkeit zu verleihen.
Mein zuverlässiger Freund Olli brachte mir weitere Möbel und Geschirr. »Damit du wenigstens das Nötigste hast und mein Keller endlich leer wird!«
Auch als Endfünfziger sah er fantastisch aus und strahlte eine Kombination aus südländischem Charme und bayrischer Ruhe aus. Ich kannte alle seine Wehs und Achs, das letzte namens Hildegun, und er kannte alle meine Höhen und Tiefen.
»Da in der Tüte sind ein paar Scheiben Lachs, Baguette und eine Flasche Taittinger, damit deine neue Wohnung stilvoll eingeweiht wird!« Sein Lächeln wurde noch breiter. »Besteck, Servietten und Klopapier sind natürlich auch dabei. An solche gewöhnlichen Dinge hast du sicherlich nicht gedacht …«
Ich umarmte Olli liebevoll. »Du bist ein echter Schatz. Ich vergess dir das nie! Ohne deine Wohnung wäre ich noch verlorener gewesen, als ich schon war. Komm, lass uns feiern.«
Schon knallte der Korken einer gut geschüttelten Champagnerflasche auf dem Balkon, und es schäumte wild über Gläser, Balustrade und Bürgersteig. »Auf das, was wir lieben!«
Mir wurden wieder die Augen feucht. Auf das, was wir lieben … Ich hatte es nicht in der Gewalt. Die Trauer sprang mich an wie ein hungriger Hund. Olli nahm mich in die Arme und drückte mich stumm an sich. Er hielt mich lange fest und verabschiedete sich erst von mir, als es mir wieder besser ging.
Ich holte Ngonga von der Fensterbank. Gemeinsam sahen wir auf das gegenüberliegende, geheimnisvoll glitzernde Wasser der Isar und leerten den restlichen Taittinger. Wie aus einer anderen Welt schrillte das Telefon.
»Ja, hallo?«, brüllte ich erschrocken ins falsche Ende.
Veit aus der Schweiz war am Telefon, meine Internetbekanntschaft, mit der ich wunderbare Mails ausgetauscht hatte. Wir hatten die gleichen Gedanken, Sehnsüchte und Wünsche, präzise analysiert, in treffende Worte gefasst, teilweise sogar in Gedichte … Seine Briefe waren mir unter die Haut gegangen, und ich dachte immer mehr an ihn als Mann, soweit das möglich war bei meiner Sehnsucht nach Tahim. Begierig nahm ich seine tiefe, warme Stimme in schweizerischem Singsang auf, denn wir hörten uns zum ersten Mal.
»Du hast eine wunderbare Stimme, ganz mädchenhaft und trotzdem sehr aufregend, Julia!« Das tat mir unendlich gut, und ich musste lächeln.
»Du gefällst mir auch, schön, dass wir uns endlich mal hören. Wo bist du jetzt?«
»Noch in Idaho. Aber ich komme demnächst nach Europa, liebe Julia. Wollen wir uns nicht treffen, was meinst du?«
Eine tiefe Freude erfasste mich. Konnte es möglich sein, dass ein anderer Mann als Tahim mich interessierte? »Gute Idee! Ich bin gespannt auf dich, Veit, in Fleisch und Blut.«
Mehr fiel mir nicht ein. Ich hätte ihm noch vieles sagen wollen, aber am Telefon war das schwieriger als per Mail. Übers Internet konnte man sehr offen seine persönlichsten Gedanken mitteilen und trotzdem in sicherer Anonymität bleiben. Außerdem war mir plötzlich klar, dass ich doch nur einen liebte und ewig lieben würde. Großer Gott, armer Veit!
»Ich möchte dich so gern bald kennenlernen! Falls das auf Gegenseitigkeit beruht, fliege ich über München, und dann sehen wir weiter, okay?«
Leiser Aufruhr erhob sich in mir. Es war schön, dass sich jemand wieder ernsthaft für mich interessierte, wo ich mich doch so unattraktiv und überflüssig fühlte. Und dieser Mensch übernahm Entscheidungen. Das war mir völlig fremd geworden.
»Gut, Veit, ich freue mich sehr! Es wird echt spannend werden!«
Ein tiefes Lachen am anderen Ende des Hörers und des Großen Teichs wärmte mein Herz. »Das kannst du laut sagen, liebe Julia.«

***
Hier endet die Leseprobe.

***

Copyright der E-Book-Ausgabe © 2012 bei hey! publishing, München
Originalausgabe © 2005 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

ISBN 978-3-942822-03-9

http://www.heypublishing.com

Ende der Leseprobe aus 331 Seiten  - nach oben

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Autor: Cornelia Canady

Cornelia Canady

Cornelia Canady, geboren 1942 in Berlin, war Cutterin und Naturfilmexpertin am Max-Planck-Institut für Verhaltensforschung, bevor sie für über zehn Jahre in die Zentralafrikanische Republik übersiedelte. Dort engagierte sie sich für die Erhaltung des Urwaldes, der dem letzten traditionell lebenden Pygmäenstamm Lebensraum bietet. Cornelia Canady beschreibt ihr abenteuerliches Leben in der fremden Kultur in ihrer Biographie "Die Gottestänzerin" sowie in den Romanen "Tränen am Ouibangui" und "Ruf des Abendwindes". Heute lebt die Autorin auf Teneriffa – doch wie ihre Heldinnen zieht es auch sie immer wieder nach Afrika zurück.
Foto: (c) Privat
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Leseprobe aus  331  Seiten

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